Paints End 2 - Ingo Spang - E-Book

Paints End 2 E-Book

Ingo Spang

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Beschreibung

Pencilvanien: Eine sagenumwobene Welt, geschaffen auf Papier, in der sich die Bewohner, die Gezeichneten und Gemalten, Jahrhunderte lang mit Terpentin und Kautschuk bekriegten. Der Preis, den man dafür bezahlte, war hoch. Die schier unbegrenzten Farb-, und Grafitvorkommen von einst, waren versiegt, verseucht und vergiftet. Die Seelenstifte, denen die Kraft innewohnte, neues Leben zu schaffen, waren in den Wirren der großen Farbkriege, verloren gegangen oder vollends zerstört und jene, die um die Kunst ihrer Herstellung wussten, gejagt, gefoltert, ausgelöscht oder ausradiert. Erst als Pencilvanien kurz vor dem Untergang stand, schlossen Gemalte und Gezeichnete einen Friedenspakt. Doch während man damit beschäftigt war, sich gegenseitig zu vernichten, hatte etwas abgrundtief Böses begonnen, sich durch das Papier, nach Pencilvanien zu fressen....

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Seitenzahl: 721

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Für Marie, Paul & Emil

Jester und ich schlichen, im Schein des fahl gemalten und unheilvoll, hinter den Wolken hervor starrenden, Mondes, an der schier unüberwindbaren, steil in den düsteren Nachthimmel, hinauf ragenden Stadtmauer, Paints Ends entlang. Jester suchte nach etwas. Immer wieder kniete er sich hin, zog und rüttelte an einigen Steinen, die lose in der Mauer steckten. Ich musste Ausschau halten, ob oben, auf der Mauer, Wachen patrouillierten, die auf uns aufmerksam werden könnten.

Doch trotz ihrer ständigen Präsenz blieben wir unentdeckt.

Jedes Mal, wenn sie stehen blieben und mit geübtem Blick die Umgebung inspizierten, pressten wir uns dicht an die Mauer, um nicht entdeckt zu werden. Nach rund einer Stunde des Umherirrens, stieß Jester ein leises:“ Na endlich!“ aus.

Er lockerte einen kleinen Stein und fummelte in einem kleinen, dahinter liegenden Hohlraum herum.

Zum Vorschein kamen ein abgenutzter Pinsel, ein fast leeres Fläschchen mit Terpentin, ein winziges Stückchen Radiergummi und ein fast zur Gänze aufgebrauchter Bleistift:“ Das hab ich hier versteckt, nur für den Notfall. Siehe da, ich hatte die richtige Vorahnung. Her mit deiner Maske!“

Ich holte den Würfel hervor, öffnete ihn und überreichte Jester meine Maske.

Sofort machte er sich ans Werk und begann meine Maske mit Terpentin zu bearbeiten. Anschließend begann er, meine Maske neu zu bemalen. Nachdem er fertig war, bemalte er auch seine Maske mit einem neuen Gesicht.

„Wozu machst du das?“ fragte ich ihn“, ich kann das schon selber.“

„Kannst du nicht. Sie wissen, dass du ein Gezeichneter bist, deshalb MALE ich DIR eine neue Maske. Sie suchen nach einem Gezeichneten, nicht nach einem Gemalten. Achte nur darauf, dass du Hände und Füße verbirgst, denn die könnten dich verraten“, erklärte Jester“, sicher ist sicher mein Freund, wer weiß, vielleicht treiben sich bereits Schergen des grauen Grafen, in der Stadt herum. Willst du, dass sie uns gleich entdecken?“

„Meinst du wirklich, dass das Böse es bereits bis nach Paints End geschafft hat? Trotz all der Sicherheitsvorkehrungen hier?“

„Du weißt nie, wer bereits vom Bösen infiziert wurde. Es wird zwar niemand ohne Erlaubnis nach Paints End gelassen, aber glaube mir, das Böse ist gerissen und hinterhältig!“ flüsterte Jester.

„Willst du mir nicht endlich sagen, was hier vor sich geht Jester?“ fragte ich mit Nachdruck.

Er schüttelte den Kopf und flüsterte dann:“ Glaub mir Vince, ich weiß genauso wenig, wie du. Ich befolge nur die Befehle des Königs und mehr nicht. Ich habe zwar eine Vermutung, aber wie gesagt, es ist nur eine Vermutung. Zu wage, um sie auszusprechen und dich auf falsche Gedanken zu bringen!“

„Er muss dir ja ganz schön vertrauen, wenn er sonst niemanden in seinen Plan eingeweiht hat.“

„Und selbst damit, ist er schon ein gewaltiges Risiko eingegangen!“ erwiderte Jester und malte eifrig an meiner Maske weiter“, so fertig, aufziehen.“

Jester lachte leise:“ Oh man, siehst du hässlich aus!“

Er streifte seine Maske über, zuckte zusammen und presste mich im selben Augenblick gegen die Mauer.

„He, ist da wer?“ tönte eine Stimme von der Stadtmauer.

Der Schrei eines Käuzchens, durchbrach das monotone Zirpen der Zikaden.

„Da ist niemand, komm weiter!“ brummte eine zweite Stimme.

„Ich hätte schwören können, dass sich da unten etwas bewegt hat!“

„Du kannst ja runter gehen und nachsehen. Ich sehe dich dann in zwei Stunden wieder. Solange wirst du nämlich brauchen bis du wieder hier oben stehst. HAHAHAHAHA!“

„Ja, Ja, ist ja gut. Ich bin nur vorsichtig. Der Tag der Zusammenkunft ist nahe! Willst du dafür verantwortlich sein, falls etwas schief geht? Bloß weil du nicht wachsam genug warst?“

„Komm jetzt!“ maulte die zweite Wache.

Jester und ich verharrten noch einige Zeit regungslos an Ort und Stelle und schlichen anschließend in einen kleinen Hain, unweit der Stadtmauern. Von dort aus, bahnten wir uns unseren Weg zurück, auf die Straße, die nach Paints End führte.

Wir gaben uns als ganz normale Bewohner Paints Ends aus.

Jester versicherte mir, dass alles glatt gehen würde. Schließlich hatten wir eine Zugangsberechtigung.

„Du hältst die Klappe und lässt mich reden, verstanden Vincent?“ gab Jester mir mit eindringlicher Stimme zu verstehen.

Ich nickte und folgte ihm wortlos, bis wir das Stadttor erreicht hatten.

„Stehenbleiben!“ befahl man uns“, was wollt ihr hier?“

Jester fummelte an seiner Kleidung herum und zeigte den Wachen seine Tätowierung, die sich sogleich verneigten und abwinkten. Sie wussten nicht, dass es sich bei Jester um den Sohn des Herzoges Paintrider handelte. Sie interessierte nur, das eintätowierte, königliche Emblem, auf Jesters Brust, das von absoluter Loyalität zeugte.

Jester nahm seine Mission sehr ernst und wollte unter keinen Umständen, dass jemand davon Wind bekam, welche Mission ihm aufgetragen war. Deswegen die Tarnung.

Jester wies mich an, die Einladung des Königs vorzuzeigen.

Zitternd zog ich sie hervor und reichte sie, der schwerbewaffneten Wache.

Sie musterte mich eingehend und nickte dann zufrieden.

Die Wachen salutierten und das mehrfach gesicherte Tor, öffnete, unter Kettenrasseln und Knarren, seine komplizierten Schließmechanismen.

„Ihr habt uns nicht gesehen, verstanden?“ Jester blickte die Wachen nacheinander, mit ernster Miene an.

„Zu Befehl!“ drang es aus dem Dunkel.

Wir eilten durch das riesige Stadttor und waren endlich, nach so langer Zeit des Bangens und der Angst, in Sicherheit.

Erleichtert atmeten wir durch und umarmten uns vor Freude, den langen Weg unbeschadet überstanden zu haben.

Dennoch blieben wir wachsam und hielten es für das Beste, uns in den Schatten zu bewegen.

Ich hatte kaum Zeit, all die neuen und aufregenden Eindrücke auf mich wirken zu lassen, denn Jester trieb mich gnadenlos voran.

Tief im Herzen Paints End hielten wir kurz inne, um durch zu schnaufen.

„Ich habe den Befehl dich im „Dreckigen Humpen“ unter zu bringen“, flüsterte Jester und blickte sich verstohlen um.

„Im dreckigen Humpen? Das klingt ja nicht besonders vertrauenserregend“, entgegnete ich.

„Das ist es er nicht. Dort hängen ein paar zwielichtige Typen rum, aber sei unbesorgt, sie sind harmlos. Außerdem würde dich niemand an solch einem Ort vermuten. Es ist wichtig Vincent, dass du die Spelunke nicht verlässt, so lange bis man dich holen kommt. Hast du verstanden?“ hackte Jester nach.

„Und was ist mit dir? Was machst du jetzt?“ wollte ich wissen.

„Ich muss dem König Bericht erstatten“, erklärte Jester“, keine Sorge Vincent, alles wird gut. Alles läuft genau so, wie es der König voraus gesagt hat. Morgen ist der große Tag Vincent. Morgen werden wir und vor allem Du, alles erfahren. Glaub mir, ich bin genauso gespannt wie du, aber du musst dich an die Anweisung halten! Wir dürfen jetzt keinen Fehler machen!“

Ich nickte und Jester löste sich aus den Schatten. Er führte uns mit gezücktem Pinsel, durch die engen, zum Teil viktorianisch, teils gregorianisch gemalten Gassen und verlassenen Hinterhöfe.

