Pakt der Goldhände 2 - Gestohlenes Erbe - Ella Laurier - E-Book

Pakt der Goldhände 2 - Gestohlenes Erbe E-Book

Ella Laurier

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Beschreibung

Die Goldhand Lysos kümmern die erschütternden Ereignisse in Vea nicht. Obwohl das Misstrauen gegenüber Goldhänden spürbarer ist als je zuvor, schleicht sich der Navigator durch Tebas Gassen auf der Suche nach dem goldenen Glück. Denn Lysos hatte schon immer ein Händchen dafür, Besonderheiten zu finden. Beim Einbruch in eins der einflussreichsten Häuser Tebas wird Lysos jedoch von der kaltherzigen Händlerin Zyria erwischt. Um sein Leben zu retten, bietet er ihr seine magischen Fähigkeiten dar und verspricht, zu finden, was sie begehrt. Zyria willigt ein. Aber was sie sucht, ist kein Schatz, sondern ein verschwundenes Goldhand-Mädchen. Während Zyria sich in Schweigen hüllt, bleibt Lysos‘ einziger Hinweis ein Medaillon voller Trauer, Sehnsucht und Geheimnisse. Gemeinsam beginnen sie eine schicksalhafte Reise, die sie unverhoffter Dinge zum Kern der Intrigen um die Kinder der Oneia bringt. Intrigenreiche Fantasy mit starken Frauen, Talentmagie und queerness in einer mythischen Inselwelt, inspiriert von griechischer Antike.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


 

 

 

Pakt der Goldhände

Gestohlenes Erbe

Band 2 der Goldhand-Trilogie

 

 

Impressum

 

 

1. Auflage

© 2025 Ella Laurier

 

 

Ella Laurier

c/o Fakriro GmbH / Impressumsservice

Bodenfeldstr. 9

91438 Bad Windsheim

 

www.ellalaurier.com

 

Covergestaltung: Christin Giessel (Giessel Design), www.giessel-design.de

Korrektorat: Sarah Nierwitzki, www.lektorat-wortkosmos.de

Karte und Kapitelillustration: Ella Laurier

 

veröffentlicht über Tolino Media

 

978-3-759-27982-8

 

Hinweise zum Inhalt: Diese Geschichte behandelt möglicherweise belastende Inhalte. Am Ende des Buches sind die Themen aufgelistet. Lies sie gerne durch und entscheide, ob du dich mit allem wohlfühlst.

 

Für alle, die das Besondere in sich suchen.

Inhalt

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Von der Tapferkeit der Tebanis

Danksagung

Über die Autorin

Inhaltswarnung

Kapitel 1

 

Ly­sos hat­te schon immer ein Händ­chen da­für ge­habt, Be­son­der­hei­ten zu fin­den. Be­son­der­hei­ten wie die un­ver­schloss­ene Tür zu ei­nem La­ger­raum, die ihn recht­zei­tig aus dem Blick der Was­ser­pa­trouille ver­schwin­den ließ. Durch ein mil­chi­ges Sicht­fens­ter be­ob­ach­te­te er, wie die Gon­del mit den Wachen über den Ka­nal glitt. Das Was­ser schwapp­te ge­gen das Ufer und gluck­ste, wenn das Ru­der ein­ge­taucht wur­de. Die bei­den Wachen wirk­ten wie le­ben­di­ge Schat­ten, um­ringt von bläu­li­chem Licht.

Es war be­reits die drit­te Pa­trouille, der Ly­sos die­se Nacht aus­weichen muss­te – zwei auf dem Was­ser, ei­ne am Hafen. Er hat­te ge­hofft, dass die Stadt­wa­che ihr al­ber­nes Zur­schaus­tel­len end­lich be­en­den wür­de. Of­fen­sicht­lich nicht. Und das alles we­gen ei­nes Auf­standes auf Vea, am an­de­ren En­de des Meeres, der Mona­te zurück­lag.

Ly­sos lausch­te mit an­ge­hal­te­nem Atem, bis Stil­le ein­kehr­te. Erst da­nach lo­cker­te er sei­ne Hal­tung und späh­te in das La­ger. Es roch nach Holz und so­weit er im Dun­keln er­ken­nen konn­te, sta­pel­ten in und zwi­schen den Re­ga­len nur Bret­ter, Holz­schei­te und noch mehr Bret­ter. Kei­ne Ab­len­kung, der es sich lohn­te, nach­zu­ge­hen. Ly­sos hat­te an­de­re Plä­ne für die­se Nacht.

Er ver­ließ sein Ver­steck und eil­te den Ka­nal ent­lang, bis er die er­ste Trau­er­wei­de über ei­ne Mau­er ra­gen sah. Er duck­te sich un­ter ih­re Zwei­ge hin­durch und bog in ei­ne Sei­ten­gas­se, die ihn in Te­bas reichs­tes Vier­tel brach­te. Hier auf der West­sei­te der In­sel, ge­trennt durch den gro­ßen Ka­nal, fan­den Bäu­me und Zier­blu­men noch Platz in den Vor­gär­ten der Vil­len.

Mit sei­nen gol­de­nen Fin­gern strich er ent­lang der Mau­er. Der Sand­stein war rau und an­ge­nehm kühl. Wäh­rend er ver­such­te, die Vil­la da­hin­ter zu er­ah­nen, folg­te er dem Weg bis zum näch­sten Ka­nal. Das Grund­stück reich­te bis ans Was­ser und als Ly­sos um die Ecke lins­te, ent­deck­te er ei­ne An­le­ge­stel­le, von ei­ner La­ter­ne er­hellt. Das Was­ser wieg­te die an­ge­leg­te Gon­del. Ein wah­res Pracht­stück! Das Holz war fein ver­ar­bei­tet und la­ckiert, an kei­ner Stel­le be­merk­te er ei­ne Ma­cke oder auf­ge­platz­te Far­be. Der Vor­ders­te­ven beug­te sich ma­jes­tä­tisch nach hin­ten, über und über mit ge­schnitz­ten Ver­zie­run­gen. Er er­kann­te die Fi­gu­ren nicht, aber er sah das ein­ge­ar­beit­ete Gold und Silber. Das war kei­ne ein­fa­che Aus­flugs­gon­del, nein, das war ein Zeichen von Hand­werks­kunst und Reich­tum. Wer hier wohn­te, muss­te kei­ne Sor­gen ha­ben. Außer viel­leicht der Fra­ge, ob das Kleid aus Samt oder Da­mast sein soll­te.

Ly­sos grins­te und fass­te ei­nen Ent­schluss: Das war das rich­ti­ge An­we­sen. Er späh­te zum Steg und ent­deck­te zu sei­nem Be­dau­ern zwei Wachen. Nicht ver­wun­der­lich, mit ei­nem schwim­men­den Schatz auf of­fe­nem Ge­wäs­ser. Dann blieb ihm nur der Weg über die Mau­er. Er zog sich in die Schat­ten zurück und rich­te­te sei­nen Tur­ban, um si­cher­zu­ge­hen, dass kei­ne blon­de Sträh­ne ihn ver­riet. Er rieb sich die Hän­de und be­rühr­te sei­ne silber­nen Rin­ge, be­vor er die Mau­er ab­tas­te­te. Da war es, die­ses Krib­beln in den Fin­ger­spit­zen. Sein Herz­schlag, kräf­tig pul­sie­rend in sei­nen Adern. Die­se Nacht wür­de er et­was Be­son­de­res ent­de­cken. Wie von selbst fan­den sei­ne Fin­ger in die Rit­zen der Mau­er­stei­ne, die er mit blo­ßem Au­ge nicht ein­mal sah. Sei­ne Hän­de führ­ten ihn die Mau­er hin­auf, bis er den er­sten Ast der Trau­er­wei­de grei­fen konn­te. Er warf ei­nen letz­ten Blick zur Gas­se, aus der er ge­kom­men war. Ir­gend­wann wür­den sei­ne nächt­li­chen Er­kun­dungs­tou­ren schief­ge­hen, sag­te Käpt’n Xia­fis immer. Ir­gend­wann, aber nicht die­se Nacht.

Er han­gel­te sich in die Baum­kro­ne und hielt Aus­schau nach wei­te­ren Wachen im Gar­ten. Es dau­er­te nicht lan­ge, bis er ein Ra­scheln hör­te und ein Knur­ren folg­te. Hun­de, na­tür­lich, für so ein An­we­sen sinn­vol­ler als ei­ne be­stech­li­che Wa­che. Ly­sos kram­te ei­ne Kräu­ter­kugel und ei­nen Zünd­stein aus sei­nem Beu­tel und mit ge­üb­ten Hand­grif­fen brach­te er die Kugel zum Rau­chen. Die Hun­de spitz­ten die Oh­ren und schli­chen sich an die Wei­de he­ran. Er ließ die Kugel fal­len und so­fort um­kreis­ten sie den Rauch. Sie schnup­per­ten da­ran, jaul­ten ver­wirrt, dann schnup­per­ten sie er­neut. Ei­ner der drei Hun­de war tö­richt ge­nug, hin­ein­zu­bei­ßen. Es dau­er­te nicht lang, da lie­ßen sich die Hun­de trä­ge auf das Gras fal­len und schnaub­ten tief.

Seit die Kräu­ter­da­me vom Hafen ih­re haus­ge­mach­ten Hilfs­mittel un­ter der Hand mit ihm tausch­te, gab es nichts, was ihn mehr auf­hielt. Triump­hier­end stieg er vom Baum und be­trach­te­te die schla­fen­den Hun­de. Sie waren wohl­ge­nährt, nicht dick und hat­ten fle­cki­ges Fell mit brei­ten Schnau­zen. Kei­ne rein­blü­ti­ge Zucht, so viel konn­te er sa­gen. Er strich über ih­re Flan­ken, ehe er sei­nen Weg fort­setz­te.

