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Ein rachesüchtiger Ex-Polizist und ein Kartellkrieg. Die Gegend um El Paso war noch nie so gefährlich wie jetzt! Ein ehemaliger Polizist wurde ermordet. Normalerweise war dies kein Fall zur Sorge. Aber eine Notiz mit den Initialen ›JF‹ lässt das Ermittlerteam rund um Soldatenlegende Connor O´Bryan aufhorchen. Vor zwanzig Jahren rastete ein Polizist des EPPDs bei einem Banküberfall aus und brachte 16 Zivilisten um. Aufgrund der fehlenden Rückendeckung drehte er durch und täuschte seinen Tod vor. Sein Name ist Jerry Frink. Wäre das nicht schon genug, spricht alles dafür, dass Jerry Hilfe von Söldnern erhält. Wäre das nicht genug, wird das mexikanische Drogenkartell ›Outlaws‹ immer aktiver. Daneben treibt der berüchtigtste Auftragsmörder der Welt sein Unwesen in der Stadt. Connor und sein Team wissen, dass sie Hilfe brauchen, um mit allem fertig zu werden. Aber dann wird seine Frau in den Fall involviert. Der action- und spannungsgeladene Start der Doom-Reihe rund um Connor und seinen kleinen Bruder Michael O´Bryan!
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Seitenzahl: 378
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Prolog
El Paso, 2005
Bank of America Financial Center, El Paso
El Paso County Court House, einen Monat später
Olive Avenue, El Paso, drei Monate später
1. Kapitel
North Hills East, El Paso, 20 Jahre später
El Paso Police Department
Northwest El Paso
2. Kapitel
Chaparral
New Mexico
3. Kapitel
El Paso Police Department
4. Kapitel
Chaparral
Puerto Palomas de Villa, Mexiko
5. Kapitel
Eastview, El Paso
6. Kapitel
The Shard, London
7. Kapitel
El Paso Police Department
8. Kapitel
Las Palmas Medical Center, El Paso
Sierra Blanca
9. Kapitel
Fort Bliss
10. Kapitel
El Paso Police Department
11. Kapitel
The Shard, London
12. Kapitel
Agua Prieta
13. Kapitel
El Paso Police Department
14. Kapitel
Montana Avenue
15. Kapitel
El Paso Police Department
16. Kapitel
North Hills East, El Paso
The Shard, London
17. Kapitel
El Paso Police Department
18. Kapitel
El Dorado West, El Paso
El Paso Police Department
19. Kapitel
London
Downtown El Paso, El Paso
20. Kapitel
FBI, El Paso
21. Kapitel
Tucson, Houghton
22. Kapitel
El Paso Police Department
Santarém, Brasilien, 2012
El Paso Police Department, heute
Novo Tex Mayoreo Zentrale, El Paso
El Paso Police Department
23. Kapitel
McNary
24. Kapitel
El Paso
FBI, El Paso
25. Kapitel
McNary
26. Kapitel
London
Fortezza del Capo, London
27. Kapitel
North Hills East, El Paso
El Paso Police Department
28. Kapitel
London
29. Kapitel
Soho, London
30. Kapitel
London, A1011
31. Kapitel
Perryton, Texas
32. Kapitel
New Mexico
33. Kapitel
Miami City Cemetery
34. Kapitel
Miami International Airport
35. Kapitel
Vallvidrera, Barcelona
Calle de Còrsega, Barcelona
Sant Cugat del Vallès
36. Kapitel
Lloret de Mar
37. Kapitel
Girona
38. Kapitel
El Paso Police Department
39. Kapitel
Chaparral
Ciudad Juárez, Río Bravo
40. Kapitel
Southview, El Paso
41. Kapitel
Brooklyn, New York City
43. Kapitel
The Shard, London
The Ivy, London
44. Kapitel
Rio de Janeiro
45. Kapitel
The Shard, London
Bennelong, Sydney
46. Kapitel
Chamizal, Ciudad Juárez
Chamizal National Memorial, El Paso
47. Kapitel
The NCO Leadership Center of Excellence, Fort Bliss
48. Kapitel
New Mexico
49. Kapitel
San Carlos, Mexico
50. Kapitel
Fort Bliss, El Paso
Aztec Cave, Franklin Mountains State Park
51. Kapitel
Fortezza del Capo, London
Epilog
Dresden
Erfurt
Impressum
›Outlaws of Doom‹ ist nicht nur der chronologische Start der Geschichte um Connor und Michael, sondern auch ein Neuanfang. Ich habe über die Zeit festgestellt, dass ›Operation Doom‹ ein Buch ist, welches meinen eigenen Anforderungen nicht mehr entspricht.
Die negativen Rezensionen konnte ich vollkommen nachvollziehen und nahm sie mir zu Herzen. Mit dem Erscheinen von ›Outlaws of Doom‹, verschwindet ›Operation Doom‹ aus allen Shops und kommt komplett umgeschrieben wieder. Ich hoffe, dass es Ihnen zusagen wird.
Aber wo ich mich schon an Sie wende, werter Leser oder werte Leserin, spreche ich eine Warnung aus: In diesem Buch wird exzessive Gewalt dargestellt.
Es werden Taten dargestellt, die moralisch und ethisch in keiner Weise zu vertreten sind.
Kenner der Szene werden sicherlich Fehler in diesem Werk vorfinden. Diese sind absichtlich eingebaut, um jeglichen feindlich gesinnten Lesern kein Handbuch einer erfolgreichen Infiltration an die Hand zu geben.
In der Szene, welche in Dresden spielt, habe ich mir die künstlerische Freiheit herausgenommen und die Carolabrücke, welche letztes Jahr einstürzte, weiterhin erhalten.
Jerry Frink und sein Partner, Luke Butler, fuhren in einem Ford Crown Vic durch den Stadtteil San Juan. Eigentlich war der Crown Vic nichts Besonderes, bis auf die Lackierung des El Paso Police Departments, welche die Karosserie verzierte. Luke ließ den Wagen kontrolliert und geschmeidig über die Tampa Avenue rollen. Die linke Hand am Lenkrad, den Ellenbogen an der Tür abgestützt. Mit der rechten kratzte er sich im Gesicht. Vor zwei Monaten kam er auf die Idee, sich einen Bart stehen lassen zu wollen. Das ging nicht gut aus. Luke mit Bart sah ungefähr so falsch aus, wie ein Hund mit Anzug.
Da er es selber eingesehen hatte, rasierte er sich kurzerhand. Wie sein Gesicht in der Uniform jucken musste, wollte sich Jerry gar nicht vorstellen. Die Uniformen des EPD war einheitlich und unbequem zugleich. Viel zu enge, hellblaue Hosen mit schwarzen Streifen an der Außenseite und einem schwarzen Oberteil, welches einen beinahe erwürgte. Vor allem jetzt im Sommer war es extrem heiß. Das Thermometer kletterte auf 35 Grad. Um nicht einen Hitzeschlag im Wagen zu bekommen, ließen sie daher die Fenster offen.
Jerry schaute sich auf der Straße um, sah aber nur Wohnhäuser, die auf dem trockenen Boden der Stadt errichtet waren. Am Ende der Straße befand sich das Industriegelände von Praxair Inc. Die Gebiete des Unternehmens waren breit gefächert und gingen von Flugzeugwartung bis hin zur Ausrüstung. Hier in El Paso wurde aber nichts dergleichen produziert. Hier stellte das Unternehmen Industriegase wie Wasserstoff her. Auf der rechten Seite tauchten zwei weiße Silos mit den Aufschriften ›4121‹ und ›4124‹ auf. Gerade als Luke den Blinker setzte, knackte es im Funkgerät, welches am Armaturenbrett befestigt war.