Je enger und dunkler sie waren, umso besser. Ich hatte das Gefühl, dass wir einige Hinterhöfe mehrfach passierten und im Kreis zu laufen schienen.

Es ging vorbei an hochgemalten, dicht an dicht stehenden, alten Häusern, mit ihren darin befindlichen, uralten Läden und Geschäften, in denen man alles erstehen konnte, wovon das Künstlerherz träumte. Die Farbe, die von den Häusern ausging, roch uralt und vertrocknet, verstrahlte jedoch gleichzeitig einen erhabenen und ehrfürchtigen Geruch. Manche Häuser schienen aus einer vollkommen anderen Kunstepoche zu stammen und erinnerten an kleine, mittelalterliche Fachwerkhäuser, verloren, zwischen den riesigen, dunklen gregorianisch gemalten Häuserfluchten.

Die mittelalterlichen Häuser waren einst im Holzstile gemalt worden, dicke Quer- und Schrägbalken, ebenso wie die holzgemaserten Bretter, verpassten den Gebäuden einen einzigartigen Charme. Obwohl man sich größte Mühe gegeben hatte, die Häuser im Laufe der Jahrhunderte, in Stand zu halten, konnte man es nicht von der Hand weisen, dass die Farbe irgendwie ausgewaschen und bröckelig aussah. Irgendwie war es nicht das Paints End, was ich mir vorgestellt hatte.

Vielleicht lag es daran, dass wir uns in einem sehr alten Bezirk Paints Ends befanden.

Vielleicht einfach an der Dunkelheit.

Jester vermied jeglichen Kontakt mit den Einwohnern.

Er hatte seine Kapuze übergestreift, den Blick nach unten geneigt und den Pinsel immer fest umschlossen. Egal wann sich eine, in der Dunkelheit, schemenhafte Gestalt, aus den Schatten löste und wankend die Straße betrat, hielten wir inne und warteten so lange, bis sie verschwunden war. Ich verstand Jesters Vorsicht, hielt sie trotzdem für überzogen.

Doch Jester gab mir zu verstehen, dass die Sicherheit, die Paints End versprach, trügerisch war.

„Wir müssten mit allem rechnen, in diesen wirren, schwarzgemalten Zeiten!“ wiederholte er, ein ums andere Mal.

Nachdem wir unzählige Gassen und Hinterhöfe passiert hatten, stoppte Jester, vollkommen überraschend, an einer hölzernen, schräg in den Angeln hängenden, gemalten Tür.

Er steckte seinen Pinsel ein und klopfte an die Tür. Drei Mal lang, zwei Mal kurz und ein Mal lang.

Es dauerte einen Augenblick bis sich hinter der Tür etwas regte.

Ein leises Poltern erklang, dann wurde ein Licht entflammt.

Mit einem leisen Klicken, öffnete sich die Tür und zum Vorschein kam eine grimmig dreinblickende Gestalt. Das Gesicht war speckig und aufgedunsen.

Die verfilzten Haare hingen wirr ins Gesicht.

Der Gemalte musterte uns eingehend, streckte seinen Kopf aus der Tür, blickte nach links, dann nach rechts und wies uns an, schnell einzutreten.

Unsanft packte mich der Gemalte am Arm und zog mich in die Rumpelkammer. Hier stapelten sich kaputte Tische und Stühle bis unter die Decke. Einzelne Tischbeine und zerbrochene Tischplatten lagen verstreut auf dem Boden.

„Da seid ihr ja endlich. Ich habe schon gedacht, ihr kommt überhaupt nicht mehr!“ brummte die unheimliche Gestalt“, was wird hier eigentlich gespielt? Hä? Warum bekomme ich ein Brief vom König? Wer seid ihr überhaupt?“

„Hast du den Umschlag, den du mir aushändigen solltest?“ fragte Jester.

Die Gestalt schnaufte abfällig und zog dann ein Kuvert unter seiner Schankschürze hervor, welches er Jester, murrend übergab.

Jester öffnete den Umschlag und zog dann ein paar Scheine hervor. Die Augen des Wirtes wurden groß und er leckte sich mit seiner lappigen Zunge, über seine rissigen Lippen.

„Der König ist großzügig mit allen ehrbaren Untertanen, die ihm einen Dienst erweisen und keine unnötigen Fragen stellen. Bist du ein ehrbarer Untertan, der nicht viele Fragen stellt?“ wollte Jester wissen und fuchtelte mit den Geldscheinen, vor der Nase des Wirtes herum.

„Natürlich, natürlich!“ meinte der Wirt demütig und verbeugte sich vor Jester.

„Das ist gut!“ Jester gab dem Wirt die Scheine, die er gierig an sich nahm und unter seiner Schürze versteckte“, und nun führe uns auf das Zimmer.“

„Aber gerne, ich habe Zimmer 6 vorbereiten lassen!“ der Wirt räumte ein paar Stühle und Tische beiseite und wir folgten ihm aus der Kammer hinaus.

Fremdländische Musik drang uns in die Ohren, als wir in den Gastraum traten.

Er wirkte alt, schäbig und auf keinster Weise einladend. Die Stühle und Tische wirkten abgenutzt und waren schmutzig. Der Boden war schmierig und wir mussten auspassen nicht auf dieser schäumenden Farbmasse auszurutschen.

Hier hatte seit Tagen niemand mehr sauber gemacht.

Selbst für mich, in spartanischen Verhältnissen großgeworden, eine Zumutung.

Das Licht in der Spelunke war schummerig und wirkte irgendwie schmuddelig.

Es roch nach alkoholhaltiger, abgestandener Farbe und abgestandenem, stechendem Farbschweiß. Eine leichte Übelkeit überkam, die ich nur schwer herunter schlucken konnte.

Ein paar mürrisch dreinblickende Gestalten saßen an der Bar und waren schwer damit beschäftigt sich zu betrinken. Aus den Krügen, mit denen sie sich zu prosteten, schwappte irgendein gepanschtes, stinkendes Farbgemisch, welches terpentinähnlichen Charakter hatte und bestimmt nicht gesundheitsförderlich war.

Doch diesen Gestalten war das egal. Wahrscheinlich waren sie gleich nach der „Arbeit“ hier her gekommen, mit dem Ziel, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen.

Wir hielten es für das Beste, keinen unnötigen Blickkontakt aufzunehmen und schnurstracks dem Wirt in die obere Etage zu folgen, wo sich die Gästezimmer befanden. Die Treppe war eben so alt wie die gesamte Kaschemme. Bei jeder Treppenstufe gab sie ein schweres, hölzernes Knarren von sich.

Von dem langgezogenen Korridor gingen insgesamt 13 Zimmer aus. 6 auf jeder Seite und eines am Ende des Ganges, wobei 1 Zimmer die Wäschekammer war und ein weiteres als Putzkammer diente. Staub und Spinnenweben hingen von Decken und Wänden. Die Kerzen, die in wackelnden Halterungen steckten, waren das, was im allgemeinen Sprachgebrauch als Funzeln bezeichnet wurde. Sie waren fast abgebrannt und spendeten kaum Licht.

Gelbliches Wachs hatte an Wand und auf dem Boden, bizarre Formen hinterlassen.

„Sind hier noch mehr Gäste untergebracht?“ wollte Jester wissen.

„Die meisten Zimmer stehen leer, nur Zimmer 5 und 9 sind belegt. Wollen sie auch ein Zimmer nehmen mein Herr?“ fragte der Wirt, während er Jester grinsend musterte.

Jester winkte ab. Der Wirt stoppte vor der Tür mit der Nummer 6. Die Ziffer war notdürftig an einem Nagel befestigt worden und wackelte beim geringsten Windzug.

Knarrend schwang die Tür auf und wir traten ein.

Zu unserer Überraschung war das Zimmer zwar klein, aber gemütlich, was wahrscheinlich durch die schrägen Wände ausgelöst wurde. Es gab einen kleinen Tisch mit Stuhl, ein Bett, einen Wandschrank, einen Spiegel und ein Waschbecken. Auf dem Bett lag frische Kleidung für mich bereit. Man hatte an alles gedacht.

Jester trat ein und observierte alles genau. Er zog die Vorhänge zurück und spähte aus dem Fenster. Dann öffnete er es und blickte nach draußen. Es ging mehrere Meter in die Tiefe. Die Wände waren glatt, so dass man nicht von draußen daran hochklettern konnte, auch die angrenzenden Häuser standen in einiger Entfernung, so dass man nicht herüber springen konnte.

Was Jester jedoch am meisten beruhigte war die Tatsache, dass auf der Dachkante unzählige Spitze Nägel gegen die Tauben eingeschlagen waren. Von oben konnte man also auch nicht ohne weiteres unbemerkt hier eindringen.

„Sehr gut, dass wäre dann alles!“ meinte Jester zu dem Wirt und drückte ihm noch einen Geldschein in die Hand“, wenn jemand fragen sollte, das Zimmer ist nicht vermietet. Ihr habt uns nicht gesehen, verstanden? Sollte meinem Freund hier irgendetwas zustoßen oder er auf seltsame Weise verschwinden, dann verspreche ich dir, dass deine Wirtschaft in Flammen auf geht. Ganz zu schweigen, was dann mit dir passieren wird. Sei also vorsichtig was und vor allem, wem du etwas erzählst. Verstanden?“

„Ich weiß von nichts mein Herr. Ich habe sie und ihren Freund nicht gesehen und das Zimmer steht schon seit Wochen leer!“ wusch er seine Hände in Unschuld.