Der Rasen war trotz des tro­cke­nen Som­mers saf­tig und mit solch ei­ner Prä­zi­sion ge­stutzt, dass kein Halm über den an­de­ren rag­te. Die Zy­pres­sen waren ent­lang des Mittel­wegs von der An­le­ge­stel­le zum An­we­sen an­ge­legt, ein Baum ex­akt wie der an­de­re ge­schnit­ten. Da­zwi­schen reih­ten sich Statu­en auf und bei nä­he­rer Be­trach­tung er­kann­te in ih­nen Te­bas zehn Tu­gen­den. Er knie­te un­ter der Tu­gend der Gast­freund­schaft, die ih­re Ar­me wie für ei­ne Um­ar­mung aus­brei­te­te und in war­men Rot­tö­nen be­malt war. Die­se Ein­la­dung woll­te er nicht aus­schla­gen.

Ge­duckt husch­te er auf die an­de­re Sei­te des We­ges. Dies­mal such­te er Schutz hin­ter ei­ner Sta­tue, die in schlich­ten Ge­wän­dern ei­nen ein­zel­nen Blüten­zweig in den Hän­den hielt.

»Ich glau­be, du bist hier falsch, lie­be Ge­nügs­am­keit«, mur­mel­te Ly­sos und be­trach­te­te das An­we­sen. Die brei­ten Trep­pen führ­ten hin­auf zu ei­nem säulen­ge­stütz­ten Ein­gang, Statu­en und Stuck ver­zier­ten das Dach und die Fens­ter waren groß wie Ein­gangs­türen. Zu die­ser Uhr­zeit brann­te kein Licht mehr, außer in den Kam­mern der An­ge­stell­ten un­ter dem Dach. Am liebs­ten hät­te er ei­nen Blick in das Haus ge­wor­fen, aber so un­be­dacht war er nun auch wie­der nicht.

Er dreh­te sei­ne Rin­ge, wäh­rend er sich vom Mittel­weg ent­fern­te und den rest­li­chen Gar­ten er­kun­de­te. Da waren ein Teich, in dem gol­den schil­lern­de Fi­sche schwam­men, und Obst­bäu­me, um­ringt von Bee­ren­sträu­chern. Er sti­bitz­te sich ei­ne Hand­voll Brom­bee­ren.

Wäh­rend er sie aß, mal­te er sich aus, wie es sein moch­te, in die­sem An­we­sen zu le­ben. Er wür­de im Schat­ten der Bäu­me dö­sen und sich Pis­ta­zien­kuchen brin­gen las­sen. Er wür­de in ei­nem Bett mit Ma­trat­ze schla­fen, grö­ßer als sei­ne ge­sam­te Ka­jü­te. Er wür­de je­der­zeit ba­den kön­nen und sich mit duf­ten­den Ölen ein­rei­ben las­sen. Wenn er sich nach dem Meer sehn­te, könn­te er mit der Gon­del durch Te­bas Ka­nä­le schip­pern. Nein: sich fah­ren las­sen.

Plötz­lich spür­te er die­ses fei­ne Pri­ckeln in den gol­de­nen Fin­ger­spit­zen. Manch­mal fühl­te sich sei­ne Ga­be an wie ein Winds­toß im Rü­cken, der ihm kei­ne an­de­re Wahl ließ, als ihm nach­zu­lau­fen. Manch­mal war es viel­mehr ein un­ge­wis­ses Ju­cken in den Fin­gern, das schlim­mer wur­de, je mehr er sich nä­her­te. Dies­mal war es ein we­nig von bei­dem. Sei­ne Fü­ße folg­ten wie von selbst dem Kies­weg vom Teich bis in ei­nen hin­te­ren Teil des Gar­tens, weg von An­le­ge­stel­le und Vil­la. Ly­sos rieb sich die Hän­de und dreh­te sei­ne Rin­ge. Als sich La­ven­dels­träu­cher zu bei­den Sei­ten des We­ges er­ho­ben, ahn­te er, wo­hin er kam.

Der Schrein be­fand sich in ei­nem of­fe­nen Pa­vil­lon. Oliven­bäu­me, hoch wie die ver­gold­ete Kup­pel, flan­kier­ten die Säulen am Ein­gang. Da war er wohl an ei­nen sehr gläu­bi­gen Haus­halt ge­ra­ten, wenn sie sich die Mü­he mach­ten und das Geld hat­ten, den Tempel auf Vea zu ko­pie­ren. Der Ge­ruch von ver­brann­tem La­ven­del hing in der Luft, als er den Pa­vil­lon be­trat. Der Mond reich­te nicht bis Ich­ry­lis’ Sta­tue, wes­halb sie in Schat­ten ge­hüllt blieb. Has­tig deu­te­te er ei­ne Ver­beu­gung an.

»Ge­grüßt seist du, Ich­ry­lis«, flüs­ter­te er. Als er auf­blick­te, ent­deck­te er ei­ne ge­mal­te Iko­ne zu den Fü­ßen der Sta­tue. Sie zeig­te die Hei­li­ge Eveia, um­ringt von prall ge­füll­ten Tru­hen und ei­ner gan­zen Schiffs­flot­te im Hin­ter­grund. Vor ihr ver­neig­te er sich nicht. Die Grün­de­rin Te­bas und ehe­ma­li­ge Prin­zes­sin der Lyr war für sei­nes­glei­chen si­cher kei­ne Schutz­pa­tro­nin, egal ob hei­lig oder nicht.

Er wand­te sich an die Sta­tue. »Du leis­test be­stimmt wun­der­ba­re Ar­beit da­bei, die­ses Haus zu schüt­zen und ih­nen Wohl­stand zu be­sche­ren. Den­noch hof­fe ich, du hast Mit­ge­fühl mit mir Gold­hand und er­laubst mir, in dei­ne Opfer­tru­he zu se­hen. Ich ha­be näm­lich Schul­den, die ich be­glei­chen muss …«

Ob­wohl es un­mög­lich war, schie­nen sich die Ge­sichts­zü­ge der Sta­tue arg­wöh­nisch zu ver­zie­hen. Des­halb füg­te er has­tig hin­zu: »Nach­dem ich sie be­gli­chen ha­be, brin­ge ich dir ein Opfer im glei­chen Wert zurück. Ver­spro­chen!«

So­bald er die Wor­te aus­ge­spro­chen hat­te, biss er sich auf die Zun­ge. Hof­fent­lich brach­te ihm das leicht­fer­ti­ge Ver­spre­chen ei­ner Gott­heit ge­gen­über kein Un­glück. Was, wenn in der Tru­he ein Edel­stein oder ein Gold­bar­ren lag? Aber zurück­neh­men konn­te er sei­ne Wor­te auch nicht mehr. Ihm blieb nichts an­de­res üb­rig, als auf Ich­ry­lis’ Gna­de zu hof­fen. Er knie­te sich zu den Fü­ßen der Sta­tue und be­gut­ach­te­te die Scha­tul­le, die zwi­schen den Opfer­scha­len mit ge­trock­ne­tem La­ven­del und aus­ge­brann­ten Ker­zen stand. Im Dun­keln konn­te er das Fa­mi­lien­wap­pen nicht ge­nau er­ken­nen, aller­dings er­tas­te­te er ei­ne Waa­ge – ei­ne Han­dels­fa­mi­lie al­so. Auf der ei­nen Waag­scha­le er­ahn­te er den Um­riss ei­nes Schiffs und auf der an­de­ren wo­mög­lich Ham­mer und Zan­ge. Ei­ne Han­dels­fa­mi­lie mit Werft und Schmie­de? Er dach­te an die Gon­del, die er zu­vor ge­se­hen hat­te, und grins­te. Das war ei­ne rei­ne Gold­gru­be, die er da ent­deckt hat­te.

Trotz­dem zö­ger­te Ly­sos, als er den De­ckel der Tru­he an­hob. Mit ei­nem Blick zu Ich­ry­lis hin­auf ver­si­cher­te er sich, nicht gleich vom Blitz oder ei­ner an­de­ren Stra­fe ge­trof­fen zu wer­den, und öff­ne­te die Scha­tul­le. Sein Herz­schlag pul­sier­te bis in sei­ne Fin­ger­spit­zen, als er sich da­rüber beug­te und … nichts fand.

»Was sucht Ihr dort?«

Ly­sos fuhr he­rum und stürz­te auf sei­nen Hin­tern, die lee­re Scha­tul­le an sei­ne Brust ge­drückt. Vor ihm stand die Her­rin des Hau­ses, da war er si­cher, so­bald er sie er­blick­te. Ihr kan­ti­ges Ge­sicht war um­rahmt von schwe­ren dunk­len Lo­cken, die er als lie­blich be­zeich­net hät­te – wä­ren da nicht der fins­te­re Aus­druck und die Arm­brust. Ihr Körper war ein­ge­hüllt in das no­bel­ste Nacht­ge­wand, das er je ge­se­hen hat­te, vol­ler Rü­schen und et­li­cher Lagen perl­mutt­far­be­ner Sei­de.

Ly­sos senk­te den Blick auf ih­re sam­te­nen Pan­tof­feln. Er brach­te kei­nen ein­zi­gen Ton mehr her­aus. Ir­gend­wann wür­den sei­ne nächt­li­chen Er­kun­dungs­tou­ren schief­ge­hen, hat­te Käpt’n Xia­fis ihn ge­warnt. Und an­schei­nend war es so­weit.