»Unit 6-Bravo-4, hier Unit 1-Alpha-1.«
Jerry starrte Luke fragend an, der ihn mit dem gleichen Blick bedachte. Dann griff Jerry mit seiner großen Hand nach dem Funkgerät an seiner Uniform.
»Unit 6-Bravo-4 hört.«
»Wir haben einen 211 im Bank of America Financial Center in der North Mesa Street.«
»Verstanden. Wir kommen sofort hin!«
Jerry blickte nur kurz zu Luke. Dieser schaltete die Sirene an einem Schalter an und trat das Gaspedal durch.
Das Financial Center war ein beiger Kastenbau, welcher von schwarzen Streifen überzogen wurde. Ganz oben stand in blauen Lettern ›Bank of America‹. Daneben prangte das Logo. Ein Viereck in Streifen und Abschnitte geteilt, welches auf einer Ecke stand. Vier der Streifen waren rot, zwei Blau. Die Blauen zeigten zur Schrift. Unter den schwarzen Streifen an der Fassade war die gleiche Aufschrift inklusive Logo zu lesen, nur etwas kleiner. Darunter waren vier große Fenster. In zweien war normalerweise die amerikanische Flagge zu sehen. Derzeit wurde sie jedoch von den heruntergelassenen Rollos verdeckt.
Luke stellte den Wagen an der Kreuzung der East Main Street-North Mesa Street am San Jacinto Plaza ab. Danach stiegen sie aus. Während es bei Luke geschmeidig und kinderleicht aussah, wirkte es bei Jerry eher wie bei einem unbeweglichen Roboter. Der Geruch vom verbrannten Gummi hing in der Luft.
Vor sich sahen sie zwei schwarze Lenco BearCats stehen. Die gepanzerten Sonderfahrzeuge des SWATs. Um die Fahrzeuge herum standen viele SWAT-Beamte in den taktischen, schwarzen Uniformen mit der knallgelben ›SWAT‹-Aufschrift. Um die Schultern hatten sie M4-Karabiner geschlungen. Luke und Jerry gingen zu einem SWAT-Beamter, welcher sich gerade mit ein paar Polizisten unterhielt.
»Wie viele Geiseln?«, fragte einer der Polizisten.
Jerry kannte diese Stimme. Sie gehörte seinem geschätzten Kollegen Micah.
»Die genaue Zahl wissen wir nicht«, antwortete der bärtige SWAT. »Allerdings gehen wir von 30 bis 40 aus.«
Jerry trat mit Luke zu Micah. »Klingt ganz schön ernst«, meinte er schlicht.
Micah drehte sich um und lächelte beide an. »Luke, Jerry, schön, dass ihr auch kommen konntet!«
»Ach was. Luke hat es genossen, den Crown Vic mal an seine Grenzen zu bringen«, witzelte Jerry nach der Fist Bump mit Micah.
»Ja, aber die Reifen sind im Arsch«, entgegnete Luke.
»Michael, regle das«, stupste Micah seinen Nebenmann an.
Dieser zuckte mit den Schultern. »Willkommen bei der Polizei. Halbwegs gute Wagen mit scheiß Reifen. Ist überall auf der Welt so.«
Michael war neben Jerry der größte und stämmigste. Ein ehemaliger Marine, der zur Polizei kam, aus Langeweile. Eine Narbe, die über seiner linken Wange verlief, bewies den Einsatz, den er für das Land erbracht hatte. Größtenteils wurde diese zwar von seinem Dreitagebart verdeckt, aber manchmal schimmerte das erhabene Gewebe aufgrund des Sonnenlichts hindurch.
Luke hob abwehrend die Hände. »Hey, ich habe nichts gefordert. Nur die Fakten ausgesprochen.«
»Apropos Fakten«, wandte sich Michael an den SWAT. »Sind die Verdächtigen bewaffnet?«
Der SWAT nickte. »Jo. AR-15s und Colt 1911s. Zumindest nach den Kamerabildern.«
»Körperschutz?«
»Negativ.«
Im nächsten Moment rannte eine Truppe von SWATs mit schallgedämpften HK-MP5-Maschinenpistolen an ihnen vorbei. Sie bewegten sich zur Kreuzung.
»Wo wollen die hin?«, fragte Jerry.
»Hinterausgang beim The Cortez Annex Parkhaus. Wir schätzen, dass die Verdächtigen darüber versuchen werden abzuhauen.«
Jerry nickte nur und blickte zu den anderen SWATs, welche vor der Bank in Stellung gingen. Die M4s hatten sie auf die Fenster gerichtet.
»Wir auch?«, fragte Luke.
Der Blick des SWAT erhellte sich und er verschwand bei einem BearCat. Er kam wieder mit zwei Kevlarwesten. Diese zierte ebenfalls die Aufschrift ›SWAT‹.
»Anziehen.«
Jerry und Luke zogen sich die Westen über den Kopf und schlossen die Klettverschlüsse an den Seiten.
»Könnt ihr mit Sturmgewehren umgehen?«, fragte der Beamte.
Beide nickten.
Der SWAT pfiff und im nächsten Moment eilten zwei weitere SWATs herbei und gaben Jerry sowie Luke jeweils ein M4. Auf den MIL-STD-1930-Schienen waren holographisches Visiere montiert, welche das Zielen selbst über größere Entfernungen erheblich vereinfachten.
»Geht nach links«, deutete der SWAT mit dem Kopf in die Richtung.
Jerry und Luke nickten erneut und bewegten sich in geduckter Haltung zu den SWATs. Sie gingen in Position, stützen sie sich aufs rechte Knie und visierten die Fenster an.
»Frequenz 1244.46«, sagte ein SWAT.
Jerry und Luke stellten das Motorola-Funkgerät auf die Frequenz und hörten im nächsten Moment die Stimme des SWATs, welcher ihnen gerade noch die M4s besorgt hatte.
»An alle Einheiten. Geschossen wird erst, wenn ich die Freigabe erteile. Wenn das Team Bravo meldet, dass sie die Verdächtigen gefasst haben, wird der Zugriff eingeleitet. Over.«
Alle SWATs bestätigten die Anweisung mit dem Ein- und Ausschalten ihres Mikrofons. Dann sahen sie Bewegungen bei den Rollos. Kurze Zeit später traten sechs vermummte Menschen davor und zeigten den Polizisten den Mittelfinger.
»Nicht schießen. Ich wiederhole, nicht schießen«, befahl der SWAT.
Jerry brachte dennoch die erste Person, einen kleinen, dicklichen Mann, in den Kreis seines Visieres. Er drückte den Sicherungshebel der M4 von ›Safe‹ auf ›Auto‹.
»Ganz ruhig, Kollege«, flüsterte der SWAT neben ihm.
Jerry nickte nur, sagte aber nichts. Er brachte den roten Punkt, der im Zentrum des Kreises war, auf die Stirn des Mannes.
»An alle Einheiten. Weiterhin keine Schussfreigabe. Personen haben weder Waffen bei sich, noch sind sie sicher als Verdächtige identifiziert. Team Bravo, wie ist die Lage?«
»Lage ruhig«, erklang eine tiefe Stimme in Jerrys Funkgerät.