„Wie ich sehe, verstehen wir uns!“ erwiderte Jester und warf dem Wirt einen abfälligen Blick zu.

„Dem König stets ein treuer Diener, mein Herr!“ er grinste breit, wobei ihm genau anzusehen war, dass er seine Worte nicht ernst meinte und es ihm nur um das liebe Geld ging.

Der Wirt verschwand ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Jester blickte ihm hinterher und wartete bis er verschwunden war. Dann schloss er die Tür und meinte:“ So mein Lieber. Du kannst die Maske jetzt abnehmen. Hier wird dich niemand vermuten. Du bist hier sicher. Jetzt wasche dich erst einmal und mach dich frisch. Ich sage dem Wirt, er soll dir später des Abends etwas zu essen zu kommen zu lassen. Aus Grafit versteht sich.

Er wird 3 Mal klopfen. Warte bis er verschwunden ist, bevor du die Tür öffnest und vergewissere dich, dass niemand auf dem Gang ist, der dich sehen könnte.“

Jester verstummte kurz und lauschte.

Außer der Musik und dem besoffenen Geschwätz war nicht ungewöhnliches zu hören.

„Egal was auch passieren mag, öffne niemandem die Tür, bis man dich holen kommt!“ meinte Jester ernst.

„Und wann holt mich jemand ab? Woran erkenne ich denjenigen der mich abholen soll?“ fragte ich nach.

„Morgen Nachmittag, wenn die Glocke 5 Mal zu hören ist. Derjenige hat ein geheimes Klopfzeichen. 2 Mal kurz, 2 Mal lang und 2 Mal kurz. Nur ihm wirst du die Tür öffnen. Niemanden sonst. Ist das klar?“ wollte Jester wissen.

Ich nickte.

„Dann sag es!“

„Ich öffne niemandem anders, als Demjenigen, der das geheime Klopfzeichen kennt!“ versprach ich Jester.

„Gut, schieb den Schrank vor die Tür sobald ich verschwunden bin“, Jester seufzte“, du schaffst das Vincent. Du bist stark. Wir beide sind stark, wir haben es bis nach Paints End geschafft und jetzt wird alles gut werden. Vertrau mir mein Freund!“

„Aber warum kann ich nicht mitkommen, was ist, wenn mir doch etwas zustößt?“ ich hatte ein ungutes Gefühl hier alleine mit den ganzen Betrunkenen im Hause.

„Es ist der Befehl des Königs. Glaub mir, er würde dich niemals einer Gefahr aussetzen. Er hat alles geplant und durchdacht. Er hat sicherlich seine Gründe dich hier unter zu bringen“, Jester nahm meinen Kopf und presste ihn gegen seine Stirn:“ Alles wird gut Vincent. Alles wird gut. Du wirst schon sehen.“

Dann verschwand er. Draußen rumpelte es ein paar Mal und leises Scharren drang in meine Stube. Durch einen kleinen Türspalt spähte ich Jester hinterher und erkannte, wie er sich an einer der anderen Zimmertüren zu schaffen machte.

Dann verschwand er darin, kam jedoch kurze Zeit später wieder heraus und machte sich an einer weiteren Tür zu schaffen Er untersuchte die Zimmer um zu gucken wer hier noch einquartiert worden war.

Er inspizierte jedes einzelne Zimmer, auch jene, die laut Aussage des Wirtes, leer standen.

Jester dachte einfach an alles.

Als nach kurzer Zeit alles zu seiner Zufriedenheit schien, blickte er noch einmal in meine Richtung, Lächeln zufrieden und verschwand dann endgültig.

Da stand ich nun, vollkommen alleine und wusste nicht was ich tun sollte.

Jester hatte mich einfach hier zurück gelassen. Mitten in Paints End, mitten in der Fremde, in einer abgehalfterten Kaschemme.

Warum diese Geheimniskrämerei und warum diese übertriebene Vorsicht, wenn ich doch laut Jesters Aussagen vollkommen sicher war? Fragen über Fragen auf die ich heute keine Antwort bekommen würde.

Ich trat ans Waschbecken, das seine besten gemalten Jahre schon hinter sich gelassen hatte und wusch mich ausgiebig. Es war voller undefinierbarer Flecken, Risse überzogen die Schale und etliche Teile heraus gesplittert.

Anschließend setzte ich mich ans Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Ich musste an meinen Großvater denken. Ich vermisste ihn so sehr. Die unbescholtenen Tage meiner Kindheit waren vorbei. Und mir wurde klar, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. Mein ganzes Leben war eine Illusion gewesen. Hatte ich wirklich dran geglaubt, dass die Zeit nicht weiter geht? Hatte ich wirklich dran geglaubt, dass ich den Rest meines Lebens in der Ferne mitten im Nichts mit meinem Großvater, unseren Hühnern und Kühen hätte verbringen können?

Ich hatte mich mit dem Gedanken abgefunden, dass diese Tage ein für allemal vorbei waren. Aber warum musste mich dann die Realität mit solch einer Wucht und einer Härte aus meinem Traum reißen? Und vor allem, warum gerade mich?

Lange Zeit saß ich schweigend am Fenster und ließ meine Gedanken kreisen. Jede Sekunde die verstrich fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Langeweile und Ungeduld machten sich breit.

Draußen auf dem Korridor vernahm ich mit einem Mal leise Schritte. Sie kamen schnell näher und dann klopfte es 3 Mal an die Tür:“ Eure Mahlzeit, Herr!“ flüsterte der Wirt. Ich wartete bis die Schritte nicht mehr zu hören waren und schlich dann zur Tür herüber. Als sich die Tür leise knarrend öffnete, schlug mir schon der Geruch von frisch gebratenem Grafit in die Nase. Auf einem Teller, zu meinen Füßen liegend, zeichnete sich ein halbes Hähnchen mit gebratenen Kartoffeln ab. Mir lief das Blei im Mund zusammen. Seit Tagen hatte ich nichts vernünftiges mehr zu essen bekommen. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass ich das Hähnchen gierig verschlang. Der Gedanke, dass das Hähnchen eventuell vergiftet sein könnte kam mir erst, als ich es komplett verspeist hatte.

Verdammt, warum hatte ich daran nicht vorher gedacht.

Aufgeregt ging ich im Zimmer auf und ab. Meine Hände und Knie begannen zu zittern, doch eher aus Angst, nicht als Anzeichen einer aufkommenden Vergiftung. Ich versuchte mich zu beruhigen und atmete einige Male tief durch. Ich musste damit aufhören, alles schwarz zu sehen. Jester hatte doch gesagt, dass ich hier sicher war. Und schließlich vertraute ich ihm voll und ganz.

Anstelle einer Vergiftung, überkam mich eine ausgiebige Müdigkeit. Erst jetzt bemerkte ich wie schlapp und abgeschlagen ich wirklich war. Meine Lider wurden schwer und ich beschloss ins Bett zu gehen. Mit ausgebreiteten Armen ließ ich mich in die Daunendecke fallen und kuschelte mich an das weiche Kissen.

Hatte ich nicht etwas vergessen? Ach ja, ich sollte ja den Schrank vor die Tür schieben. Noch während ich den Gedanken zu Ende führen konnte, schlief ich ein.

Ich öffnete meine Augen und wusste im ersten Moment nicht, wo ich mich befand. Ich starrte gegen die hölzern gemalte Decke, in der, in ihren Ecken dreckige Schatten kauerten.

Ich glaubte in ihnen Reißzahn ähnliche Gebilde zu erkennen und dürre, knochige Schattenfinger, die sich langsam meiner Kehle entgegen streckten.

Nur langsam konnte ich einen klaren Gedanken fassen. Die Müdigkeit hatte mich und meinen Körper noch fest im Griff. Schwerfällig drehte ich meinen Kopf zum Fenster und blickte auf den gigantischen Mond, der sich in den Nachthimmel hinein malte. Er war perfekt und erstrahlte in voller, nie zuvor dagewesenen Größe.

Wie sollte es auch anders sein.

Schließlich waren wir in Paints End. Da gab man sich mit einem mittelmäßigen Mond, der in den Weiten von Pencilvanien leuchtete, nicht zufrieden.

Die silbrigen Strahlen drangen in mein Zimmer und boten mir ein einzigartiges Licht-, Schattenspiel. Allein die Farbübergange zwischen dem funkelnden Mondeslicht und den harten leblosen Schatten, deren Farbtiefe mich in ihren Bann zog, war phänomenal. Und während ich mich in den Farben verlor, machte sich jemand an meiner Zimmertür zu schaffen.

Erst, als ich ein leises Klicken vernahm, wurde ich aus meiner Träumerei gerissen.

Sofort blickte ich zur Tür hinüber, konnte jedoch nichts erkennen, da die Tür in Schatten lag.

Gebannt und angestrengt starrte ich in die Dunkelheit.

Ich hielt den Atem an und versuchte die gedämpfte Musik und das Stimmengewirr, das von unten zu mir hinauf drang, völlig auszublenden. Mit aller Kraft konzentrierte ich mich darauf, etwas in der Dunkelheit zu erkennen oder ein verräterisches Geräusch auszumachen.

Aber alles schien vollkommen normal.

Hatten mir meine überlasteten Nerven etwa einen Streich gespielt?

Dennoch war ich höchst alarmiert und ließ meinen Blick nicht von der Tür.

Vielleicht war es wieder nur ein Hirngespinst, vielleicht trachtete mir aber auch jemand nach dem Leben. Starr vor Angst verharrte ich und gab auch sonst keinen Laut von mir. Die Decke zog ich bis weit unter die Augen.