»Ihr seid ei­ne Gold­hand.«

Ly­sos zuck­te so hef­tig zu­sam­men, dass er bei­nahe die Scha­tul­le fal­len ließ. Die Wor­te blie­ben ihm im Hals ste­cken und er brach­te nur ein Stamm­eln her­aus. Doch ehe er sich ei­ne Lü­ge spann, frag­te sie: »Ge­hört Ihr zu den Kin­dern der Oneia?«

Mit ge­run­zel­ter Stirn sah er auf und fand sich dem mus­tern­den Blick der Frau aus­ge­setzt. Sein Hals juck­te.

»Ich hat­te al­so recht, es geht Euch um mein Ver­mö­gen.«

»Ich weiß nicht –«

»Er­spart mir die Aus­re­den«, un­ter­brach sie ihn. Sie hob die Arm­brust an und Ly­sos zog den Kopf ein. »Ich ha­be Eu­ren Freund die letz­ten bei­den Ma­le zie­hen las­sen, als er rum­ge­schli­chen ist und um ein Ge­spräch mit mir bat. Ich hör­te mir ge­dul­dig an, was er zu sa­gen hat­te, und schick­te ihn weg, ob­wohl ich die Stadt­wa­che hät­te ru­fen sol­len.«

Sie rüm­pfte die Na­se und dräng­te ihn ei­nen Schritt zurück. »Nun ent­de­cke ich er­neut ei­ne Gold­hand in mei­nem Gar­ten, die auch noch die Dreis­tig­keit be­sitzt, den Tempel zu ent­wei­hen. Das ist ei­ne Be­lei­di­gung und dies­mal wer­de ich nicht –«

»Ei­nen Mo­ment!«, rief er und rap­pel­te sich auf. »Ich ha­be kei­ne Ah­nung, wo­von du … wo­von Ihr sprecht! Ich ha­be noch nie et­was von Onei­as Kin­dern ge­hört und bin nicht des­we­gen hier. Es gibt kei­nen Grund, die Stadt­wa­che zu ru­fen!«

Er stock­te. Sie über­rag­te ihn um ei­nen hal­ben Kopf und starr­te auf ihn he­rab. Die Lo­cken, der Blick, die an­ge­spann­ten Schul­tern wie die ei­ner Stadt­wa­che. Sie war wild. Alles an ihr war wild. Sie schien sich zu fürch­ten, ja, aber die Furcht gab ihr Kraft. Hat­te er sich ge­täuscht? Konn­te das ei­ne fei­ne Han­dels­da­me sein?

»Ihr habt nichts mit den Kin­dern der Oneia ge­mein?«, hak­te sie nach und hob die Augen­braue. »Was habt Ihr dann an der Opfer­tru­he die­ses hei­li­gen Or­tes zu schaf­fen?«

»Sie war leer, noch be­vor ich sie öff­ne­te«, ent­geg­ne­te Ly­sos. Er klapp­te die Scha­tul­le zu und stell­te sie zurück an ih­ren Platz. Ihm blieb kei­ne Zeit mehr. Er wisch­te sich die schweiß­nas­sen Fin­ger an sei­ner Ho­se ab, wäh­rend er sich um­sah. Sein Kra­gen schnür­te ihm den Hals ein. Wür­de er flie­hen kön­nen? Wie ziel­si­cher war sie? Könn­te er sie über­rum­peln, be­vor sie den Ab­zug drück­te? Die Frau war grö­ßer als er und ob er kräf­ti­ger war, konn­te er bei all den Stoff­lagen ih­res Nacht­klei­des nicht sa­gen. So oder so wür­de sie ihm den Vor­sprung neh­men, den er bräuch­te, um ei­ne Chan­ce auf Flucht zu ha­ben. Die Wachen stan­den be­reit und bei sei­nem Glück wür­de er die Hun­de aus ih­rem Schlaf we­cken.

»Wenn Ihr kein Kind der Oneia seid …«, sag­te die Frau und trat ei­nen Schritt auf Ly­sos zu. Er wich zurück, doch sie er­wisch­te sei­nen Kra­gen. »Wes­halb seid ihr mit Onei­as Hand ge­zeich­net?«

Flu­chend press­te Ly­sos die Hand auf die wul­sti­ge Brand­nar­be. Mit ei­ner Gold­hand ging nie­mand gut um, aber ein Ver­bann­ter hat­te erst recht kein Mit­leid zu er­war­ten. Das Me­tall der Arm­brust bohr­te sich in sei­nen Brust­korb. Sein Herz ra­ste. Soll­te er vor­ge­ben, die­sen Kin­dern der Oneia an­zu­ge­hö­ren? Er hat­te noch nie von ih­nen ge­hört. Über­haupt könn­te er sich nicht vor­stel­len, dass sich ir­gend­je­mand ei­nen sol­chen Schand­na­men ge­ben wür­de. Egal, wer oder was sie waren: So wü­tend wie die Han­dels­frau klang, woll­te und soll­te er das bes­ser nicht wis­sen.

»Ich schwö­re bei Ich­ry­lis, dass ich nichts mit ih­nen zu tun ha­be!«, wi­der­sprach Ly­sos und hob die Hän­de. »Ich bin ei­ne ein­fa­che Gold­hand, die sich … aus Ver­se­hen in die­sen Gar­ten ver­irrt hat und so­fort ver­schwin­den wird und nie wie­der zurück­kommt.«

»Ach ja? Wer soll mir das ga­ran­tie­ren? Ei­ne Gold­hand bricht in mein An­we­sen ein, be­tritt den Haus­tempel, öff­net die Opfer­ga­be. Und nun stellt sich her­aus, dass die­se Gold­hand ein Ver­bann­ter ist, der nicht ein­mal ei­nen Fuß auf das Fest­land set­zen dürf­te. Für mich klingt das nach ei­nem Fall für die Stadt­wa­che.«

»Halt!«, rief er. »Lasst uns han­deln! Ja, han­deln! Legt die Arm­brust nie­der, bit­te, ich bin un­be­waff­net. Be­stimmt kön­nen wir uns ei­ni­gen, auch oh­ne Lan­zen und Waf­fen!«

Die Frau ver­zog den Mund. »Ich be­zweif­le, dass Ihr in der Po­si­tion seid, mir ei­nen Han­del an­zu­bie­ten. Wenn Ihr ver­sucht, mich an­zu­grei­fen, habt Ihr ei­nen Bol­zen im Fleisch. Ihr wer­det mei­ne Fra­gen wahr­heits­ge­mäß be­ant­wor­ten, an­sons­ten las­se ich Euch von der Wa­che ab­füh­ren.«

Das war de­fi­ni­tiv ei­ne Han­dels­frau. Sie blick­te auf ihn he­rab und über­leg­te si­cher­lich, wie sie den Pro­fit aus ihm her­aus­wrin­gen konn­te. Wahr­schein­lich woll­te sie ihn zu Schuf­te­rei in ih­rer Ma­nu­fak­tur oh­ne Lohn er­pres­sen. Er moch­te un­vor­sich­tig ge­we­sen sein, aber er wür­de sich nicht von ei­ner ver­wöhn­ten Han­dels­prin­zes­sin knech­ten las­sen.

Er senk­te den Blick in ge­spiel­ter De­mut und ech­ter Furcht. »Was kann ich für Euch tun?«

»Wel­che Ga­be be­sitzt Ihr?«

Ly­sos sah sei­ne Chan­ce ge­kom­men. Er streck­te die gol­de­nen Hän­de zur Sei­te, um sei­ne Rin­ge zu prä­sen­tie­ren. Sie zuck­te bei der Be­we­gung und für ei­nen Mo­ment be­fürch­te­te er, sie wür­de den Ab­zug drü­cken. Er hielt den Atem an, sie starr­ten sich an. Erst jetzt sah er, dass auch sie zit­ter­te. Es muss­te das er­ste Mal sein, dass sie mit der Arm­brust auf ei­nen Men­schen ziel­te. Wuss­te sie über­haupt, wie sie sie zu be­tä­ti­gen hat­te? Auf die kur­ze Ent­fer­nung woll­te er es nicht her­aus­fin­den.

»Es ist ei­ne ganz be­son­de­re und pro­fi­ta­ble Ga­be«, log er. »Sie führ­te mich an die­sen wun­der­ba­ren Ort! Ich ha­be die Ga­be des Fin­dens von außer­ge­wöhn­li­chen und wert­vol­len Ge­gen­stän­den und Or­ten. All die­se Schmuck­stü­cke zum Bei­spiel ha­be ich ge­fun­den!«

»Fin­den nennt ihr es, wenn Ihr stehlt?« Sie mus­ter­te sei­ne Hän­de, doch Ly­sos zog sie schon zurück und ver­schränk­te sie hin­ter sei­nem Rü­cken. Sein Atem ging flach, als er ei­nen Blick auf den ge­spann­ten Bol­zen warf. Ein Fin­ger­zu­cken und sein Herz wä­re durch­bohrt. Er biss die Zäh­ne zu­sam­men und zwang sich, der Frau ins Ge­sicht zu se­hen und die Waf­fe zu ig­no­rie­ren, die auf sei­nen Brust­korb drück­te.

»Das ist nicht wahr! Ich ha­be sie ge­fun­den – am Strand, im Ka­nal, in ei­ner Gas­se. Die Leu­te ach­ten schlecht auf ih­re Be­sitz­tü­mer und ver­lie­ren sie an­dau­ernd! Soll ich die­se Schät­ze un­ge­fun­den las­sen, ver­schol­len auf ewig?«

»Dann fin­det Ihr Ge­such­tes?«, wie­der­hol­te sie.