Während die Beamten um die Schussfreigabe bangten, machten die Personen weiterhin obszöne Gesten. Es war erkennbar, dass die Bank abgedunkelt war. Mehr konnte Jerry nicht erkennen. Er hob kurz das Auge vom Visier und sondierte das Schussfeld. Ein Baum durchschnitt das große Fenster. Ein Problem, da eine der Personen dahinter stand. Allerdings war der Stamm des Baumes sehr schmal, demzufolge würde er nicht wirklich ein Hindernis darstellen. Er schielte nach links zum großen Gebäude der Sunflower Bank und fragte sich, warum sie nicht dort eingebrochen waren. Höchstwahrscheinlich, weil die Bank of America berühmter und angesehener war. Millionen von Dollar waren dort zu holen. Angesichts einer 10-jährigen Haftstrafe, eindeutig die Mühe und das Risiko wert.
»Das sind die Verdächtigen. Du kannst mir doch nichts erzählen«, zischte Jerry durch die zusammengebissenen Zähne.
Eine behandschuhte Hand, legte sich auf seine rechte Schulter. Er wandte sich erneut vom Visier ab und dem SWAT zu.
»Entspann dich, Mann. Du siehst doch, dass wir die Leute im Blick haben. Wenn sie es wirklich sind, werden wir keine Möglichkeit verpassen. Außerdem können wir Bravo reinschicken. Bringen dich etwa die Gesten auf die Palme?«
Jerry nickte. »Ja. Peinlich sowas, wirklich.«
»Was denkst du, was wir schon alles erlebt haben? Es gibt deutlich schlimmeres. Lass dich davon nicht provozieren. Wenn sie denken, dass sie es machen müssen, dann lass sie es machen.«
Die Stimme des SWAT klang sanft und ruhig. Genauso wie seine Augen. Ein erfahrener Beamter.
»Wie heißt du?«, fragte der SWAT.
»Jerry.«
»Gut, Jerry. Ich bin Mason.«
»Hi, Mason.«
»Hör mir mal zu, Jerry. Wenn wir vielleicht schießen müssen, und ich glaube nicht, dass das der Fall sein wird, würden die Kugeln die Leute am Fenster durchschlagen und auf die Geiseln hinter ihnen zusteuern. Also versuch, möglichst gezielt zu schießen. Sonst gehen eine Menge CIVCAS auf dein Konto.«
»CIVCAS?«
»Die Abkürzung für ›Civilian casualty‹. Die Tötung eines Zivilisten.«
Jerry nickte. »Ich versuche, das zu verhindern.«
Mason nickte Jerry zu und legte sein Auge wieder ans Visier. Jerry tat es ihm gleich. Die Personen fuhren ungehindert mit den Gesten fort.
»Identifikation gescheitert. Keine Schussfreigabe. Ich wiederhole, keine Schussfreigabe!«
Die Wut stieg immer weiter in Jerry auf und die nächste Geste brachte das Fass zum Überlaufen. Ein Mann zeigte den Mittelfinger in seine Richtung.
»Scheiß drauf«, raunte er und drückte den Match-Grade-Abzug durch.
Das Stakkato des Automatikfeuers hallte über die gesamte Straße und war noch im Umkreis von einem Kilometer zu hören. Die M4 spie 5,56mm-Hohlspitzgeschosse mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1200 Metern pro Sekunde. Diese zerbarsten die Fensterscheibe und zerrissen die Körper der Personen. Jerry schoss das ganze Magazin leer. 30 Schuss. Dann wurde er von rechts zu Boden gebracht, entwaffnet und in den Armlock – umgangssprachlich ›Polizeigriff‹ genannt – genommen.
Die Folgen von Jerrys Tat waren erst Wochen später bekannt geworden. Neben den sechs Personen, die nicht mal die Verdächtigen gewesen waren, hatte er zehn weitere Zivilisten umgebracht und zwanzig verletzt. Nur sechs der 42 Geiseln kamen ohne körperliche Verletzungen davon. Ein paar Minuten später geriet Team Bravo in einen Schusswechsel mit den Verdächtigen. Dabei verloren zwei Beamte und acht unbeteiligte Zivilsten ihr Leben. Die Verdächtigen wurden allesamt von Hohlspitzgeschossen niedergestreckt.
Der Prozess der 16-fachen fahrlässigen Tötung und 20-fachen Körperverletzung gegen Jerry wurde einen Monat später am County Court House, dem Bundesgericht in El Paso, eröffnet. Jeder einzelne Beamte sagte aus. Und niemand stellte sich auf Jerrys Seite. Nicht mal Luke, Micah oder Michael. Der Einzige, der Jerry verteidigte, war der SWAT Mason.
»In meinen Augen war diese Aktion von Officer Jerry Frink und alle anderen Folgen, nicht gewollt. Ich habe kurz davor noch mit ihm gesprochen und er hat mir anvertraut, dass ihn die Gesten, welche die Personen machten, gelinde gesagt auf die Palme brachten«, lautete seine Aussage.
»Dementsprechend halten Sie seine Reaktion für vertretbar?«, fragte der Anwalt der Staatsanwaltschaft.
Mason schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Allerdings finde ich, dass vieles falsch dargestellt und wiedergegeben wird. Weder hat Officer Frink rumgebrüllt, noch hat er gelacht. Der Festnahme hat er sich ebenfalls nicht entzogen und auch keine Beleidigungen gebrüllt. Er war still.«
»Officer Mitchell, woher haben Sie diese Informationen? Können Sie uns irgendeine glaubhafte Quelle schildern?«
»Ja, mich.«
Der Anwalt schaute verdutzt. »Wie meinen Sie das?«
»Ich war derjenige, der Jerry festgesetzt hatte. Nicht unser Sergeant.«
Nach Masons Verhör reichte dieser eine Klage wegen ›Rufschädigung‹ ein. Genauso wurde Sergeant Miller, der Leiter des SWATs, für seine Lüge vor Gericht vom Dienst vorübergehend suspendiert, bis er eine amtliche Entschuldigung vorgelegt hatte. Zwar hatte die Klage wegen Rufschädigung Erfolg und der Chief of Police Harrell musste sich offiziell bei Jerry entschuldige. Die Entschuldigung hatte aber kein Einfluss auf das Urteil. Jerry wurde schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Aufgrund seiner Dienste durfte er allerdings die letzten Monate in Freiheit in seiner Wohnung in Central El Paso verbringen.
Die beiden Patrol Officer Wilson und Collins fuhren zum Wohnungskomplex an der Olive Avenue, in dem Jerry wohnte. Die Gebäude waren mit Backsteinen gebaut, welche immer noch in ihren Farben erhalten waren. Die beiden Etagen wurden äußerlich mit einer breiten, weißen Linie getrennt. Zu den Häusern führte ein gepflasterter Weg, um den herum nur Schutt war. Wenige Pflanzen, vereinzelt Palmen, waren zu erkennen.
Ursprünglich wurden diese Wohnungen für Familien mit Kindern gebaut, aber auch einzelne Personen, wie Jerry, durften einziehen.
Collins stellte den Wagen auf einen markierten Parkplatz ab und sie gingen zielgerichtet zwischen den Häusern mit der Nummer 26 und der Nummer 30 hindurch. Hinten, rechter Hand, befand sich Jerrys Wohnung.
Ein äußerst vielversprechender Officer, wie Collins fand. Leider nur zu impulsiv. Collins selber hatte diese Impulsivität ebenfalls in seiner Jugend gehabt, aber er war mittlerweile über 40 und schon 23 Jahre beim EPPD. Trotz seiner Verdienste und der Dienstzeit war er immer noch ein Patrol Officer, zu Deutsch ›Streifenpolizist‹. Währenddessen sollte Jerry in naher Zukunft, nach gerade einmal fünf Jahren beim Department, zum Sergeant befördert werden. Harrell hatte sich dafür eine Sondergenehmigung beim Texas Department of Public Safety herangeholt. Diese war nun hinfällig. Jerry könnte nie wieder als Polizist arbeiten, selbst wenn er aus dem Gefängnis entlassen war. Ein verurteilter Verbrecher wurde bei der Polizei schneller abserviert als Collins von den Mädchen auf seiner Highschool.