Doch was sollte ich tun, wenn jemand in mein Zimmer eindrang? Sollte ich ihn angreifen? Sollte ich versuchen zu fliehen? Konnte ich überhaupt fliehen? Und vor allem was würde ich tun wenn es sich um mehrere Angreifer handelte?

Minuten verstrichen in denen ich mich nicht zu regen wagte.

Eine heftige Windböe traf mit einem Mal mein Fenster. Irgendwo schlug ein Fensterladen gegen eine Scheibe. Schatten begannen erst langsam, dann immer schneller in meiner Stube zu tanzen. Sie bildeten hässliche Formen für einen, der gegen die Angst ankämpfte.

Meine Augen musterten jeden einzelnen Winkel der Kammer. Erst fuhr ich am Waschbecken entlang und verharrte an der alten und mit Sprüngen gemalten Waschkanne. Dann glitt mein Blick über Tisch und Stuhl hinweg. Ich hob meinen Kopf ein Stück, so dass ich auch unter den Tisch gucken konnte.

Doch alles lag ruhig und unbeweglich da wie ein Stillleben. Die Schatten waren die Einzigen, die sich unnatürlich in meiner Kammer abmalten.

Auch am Schrank erkannte ich nichts Ungewöhnliches. Die Schranktüren waren herausgerissen worden und gaben Einblick auf 3 Querbretter, die zum Verstauen der Reisekleidung dienten.

Selbst die Tür, die zum Teil in Schatten lag schien noch immer geschlossen zu sein. An der Decke über mir, gab es außer ein paar Spinnennetzen und jede Menger Staub, der durch das Mondlicht rieselte, nichts Ungewöhnliches zu sehen.

Ich hatte mich wohl verhört.

Doch erst als ich vollkommen sicher war, dass ich mich alleine im Zimmer befand, stieg ich aus dem Bett und huschte auf leisen Sohlen zur Tür hinüber.

Vorsichtig drückte ich die Klinke nach unten und…..

Es traf mich wie ein Blitz. Nicht nur, dass ich vergessen hatte den Schrank vor die Tür zu schieben, ich hatte auch in meiner Schlaftrunkenheit vergessen, abzuschließen. Der Schlüssel baumelte nach wie vor im Schloss. Ich drehte ihn schnell herum und zog die Hand zurück, als würde das Schloss jeden Moment zu schnappen. Dann trippelte ich zum Schrank hinüber. Mit einiger Anstrengung gelang es mir sogar den Kleiderschrank vor die Tür zu schieben. Dicke Kratzer malten sich auf dem Boden ab. Ich konnte nur hoffen, dass der Gastwirt mich nicht dafür belangen würde.

Anschließend kontrollierte ich noch einmal die Verankerungen an den Fenstern, um ganz sicher zu sein, dass auch sie fest verschlossen waren. Nachdem ich alles überprüft hatte, nahm ich noch einen Schluck Blei zu mir und stieg wieder ins Bett.

Ich hatte das Gefühl, erst vor wenigen Sekunden eingeschlafen zu sein, als ich durch lautes Scharren geweckt wurde. Instinktiv fuhr ich zusammen und zog mir vor Schreck die Decke über den Kopf. Schwindel, gepaart mit Desorientierung und einem schnellem Herzrasen, setzte ein.

Wo war ich hier nur hingeraten?

Und langsam überkam mich das dumpfe Gefühl, hier alles andere als sicher zu sein.

Ich lauschte erneut in die Dunkelheit. Die Musik spielte noch immer und das Stimmengewirr hatte auch noch nicht abgerissen. Dem lauten Lachen und Johlen nach zu urteilen, war die Party unten auf dem Höhepunkt.

Am liebsten wäre ich nach unten gegangen und hätte mich zwischen all das Gesindel gesetzt, nur um nicht alleine im Zimmer zu bleiben.

„Komm runter Vincent!“ versuchte ich mich zu beruhigen“, alles ist gut. Deine Nerven sind ein wenig angespannt nach der langen Reise, das ist vollkommen normal. Niemand weiß dass du hier bist.“

Ich deckte mich auf und ließ meinen Blick erneut durch das Zimmer schweifen.

Verdammt hier war absolut nichts. Ich verpasste mir selber eine zarte Backpfeife, um die Angst zu verscheuchen, die mich erneut überkam, als es auf dem Dachboden plötzlich zu scharren begann. Sofort richtete ich meinen Blick auf die Decke. Ein Knarren mischte sich in das unangenehme, immer hektischer werdende Scharren.

Es hatte den Anschein, als würde sich irgendjemand oder irgendetwas dort oben, an etwas zu schaffen machen.

„Und wenn schon?“ flüsterte ich leise zu mir“, dann ist da oben halt noch ein Zimmer. Schließlich muss der Wirt ja auch irgendwo schlafen. Vielleicht ist es ja seine Frau, die da oben herum fuhrwerkt.“

Ich hatte allerdings keine Treppe ins obere Stockwerk gesehen, vielleicht…..

„Jetzt hör aber auf, verdammt noch mal. Guck dir doch diese herunter gekommene Kaschemme an, hier wird es wahrscheinlich nur so vor Ratten und Ungeziefer wuseln. Da sind solche Geräusche völlig normal. Guck dich doch um Vincent. Die Farbe ist als und verbraucht. Sie bröckelt an allen Ecken und Enden und ist schon seit Äonen nicht mehr aufgefrischt worden. Sie reckt und streckt sich, bevor sie irgendwann zusammen bricht.“

Ich kratzte mit meinem Finger an der holzgemalten Fensterbank entlang, die nach wie vor im glänzenden Mondlicht lag. Meine gezeichneten Finger wirkten hässlich und passten nicht in dieses gemalte Bild hinein. Sie wirkten wie eine Warze, die man verzweifelt versuchte los zu werden. Bleistift auf Farbe, dass passte einfach nicht zusammen.

Unter meinen Fingernägeln bröselte die Farbe von der Fensterbank:“ Na bitte, hab ich es doch gesagt. Alles gut. Jetzt dreh dich um und schlaf weiter.“

Dieses Mal war es Wind und Regen, der gegen die Scheibe peitschte und mich aus dem Schlaf riss. Das Wetter war umgeschlagen, der Mond kam und verschwand hinter schnell am Himmel vorbei ziehenden Wolkenbergen. Immer wenn der Mond von diesen dunklen und bedrohlichen farbgeschwängerten Wolkengiganten verschluckt wurde, kroch eine unbehagliche und verwirrende Finsternis in meine Stube.

Der Wind stieß vom Himmel herab, fiel in die Gassen ein und verbreitete ein Grafit erschütternden, grauenvolles Heulen, ähnlich dem eines verendenden Wolfes.

WUHHHUUUUHHHUUUUUUUIIIII, heulte der Wind von draußen und drückte die Regentropfen fest gegen die mit Farbstaub verschmierte, milchige Scheibe.

Eigentlich kein Grund zur Panik, schließlich war es nur ein Unwetter, wie es ständig vorkam.

Doch irgendetwas war dieses Mal anders. Es war merklich kühler geworden.

Ich stieß meinen Atem aus und erkannte wie der kalte Hauch vor meinen Augen in gezeichnete Linien ausfranste, die sich nur schwerfällig in der Luft auflösten.

Selbst meine, bis unter das Kinn gezogene Decke, spendete mir keine Wärme mehr.

Als ich mit meinen Fingern unter die Decke fasste, fühlte sie sich klamm und kalt an.

Eine Mischung aus heraufsteigender Lähmung und Beklemmung breitete sich in mir aus.

Die Musik und das Gegröle waren verstummt.

Hatte ich etwa so lange geschlafen? Ich starrte aus dem Fenster und wartete bis der Mond sich hinter einer Wolke hervor schob.

Konnte das sein? Eigentlich hätte er sich, von meinem Fenster gesehen, nach rechts bewegen müssen. Aber seltsamerweise war er genau in die entgegengesetzte Richtung gewandert.

Ich schluckte. Was geschah hier bloß.

Eine harte Windböe fegte durch die Gassen und riss vom gegenüberstehenden Gebäude eine Fensterlade aus der Verankerung. Sie schleuderte spielerisch durch die Luft und knallte dann gegen mein Fenster. Erschrocken zuckte ich zurück. Die Scheibe splitterte, ohne jedoch zu bersten.

Mein grafitnes Herz setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus.

Auf dem Fenster malten sich dicke, spinnenbeinartige Risse ab, die die gesamte Scheibe überzogen.

Der Mond, der mit einem Mal ein leichenblasses, verseuchtes Licht verbreitete, verschwand hinter einem riesigen, bedrohlich in die höchstgelegensten Sphären hineinragenden Wolkenberg und blieb verschwunden. Dann wurde es für mehrere Minuten stockdunkel. Überall um mich herum rasselte, prasselte, knarrte, knackte, knallte, heulte und säuselte es. Ich hatte keine Ahnung, was draußen vor sich ging, aber dem Regenschlag nach zu urteilen, tobte draußen das ungeheuerlichste Unwetter dieser Farbdekade.

Und es wurde immer kälter. Gänsehaut zeichnete sich auf meiner Haut ab.

Die Haare standen mir zu berge. Ich wagte kaum noch zu atmen.