»Na­tür­lich! Mit ge­nug Zeit fin­de ich alles.«

Dass sei­ne Ga­be nicht so zu­ver­läs­sig war, wie er be­haup­te­te, ver­schwieg er lie­ber. Wenn er ehr­lich war, wuss­te er nicht ein­mal, wie ge­nau sei­ne Ga­be funk­tio­nier­te. Meist führ­te sie ihn zu Ge­gen­stän­den oder Or­ten, die an­de­re über­sa­hen. Die we­nigs­ten waren nütz­lich, ge­schwei­ge denn such­te er da­nach. Oft fun­kel­ten sie aber schön. Er be­müh­te sich um ein ver­trau­ens­wür­di­ges Lä­cheln, des­sen Wir­kung er des Öf­te­ren er­probt hat­te.

»Ihr sucht nach et­was«, stell­te er fest. Sei­ne Stim­me wank­te und er räu­sper­te sich. »Dann lasst mich ei­nen Han­del vor­schla­gen: Ihr sagt, was Ihr sucht, und ich brin­ge es euch in ei­ner Wo­che ge­nau hier­her. Was es auch ist, ich fin­de es! Was meint Ihr?«

Ly­sos’ Herz schlug un­ru­hig in sei­ner Brust, doch er be­müh­te sich um Ge­las­sen­heit. Fur­chen durch­zo­gen die Stirn der Han­dels­frau, wäh­rend sie ihn mus­ter­te. Ob­wohl er in all die­se Stof­fe ein­ge­wi­ckelt war, um sei­ne Iden­ti­tät zu ver­schleiern, schien es ihm, als ste­he er ent­blößt vor ihr. Sei­ne Hand­flä­chen waren feucht und sei­ne Fin­ger juck­ten.

End­lich ließ sie von ihm ab, trat ei­nen Schritt zurück und senk­te die Arm­brust. Sei­ne Schul­tern fie­len mit ei­nem er­leich­ter­ten Seuf­zen he­rab. Der Boden wank­te wie auf See.

»Ver­ra­tet mir, wo Ihr zu fin­den seid. Ich su­che Euch mor­gen auf und über­mitt­le mei­ne Be­din­gun­gen des Han­dels.«

»Das hät­tet Ihr wohl gern!«, platz­te es aus ihm her­aus. Er rich­te­te sei­nen Kra­gen und stell­te si­cher, dass sein Ver­ban­nungs­mal dies­mal ver­bor­gen blieb. »Ihr führt die Stadt­wa­che zu mir, so­bald Ihr das habt, was Ihr wollt!«

»Ihr be­vor­zugt es, jetzt ab­ge­führt zu wer­den?«

Die­se Te­ba­ne war läs­tig.

»Ihr müsst es mir nicht sa­gen«, mein­te die Frau und zuck­te mit den Schul­tern. Ly­sos ge­fiel ihr Blick nicht. »Ihr tragt Onei­as Hand als Ver­ban­nungs­mal, dem­nach wer­det ihr Euch auf ei­nem der Schif­fe im Hafen auf­hal­ten. Wenn Ihr nicht un­ver­nünf­ti­ger seid, als Ihr er­scheint. Von allen Schif­fen im Hafen wird nur ei­ne Hand­voll Gold­hän­de in ih­re Be­sat­zung auf­neh­men. Und un­ter die­sen Gold­hän­den wird es ei­ne Leich­tig­keit sein, ei­nen Ver­bann­ten auf­zu­spü­ren. Al­so: Er­spart mir die Su­che und Euch den un­nö­ti­gen Är­ger mit der Stadt­wa­che. Wel­ches Schiff ist es?«

Sie kor­ri­gier­te ih­ren Griff um die Arm­brust und hielt den Fin­ger weiter­hin am Ab­zug. Nun zit­ter­te sie nicht mehr.

»Fon­ty­as«, ant­wort­ete er. »Das Schiff segelt un­ter Käpt’n Xia­fis. Wir lie­gen im Han­dels­hafen an Pier zwölf im öst­li­chen Hafen­teil. Kommt zur Mor­gen­stun­de, kurz vor Son­nen­auf­gang.«

Die Frau lä­chel­te, selbst­zu­frie­den. »Er­fah­re ich noch den Na­men mei­nes Ge­schäfts­part­ners?«

»Ly­sos«, murr­te er.

»Zy­ria«, ent­geg­ne­te sie und reich­te ihm die Hand. Die Arm­brust blieb zwi­schen ih­nen. Wi­der­wil­lig nahm er an.

»Der Han­del sei hier­mit in die wohl­wol­lenden Hän­de von Ich­ry­lis ge­legt und ste­he un­ter dem Schutz der Hei­li­gen Eveia.«

Er schnaub­te. »Auf ein gu­tes Ge­schäft.«

 

Kapitel 2

 

Die Däm­me­rung war Ly­sos’ liebs­te Tages­zeit. Für ei­ni­ge Mo­men­te blieb die Welt in war­me Far­ben und Ne­bel ge­hüllt und er ein trun­ke­ner Schat­ten von vielen. Auf die Re­ling ge­stützt be­ob­ach­te­te er die Ar­beit am Hafen und stell­te sich vor, wie er mit­ten durch das Ge­tüm­mel streif­te. Tags­über, nicht nur zwi­schen den schla­fen­den Häus­ern mit ih­ren ro­ten Dä­chern.

Je­de Men­ge Holz­kons­truk­tio­nen, Las­ten­auf­zü­ge und Kar­ren hal­fen bei der Lö­schung der Han­dels­schif­fe und dem Weiter­trans­port in den Stadt­kern. Zu­ge­ge­ben, der Hafen war we­nig prunk­voll, ziem­lich häss­lich so­gar. Das täusch­te Neu­an­kömm­lin­ge an­fangs, aber wer sich über den gro­ßen Ka­nal in die Stadt wag­te, wur­de ei­nes Bes­se­ren be­lehrt: Die Häu­ser stan­den dicht an dicht, in rot, grün, oran­ge und gelb gest­ri­chen. Sie dräng­ten sich bis an die Ka­nä­le he­ran, die sich durch die Stadt schlän­gel­ten und ihr Ver­kehr und Küh­le brach­ten. Te­ba war ein Irr­gar­ten aus Sack­gas­sen, Brü­cken und Gas­sen so schmal, dass nicht ein­mal er hin­durch­pass­te. Und er lieb­te die­ses Durch­ein­an­der.

Er seufzte und be­trach­te­te zwei Hafen­ar­bei­ter­in­nen, die La­dung in ei­ne Gon­del um­lu­den. Wenn er dort zwi­schen den Men­schen hin­durch schlen­der­te, das Herz häm­mernd in der Brust, über­leg­te er manch­mal, was er alles tun könn­te. So als Te­ba­nos. Dem Duft nach frisch ge­back­enem Stru­del fol­gen und in ei­ner Bä­cke­rei Pis­ta­zien­kuchen es­sen. Auf dem Markt her­um­schlen­dern, das Theater be­su­chen. In ei­nem von Te­bas präch­tigs­ten Häus­ern woh­nen.

Der Ge­dan­ke ließ ihn zu­sam­men­zu­cken. Die Han­dels­frau. Ly­sos knirsch­te mit den Zäh­nen. Er hat­te nicht mehr an sie den­ken wol­len. Nach ih­rem Han­del hat­te sie ihn über ei­ne an­de­re Mau­er ver­schwin­den las­sen. Ur­sprüng­lich hat­te er vor­ge­habt, die Nacht über durch Te­ba zu strei­fen und in sei­ner Stamm­ta­ver­ne vor­bei­zu­schau­en. Dies­mal war er direkt zum Schiff zurück­ge­kehrt und hat­te sich den Kopf da­rüber zer­bro­chen, was die­se Han­dels­da­me von ihm woll­te. Schmuck? Ei­nen Schatz? Je nach­dem wür­de er ihr das erst­be­ste brin­gen, was er fand oder be­saß. Wenn es zu schwie­rig wer­den wür­de, hielt er sie hin, bis die Fon­ty­as ab­leg­te.

»Biss­chen früh für so’n lan­ges Ge­sicht.«

Er hat­te nicht be­merkt, dass Sar­lis an Deck ge­kom­men war. Die al­te Frau war eigent­lich nicht so alt, wie sie aus­sah. Son­ne und Meer­was­ser hat­ten ihr Haar aus­ge­bli­chen, so­dass es hell war wie das von Ly­sos. Ih­re Haut war le­drig von den Jah­ren auf See und ih­re Schlaf­lo­sig­keit be­scher­te ihr die be­ein­druckend­sten Augen­rin­ge, die Ly­sos je ge­se­hen hat­te. In jun­gen Jah­ren war sie als Ma­tro­sin an­ge­heu­ert wor­den, nun kom­man­dier­te sie als er­ste Of­fi­zie­rin die Be­sat­zung he­rum.

Sie lehn­te sich an die Re­ling und schloss die Augen, um die sal­zi­ge Bri­se zu ge­nie­ßen. Er tat es ihr gleich und zu­min­dest für die­sen Mo­ment konn­te er den Är­ger zie­hen las­sen.

»Hat­te dich spä­ter er­war­tet. Bist heut Nacht früh in die Ka­jü­te ge­pol­tert.«

Er zuck­te und späh­te zu Sar­lis. »Hab ich dich ge­weckt? Tut mir leid.«

Sie wink­te ab und stütz­te das Kinn auf ei­ne Hand. Ly­sos hat­te sich in sei­nen zehn Jah­ren auf der Fon­ty­as mit un­ter­schied­lich­sten Be­sat­zungs­mit­glie­dern die Ka­jü­te ge­teilt. Die schlaf­lo­se Sar­lis war die an­ge­nehms­te von ih­nen. Zu­min­dest, wenn sie nicht ge­ra­de die ein oder an­de­re Nacht in Käpt’n Xia­fis’ Ka­jü­te ver­brach­te. Sie schnarch­te nicht, plau­der­te mit ihm über an­de­res als die Ar­beit und ver­ur­teil­te sei­ne ver­bo­te­nen Er­kun­dun­gen nicht. Mit ihr hat­te er Ge­sell­schaft, wenn er sie woll­te, und Ru­he, wenn er sie brauch­te.