Er trat zur Tür und klopfte, während Wilson die Hand an den Griff seiner Glock 22 gelegt hatte.
»Jerry Frink, hier ist das EPPD. Öffnen Sie bitte sofort die Tür«, hämmerte Collins gegen das dunkle Holz.
Keine Antwort.
»Jerry, mach auf, Junge!«
Nach dem Jerry auch beim dritten Mal still blieb, ging Collins zwei Schritte zurück und trat die Tür ein. Danach zog er seine Glock. Bevor er die Wohnung betrat, hielt er inne. Jerry stand im Flur. Mit einer Fernbedienung in der rechten Hand. Er grinste hämisch.
»Für den Verrat, ihr Bullenschweine«, drückte er einen roten Knopf.
Die Explosion einer Bombe zerstörte die Wohnung und war so stark, dass sie Collins und Wilson mit in den Tod riss. Eine Einheit von den Forensics fand ihre beiden sowie eine weitere, männliche Leiche. Ob es sich dabei um Jerry handelte oder nicht, war nicht zu erkennen. Sie war einfach zu stark verbrannt.
Er stand im Bad und wusch sich das vernarbte, bärtige Gesicht ab. Da El Paso mitten in der texanischen Wüste lag, war der Staub omnipräsent. Seine Haare und sein Bart sahen daher etwas heller aus, als sie eigentlich waren. Von einem Braun hin zu einem Hellbraun. Stören tat ihn das nicht. Damit kannte er sich schon aus. Über 25 Jahre bei den SEALs mit unzähligen Nahost-Einsätzen. Darunter auch die legendäre ›Operation Neptune Spear‹.
Mittlerweile war er bei den SEALs raus. Mit Ende 40 auch verständlich. Allerdings hatte er auf die Ruhe verzichtet, die er sich eigentlich hätte gönnen können. Entweder ein Bürojob oder Pension. Das waren die üblichen Optionen. Er entschied sich gegen beides und ging zum NYPD. Nach einem Umzug in seine Heimat, Texas, wechselte er zum EPPD. Die Grenzregion stach schon immer aufgrund der allseits brisanten Lage hervor. Außerdem war die BORTAC-Einheit der Border Patrol in Fort Bliss stationiert. Spannende Stadt, dieses El Paso.
Er schaute sich im Spiegel an und inspizierte die lange, wulstige Narbe in seinem Gesicht. Diese führte von der linken Wange über das linke Auge bis zur Mitte seiner Stirn. Ein Granatensplitter. Bei diesem Vorfall wurde das linke Auge vollkommen zerstört und musste durch ein Implantat und eine Schalenprothese ersetzt werden.
Um vielen Menschen diesen vernarbten Anblick zu ersparen, trug er eine Augenklappe. Keine Piratenfantasie eines Kindes oder Teenagers, welcher zu viel ›Fluch der Karibik‹-Filme geschaut hatte, sondern notwendig, um Kinder vor einem Trauma zu bewahren.
Er verließ das Bad und ging zur Kleidung, welche er sich auf dem Bett zurechtgelegt hatte. Eine schwarze Cargohose, ein dunkelblaues Polo-Hemd und eine Winchester Flanell-Jacke. Hinzu kam noch ein Schulterholster, indem er seine Glock 19 unterbringen würde.
Er zog sich an und schlüpfte in seine Danner-Kampfstiefel in Coyote Brown. Wüstenfarben. Passend zu El Paso. Danach stand er auf und ging zur Kommode. Darauf lag eine Resco UDT-Taucheruhr. Diese band er um sein linkes Handgelenk und setzte sich eine Gatorz Magnum auf die Nase.
Eine Sonnenbrille, die er bei den SEALs kennen und lieben gelernt hatte. Er verließ das Schlafzimmer und bewegte sich in die Küche im Erdgeschoss. Am runden Tisch saß schon seine Frau Alice, die er aber immer nur Alli nannte. Eine atemberaubende Schönheit, mit der er seit über 20 Jahren zusammen war. 17 davon als Ehepaar. Dass sie die Liebe seines Lebens war, hielt er für untertrieben. Sie war seine Seelenverwandte. Ein Mensch, der ihn besser verstand als jeder andere. Wegen ihr hatte er schließlich bei den SEALs aufgehört. Sie hielt das alles einfach nicht mehr auf Dauer aus, und er wusste, dass auch er nicht mehr lange so hätte weitermachen können.
»Morgen, Schatz«, drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen und setzte sich. Vor ihm stand ein Teller mit Würstchen, Speck, einem Spiegelei und Pancakes. Ein typisches ›American Breakfast‹, wie es Außenstehende nannten.
»Und?«, durchbrach sie die Stille, während er aß. »Passiert heute etwas Interessantes auf dem Department?«
Connor nickte. Alli kannte das EPPD gut. Sie war vor 20 Jahren Chefin der Forensics. Heute war sie bei einer ortsansässigen Firma als Kundenberaterin angestellt.
Er lehnte sich zurück und schaute ihr in die Augen. »Ja, allerdings. Heute bekommen wir drei Rookies. Eine Frau und zwei Männer.«
»Die schönste Zeit des Jahres«, lächelte sie ihn an.
Er lächelte zurück. »Kommt auf den Rookie drauf an. Bei Tristan war es wirklich eine schöne Zeit.«
Sie nickte. »Und welchen von den dreien bekommst du?«
»Das Mädel«, trank er einen Schluck Kaffee. »Heißt Maria Smith. Muss wohl ’ne ganz Hübsche sein. War mal Cheerleaderin. Hat es aber auch faustig hinter den Ohren.«
»Und Micah?«
Er zuckte mit den Schultern. »Micah und Michael werden sich wahrscheinlich um die beiden Jungs streiten. Kevin Williams und Elias King. Ein Basketball-Jahrtausendtalent. Wollte aber doch zur Polizei.«
»Klingt spannend.«
»Wird es hoffentlich nicht. Für einen Rookie muss sowas die Hölle sein.«
Sie lächelte und nickte.
Nachdem er aufgegessen hatte, schnappte er sich seinen Seesack, warf ihn sich über die rechte Schulter und nahm sich die Schlüssel seines GMC Yukon Denali XL Ultimate. Ein SUV, für den er Jahrzehnte lang gespart hatte. Dafür über 400 PS und 10-Gang-Automatikgetriebe. Er schlenderte zum schwarzen Ungetüm mit dem markanten Kühlergrill. Alli folgte ihm.
»Dann viel Spaß mit deinem Rookie«, umarmte sie ihn.
»Hoffentlich«, lächelte er sie an, küsste sie erneut auf den Mund und stieg ein.
Mit seinem Yukon rauschte er über den Patriot Freeway. Nachdem er die Ausfahrt genommen und ein paar Mal abgebogen war, rollte er schon mit dem SUV auf den Parkplatz. Mit gelben Streifen waren die Stellplätze auf dem rissigen Asphalt markiert.
Vor ihm baute sich der beigefarbene, kantige Bau des Police Departments auf. Vor dem Department hingen drei Flaggen. Die Amerikanische, die Texanische und die von El Paso. Vor dem Department befand sich ein beiger, rechteckiger Klotz, auf welchem in metallenen Lettern ›El Paso Police Headquarters‹ stand. Diesen passierte er und betrat das Department durch eine gläserne Tür. Mit einem Nicken grüßte er die Frau, welche an der Rezeption saß, und lief weiter zur Treppe.