Als der Mond den Kampf gegen die Wolken für kurze Zeit gewann und sein verpestetes Licht auf Paints End warf, malte sich eine hässliche Wolke waagerecht an der Unterseite der Wolkendecke ab. Sie zeigte ein dunkles Gesicht und verlor ihren Hinterkopf in den wulstigen hochaufragenden Wolkenbergen. Der Mund war im Verhältnis zu Nase und Augenansatz fast dreifach so groß und weit aufgerissen. Es schrie, das Gesicht schrie und der Donner, der durch die Wolken brauste ward der Grund seines Schmerzes. Irgendetwas braute sich in dieser Wolke zusammen.

Das Grummeln und Donnern wurde stärker und unbändiger, böser und aggressiver und erbrach plötzlich in einem einzigen heftigen Schwall, etwas Schwarzes und abgrundtief hässliches.

Klatschend traf es auf eines der spitzen, mit Backstein bemalten Dächer, die mit stinkenden und rußig-krustigen Schornsteinen überzogen waren. Aus diesem unförmigen Haufen, dass sich klebrig und matschig über die Ziegel verteilt hatte, erhob sich eine heuschreckenartige Kreatur. Sie stellte sich auf die Hinterbeine und rieb ihre, mit Stacheln besetzten Insektenarme aneinander. Ein scheußlich schrammender Ton, laut und aggressiv übertönte Sturm und Regenprasseln.

Dann ward es dunkel.

Als ein Blitz vom Himmel fuhr, ward das Geschöpf schon über zahlreiche Dächer gesprungen.

Erschrocken wich ich ein Stück vom Fenster zurück und hoffte so, unbemerkt zu bleiben.

Der Blitz verging und erneute Dunkelheit umgab mich.

Ich wusste nicht, was mit lieber war, die Helligkeit der zuckenden Blitze, in der ich diesen widerwärtigen Anblick des sich nähernden Ungeziefers ertragen musste, oder die Dunkelheit, mit ihren grauenvoll entstellten Schatten, aus der sich jede Sekunde etwas unsagbar böses auf mich herausschälen konnte. In meinem Kopf brachen erneut scheußliche Gedanken über mich herein. Ich musste handeln ehe mich dieses Ding erreicht hatte.

Erneutes Blitzeszucken.

Der grelle Schein fuhr in meine Kammer und ließ die Schatten aufleben. Wo war dieses Ungetüm hin? Ich hob meinen Kopf ein Stück und blickte verstohlen aus dem Fenster.

Dort.

Es war nur noch wenige Dächer von mir entfernt. Die Kreatur schrammelte nun ununterbrochen mit seinen Armen auf und ab und kündigte sein Kommen an. Die aggressiven Töne bohrten sich in meinen Kopf und verrieten mir, dass dieses Geschöpf nichts weiter als pure Bosheit in sich trug.

Ich musste handeln, musste mich irgendwie bewaffnen.

Doch hier in meiner Stube gab es nichts, womit ich mich hätte verteidigen können.

Es half alles nichts. Allen Versprechungen zum Trotz musste ich etwas unternehmen. Hier ging es um nichts anderes, als um mein Leben. Das Böse hatte mich gefunden.

Nun musste ich so schnell ich konnte von hier verschwinden.

Ich schlug die Bettdecke beiseite und wollte aus dem Bett springen, aber es gelang mir nicht. Meine Beine, ich konnte meine Beine nicht mehr bewegen. Schlimmer noch, sie waren mit dem Bett verschmolzen. Meine Beine waren eins mit dem Bett geworden. Der Wirt hatte uns belogen und betrogen. Panik fraß sich durch meinen Körper. Ich riss und zog an meiner eigenen Hüfte und versuchte meine Beine frei zu bekommen. Doch es schien als hätten sie niemals existiert.

Genau dort, wo mein Becken ansetzte, ging mein Leib nahtlos in das Bettlacken über, aber nicht als sei ich darin eingesunken, sondern als verwurzele ich mit dem gesamten Bett.

„Hilfe, Hilfe!“ schrie ich verzweifelt“, so hilf mir doch einer.“

In meiner panischen Angst probierte ich alles, um mich aus dem Bett zu lösen.

Ich versuchte mich seitlich aus dem Bett kippen zu lassen, doch es funktionierte nicht. Die Bettdecke, so weich und flauschig sie auch sein mochte, fühlte sich hart wie Beton an. Ich krallte mich an der hölzernen Wand fest und probierte mich aus dem Bett heraus zu ziehen. Vergebens.

Auch all meine Bemühungen der Bettdecke irgendwie Schaden zu zufügen verließen erfolglos. Ich konnte noch so sehr darauf schlagen oder hinein beißen und die Federn herausreißen. Das Bettlacken hatte mich wie einen Sumpf geschluckt und spuckte mich nicht wieder aus.

Voller Wucht schlug ich in die Bettdecke hinein und prügelte wild drauf los, so heftig ich konnte.

Hörte das denn nie auf? Würde diese Tortur, dieser Terror niemals enden?

Was hatte ich denn nur verbrochen, dass man mich so quälte?

Ein erneuter Blitz zuckte am Fenster vorbei, als es plötzlich einen Knall gab.

Etwas war gegen die Scheibe geschlagen. Ich drehte mich um und wäre beinahe vor Schock gestorben. Mein Herz schien mir beinahe aus der Brust zu springen. An der Scheibe klebte dieses heuschreckenartige Wesen. Es hatte sein Maul weit aufgerissen und eine dicke lappige Zunge, von mindestens 30 Zentimetern Länge, leckte an der Scheibe entlang. Ein gedämpftes, widerwärtig erregtes Stöhnen, drang in meine Ohren:ÄÄÄÄÄÄHHHHHHHHHHHHHH.ÄHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!“ keuchte es und lutschte gierig mit seiner Zunge am Fenster auf und nieder.

„ÄHHHHHHHHHHHHHHH!ÄHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!“stöhnte es erneut, während es mich gebannt mit seinen schräg stehenden und böse drein schauenden Waben ähnlichen Augen musterte.

Der Blitz erlosch und mit ihm versank auch das Grauen von draußen in der Schwärze.

Als der nächste Blitz aufzuckte war das Wesen verschwunden.

Dafür ruckelte es nun an meiner Tür. Das Ding war schnell, es hätte sich von draußen Zugang in die Spelunke verschafft und wollte nun in meine Kammer eindringen. Mehrmals schlug es gegen die Tür. Der davor befindliche Schrank wackelte bedrohlich.

Noch einmal versuchte ich mit aller Gewalt aus dem Bett zu springen und mich vor die Tür und den Schrank zu werfen, aber ich hatte keine Chance. Die Bettdecke mit der ich eins geworden war, saß fest wie ein Schraubstock.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Geschöpf sich Zutritt zu meiner Stube verschafft hatte……..

Da splitterte der Schrank auch schon auseinander. Holz flog mir um die Ohren und ein spitzes Stück bohrte sich tief in meine Wange. Ich stöhnte auf vor Schmerz.

Todesangst packte mich und dachte jeden Moment würde das Geschöpf in mein Zimmer stürmen und mich lynchen. Doch dem war nicht so.

Draußen verstummte das Regenprasseln und der Donner ließ nach, das Unwetter hatte sich genauso schnell wieder gelegt, wie es gekommen war. Nur noch vereinzelt schlugen ein paar verirrte Tropfen gegen die Scheibe und der Mond brach allmählich durch die aufreißende Wolkendecke.

Ich sah im hässlich, fahlen Schein des Mondes, wie sich die Klinke ein Stück weit bewegte. Irgendjemand drückte sie von außen her herunter. Doch sie ließ sich nicht öffnen.

Als das Unwesen merkte, dass die Tür verschlossen war, begann es heftig an ihr zu rütteln. Die Scharniere mit denen sie verschraubt waren wackelten bedrohlich. Sie lösten sich immer weiter.

„Hilfe!“ schrie ich aus vollem Halse, doch meine Worte prallten von den Wänden und hatten keine Chance den Raum zu verlassen.

„HILFE.HILFE!“ doch es war niemand mehr da, der mir zu Hilfe kommen konnte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich vollkommen alleine in dieser Spelunke war. Verraten und zurück gelassen.

Ein böser Gedanke beschlich mich. Vielleicht hatte Jester mir die ganze Zeit über nur Schwachsinn erzählt. Vielleicht wollte mich der König gar nicht zu sich holen. Vielleicht war das alles ein abgekartetes Spiel um mich nach Paints End zu locken und mich hier zu töten.

Aber warum dann die ganze Mühe und mich erst nach Paints End bringen, wenn man mich auch zu Hause hätte erledigen können.

„Nein, nein, nein Vincent!“ dreh jetzt nicht durch. Machte ich mir selber Mut:“ Du wirst schon einen Ausweg finden. Du hast bis jetzt immer einen Ausweg gefunden.“

Plötzlich fiel etwas zu Boden. Mit einem leisen “Ping“ hörte und erkannte ich, wie man den Schlüssel von draußen aus dem Schlüsselloch gestoßen hatte.

Etwas Dünnes schob sich langsam unter der Tür hindurch und tastete den Boden nach dem Schlüssel ab. Als er ihn nur wenige Augenblicke später zu greifen bekam, war der Schlüssel auch schon verschwunden.

Ich sank tiefer in mein Bett hinein.

Mit lautem Quietschen hörte ich, wie der Schlüssel langsam im Schloss herum gedreht wurde.

Die Zeit stand still. Unendlichkeiten verstrichen, bis sich die Tür Millimeter um Millimeter öffnete.

Ich machte mich so klein ich konnte und vergrub mich so tief unter der Decke, dass ich nur noch durch einen winzigen Schlitz aus ihr hervor gucken konnte.