»Hat sonst noch wer mit­be­kom­men, dass ich weg war?«

»Alle wis­sen, dass du weg warst, selbst wenn sie dich nicht ge­hört ha­ben. Als ob du ei­ne Nacht oh­ne Är­ger aus­kommst, so­bald wir hier sind.« Sar­lis stieß ein La­chen aus, das in ein krat­zi­ges Hus­ten über­ging. »Wo hast du dich rum­ge­trie­ben? Wa­rum der kur­ze Aus­flug?«

»Bin wem in die Ar­me ge­lau­fen …«

»Den Lan­zen­schwin­gern oder den Was­ser­rat­ten?«

Er seufzte. »Evei­as rach­süch­ti­gem Geist.«

All­mäh­lich zeich­ne­ten sich dunk­le­re Schat­ten ab und der Mor­gen kün­dig­te sich an, aber er sah die Te­ba­ne nicht.

»Hat Käpt’n Xia­fis ge­sagt, ob ein neu­er Auf­trag rein­kam? Oder wie lang wir an­lie­gen wer­den?«

»Wir sind ge­ra­de erst an­ge­kom­men, Jun­ge. Zwei, drei Mona­te wer­den das si­cher.«

Er grunz­te. Hof­fent­lich wä­re die Sa­che mit der Händ­le­rin in we­ni­ger als ei­ner Wo­che er­le­digt. Die schöns­ten Mona­te in Te­ba woll­te er nicht ver­ge­uden. Sei­ne Fin­ger krib­bel­ten und ein Fun­keln in sei­nen Augen­win­keln zog sei­ne Auf­merk­sam­keit auf sich. Beim Gon­del­hafen leg­te ge­ra­de der schwim­men­de Schatz an, den Ly­sos am Vor­abend bei Zy­ri­as An­we­sen ent­deckt hat­te. Zwei, drei … vier! Vier Wachen be­glei­te­ten ei­nen äl­te­ren Her­ren in ei­nem dun­kel­grü­nen Man­tel vol­ler gol­de­ner Sti­cke­rei­en. Als Letz­tes hal­fen sie ei­ner Frau aus der Gon­del. Ihr Um­hang um­spiel­te sie wie flüs­si­ges Gold, als sie mit wei­ten Schrit­ten ziel­si­cher zur Fon­ty­as ging. Ob­wohl sich alle Köp­fe in ih­re Rich­tung reck­ten, wand­te sie kein ein­zi­ges Mal den Blick von dem Schiff ab. Zy­ria war ge­kom­men, pünkt­lich kurz vor Son­nen­auf­gang.

Sar­lis pfiff. »Will die hier­her?«

»Zu mir«, kor­ri­gier­te Ly­sos und ver­zog den Mund. »Ich er­klär’s dir spä­ter. Lässt du uns ei­nen Augen­blick allein?«

Sie zog die Augen­brau­en zu­sam­men und mus­ter­te ihn. »Brauchst du Hil­fe?«

Für ei­nen Mo­ment über­leg­te er, ob er an­neh­men soll­te. Er be­trach­te­te Sar­lis’ son­nen­be­fleck­tes Ge­sicht, den ern­sten Zug um ih­ren Mund und das Grau ih­rer Augen. Er be­müh­te sich um ein Grin­sen. »Ich glau­be nicht. Bin be­waff­net mit mei­nem Char­me und ein, zwei Not­lü­gen.«

Ob­wohl Sar­lis ihn durch­schau­en muss­te, nick­te sie. »Ich bin in Ruf­wei­te, wenn was ist, ja?«

Er wink­te ab, längst nicht so ge­las­sen, wie er tat. Zwar hielt Zy­ria ihm kei­ne Arm­brust mehr ans Herz, da­für ei­ne Hand­voll Lan­zen, die sich in Reih und Glied vor dem Laufs­teg po­stier­ten. Wer war der al­te Mann, der ihr folg­te? Als er nä­her­trat, er­ahn­te Ly­sos, dass es zu­min­dest nicht ihr Vater war. Er war grö­ßer als Zy­ria, ob­wohl er mit Bu­ckel ging, und sein Ge­sicht war lang­ge­zo­gen, die Na­se ge­rümpft und die Mund­win­kel tief in den Fal­ten ver­gra­ben. Er äh­nel­te ei­ner Dog­ge und Ly­sos fän­de das sym­pa­thisch, wür­de er ihn nicht in Grund und Boden star­ren.

Zy­ria be­fahl allen, zu war­ten. Als sie an Deck kam, streif­te sie ih­re Ka­pu­ze ab. Vor ihm stand ei­ne wohl­er­zo­ge­ne Han­dels­tochter, die jeg­li­che Wild­heit vom Vor­abend ge­bän­digt hat­te. Sie hielt den Rü­cken ge­ra­de, die Hän­de vor dem Bauch ge­fal­tet und das Kinn ge­reckt. Ih­re Lo­cken waren mit ei­nem per­len­be­setz­ten Tur­ban hoch­ge­bun­den. Die Frau im Haus­tempel und die vor ihm hät­ten un­ter­schied­li­cher nicht sein kön­nen.

»Lasst uns ein Stück ge­hen«, mein­te Zy­ria, noch be­vor er et­was sa­gen konn­te. Sie schlen­der­te zum Schiffs­bug und er eil­te hin­ter­her.

»Ich dach­te du … Ihr kommt allein?«

Sie fuhr mit der Hand über die Re­ling, als in­spi­zie­re sie den Zu­stand der Fon­ty­as. Ly­sos rüm­pfte die Na­se.

»Was soll der gan­ze Auf­zug? Und die Wachen? Und wer ist der al­te Mann, den du – Ihr noch mit­ge­bracht habt? So war das ge­stern nicht ab­ge­macht!«

»Wir ha­ben auf ei­nen Han­del ein­ge­schla­gen und die­sen Han­del möch­te ich ab­si­chern«, er­wi­der­te sie. Sie blick­te ihn an und hin­ter all der adret­ten Klei­dung er­kann­te er doch das Fun­keln in ih­ren Augen. »Des­halb die Wachen. Falls Ihr Euch um­ent­schie­den hät­tet und nicht auf­ge­taucht wärt, oder an­der­wei­tig ver­sucht, mich zu be­trü­gen. Und der al­te Mann«, sie hob die Augen­braue, »ist der No­tar mei­ner Fa­mi­lie. Ich konn­te ihn nicht um­ge­hen. Er ist hier, um den Han­dels­ver­trag schrift­lich zu be­glau­bi­gen.«

»Was habt Ihr ihm er­zählt?«, zisch­te Ly­sos, sein Herz ra­ste. »Dass Ihr Euch zu ei­nem Han­del mit ei­ner Gold­hand auf­macht, die Ihr ge­stern in Eu­rem Gar­ten er­wischt habt? Dass Ihr von die­ser Gold­hand was fin­den las­sen wollt, von dem es ge­stern wirk­te, als sei das nichts für die Öf­fent­lich­keit?«

»Ich er­klä­re mich gleich«, mein­te sie und wand­te sich ihm zu. »Vor­her möch­te ich ei­nen Be­weis für Eu­re Ga­be. Ei­nen hand­fes­ten Be­weis.«

»Und wie soll der aus­se­hen?«, murr­te Ly­sos und rieb mit den Fin­gern über sei­ne Rin­ge.

Zy­ria streif­te den Gold­um­hang ab und häng­te ihn über die Re­ling. »Ich tra­ge ein Me­dail­lon bei mir. Fin­det es. Ihr habt ei­nen ein­zi­gen Ver­such. Wenn Euch die­se ein­fa­che Auf­ga­be nicht ge­lingt, las­se ich Euch als Ein­bre­cher und ver­bann­te Gold­hand ver­haf­ten.«

Er wuss­te nicht, was er da­rauf ant­wor­ten soll­te. Ant­wor­ten konn­te. Sei­ne Hand­flä­chen wur­den schwit­zig, dass ihm sei­ne Rin­ge bei­nahe von den Fin­gern rutsch­ten. Ein flau­es Ge­fühl brei­te­te sich in sei­nem Ma­gen aus, schlim­mer als je­de See­krank­heit, die er je ge­habt hat­te. Mehr ein Hauch als ein La­chen ent­kam ihm. Sie be­ob­ach­te­te je­de sei­ner Ge­sten wie ein Ad­ler auf Beu­te­jagd.

Ob­wohl er in­zwi­schen si­cher war, dass Ich­ry­lis ihn be­stra­fen woll­te, bat er um Bei­stand. Ein­mal wür­den sei­ne ver­mal­edei­ten Gold­hän­de doch nach sei­nem Wil­len han­deln. Nicht?