Im dritten Stock angekommen, ging er einen langen Gang mit einem Linoleum-Boden entlang. Dieser fand sein Ende in einer breiten Glastür. Seine Abteilung, welche von außen aus gesehen an der Ecke Piedras Street–Montana Avenue lag. Er trat durch die Tür und betrat kurz danach sein Büro. In Anbetracht einer sehr geheimnisbedachten Architektonik besaß es keine Fenster. Dafür eine gute Klimaanlage und einen Kaffeevollautomaten.
Den Seesack stellte er auf dem Stuhl ab und schaute auf seine Resco-Taucheruhr. 8:36 Uhr. Zügigen Schrittes verließ er sein Büro in Richtung Micahs. Dieser war der Abteilungsleiter und besaß das größte Büro. Als er eintrat, sah er bereits Micah und Michael dastehen. Vor ihnen standen drei Personen. Eine Frau und zwei Männer. Einer der Männer war groß, sehr groß.
»Connor«, begrüßte Michael ihn.
»Entschuldigt für die kleine Verspätung«, begrüßte er beide mit einer brüderlichen Umarmung.
»Hey, kein Ding. Immerhin ist es schwer mit einem Auge einen gigantischen GMC Yukon zu steuern.«
Lächelnd schüttelte Connor den Kopf. »Was denkst du wie schwer das bei der Operation war?«
Mit ›der Operation‹, war die Operation Neptune Spear gemeint. Connor sprach nie gerne offen darüber, da es als Angelegenheit der nationalen Sicherheit zählte.
Micah und Michael lachten.
»Will, sicher meine linke Seite, ich seh’ nichts«, äffte Micah Connors tiefe, raue Stimme nach. Connor stimmte in ihr Lachen mit ein.
Michael und Micah waren Freunde, sehr gute Freunde sogar. Mit ihnen konnte er solche Scherze machen. Lachend wandte er sich an die Rookies.
Er musterte zuerst die beiden Männer. Beide dunkelhäutig, athletisch gebaut und diszipliniert schauend. Die Frau war hingegen weiß, mit blonden Haaren. Auch ihr Körperbau entsprach dem einer Athletin und Connor hatte recht. Sie sah wirklich gut aus. Er ging zum Mann ganz links und hielt ihm die rechte Hand hin.
»Kevin Williams?«, fragte er.
»Ja, Sir«, ergriff Kevin seine Hand.
»Kein Sir, bitte. Einfach nur Connor.«
Verwundert nickte Kevin. Danach wandte Connor sich an Elias.
»Na, mein Großer«, hielt er auch ihm die Hand hin. »NBA wäre wohl zu langweilig für dich gewesen?«
Elias lächelte. »Genau.«
»Du gefällst mir jetzt schon«, klopfte Connor ihm auf die Schulter. »Aber schrumpf mal ’n paar Zentimeter.«
Elias musste lachen. »Ich gebe mir Mühe.«
Danach ging er zu Maria. »Junge Dame«, reichte auch er ihr die Hand. »Ich bin dann wohl dein Ausbilder. Nenne mich einfach Connor und vergiss alles, was du über mich bei Google gelesen hast. Die Hälfte ist wahrscheinlich sowieso erfunden.«
Sie ergriff seine Hand. »Darf ich trotzdem sagen, dass es mir eine Ehre ist?«
Ihre Hand fühlte sich zart und weich an. Nicht so wie Connors Pranke, die rauer war als manches Schleifpapier. Dazu kamen noch etliche Narben.
Connor lächelte. »Wozu damit noch aufhören?«
»Dann ist es mir eine Ehre.«
Mit einem weiteren Lächeln drehte er sich zu Micah und Michael. »Mann, haben wir gute Rookies!«
Er ging gemeinsam mit Maria in sein Büro und zeigte auf den Schreibtisch, der vor seinem stand. Dort hatte er für sie einen Arbeitsplatz einrichten lassen. Sie setzte sich an den Tisch, während er sich die Jacke auszog und über die Garderobe hing.
»Scheiß El Paso Hitze«, murmelte er.
Maria nickte. »Nicht gerade angenehm.«
»Wem sagst du das? Wir haben Glück, dass Harrell uns erlaubt hat die Mäntel, Anzüge und Jeans zu Hause zu lassen. Stell dir mal vor, dass du bei 37 Grad in einem schwarzen Anzug herumrennst.«
»Aber du warst doch schon oft in Wüstengebieten?«
»Ja«, nickte er. »Allerdings hatten wir da die Desert Digital Camo. Nicht so warm wie was schwarzes.«
»Ach, wenn wir schon über die Vergangenheit reden«, fing sie an. »Ich habe mich natürlich etwas über dich schlau gemacht. Du weißt ja. Google und so weiter. Allerdings auch die Website des NYPD.«
»Spielst du jetzt auf Tristan an?«
»Also stimmt es, dass Officer Walker dein allererster Rookie war?«
Connor nickte. »Klar. Guter Kerl. Schreiben und Telefonieren heute noch öfters.«
»Wusstest du, dass er beim Lehrgang zum Nahkampf auf der Academy als Musterbeispiel aufgeführt wird?«
»Jap«, nickte Connor erneut. »War eben mal Kickboxer. Nicht gerade der unfähigste Kämpfer. Überschätze das aber bitte nicht. Wenn wir jemals gegen einen ausgebildeten Kämpfer ranmüssen, lass mich das regeln.«
»Aber bei anderen darf ich auch handgreiflich werden, oder?«
Connor musste lächeln. Sie gefiel ihm. Außerdem hatte sie es wirklich faustig hinter Ohren. Das würde eine verdammt gute Zeit werden. Vielleicht so gut wie die Zeit mit Tristan, wenn nicht sogar besser.
»Klar darfst du das. Aber mach vorsichtig. Wir wollen niemanden verletzen.«
Maria nickte.
Connor hörte wie die Tür aufging und Officer Müller hereinkam. Ein deutsch-amerikaner, der allerdings hier geboren wurde.
»Was ist mein deutscher Kamerad?«, fragte er und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Es gibt eine Leiche«, antwortete Müller.
Abrupt schnellte Connor nach vorne. »Wo?«
»Northwest El Paso. 705 El Pinal Place.«
Connor nickte. »Komm, Maria!«
Er schnappte sich die Schlüssel für den Dodge Durango und stürmte aus dem Büro. Maria folgte ihm.
Der Stadtteil Northwest El Paso grenzte im Nordwesten der Stadt an die Bergkette des Franklin Mountains State Park. Connor fuhr mit dem Durango die Belvidere Street hinauf und sah, wie die Bergkette sich vor ihm erhob. Gigantische, kantige Erhebungen mit einer Höhe von 2.192 Metern und einer Länge von insgesamt 23 Meilen. Das entsprach etwa 37 Kilometern.
Wenn man die Belvidere weiterfuhr, kam man zum Coronado Country Club und dem McKelligon Canyon. Connor bog nach links in den El Pinal Place ein. Die Häuser sahen alle gleich aus. Beige Fassade, rote Ziegel, weiße Garage und vorne ein Fenster.
An den Straßenrändern hatten viele der Bewohner ihre Briefkasten aufgestellt. So auch die des Hauses 705. Ein auf einem Holzbalken befestigter Behälter. Der Riegel war runtergedrückt.
Post ist da, sagte Connor in seinen Gedanken und ging zum Absperrband. Dort standen mehrere uniformierte Beamte.
»Was ist passiert?«, fragte er.