Das massive Gewicht, der nun betonartigen Bettdecke, schien mir die Knochen zu zerquetschen.

Die Tür schwang nun zur Gänze auf, doch es kam niemand herein. Kein Monster, kein Scherge des Bösen.

Doch ich spürte die Anwesenheit von etwas Bösem. Es beobachtete mich, obwohl ich es nicht sehen konnte. Diese unnatürliche Kälte die nun ihren Höhepunkt erreicht hatte, mich schlottern und schauern ließ, mir das Blei in meinen Adern verklumpte, musste schließlich einen Ursprung haben.

Aber da war nichts verdammt noch mal. Ich war vollkommen allein in meinem Zimmer. Niemand war durch die Tür getreten. Ich war mutterseelenallein in Paints End.

Die Decke wurde mir plötzlich mit aller Gewalt vom Körper gerissen. Dort wo meine Hüfte mit der Decke verschmolzen war, fetzte mein Körper wie ein Blatt Papier auseinander. Blei schwappte in Unmengen aus mir heraus. Ich schrie, bekam jedoch keinen Ton aus meinem Rachen. Meine Kehle war wie vereist. Ich wollte meine Mund wieder schließen, aber es gelang mir nicht mehr. Mein Kiefer hatte den Dienst versagt. Meine Muskeln spannten sich und ein heftiger Krampf verhinderte den Schließmechanismus meines Kiefers.

Immer mehr Blei suppte aus meinem Unterleib heraus, doch ich verspürte keinen Schmerz.

Schon nach wenigen Sekunden war das Bettlacken vollkommen, mit einer glänzenden, quecksilberähnlichen Brühe durchtränkt. Schwindel und Übelkeit überkamen mich, als ich immer mehr ausbleite. Keuchend presste ich meinen Kopf in das Kissen und blickte mit aufgerissenem Mund an die Decke. Und dort sah ich es. Nur knapp über mir schwebte eine geisterhafte Erscheinung.

Sie war in türkisfarbenes Licht gemalt worden. Das Gesicht schien von einer Art 2. Haut umgeben zu sein. Deutlich malten sich darauf die Konturen von Auge, Nase und Mund ab. Unter der Oberhaut war irgendetwas ständig in Bewegung. Als versuche sich etwas daraus zu befreien. Dürre Finger schienen die Oberhaut zum Reißen zu bringen.

Der Oberkörper der grässlichen Gestalt war ebenfalls von dieser dünnen ledrigen Haut umgeben, unter der sich ebenfalls irgendetwas Widerliches zu befreien zu versuchte.

Dann schob sich diese Kreatur unter lähmendem und schaurigem Ächzen mit Kopf und Oberkörper ins Mondeslicht hinein. Und dort, wo das Licht auf dieses Geschöpf traf, schimmerte das Innere durch. Mir wurde noch kälter und mein Körper verfiel in zunehmende Stase.

Es waren keine Hände die versuchten den Körper auseinander zu reißen. Es war hunderte von Insekten aus dem das Innere des Körper gemalt worden war. Kakerlaken, Spinnen, Ratten, Würmer und anderes niederes Getier, das damit beschäftigt war, sich durch die Oberhaut zu fressen.

Ich war wie paralysiert, konnte die Nage- und Kaugeräusche genauestens hören. Sie fraßen am Leib der Kreatur und kratzten erbarmungslos an der Haut, in der Hoffnung sie jeden Moment durchnagen zu können, damit sich die Brut des Bösen auf mich stürzen und zerfleischen kann.

Tief atmend schien die Kreatur aus dem Schatten heraus zu wachsen, denn dort wo es im Raum dunkel war, verlor sie die Gestalt zur Gänze. Eigentlich hätte man irgendwelche Umrisse durch die Dunkelheit hindurch scheinen sehen, doch dem war nicht so.

Ich befand mich in einer Art Wachkoma. Ich bekam alles um mich herum mit, konnte jede Bewegung dieser abscheulichen Kreatur verfolgen, vernahm ihre abartigen Geräusche, konnte diese zuordnen, aber darauf reagieren konnte ich nicht.

Und dann versagten auch noch meine Augenlider ihren Dienst. Ich wollte sie schließen, sie mit Blei benetzen damit sie nicht austrockneten, doch auch sie froren komplett ein. Ich verspürte ein leichtes Prickeln und Brennen auf der Netzhaut, dass jedoch schnell unangenehm wurde. Meine Augen trockneten langsam aus und ich konnte nichts dagegen unternehmen.

Das Geschöpf neigte sich langsam auf mich nieder und begann sich rhythmisch und hypnotisierend, wie eine Schlange hin und her zu bewegen, ihren Oberkörper stückweise auf mich zuschiebend.

Ihre Finger wuchsen in die Länge und durchbrachen erneut das Mondlicht.

Weiße angefressene Knochen und angenagte Sehnen zeigten sich, dort wo die Insekten bereits ihre Arbeit verrichtet hatten. An den Fingerspitzen schien die Oberhaut nur noch dünn wie Papier zu sein.

Immer mehr Getier sammelte sich an den Fingerspitzen und ließen sie in meine Richtung anschwellen.

Krampfhaft versuchte ich den immer näher rückenden Händen auszuweichen, aber die Lähmung war zu stark und zu weit fortgeschritten.

„Los Vincent du schaffst das. Beweg dich, los beweg dich!“ redete ich mir ein.

Nichts da. Kein einziger meiner Muskeln regte sich. Sie waren vollkommen erschlafft und hatten ihren Dienst versagt.

Immer länger streckte sich das Geschöpf mir entgegen.

Die gesamte Erscheinung war ein einziger zuckender und zuckender Alptraum.

Die Kreatur stank erbärmlich nach Kot und beißendem Urin, mit dem sich das Innere des Wesens bereits gefüllt hatte.

Das Wesen spielte mit mir, saugte meine Angst auf und verspottete mich, denn nun lehnte es sich wieder ein Stück zurück.

Dann verblassten die Insekten und die durchsichtige Haut schob sich aus dem Mondlicht heraus. Zurück blieb der spröde, ledrige Überzug der Oberhaut.

Widerlich genug, aber noch widerlicher fand ich die Vorstellung was dieses Ding mit mir anstellen würde, wenn es mit dem Vorspiel fertig war.

Das Geschöpf kostete den Moment aus, dessen war ich mir sicher. Es wollte seinen Triumph über mich gebührend zelebrieren. Es labte sich an meiner Angst, die für die Kreatur wie eine Droge wirkte. Nur deshalb war ich überhaupt noch am Leben, weil es sich selber befriedigen wollte.

Und dann fasste es mich an. Es fühlte sich an, als erleide ich einen Frostbrand.

Zuerst war es nass und feucht auf meiner Haut, schwammig und glitschig.

Doch schon Sekunden später durchfuhr mich an diesen Stellen ein unglaublicher Schmerz. Mein Blei erstarrte unter den Berührungen dieser gemalten Ausgeburt der Hölle. Erst gerann mein Blei und dann verklumpte es. Ich spürte förmlich wie sich meine Adern verstopften und mein Bleikreislauf zum Erliegen kam.

Dann fuhr ein Kribbeln unter meine Haut. Ein unangenehmer Druck breitete sich unter den Berührungsflächen aus.

Erst als das Mondlicht auf die Finger schien, wusste ich, was dieses Monstrum mit mir anstellte. Es pumpte Ungeziefer und Insekten in meinen Leib hinein.

Ich starrte mit weit aufgerissenen Augen in das Gesicht dieser Abscheulichkeit. Wollte schreien, mich wehren und letzten Endes nur noch sterben, aber all das blieb mir verwehrt.

„ÄÄÄÄÄHHHHHHHHHHHHHHHH!“ stöhnte es und schob sich noch ein Stück weiter zu mir herab. Seine doppelhäutige, ständig morphende Fratze, an der sich mal hier mal dort das Mondlicht brach und dort Einblick in das Innere gab, blickte tief in meine Seele hinab.

Ich wusste, dass das Monstrum mich hämisch angrinste und sich an meinen Qualen erfreute, obwohl sich keinerlei Gesichtszüge ausmachen ließen.

Der kalte Hauch, der bei jedem Atemzug aus meinem Rachen drang, schien mir die Lunge zu zerfressen. Es fühlte sich an als hätte ich Millionen und Abermillionen von kleinen Nägeln verschluckt, die mich nun innerlich durchbohrten.

Das Bett mit dem ich verschmolzen war, zog mich in ein unsichtbares Loch.

Meine Glieder waren so schwer wie Blei und ich fühlte mich, als sinke ich immer Tiefer in die Kälte und Dunkelheit hinein. Mein Sichtfeld schrumpfte mit jeder Sekunde weiter zusammen. Schwärze kräuselte sich am äußeren Rand und zog sich immer weiter wie eine Schlaufe zusammen. Wahrscheinlich lag es an der zunehmenden Sauerstoffnot, die in mir wuchs, je näher sich die Fratze des Monstrum auf mich herab neigte.

Immer lauter stöhnte es, als es mit seinen Fingern unter meine Kleidung glitt und über meinen Oberkörper streichelte. Ich sah wie Spinnen, Rauben, kleine Maden und Würmer durch die Fingerspitzen des Geschöpfes sich in meinen Körper fraßen.

Ich spürte wie sich diese Drecksviecher durch meine Magenwand fressen wollten. Es juckte und kratze in meinem gesamten Leib. Meine Lunge brannte wie Feuer und ich erbrach Blei. Mein Körper begann zu sterben und zu etwas Neuem zu erwachsen. Dieses Geschöpf machte mich zu seinesgleichen.