Nach­dem er je­den Fin­ger hat­te kna­cksen las­sen, streck­te er sei­ne Hän­de aus und be­weg­te sie wie Wün­schel­ru­ten von oben nach un­ten. Ei­lig wan­der­te er von ih­rem stren­gen Ge­sicht zum Kleid. Um ih­ren Hals konn­te er kei­ne Ket­te aus­ma­chen. Wo­bei der Rü­schen­kra­gen ih­res Un­ter­klei­des si­cher­lich ge­nug Ver­steck­mög­lich­kei­ten bot, ge­nau­so wie die fül­li­gen Är­mel. Wie­der waren da et­li­che Schich­ten, in de­nen die­ses Me­dail­lon sich ver­ber­gen konn­te. Sein Na­cken krib­bel­te und ei­ne merk­wür­di­ge An­span­nung lag in der Luft. Die­se Nä­he schien ihm plötz­lich in­ti­mer als alles, was er mit der Be­sat­zung teil­te. Wer hat­te ihn je auf­ge­for­dert, den Körper mit sei­nen Hän­den zu er­kun­den? Gleich­zei­tig war es ihm, als hiel­te Zy­ria die Arm­brust an sein Herz. Am liebs­ten woll­te er die Hän­de zurück­zie­hen und mög­lichst viele Schrit­te zwi­schen sie brin­gen. Er at­me­te aus und zwang sich zur Kon­zen­tra­tion. Schließ­lich stand sei­ne Frei­heit auf dem Spiel.

Ihr Man­tel war aus grü­ner Sei­de, wenn er sich nicht täusch­te, mit ein­ge­wo­be­nen Mus­tern und gold­be­stick­ten Säu­men. Das Ober­kleid war eben­so gol­den, Bro­kat viel­leicht, der si­cher mehr als Ly­sos’ Jah­res­lohn kos­te­te. In die zwei Schnal­len, die den Man­tel zu­sam­men­hiel­ten, war das Sym­bol der Opfer­tru­he ein­gra­viert. Waag­scha­len mit ei­nem Schiff und Hand­werks­zeug. Es juck­te ihn in den Fin­gern, die Gold­schnal­len nä­her zu be­gut­ach­ten. Aber er fuhr fort, ging in die Knie und führ­te sei­ne Hän­de bis zum Saum ih­res Klei­des. Als er am Boden an­ge­langt war, ließ er die Schul­tern sin­ken.

»Nun?«

»Nun …« Ly­sos schick­te ein letz­tes Ge­bet zu Ich­ry­lis, schloss die Augen und streck­te die Hän­de aus. Er wür­de ein Me­dail­lon fin­den. Oh­ne Wis­sen da­rüber, wie es aus­se­hen moch­te. Oh­ne Wis­sen da­rüber, aus wel­chem Me­tall es ge­fer­tigt wor­den war. Oh­ne Wis­sen da­rüber, wie groß es wä­re, ob oval, eckig oder rund. Die Un­ge­wiss­heit be­rei­te­te ihm Sor­ge, doch sie mach­te ihm auch Mut. Er lausch­te sei­nem Ge­fühl, be­weg­te die Fin­ger, rieb an ein­zel­nen Rin­gen, bis er ein Zwi­cken spür­te. Der klei­ne Fin­ger sei­ner lin­ken Hand. Sein Kopf war mit ei­nem Mal ru­hig, allein sein Herz­schlag hall­te in sei­nen Oh­ren wi­der. Er folg­te dem Ge­fühl, be­weg­te sich an Zy­ri­as Sei­te. Zu­erst glaub­te er, sei­ne Hän­de wür­den ihn zu ih­rem Arm füh­ren, doch das fei­ne Zie­hen in der Hand­flä­che lei­te­te ihn hö­her, zu Zy­ri­as Kopf. Er zit­ter­te, ob vor Auf­re­gung oder Sor­ge war in die­sem Mo­ment ei­ner­lei. Ih­re Lo­cken kit­zel­ten sei­ne Fin­ger, als er nach dem Tur­ban griff und sei­ne Fin­ger da­run­ter führ­te. Dann spür­te er ei­ne me­tall­ene Ket­te. Das Me­dail­lon.

Wie nach ei­nem lan­gen Tauch­gang schnapp­te er nach Luft und riss die Augen auf. Er tau­mel­te und hielt das Schmuck­stück in die Hö­he.

»Es ist Euch ge­lun­gen«, mur­mel­te sie und klang da­bei längst nicht so über­rascht wie sich er fühl­te. Es war ihm ge­lun­gen. Sei­ne Ga­be hat­te ihn zum Me­dail­lon ge­führt. Er hat­te ge­fun­den, wo­nach er ge­sucht hat­te! Ein Glu­cksen ent­kam ihm.

Mit den Fin­gern fuhr er über das Silber. In die Vor­der­sei­te waren blas­se Stei­ne ein­ge­fasst, in de­nen sich das Son­nen­licht brach. Auf der Rück­sei­te war ein ver­schnör­kel­tes Z ein­gra­viert. Sei­ne Fin­ger führ­ten ihn zum Ver­schluss, doch be­vor er es öff­nen konn­te, zog Zy­ria ihm das Schmuck­stück aus der Hand.

»Nach­dem Ihr of­fen­sicht­lich Wort hal­ten könnt, wer­de ich mei­nes hal­ten und mei­ne Bit­te vor­tra­gen.«

»Bin ge­spannt.«

Mit ver­schränk­ten Ar­men lehn­te er sich an die Re­ling. Ihr Blick glitt an ihm vor­bei, hin­aus aufs Meer.

»Ich möch­te ei­ne Per­son fin­den«, sag­te sie. »Die Per­son, der die­ses Me­dail­lon recht­mä­ßig ge­hört. Sie brach zu ei­ner Rei­se auf und kehr­te nie zurück, ob­wohl sie es mir ver­sprach. Könnt Ihr sie fin­den?«

Er rüm­pfte die Na­se. All die­ser Auf­wand und es ging ihr nicht ein­mal um ei­nen Schatz oder ein ed­les Me­tall, son­dern ei­nen … Men­schen? Zy­ria press­te die Lip­pen zu­sam­men und sah ihn an. Plötz­lich war da Schmerz in ih­rem Blick, un­ter all der Wür­de und Stren­ge ver­bor­gen. Er wich ihr aus.

»Nun ja, ich ha­be noch nie ei­nen Men­schen ge­sucht. Ich weiß ehr­lich ge­spro­chen nicht, ob ich das kann. Ich ha­be Ge­gen­stän­de ge­fun­den. Manch­mal ge­riet ich an Men­schen, die mir hal­fen. Aber ei­nen Men­schen an­hand ei­nes Ge­gen­standes ha­be ich nie ge­sucht oder ge­fun­den –«

»Ich ha­be et­wa zwei Mona­te Zeit«, un­ter­brach sie ihn. »Of­fi­ziell re­kru­tie­re ich für ei­ne Han­dels­rei­se durch das Lyr’sche Meer. Das heißt, wir fah­ren aller­lei In­seln ab. Ich weiß, wo­hin die Per­son zu­erst ge­reist ist, da­nach brau­che ich Hil­fe, um Spu­ren zu fin­den.«

»Das ist selbst für die Fon­ty­as kaum zu schaf­fen! Die Run­drei­se allein dau­ert über zwei Wo­chen und das bei gu­tem Wind! Jetzt zum Som­mer hin sind die Win­de trä­ge, wir müss­ten mit ei­nem Monat Rei­se­zeit rech­nen. Und wenn wir erst je­de In­sel ab­su­chen müs­sen, um die Per­son zu fin­den …«

»Ich bit­te Euch. Ich ha­be nur die­se ei­ne Chan­ce.«

»Ich weiß nicht«, mur­mel­te er und rieb sich den Na­cken. Sein Hals juck­te und er hat­te kein gu­tes Ge­fühl bei der Sa­che. Zy­ria nes­tel­te an ih­ren Fin­gern, wäh­rend ihr Blick Ly­sos durch­bohr­te.

»Ich kann Euch für Ein­bruch, ver­such­ten Diebs­tahl und un­er­laub­tes Be­tre­ten der In­sel ver­haf­ten las­sen.«

Ly­sos lach­te auf. Die Dreis­tig­keit die­ser Han­dels­da­me nahm kein En­de! Ob­wohl ih­re Wor­te ihn be­un­ru­hig­ten, brau­te sich zi­schen­de Wut in sei­ner Brust zu­sam­men. Sei­ne Wan­gen glüh­ten und er ball­te die Fäus­te.

»Er­presst Ihr mich et­wa? Ich ha­be Euch nichts ge­tan – und nichts ge­stoh­len, wohl­be­merkt – und Euch be­wie­sen, dass mei­ne Ga­be wirkt. Nun ver­langt Ihr das Un­mög­li­che von mir und denkt, mit ei­ner Lan­ze am Hals wür­de ich es mög­lich ma­chen kön­nen?« Er ver­zog das Ge­sicht und warf die Ar­me in die Luft. »Ihr seid ge­nau wie all die an­de­ren Han­dels­leu­te. Nur zu, lasst mich ver­haf­ten. Das wird Euch bei Eu­rer Su­che auch nicht hel­fen! Aber geht, wenn Ihr es so wollt.«

Kaum merk­lich zuck­te sie zurück. Doch sie war ei­ne Han­dels­da­me und hat­te sich bald wie­der ge­fasst. Fur­chen gru­ben sich über ih­re Stirn, wäh­rend sie ih­re Hän­de rang.