Ein älterer Polizist drehe sich zu ihm um. »Ein Mord.«
»Das ist mir schon klar«, winkte Connor ab. »Ich meine den genauen Tathergang.«
Der Polizist zuckte mit den Schultern. »Darüber weiß ich leider nichts, sorry.«
»Kein Problem«, sagte er und ging am Polizisten vorbei.
Er hob das Band an und ließ zuerst Maria hindurchgehen. Sie gingen zusammen zum Hauseingang. Dort stand ein athletischer Kerl, der gerade mit ein paar Polizisten sprach. Als er Connor bemerkte, beendete er das Gespräch und kam zu ihm.
»Na, geiler erster Tag als Rookie, was?«, schaute er zu Maria.
Die war kurz verdutzt. »Entschuldigen Sie bitte. Wer sind Sie?«
»Oh ja, stimmt«, fiel es ihm ein. Er reichte Maria die Hand. »Ich bin Desmond.«
»Maria«, ergriff sie seine Hand.
»Also zurück zur Frage. Geiler Tag, oder?«
»Je nach dem, wie es sich entwickelt.«
Desmond nickte. »Das Kredo aller Rookies.«
Connor beugte sich zu Maria. »Desmond ist selber noch nicht so lange beim EPPD. Er kam erst vor zwei Jahren über ein Lateral Entry Program zu uns. Davor war er Officer bei der Border Patrol und Agent bei der BORTAC.«
Sie nickte.
»Gut, Desmond. Was gibt’s?«
»Keine guten Nachrichten«, schüttelte Desmond den Kopf.
»Bei einem Mord wundert mich das auch nicht.«
»Nein, diesmal wirklich schlechte Nachrichten. Der Tote ist ein gewisser Milton Fuller. Ehemaliger Polizist des PD.«
»Pensioniert?«
»Exakt«, nickte Desmond. »Er hat zwei tiefe und gefährliche Stichwunden. Eine im Bauch und eine in der Kehle.«
»Irgendwelche Spuren?«
»Keine. Das waren Profis.«
»Wie tief sind die Stichwunden?«
»Das kommt erst bei der Obduktion heraus. Ich schätze die Tiefe jedoch auf ungefähr zehn Zentimeter. En passant konnten wir noch etwas Ungewöhnliches als Beweismittel sicherstellen.«
»Was denn?«
Ein Forensics-Beamter trat zu Desmond und gab ihn einen Beutel. Darin befand sich ein gefalteter Zettel. Er hielt ihn Connor vor die Nase.
»Das hier«, drehte er den Beutel um, damit Connor und Maria die Aufschriften erkannten.
»JF?«
Desmond zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich irgendwelche Initialen. Michael und Micah sind schon auf dem Weg.«
Zehn Minuten später bogen zwei weitere Dodge SUVs in die Straße ein. Micah und Michael kamen mit Elias und Kevin zu ihnen.
»Was ist los, Mann?«, fragte Michael.
Desmond hielt ihm wortlos den Zettel mit den Initialen hin.
»Den haben wir beim Toten gefunden. Officer Milton Fuller.«
Mit aufgerissenen Augen, schnappte sich Michael den Zettel. Er starrte minutenlang drauf.
»Kommt dir die Handschrift nicht bekannt vor?«, reichte er ihn Micah.
»Das ist unmöglich«, flüsterte dieser.
»Was?«, fragte Connor.
»Diese Handschrift ist die gleiche von einem ehemaligen Freund der auch die Initialen ›JF‹ hatte.«
»Und warum ist es unmöglich?«
Micah starrte zu ihm. »Weil er sich vor 20 Jahren selber in die Luft gesprengt hat.«
Er saß auf einem Stuhl und wischte sein Messer ab. Ein Modell der bekannten Marke Half Face Blades. Er saß oberkörperfrei, nur in einer kurzen Cargohose da. Die anderen Männer hielten sich im hinteren Teil des Hauses auf. Darunter auch der Leiter des Einsatzes. Ein ehemaliger Scharfschütze der Marines.
Nachdem er mit dem Messer fertig war, steckte er es zurück in die mit Leder gefütterte Kydexscheide. Danach nahm er die Kimber Desert Warrior TFS vom Tisch und steckte sie sich hinten in den Hosenbund.
TFS bedeutete ›Threaded for Suppression‹. Kurz gesagt: Die Waffe hatte ein Gewinde, auf welches man einen Schalldämpfer anbringen konnte. Im Desert Tan war diese Pistole perfekt an die hiesige Umgebung angepasst und fungierte gut als Notfallplan.
Die restlichen Männer des Teams hatten die gleiche Pistole, aber noch eine weitere Waffe. Ein IK-103 Sturmgewehr von Texas Weapon Systems. Es sollte eine Art verbesserte Kalaschnikow sein. Dazu hatte der Anführer noch ein Blaser R8 Ultimate Scharfschützengewehr mit einem Zielfernrohr vom gleichen Hersteller.
Er betrat den hinteren Raum und sah die restlichen vier Männer. Nach seinem Wissen waren zwei davon beim Militär und zwei beim SWAT gewesen.
»Was is’n, Großer?«, fragte ihn der Leiter. Ein Glatzkopf mit einem Vollbart und einem tätowierten, rechten Arm.
»Was besprecht ihr hier?«, fragte Jerry.
Der Glatzkopf nickte. »Den Einsatz von heute. Du weißt doch. Ging zwar alles glatt, aber wir überprüfen, ob es nicht Stellschrauben gibt, an denen wir drehen müssen.«
Jerry nickte. »Und was gibt es für Stellschrauben?«
Der Glatzkopf winkte ihn zu sich heran. Auf dem Tisch war der Plan der Stadt ausgebreitet. Erst jetzt bemerkte Jerry, dass rechts und links von ihm Waffen an den Wänden hingen. Die Sturmgewehre und das Scharfschützengewehr.
Der Glatzkopf drückte seinen rechten Zeigefinger auf eine rot eingekreiste Stelle. »Das war unser heutiger Einsatzort. Fällt dir was auf?«
»Zu Zentral vielleicht?«
Der Glatzkopf schnippte. »Du hast es erfasst. Wir müssen uns abgelegenere Ziele suchen. Oder wir entführen sie und bringen sie erst dann um. Die dafür nötigen Mittel hätten wir da.«
Jerry nickte. »Dann suchen wir uns mal das nächste Opfer heraus.«
Er griff sich eine dicke, schwarze Mappe und öffnete sie.
Ein Konvoi aus schwarzen Land Rovern kam die Schotterpiste entlang auf das Haus zugefahren. In einem der fünf SUVs saß Austin Butler. Caporegime von Doom und Chef über die USA.
Das Haus, zu dem sie fuhren, gehörte nicht ihm, sondern einem Patrón eines mexikanischen Drogenkartells. Es wurde von einer Mauer geschützt, vor der zwei Sicarios Wache schoben. Sie waren WASR-10-Sturmgewehren bewaffnet und trugen über grauen T-Shirts eine Kampfweste.
Der Konvoi blieb stehen. Zuerst stiegen Austins Leibwächter aus. Ehemalige Deltas, die jemandem sogar das Bein ausreißen würden, wenn er ihm auch nur einen falschen Blick zuwarf. Sie klappten die Schäfte ihrer HK416-Karabiner aus. Einer beobachtete die Sicarios, während der andere Austin die Tür öffnete.
Aufgrund des Wüstenstaubs trugen seine Männer Bandanas und Gatorz-Sonnenbrillen. Von den beiden hinteren Wagen kamen mehrere Männer. Einer trug zwei Seesäcke im Wüstenschema.