Ich wurde immer weiter in das schwarze Loch hinab gezogen, das vor meinen Augen eine grauenvolle, niemals endende Tiefe erreichte.

Schnappatmung setzte ein und ich hyperventilierte.

Das Geschöpf streckte sich noch ein kleines Stück weiter zu mir herunter.

Dann fuhr es mit seinen Händen an meinem Oberkörper entlang und näherte sich meiner Kehle. Sein mit Ungeziefer verseuchter Körper bebte vor Erregung. Es zögerte den Augenblick des Höhepunktes noch ein bisschen hinaus, indem es immer wieder von mir abließ und meine pure Angst in sich aufsog. Und dann legte es mit einem Mal seine kalten klammen Finger um meinen Hals und presste mir das Leben aus meinem Leib.

Augenblicklich fuhr ich hoch, packte mir an den Hals und rang nach Luft.

Wo um alles in der Welt war ich? Was war geschehen?

Panisch blickte ich mich um und musste mich orientieren.

„Das Bett!“ schoss es mir in den Sinn. Hektisch streifte ich die Decke von mir und sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett. Ich hatte meine Beine und Füße wieder.

Ich ging in die Knie und versuchte den plötzlich anfallenden Schwindel irgendwie abzuschütteln.

Mein Herz pochte noch immer auf schwer und heftig und es fiel mir schwer meinen Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.

Nur langsam erholte ich mich:“ Ein Alptraum!“ lachte ich!“ um alles in der Welt. Es war nur ein Alptraum!“

Der Traum hatte sich so real angefühlt, dass ich wirklich dachte ich müsse sterben. Er hatte mir ganz schön zugesetzt, denn ich fühlte mich auch nach wenigen Minuten immer noch vollkommen durcheinander und benommen.

Noch immer dröhnte es leicht in meinem Kopf und schwappende Wellen, fiebertraumähnlich, durchdrangen meinen Körper.

Etwas benommen wankte ich zum Waschbecken hinüber und ließ mir etwas Blei über den Kopf laufen. Es war klar und rein und erfrischte mich ungemein, so dass ich nach kurzer Zeit vollkommen sicher war, mich in der Realität zu befinden.

Dennoch blieb ein fahler Beigeschmack, der sich nicht so recht legen wollte.

Ich lauschte in die Nacht hinein. Lange konnte ich nicht geschlafen haben, denn unten hatte die Stimmung ihren Höhepunkt noch längst nicht erreicht.

Also riskierte ich einen Blick aus dem Fenster um mich am Stand des Mondes zu orientieren.

Es mochte vielleicht kurz nach Mitternacht sein, ich hatte also noch die ganze Nacht zum Schlafen vor mir. Und Schlaf hatte ich auch bitter nötig, nach all den Strapazen der letzten Tage.

Gerade als ich mich wieder ins Bett legen wollte, erregte etwas draußen vor dem Fenster meine Aufmerksamkeit.

Ich vernahm leise Pferdehufe auf dem gemalten Kopfsteinpflaster, irgendwo durch die Gassen zu mir herüber schallen. Dann malten sich bewegliche Schatten an den eng stehenden Häuserwänden ab. Sie dehnten sich und streckten sich in die Länge. Fast glaubte ich, die dazu gehörigen Personen würden riesig sein, doch dann knickten die Schatten um die Ecke und verkleinerten sich wieder. Ich verfolgte das Schattenspiel aufmerksam, bis sich schließlich die Konturen von drei Pferden zeigten, auf denen jeweils eine Gestalt saß.

Es waren hochgewachsene, stattliche Gemalte. Ich erkannte ihre langen Haare und Vollbärte. Dazu trugen sie schwarze Mantel und ebenso schwarze Stiefel.

Sie machten keinen vertrauenserweckenden Eindruck, aber das musste ja nichts bedeuten.

Merkwürdig war nur, dass sie ihre Pferde in die Gasse hinter der Spelunke führten, anstatt sie am Eingang festzuzurren.

Führten sie etwas im Schilde?

Nach allem was geschehen war, bin ich vorsichtig geworden.

Deshalb hielt ich es für das Beste, in die Schatten zu treten und sie von dort aus zu beobachten. Nur für den Fall der Fälle.

Sie hielten an und stiegen von den Pferden. Anschließen steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten sich gegenseitig etwas zu. Dann trennten sie sich.

Der eine ging links um die Spelunke und der andere nahm die entgegengesetzte Richtung. Der dritte jedoch blieb bei den Pferden und passte auf sie auf. Ich wurde das Gefühl allerdings nicht los, dass die verbliebene Gestalt, die Gasse nach hinten hin absicherte.

Als die Eine Gestalt in der Bewegung herum fuhr, öffnete sich sein Mantel ein Stück und ich erkannte eindeutig den Pinsel, den er bei sich trug.

Jetzt hieß es vorsichtig sein, denn sie waren also bewaffnet und es waren definitiv keine Wachen, denen es als einzige gestattet war Pinsel bei sich zu tragen.

Ich fragte mich, ob das mit rechten Dingen vor sich ging, denn Jester hatte doch erwähnt, dass alle Pinsel nach getaner Arbeit wieder eingesammelt wurden. Warum also hatten diese Gestalten noch ihre Pinsel bei sich? Waren es Wachen oder einfach nur gewöhnliche Kriminelle?

Ich schlich zur Tür hinüber und öffnete sie einen Spalt. Der Gang lag unverändert, in diffuses Licht getaucht, in Staub und Spinnenweben gehüllt.

Entgegen allen Versprechungen verließ ich meine Kammer. Ich wollte wissen was diese Gestalten vor hatten. Schließlich musste ich handeln, falls die Lage ernst wurde.

Der Gang wirkte unheimlich im flackernden Kerzenlicht, als ich an den Zimmern auf leisen Sohlen vorbei huschte. Ich kontrollierte ob die anderen Zimmertüren verschlossen waren, oder ob es einen anderen Ausweg gab. Zu meiner Enttäuschung musste ich feststellen, dass alle Zimmer gut verriegelt und verschlossen waren.

Jester musste die Schlösser zuvor geknackt und wieder verschlossen haben.

Mir kam plötzlich eine Idee. Ich huschte zu meiner Zimmertür mit der Nummer 9 zurück und drehte sie herum. Anschließend tat ich dasselbe mit der Zimmernummer 6.

Vielleicht war es nun doch übermäßige Vorsicht, vielleicht aber auch Vorahnung.

Als ich die Treppe erreicht hatte, kniete ich mich hin, um besser Einsicht auf das Geschehen im Schankraum zu bekommen. Ich konnte mich sogar in eine schattige Ecke verziehen, in der man mich von unten nicht sehen, ich aber den größten Teil der Bar und des Raumes erkennen konnte.

Es dauerte auch nicht lange, da wurde die Tür aufgestoßen und die beiden Gestalten betraten die Spelunke.

Augenblicklich wurde es totenstill.

Ich musterte die beiden genau. Ihre Gesichter hatten tiefe Furchen und waren narbenüberzogen. Fast mochte man meinen, man hätte ihnen die Haut vom Gesicht abgezogen, einmal kräftig zusammen geknüllt und wieder aufgemalt. Sie standen einfach nur so da und blickten in die Runde. Es herrschte eine angespannte Stimmung und ich wurde das Gefühl nicht los, dass diese Gestalten hier unerwünscht waren. Keiner der anwesenden Gäste machte jedoch irgendwelche Anstalten die beiden aus der Spelunke zu werfen, obwohl sie zahlenmäßig weit überlegen waren.

Dann meinte einer der Beiden mit rauer, rauchiger Stimme:“ Gibt es hier auch etwas zu trinken für 2 durstige Kehlen?“

„Natürlich!“ meinte der Gastwirt und machte eine einladende Geste“, nur herein spaziert meine Herrschaften. Hier gibt es den besten Farbkohol der gesamten Stadt!“

Mit einem Mal begann die Band wieder zu spielen und die Beiden versanken unter den anwesenden Gästen in der Bedeutungslosigkeit.

Mit wachen Augen schritten sie zur Theke und setzten sich auf 2 Barhocker.

Sofort kam der Wirt an und fragte nach ihren Wünschen. Sie bestellten sich gleich mehrere Drinks, die sie hastig herunter stürzten, um gleich wieder neue zu ordern.

Ich konzentrierte mich auf das, was der eine der beiden den Wirt plötzlich fragte:“ Und? Wie laufen die Geschäfte so?“

„Könnte besser sein, man hält sich so über Wasser. Es reicht gerade zum Leben!“ entgegnete der Wirt.

„Habt ihr noch Zimmer frei?“ erkundigte sich der andere der Beiden.

„Oh ja. Im Moment sind nur 3 Zimmer belegt. Wünschen die Herrschaften eines?“ fragte der Wirt.

„Das kommt darauf an!“

„Auf was?“

„Auf euer Klientel. Schließlich haben wir kein Interesse ausgeraubt zu werden!“ der genarbte rotzte auf den Boden“, was sind denn das für Gäste, die im Moment hier untergebracht sind? Kann man ihnen trauen?“

„Auf jeden Fall, das sind hauptsächlich alles Stammkunden. Die meistens besaufen sich hier bis zur Besinnungslosigkeit und torkeln dann in ihr Bett.

Falls sie es überhaupt noch bis dorthin schaffen. Also kein Grund zur Sorge! Die sind harmlos“ beschwichtigte der Gastwirt die beiden.