»Ist es wirk­lich un­mög­lich, was ich von Euch ver­lan­ge? Oder ist es nur ein ho­her Auf­wand?«

Ly­sos schnaub­te und wich ih­rem Blick aus. Die Wut blieb, aber das Schau­keln der See be­sänf­tig­te ihn. Er zuck­te mit den Schul­tern. »Un­mög­lich viel­leicht nicht. Ihr ver­langt ja nicht, dass ich Euch zu Ich­ry­lis füh­re. Trotz­dem ist ei­ne Run­drei­se in zwei Mo­na­ten für die ge­sam­te Be­sat­zung ein im­men­ser Kraft­akt und für die Fon­ty­as eben­so. Und wie ich sag­te, ich kann Euch nicht ver­spre­chen, dass ich Hin­wei­se auf Eu­re ge­such­te Per­son fin­de. Auf die­se Wei­se ha­be ich mei­ne Ga­be nie ge­nutzt.«

»Wärt ihr be­reit, die­sen ho­hen Auf­wand für ei­ne ho­he Ent­loh­nung auf Euch zu neh­men?«

»Wie hoch?«

»Wenn Ihr mir helft, brin­ge ich Euch ei­ne Gold­hand, die Onei­as Hand an Eu­rem Hals ent­fer­nen kann.«

Er riss die Augen auf. »Ist das … ist das mög­lich?«

»Ich ken­ne ei­ne Gold­hand, die das könn­te.«

Wenn sie log, dann ver­barg sie es meis­ter­haft. Sie er­wi­der­te sei­nen Blick, ih­re Hän­de waren ru­hig und die Schul­tern nicht an­ge­spann­ter als zu­vor. Aller­dings war sie ei­ne Händ­le­rin, die des Öf­te­ren si­cher die ein oder an­de­re Halb­wahr­heit er­zähl­te. Woll­te er sich da­rauf ein­las­sen?

Das war ei­ne ho­he Ent­loh­nung. Oh­ne Onei­as Hand wä­re er end­lich frei, an Land zu ge­hen, an­zu­kom­men. Allein bei dem Ge­dan­ken da­ran pul­sier­te sein Herz­schlag vom Schei­tel zu den Ze­hen. Woll­te er sich die­se Hoff­nung auf ein bes­se­res Le­ben ent­ge­hen las­sen? Sei­ne Fin­ger krib­bel­ten und er sag­te: »Gut. Wir ha­ben ei­nen Han­del. Un­ter ei­ner Be­din­gung.«

»Her­rin Zy­ria!«, bell­te mit ei­nem Mal ei­ne Stim­me übers Deck. Der No­tar stapf­te rot­wan­gig auf sie zu und tupf­te sich den Schweiß von der Stirn. »Her­rin Zy­ria! Was braucht Ihr so lang? Ich dach­te, Ihr woll­tet nur ei­nen Bur­schen be­fra­gen.«

Ly­sos be­merk­te die Ver­än­de­rung in Zy­ri­as Hal­tung so­fort. Sie griff nach ih­rem Um­hang und band ihn sich um, als küm­me­re der ein­deu­tig un­höf­li­che Ton­fall des No­tars sie nicht.

»Da­rum ging es ge­ra­de. Die­ser Bur­sche heißt Ly­sos, er –«

»Ich bin Na­vi­ga­tor«, un­ter­brach er sie. »Ich bin Ly­sos, lang­jäh­ri­ger Na­vi­ga­tor der Fon­ty­as. Eu­re Her­rin lag ganz rich­tig da­mit, nach mei­ner Ein­schät­zung für die Rou­te zu fra­gen. Es ist ei­ne sehr am­bi­tio­nier­te Rei­se, die un­se­re er­fahr­ene Be­sat­zung mü­he­los be­wäl­ti­gen wird. Vor­aus­ge­setzt, Ihr leis­tet ei­ne an­ge­mess­ene War­tung. Das ist aber an Käpt’n Xia­fis zu ver­han­deln.«

Ih­re Augen­braue zuck­te, als sie ihn be­stimmt ei­ner Lü­ge ver­däch­tig­te. Oh, er wür­de ihr ih­re un­höf­li­chen Wor­te heim­zah­len und ihr be­wei­sen, dass sie sich in ih­rer Vor­ein­ge­nom­men­heit ei­ner die­bi­schen Gold­hand ge­gen­über ge­täuscht hat­te. Zy­ria räu­sper­te sich, die Mund­win­kel ver­zo­gen.

»Ich dan­ke für Eu­re Ein­schät­zung. Ich darf vor­stel­len? Ly­sos, das ist un­ser Fa­mi­lien­no­tar Ry­da­tis.«

»Ich füh­le mich ge­ehrt«, er­wi­der­te Ly­sos und grins­te.

Ry­da­tis schnauf­te – auf ei­ne Art, die Ly­sos ver­traut wirk­te. Er mus­ter­te das dog­gen­haf­te Ge­sicht des No­tars und ver­such­te, sich zu er­in­nern, ob sie sich schon ein­mal be­geg­net waren. Beim Würfel­spiel? Im Freu­den­vier­tel?

»Ja, wo­rauf war­test du, Bur­sche?« Der No­tar ge­sti­ku­lier­te in Rich­tung des hin­te­ren Decks. »Führ uns zum Kopf die­ses Schif­fes!«

»So­fort?«

»Ja, was glaubst du, wa­rum wir hier sind, Bur­sche?«

Ein un­an­ge­neh­mer Ge­sel­le, die­ser No­tar. Ly­sos dreh­te sei­ne Rin­ge. Aber nicht so un­an­ge­nehm wie Käpt’n Xia­fis vor Mit­tag. Ob Xia­fis über­haupt wach war?

Ehe er sie ver­trös­ten oder an­der­wei­tig Zeit schin­den konn­te, sag­te – oder be­fahl – Zy­ria: »Ly­sos woll­te mich ge­ra­de zu ihm füh­ren, No­tar Ry­da­tis.«

Sie lief vor­aus, als ge­hö­re ihr das Schiff. Ly­sos fluch­te und eil­te ne­ben sie.

»Nicht jetzt«, zisch­te er, wäh­rend sich der No­tar schnau­fend be­müh­te, auf­zu­ho­len. »Wir waren noch nicht fer­tig.«

»Ihr woll­tet mir Be­din­gun­gen nen­nen. Da­bei ist es, wie Ihr so­eben zu Recht sag­tet, die Auf­ga­be Eu­res Ka­pi­täns, dies zu tun.«

Dach­te sie et­wa, sie ha­be ihn aus­ge­trickst? Er rüm­pfte die Na­se. Ge­nau des­we­gen hass­te er die Han­dels­leu­te.

* * *

Un­ter Deck war­te­te Sar­lis und un­ter­hielt sich mit zwei ver­schlaf­enen Be­sat­zungs­mit­glie­dern. Sie hielt in­ne und mus­ter­te erst Zy­ria und ih­ren No­tar, dann sah sie zu ihm.

»Ist Käpt’n Xia­fis wach?«, frag­te Ly­sos.

Der Är­ger über Zy­ria klang an­ge­sichts des wei­taus schlim­me­ren Ge­sprächs mit Xia­fis ab. Sar­lis’ Kopf­schüt­teln mach­te ihm nicht ge­ra­de Mut. So früh am Mor­gen war die Luft un­ter Deck ab­ge­stan­den und zäh wie Honig. Er spür­te die drän­gen­den Bli­cke des No­tars wie ei­ne Schweiß­per­le sei­nen Rü­cken ent­lang­wan­dern. Als sie vor der Tür zu Xia­fis’ Ka­bi­ne stan­den, klopf­te er. Ein wei­te­res Mal. Ein letz­ter Ver­such, dann rief er: »Käpt’n? Ich muss mit dir spre­chen. Es ist drin­gend. Bist du … wach?«

Et­was schlug so hart von in­nen ge­gen die Tür, dass er vor Schreck zurück stol­per­te. Of­fen­sicht­lich war Xia­fis da – und mies ge­launt.

Er räu­sper­te sich. »Hier ist ei­ne Han­dels­da­me, die die Fon­ty­as an­heu­ern möch­te. Ei­ne gro­ße Rei­se mit viel Lohn!«

»Bei Ich­ry­lis, Ly­sos, die Son­ne ist nicht mal auf!«

Er hielt den Mund. Selbst als Ry­da­tis ihn an­stieß und auf­for­der­te, noch­mals nach Xia­fis zu ver­lan­gen. Der No­tar wä­re wohl allein in die Ka­bi­ne ge­stürmt, hät­te sich die Tür in dem Mo­ment nicht ge­öff­net. Xia­fis streck­te den Kopf raus. Das er­grau­en­de Haar war in Ei­le mit ei­nem Tur­ban zurück­ge­bun­den wor­den.

Xia­fis mus­ter­te erst Zy­ria, dann den No­tar und rüm­pfte die Na­se. »Kommt her­ein.«

Zu ei­ner an­de­ren Tages­zeit hät­te Ly­sos Käpt’n Xia­fis’ Ka­jü­te als ge­müt­lich be­schrie­ben. Der Raum war nicht son­der­lich groß und voll­ge­stellt, aber im­po­sant ge­nug für die wich­tigs­te Per­son auf der Fon­ty­as. Die Ko­je ver­barg sich hin­ter ei­nem edel be­stick­ten Vor­hang, da­mit es zu­min­dest den An­schein hat­te, dass Käpt’n Xia­fis nicht erst aus den La­ken ge­stie­gen war.

Xia­fis ließ sich hin­ter den mas­si­ven Schreib­tisch auf den Ses­sel fal­len. Ly­sos war si­cher, dass er ähn­lich wie Zy­ri­as Gon­del ein rei­ner Aus­druck von Hand­werks­kunst und Ver­mö­gen war. Be­quem war der Ses­sel aller­dings nicht, das hat­te er heim­lich aus­pro­biert. Zy­ria und der No­tar nah­men auf der Sitz­bank ge­gen­über Platz, zwi­schen bunt ge­mus­ter­ten Kis­sen.

Von Bü­chern über teu­re Stof­fe, Kunst­wer­ke aus Vea und ge­trock­ne­te Pflan­zen aus Ma­ga. Wer in die­se Ka­jü­te trat, wuss­te, dass die Fon­ty­as ein er­fahr­enes Han­dels­schiff war. Es er­füll­te Ly­sos mit Stolz und Ge­nug­tu­ung zu se­hen, wie Zy­ria ih­re her­ab­las­sen­de Art in die­sem Zim­mer ab­le­gen muss­te.