Seine Sicherheitsleute stellten sich um Austin herum auf und bewegten sich zügig fort. Der Sand der Wüste knirschte unter den Kampfstiefeln seiner Männer und seinen Lederschuhen. Er konnte erkennen, dass sich auf dem schwarzen Leder eine kleine Staubschicht bildete, welche das tief glänzende Schwarz ausbleichte.
Sie gingen einen gepflasterten Weg entlang zum Haus. Dort öffnete ein Wachmann ihnen die Tür und schloss sie hinter ihnen wieder. Mit seinen beiden Personenschützen und dem Träger der Seesäcke, ging er in die nächste Etage.
Der Patrón erwartete ihn bereits in einem kühlen, dunklen Zimmer. Er trug ein schwarzes Button-down-Hemd mit kurzen Ärmeln und eine blaue Jeans. Mit einem Lächeln deutete er Austin an, dass er auf dem Sofa vor ihm Platz nehmen konnte. Um ihn herum standen weitere Sicarios. Allerdings deutlich unauffälliger bewaffnet. Wahrscheinlich mit kompakten Berettas.
»Señor Butler«, begrüßte ihn der Patrón. »Es ist mir eine Ehre.«
Seine Stimme klang genauso, wie Austin es sich vorgestellt hatte. Eine sanfte, ruhige Stimme mit mexikanischem Akzent.
»Vielen Dank, Patrón Jose Carlos, dass Sie mich empfangen«, verbeugte sich Austin im Sitzen.
Jose Carlos war der Patrón der ›Fuera de la ley‹, was auf Englisch so viel wie ›Outside the law‹ hieß.
Jeder einzelne seiner Männer war bei der Grupo de Operaciones Especiales, kurz GOPES, oder der Fuerzas Especiales, kurz FES, gewesen. Die GOPES war eine Spezialeinheit der mexikanischen Bundespolizei Policía Federal und die FES die Spezialeinheit der Ejército Mexicano, der mexikanischen Armee.
Carlos selber war ein Operator der GOPES gewesen.
»Haben Sie die Gegenstände des Geschäftes dabei?«, lehnte er sich zurück.
Austin schnippte und beide Seesäcke wurden auf den Couchtisch gehievt. Er öffnete die beiden Taschen zu seiner Linken und gab den Blick auf die Ausrüstung frei. Kampfanzüge, Kampfwesten, Kampfstiefel, Helme und NVGs. Die edlen GPNVG-18-Modelle. Diese kombinierten Nacht- mit Infrarotsicht.
Carlos beugte sich vor und begutachtete die Ausrüstung aus der Nähe. Er nickte. Austin nickte zurück und öffnete eine der beiden rechten Taschen. Heraus nahm er einen HK MR223 Karabiner. Die zivile Version des HK416. Er überreichte sie Carlos. Dieser inspizierte sie und überprüfte, wie sie in der Hand lag.
Er nickte erneut und Austin öffnete die letzte Tasche. Als nächstes hielt er eine HK45 Tactical in den Händen. Das Tactical umschrieb einfach nur das Gewinde am Lauf. Carlos nahm die Pistole deutscher Fertigung und untersuchte auch sie.
»Sie halten Ihre Versprechen«, beäugte er weiterhin die Pistole.
Austin nickte. »Nicht nur das, Patrón. Wir haben den Funkkontakt der Border Patrol abgehört und konnten herausfinden, dass heute Nacht eine illegale Schmugglerroute gestürmt werden soll.«
»Wissen Sie wo?«
»Selbstverständlich. Drei Kilometer östlich von Puerto Palomas de Villa.«
»Wo genau?«
»Das wissen wir nicht«, zuckte Austin mit den Achseln. »Aber halten Sie Ihr Satellitentelefon bereit. Wenn ich mehr Informationen habe, rufe ich Sie sofort an.«
»Okay«.
Carlos nickte und ein Sicario mit einem schwarzen Hartschalenkoffer in der Hand trat hervor. »Ihr Geld.«
Austin nahm den Koffer und öffnete ihn. Mehrere Bündel von Dollar-Scheinen lagen darin.
»Vielen Dank, Patrón«, verbeugte er sich erneut.
Sie saßen in einem Konferenzraum zusammen und lasen sich die Akte des ehemaligen Patrol Officers Jerry Frink durch. Vor 20 Jahren soll er bei einem Banküberfall mehrere Zivilisten erschossen und verletzt haben.
Es bestand zwar kein Zweifel an seiner Schuld, aber dennoch streuten seine früheren Kollegen, darunter auch Micah und Michael, Salz in die Wunde. Vor Gericht wandten sie sich von ihm ab und erfanden schlicht die Geschehnisse. Damit kamen sie auch durch, bis Mason Mitchell kam. Der heutige Leiter des SWAT war früher noch ein normaler SWAT-Beamter gewesen und war neben Jerry postiert. Mason schilderte die Geschehnisse wahrheitsgemäß und reichte eine Klage wegen möglicher Rufschädigung ein. Diese wurde genehmigt.
Micah, Michael und weitere Männer wurden für mehrere Monate vom Dienst suspendiert. Der damalige SWAT-Leiter gar gefeuert. Trotz allem wurde Jerry zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nachdem er drei Monate später von zwei Patrol Officers abgeholt werden sollte, sprengte er sich und die beiden Beamten in die Luft. Connor kannte sich selbst bestens mit Sprengstoffen aus und wusste, dass niemand eine solche Explosion überleben konnte. Bis er die Bilder von Jerrys Wohnung sah. Da stimmte was nicht.
»Ich kapier‘s nicht«, verzweifelte Micah. »Niemand kann eine solche Explosion überleben.«
Während Micah und Michael in eine Diskussion gerieten, schwieg Connor und starrte sich weiterhin die Bilder an. Semtex. Eine kleine Menge, da sonst nichts mehr von der Wohnung übriggeblieben wäre. Höchstwahrscheinlich nicht mehr als fünf Gramm. Bei zehn Gramm wäre das Gebäude zerstört worden. Fünf Gramm Semtex. Jerry war mehrere Meter entfernt. Dazu kamen noch die Hauswand. Der hintere Teil der Wohnung hatte nichts abbekommen. Während seine Gedanken verrücktspielten, schrien Micah und Michael sich gegenseitig an.
»Schnauze«, herrschte Connor sie an.
Sofort schwiegen beide.
»Alter«, meinte Michael. »Du schreist ja lauter als meine Drill Sergeant bei den Marines.«
»Weil eure Drill Sergeants Waschlappen sind, und jetzt halts Maul!«
»Weshalb, wenn ich fragen dürfte?«
»Weil ihr beide wohl noch nie mit Semtex zutun hattet.«
»Semtex? Da steht nichts von Semtex!«
»Ja, allerdings steht da was von chemischen Stoffen die gefunden wurden. Darunter N-phenyl-2-naphthalamin. Das ist der Antioxidant bei beiden Semtex-Varianten. Außerdem wurde Styrol-Butadien-Kautschuk gefunden. Das ist der Binder.«
»Ist Semtex nicht hochexplosiv?«
»In größeren Mengen, ab zehn Gramm zum Beispiel, schon. Aber darunter kann man die Folgen mit einer präzisen Platzierung eindämmen. Viele Terroristen benutzten Semtex oft für Anschläge auf unsere Humvees. Auch werden S-Westen damit präpariert, da der Sprengstoff leicht zu formen und standhaft ist. Wir selber haben Semtex meist nur zum Aufsprengen von Türen verwendet. Ab fünf Milligramm fliegt dir die Tür um die Ohren, ebenso der Rahmen.«
»Und wie viel Gramm waren es hier?«
»Wahrscheinlich fünf, definitiv weniger als sieben. Die Beamten standen näher am Sprengstoff als Jerry. Daher war dieser nicht in der Killzone.«
»Aber man hat drei Leichen gefunden.«
»Von denen keine aber über zwei Meter war«, warf Elias ein.