„Und nicht hauptsächlich?“

Der Wirt schaute sich verstohlen um und meinte dann:“ Nun ja, es kommt hin und wieder vor, dass hier natürlich Fremde auftauchen. Aber nur äußerst selten. Bitte verzeiht mir, aber ich frage schließlich nicht jeden meiner Gäste ob er etwas auf dem Kerbholz hat. Ich bin froh um jeden Gast, den ich beherbergen kann.“

„Verstehe, verstehe. Und wann ist das letzte Mal ein Fremder hier angekommen? Nur aus reiner Neugier?“

Ich lehnte mich nach vorne und spitzte die Ohren.

Der Gastwirt zögerte einen Augenblick und meinte dann:“ Lasst mich mal überlegen. Ich glaube das dürfte letzte Woche gewesen sein, da kam ein alter Mann hier vorbei, der eine Unterkunft für eine Nacht gesucht hatte. Er hat bezahlt und ist am nächsten Morgen gleich früh abgereist. Ich glaube das Klientel entsprach nicht seinen Vorstellungen. Ja ich glaube es war sogar letzten Mittwoch.“

Die beiden Gestalten blickten sich an und nickten dann einvernehmlich.

„Letzte Woche also hä?“ die Stimme des Fremden klang merklich gereizt.

„Ja letzte Woche!“ meinte der Wirt unbeirrt.

„Und da bist du dir ganz sicher? Kann es nicht sein, dass heute 2 Jungen hier angekommen sind, die nach einem Zimmer verlangt haben?“ hackte die eine Gestalt knurrend nach.

Mein Herz tat einen Sprung.

Doch der Gastwirt schüttelte den Kopf und verneinte die Frage.

Auch als die Gestalt seinen Mantel ein Stück öffnete und man den darin befindlichen Pinsel gut erkennen konnte, hielt er dicht.

Mir fiel ein Stein vom Herzen. Anscheinend war die Summe, die Jester ihm gegeben hatte so groß, dass er sich nicht aus der Reserve locken ließ.

Einer der beiden fummelte in seiner Tasche herum und holte einen Batzen Geldscheine hervor. Er legte sie demonstrativ auf die Theke und beobachtete den Gastwirt dabei genau. Obwohl sich dieser nichts anmerken ließ wusste ich genau was in ihm vor sich ging.

„Wir wollen hier doch kein Aufsehen erregen!“ der eine leckte sich Daumen und Zeigefinger und begann sie Geldscheine ausgiebig vor den Augen des Wirtes zu zählen, dann schob er dem Wirt 2 Scheine zu.

„Und?“ fragte er“, immer noch nichts?“

Der Wirt schüttelte den Kopf. Er wischte sich mit seinem Arm den Schweiß von der Stirn.

„Nein?“ fragte die Gestalt erneut und schob weitere 3 Scheine rüber.

Der Wirt schaute sich erneut verstohlen um, als fühlte er sich beobachtet.

„Ich geh man kurz austreten!“ meinte die 2. Gestalt und erhob sich von der Theke, nachdem er sein Farbkohol in einem Zug hinunter gestürzt hatte. Er blickte misstrauisch in die Runde und verschwand dann aus der Spelunke auf die Straße.

Der Fremde erhöhte seine Gebote einige Male, aber der Wirt hielt dicht:“

Ehrlich, ich habe die Wahrheit gesagt. Ihr könnt mir noch so viel Geld bieten wie ihr wollt. Hier hat heute niemand eingecheckt. Fragt doch die Gäste hier, die können das Bestätigen.“

Der Fremde drehte sich nach allen Seiten um und musterte das Klientel. Die meisten von ihnen waren schon so voll, dass sie sich kaum noch auf den Hockern halten konnten. Einige schliefen bereits mit dem Kopf auf den Tisch, während andere hin und her taumelnd, irgendeinen wirren Schwachsinn schwafelten.

Der Fremde drehte sich wieder zum Gastwirt und meinte dann:“ Du scheinst die Wahrheit zu sagen, aber vielleicht ändert das hier ja doch noch deine Meinung.“

Der Fremde grinste diabolisch und holte seinen Pinsel langsam unter seinem Mantel hervor.

Der Wirt ging einen Schritt zurück und meinte:“ Bitte, tun sie mir nichts, ich habe die Wahrheit gesagt ehrlich.“

Dreckig lachte der Fremde und meinte dann:“ Aber, aber, ich werde hier doch kein Aufsehen erregen. Wir unterhalten uns doch nur ein bisschen oder? Ich will dir doch nur etwas zeigen. Keine Sorge mein Lieber. Alles gut!“

Der Fremde zog sich den Mantel aus und legte ihn neben sich auf den Hocker.

„Ganz schön heiß hier drinnen oder findet ihr nicht?“

Der Wirt nickte hastig zustimmend mit dem Kopf.

Was hatte der Fremde bloß vor? Er begann langsam sein schmuddeliges, fleckiges Hemd aufzuknüpfen.

„Was tun sie da? Sie können sich doch nicht einfach hier in meiner Wirtschaft entkleiden, das ist gegen die guten Manieren! Bitte ziehen sie sich wieder an!“ bat der Gastwirt ebenfalls vollkommen irritiert.

„Gegen die guten Manieren. PFFFFF!“ spottete der Fremde“, schau dich doch um. Wo sind denn die guten Manieren bei deinen Gästen geblieben? Sie benehmen sich wie die Tiere und ihr habt etwas dagegen, wenn ich mir ein wenig Luft verschaffe?“

„Das ist etwas vollkommen anderes. Meine Gäste kommen ja extra her um etwas Spaß zu haben und ausgelassen zu feiern, aber noch nie hat sich jemand einfach so entblößt“, stotterte der Gastwirt.

„Alles gut, alles gut!“ beruhigte ihn der Fremde“, ich will dir doch nur etwas zeigen.“

Als der Fremde sein Hemd bis unten aufgeknöpft hatte, lag seine Brust blank und nackt gemalt da. Dann hob er seinen Pinsel und hielt ihn sich genau an die Schläfe.

Etwas Merkwürdiges geschah. Ich rückte ein Stück weiter nach vorne, um auch wirklich alles erkennen zu können.

Meine Nervosität stieg ins Grenzenlose. Aufgeregt knabberte ich an meinen Fingernägel herum und spuckte das abgeknabberte Grafit zu Boden.

Das Papier, auf dem der Fremde gemalt worden war und das ihn unmittelbar umgab, begann irgendwie zu krampfen, es pulsierte, knüllte sich zusammen und entspannte sich wieder. Die Farbe, die in umgab, floss davon und versuchte zu flüchten. Die gemalten Konturen des Fremden erhärteten sich plötzlich. Die Farbe wich aus seinem Körper und zurück blieb etwas Unbeschreibliches. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Er bestand nun nicht mehr aus Farbe, obwohl sein äußeres Erscheinungsbild nach wie vor vorhanden war. Die Striche und Linien aus denen der Fremde bestand gehörten nicht hier her, nicht nach Pencilvanien. Es war weder Farbe, noch Grafit, noch irgendetwas, was ich in der Welt außerhalb Pencilvaniens zu Gesicht bekommen hatte. Schwarz und tief reichte das, aus was der Fremde bestand, in das Papier hinein. Als sei er eins mit dem Papier, mit ihm verschmolzen, obwohl sich das Papier weigerte, dieses Befremdliche zu akzeptieren.

Der Fremde schien nur aus Linien und Konturen zu bestehen. Dort, wo sich bei einem Gemalten oder Gezeichneten Haut zeigte, war bei diesem Fremden nichts weiter, als gähnendes Weiß. Als hätte man ihn nur mit Außenlinien bzw. Outlines versehen, aber vergessen die dazwischen befindlichen Räume auszufüllen. Die Gesamte Erscheinung ging nicht ineinander über, sonder war ein Gebilde aus unabhängigen Strichen, die eigentlich auf dem Papier kollabieren müssten, es jedoch nicht taten.

Der Gastwirt war so erschrocken, dass er augenblicklich zurück taumelte. Mit dem Rücken kam er gegen ein paar Flaschen mit Farbkohol, die scheppernd zu Boden fielen und in tausend Scherben zerbarsten.

„Das…..das kann nicht sein! Das ist unmöglich. Was um alles beim Gemalten seid ihr“ keuchte der Gastwirt“, lasst den Unsinn. Das ist nicht lustig!“

„Unsinn? Von welchem Unsinn redest du?“ ein breites böses Grinsen huschte von einem Windwinkel zum Anderen. Es gab keinerlei fließenden Übergänge.

Es schien, als würde dieser Fremde nur in abgehackten Bewegungen agieren, obwohl ich genau spürte, dass gleitende Bewegungen da waren. Allerdings schienen sie zu schnell zu sein, als von Gemalten oder Gezeichneten wahr genommen zu werden.

„Was für eine Maltechnik ist das?“ stotterte der Wirt“, damit scherzt man nicht! So etwas ist bestimmt verboten. Bedenkt doch nur, wenn man euch erwischt?“

„HAHAHAHAHA!“ lachte der Fremde:“ Ich mache keine Scherze und weißt du warum? Weil es keine verbotene Maltechnik ist. Und ich habe auch keine Angst, weil sie mich nicht erwischen werden.“

Der Gastwirt keuchte und drohte dem Fremden mit einem abgebrochenen Flaschenhals.

Dieser saß unbeirrt, frei von jeglicher Angst auf seinem Hocker und genehmigte sich noch einen Schluck aus seinem Glas, während der Pinsel noch immer an seiner Schläfe verweilte.