Connor nickte. »Genau. Jerry ist nicht gestorben. Wahrscheinlich wurde er nicht mal verletzt.«
»Wer war aber dann die dritte Leiche?«
Connor zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, ist aber auch nicht so wichtig. Was zählt ist, dass Jerry noch lebt.«
»Außerdem gibt es Berührungspunkte zwischen ihm und Officer Fuller«, warf Elias erneut ein.
Connor wandte sich zu Elias. »Sprich weiter.«
Elias nahm die Akte und blätterte hindurch. Bei einem Bericht hielt er inne.
»Hier« – drückte er seinen rechten Zeigefinger aufs Blatt – »ist ein Bericht verfasst, der die Geschehnisse rund um Officer Jerry Frink und der toten Zivilisten beim Bankraub untersucht. Der federführende Officer ist ein gewisser Milton Fuller. Er sollte alle Zeugenaussagen, Kameraaufnahmen und Aussagen der SWAT-Beamten auswählen und auswerten. Dieser Bericht war die Grundlage für die Entscheidung vor Gericht.«
»Was steht als Fazit?«
»Dass Jerry ein Choleriker und Psychopath ist.«
»Stimmt das?«, wandte sich Connor an Micah.
»Warte«, stand Micah auf. »Ich hole jemanden der das besser beurteilen kann als jeder andere.«
Der Glatzkopf saß auf seiner Pritsche und inspizierte seine Glock 19. Der ehemalige Marine kannte sich mit Waffen aus. Messer, Pistolen, Gewehre jeglicher Art. In allem wurde er beim Marine Corps Martials Arts Program ausgebildet. Bei den Corps nannte man es nur ›MCMAP‹.
In einem olivfarbenen T-Shirt und einer Cargohose in Wüstenkhaki saß er da und wartete auf Jerrys Ideen. Hoffentlich waren sie diesmal brauchbar. Persönlich hatte er zwar nichts gegen den großgewachsenen Landsmann mit dem Muttermal am Kinn. Allerdings war dieser vor 20 Jahren untergetaucht. Demzufolge hatte er auch das Training schleifen lassen. Vier Monate lang bereitete er Jerry auf den Einsatz vor. Zwar war das sein Job, aber eigentlich hatte er damit gerechnet, den ganzen Sommer über in Mexiko zu sein und heiße Latinas zu vögeln.
Ganz nebenbei hatte Jerry keine Ahnung von militärischen Taktiken. Alles schien für ihn ein Fremdwort zu sein. Selbst mit einer Waffe konnte er nicht mal mehr gut umgehen. Zum Glück war das in den vier Monaten behoben wurden. Gerade als er die Glock auf die Kommode neben dem Bett ablegen wollte, klingelte sein Thuraya-Satellitentelefon. Ohne zu zögern ging er ran.
»Boss?«, fragte er in Erwartung, den Don am Apparat zu haben.
»Nein, hier ist Austin du Pissnelke.«
»Fick dich«, entgegnete er seinem früheren Marine-Kollegen.
»Hör mal. Wir haben einen Auftrag für dich.«
»Einen Auftrag?«, er sprang von der Pritsche auf. »Wo?«
»Mexiko. Östlich von der Grenzstadt Puerto Palomas de Villa. Dort will die BORTAC diese Nacht eine Schmugglerroute hopsnehmen.«
»Sprich weiter.«
»Das Kartell Fuera de la ley schickt Männer hin, die die Route schützen sollen. Aber du kennst doch die BORTAC. Die sind besser ausgebildet als die GOPES und FES. Daher brauchen sie dich als Unterstützung.«
Der Marine nickte. »Waffen und Ausrüstung?«
»Bekommst du von denen.«
Die Gemeinde Puerto Palomas de Villa, von vielen nur ›Palomas‹ genannt, beherbergte einen der vielen Grenzübergänge. Von dort aus patrouillierten Agenten der Border Patrol durch die Gegend und befragten Bewohner über mögliche Schmugglerrouten. Natürlich sagte nie jemand was, aber sie hofften auf einen Glückstreffer. Dieser kam von einem ahnungslosen, zugedröhnten Mexikaner, welcher gerade die Grenze übertreten wollte. Die Agenten nahmen ihn fest und befragten ihn. Dort plauderte er die Route aus, welche durch die Chihuahua-Wüste führte.
Ein kleiner, schmaler Bergweg. Da die Schmuggler aber dafür bekannt waren, bewaffnet zu sein, informierte der Agent die Border Patrol Tactical Unit, kurz BORTAC. Die Spezialeinheit der Border Patrol, welche aus erfahrenen Agenten bestand und trainiert wurde wie militärische Spezialeinheiten. Man konnte sie durchaus mit den Green Berets oder den Rangern vergleichen.
Gerade fuhr ein Team dieser Einheit mit zwei schwarzen, gepanzerten Suburbans die New Mexico 9 bis zu einer Biegung nach links entlang. Sie bogen auf den Schotterweg und schlängelten sich durch die Steppe, bis ihr Teamleiter die rechte Hand hob.
»Wir haben die Grenze erreicht«, meinte er. »Die Route befindet sich auf zehn Uhr von unserer Position aus.«
Der Fahrer stellte den Motor ab. Die Agenten trugen schwarze Kampfanzüge. Auf ihren Kampfwesten stand in gelben, großen Buchstaben ›Border Patrol‹. Mit einem Knirschen sprangen die Agenten aus den Suburbans.
»Aktiviere NVG«, sprach der Teamleiter in das Kehlkopfmikrofon.
Alle Männer klappten sich die PVS-15-NVGs vor die Augen. Danach teilten sie sich voller Routine in zwei Gruppen auf. Mit den HK416 im Anschlag bewegten sie sich über den flachen Wüstenboden zur hügeligen Berglandschaft.
Die Route befand sich nach ihren Informationen in einer kleinen Absenkung. Diese sollte kurz nach der Straße kommen, welche nach Palomas führte. Sie kamen zu einem Steilabhang und sahen den besagten Weg. Schmal und mit Schotter, bot er nicht gerade die sicherste Variante. Vor allem, weil es dahinter eine weitere Absenkung gab.
Der Teamleiter befahl in Zeichensprache, in die Hocke zu gehen. Mit seinem ACOG-Reflexvisier schaffte er sich von der Lage ein Bild. Die Route war von Steilabhängen und einer bergigen Landschaft umgeben. Eine Flucht führte nur in den Tod. Allerdings waren Schmuggler verrückt und sie konnten sich durchaus für das Selbstmordmanöver entscheiden.
Nachdem sie ein paar Minuten gewartet hatten, fuhr ein Transporter die Straße entlang.
»Ziel entdeckt. Zugriff!«
Er nickte den Männern um sich herum zu und rutschte dann den Hang hinunter. Unten angekommen, streckte er die Beine aus und rollte sich ab. Er kam sicher auf die Füße, schaltete das Waffenlicht an seiner HK an und richtete sie auf die Windschutzscheibe.
»Border Patrol, keine Bewegung!«
Hinter dem Transporter kam die andere Gruppe gerade an und nahm sich die Hecktür vor. Währenddessen ging er zur Fahrerseite und klopfte an die Scheibe. Diese wurde heruntergelassen und ein Mann mit einem Schnauzbart schaute ihn an. Um seine Augen herum sah er tiefe Falten und ein verlebtes Gesicht. Die Haut war dunkel und sah ledrig aus.
»¿Qué pasa, agente?« Was ist los, Officer?