»Nun?« Xia­fis ver­schränk­te die Ar­me vor der Brust.

»Käpt’n, darf ich vor­stel­len? Das ist … Her­rin Zy­ria und ihr No­tar Ry­da­tis. Her­rin Zy­ria, das ist Käpt’n Xia­fis.«

Zy­ria deu­te­te ei­ne Ver­beu­gung an und ihr No­tar folg­te.

»Sehr er­freut, Herr –« Sie stock­te und Ly­sos be­merk­te, wie sie Käpt’n Xia­fis ein­dring­li­cher mus­ter­te. »Ent­schul­digt. Frau …?«

»Das tut nichts zur Sa­che«, er­wi­der­te Käpt’n Xia­fis und wink­te ab. »Käpt’n ist die rich­ti­ge An­re­de. Xia­fis mein Na­me. Und nach Eu­rem Aus­se­hen habt Ihr ei­nen Fa­mi­lien­na­men oder trügt das gan­ze Gold?«

Da­ran hat­te Ly­sos nicht ge­dacht, na­tür­lich! Er hat­te zwar das Fa­mi­lien­wap­pen und die prunk­vol­le Vil­la ge­se­hen, aber vor lau­ter Är­ger mit Zy­ria hat­te er sich nie ge­fragt, ob sie nicht zu ei­ner der Grün­dungs­fa­mi­lien ge­hör­te.

»Yplo­is. Mei­ne Fa­mi­lie be­treibt die äl­tes­te Werft und Schmie­de Te­bas und be­lie­fert das ge­sam­te Lyr’sche Meer.«

Xia­fis und Ly­sos tausch­ten ei­nen Blick aus, wo­bei Xia­fis’ Augen­braue weit nach oben wan­der­te wie zur Fra­ge: Was hast du an­ge­stellt? Sein Mund war aus­ge­trock­net. Alle kann­ten die Fa­mi­lie Yplo­is, ja, die hal­be In­sel ar­beit­ete in ih­ren Werf­ten, Schmie­den und Ma­nu­fak­tu­ren. Tat­säch­lich hat­ten Ly­sos’ Hän­de ihn zu ei­nem wah­ren Schatz ge­führt.

»Ich möch­te die Han­dels­be­zie­hun­gen mei­ner Fa­mi­lie er­weitern und ei­ne Run­drei­se un­ter­neh­men. Aller­dings kann ich nicht lang fort­blei­ben von mei­nem Schreib­tisch, wes­halb ich ein schnel­les und er­fahr­enes Schiff be­nö­ti­ge. Wie Eu­er«, Zy­ria späh­te zu Ly­sos, »Na­vi­ga­tor mein­te, ma­che die Be­sat­zung der Fon­ty­as ih­rem Ruf alle Eh­re.«

Xia­fis ver­barg es gut, doch ihm ent­ging das Zu­cken der Augen­braue nicht, das sonst den An­fang der Schim­pfti­ra­de mar­kier­te, die Ly­sos nach sei­nen nächt­li­chen Er­kun­dun­gen er­hielt. Xia­fis lehn­te sich mit ver­schränk­ten Ar­men zurück.

»Wann möch­tet Ihr ab­rei­sen?«

»So bald als mög­lich. In je­dem Fall vor En­de des Monats.«

»Das geht nicht«, ent­geg­ne­te Xia­fis und rüm­pfte die Na­se. »Wir ha­ben vor we­ni­gen Ta­gen an­ge­legt, mein Schiff ist noch mit Wa­re be­laden. Die Be­sat­zung hat ge­ra­de ih­ren Lohn er­hal­ten und ist bei ih­ren Fa­mi­lien. Wir brau­chen ei­ne an­stän­di­ge War­tung und er­war­ten ei­ne Lie­fe­rung neu­en Tau­werks. Bei­des soll nicht vor En­de des Monats ge­sche­hen.«

»Ich se­he da­rin kein Hin­der­nis.«

Wenn es nicht aus­ge­rech­net aus ih­rem Mund kä­me, hät­te er Be­wun­de­rung für ei­ne sol­che Macht emp­fun­den.

Xia­fis ver­zog den Mund. »Mit Ver­laub, ich müss­te mei­ne Wa­re schnell und des­we­gen un­ter Wert ver­kau­fen. Das wä­re ein Ver­lust­ge­schäft von rund zwei­hun­dert Si­gi­on. Da­zu kommt die Ent­schä­di­gung für mei­ne Be­sat­zung, vor­aus­ge­setzt, ich kann alle von ih­nen an­heu­ern. Wenn nicht, bräuch­te ich zu­sätz­li­che See­leu­te. Ich müss­te Auf­preis für Werft und Taue zah­len und –«

»Ich ver­ste­he und ich ent­schä­di­ge Euch für die­sen Auf­wand«, un­ter­brach Zy­ria Xia­fis. »Ich fürch­te, Ihr un­ter­schätzt so­wohl den Na­men Yplo­is als auch Eu­ren Ruf und mei­nen Ent­schluss, Euch zu be­auf­tra­gen. Die Fon­ty­as ver­zeich­ne­te in den letz­ten Jah­ren die ge­ring­sten Ver­lu­ste an Waren und Men­schen. Außer­dem seid Ihr das ein­zi­ge Schiff in Te­bas Hafen, das kei­ner Ree­de­rei un­ter­steht. Und Eu­re Neu­tra­li­tät ist mir viel wert. Ich ha­be we­nig In­te­res­se da­ran, kon­kur­rie­ren­den Fa­mi­lien Ein­bli­cke in un­se­re neue Han­dels­stra­te­gie zu er­mög­li­chen.«

Zy­ria streck­te die Hand aus und der No­tar gab ihr sicht­lich wi­der­wil­lig ei­ne Leder­map­pe. »Mei­ne Ent­schei­dung steht, Käpt’n. Fällt Eu­re. Ich rei­che Euch mein An­ge­bot.«

Sie öff­ne­te die Map­pe und Ly­sos be­merk­te, wie da­bei ein klein­erer Zet­tel aus ih­rem Är­mel rutsch­te und sie ihn ver­steckt mit den an­de­ren Do­ku­men­ten an Käpt’n Xia­fis über­gab.

»Be­steht Ver­hand­lungs­basis?«, hak­te Xia­fis nach und der No­tar stieß hör­bar die Luft aus. Zy­ria hob ei­ne Hand, um ihn zurück­zu­hal­ten.

»Lest es euch durch. Fin­det Ihr et­was zu Eu­rer Un­zu­frie­den­heit, bin ich ge­willt, ei­nen Ge­gen­vor­schlag an­zu­hö­ren.«

Käpt’n Xia­fis nahm sich Zeit, das Do­ku­ment zu stu­die­ren. Un­ter­des­sen dreh­te Ly­sos an sei­nen Rin­gen und be­trach­te­te Zy­ria und ih­ren No­tar. Wer war die­se Per­son, die sie der­art drin­gend such­te, dass sie Ver­lust­ge­schäf­te in Kauf nahm? Oder war die­se Per­son wert­vol­ler als meh­re­re hun­dert Si­gi­on? Das konn­te er sich nicht vor­stel­len. Er war Na­vi­ga­tor und Gold­hand, aber si­cher­lich wür­de nie­mand so viel Geld für ihn auf­wen­den. Ge­nau­so we­nig wür­de er das tun, wo­bei er auch kei­ne hun­dert Si­gi­on be­saß.

»Ich neh­me an«, ver­kün­de­te Xia­fis schließ­lich. »Un­ter der Be­din­gung, wie wir sie münd­lich ver­ein­bart ha­ben. Ihr gleicht mein Ver­lust­ge­schäft aus, zahlt mei­ner Be­sat­zung ei­ne Ent­schä­di­gung und küm­mert Euch um ei­ne schnel­le und hoch­wer­ti­ge War­tung mei­nes Schiffs.«

»Selbst­re­dend. Lasst uns den Han­del un­ver­züg­lich nach den Richt­li­ni­en der Hei­li­gen Eveia gel­tend ma­chen.«

Der No­tar schwitz­te fürch­ter­lich, sei­ne Wan­gen waren von ro­ten Fle­cken über­zo­gen, als ko­che all der Wi­der­spruch ihn von in­nen. Aber vor sei­ner Her­rin schwieg er und mach­te sei­nem Är­ger an­der­wei­tig Luft. Ge­räusch­voll kram­te Ry­da­tis in ei­nem Beu­tel, zog ei­ne Scha­tul­le her­vor und reich­te Zy­ria den Sie­gel­ring da­rin.

Und was für ei­ner! Ly­sos dreh­te an sei­nen ei­ge­nen Rin­gen. Der Schatz war be­stimmt schwe­rer als all sein Schmuck. Sie steck­te sich ihn an, ehe der No­tar ein klei­nes Ge­fäß aus sei­nem Beu­tel an sie weiter­reich­te.

Üb­li­cher­wei­se nahm Sar­lis als er­ste Of­fi­zie­rin an Han­dels­ab­schlüs­sen teil. Ly­sos hat­te ei­ne Hand­voll die­ser Pro­ze­de­re ver­folgt und so war er trotz Wut auf Zy­ria fas­zi­niert von der Art, wie sie sich ge­bär­de­te. Es schien wie ein Ri­tu­al, hei­li­ger als zu Ich­ry­lis’ Ehren – schließ­lich ging es um meh­re­re Tru­hen voll Geld.

Zy­ria nahm ein Gläs­chen an und tunk­te ih­ren klei­nen Fin­ger hin­ein. Sie be­deck­te ih­re Lip­pen mit dem flüs­si­gen Gold und für ei­nen Augen­blick sah Ly­sos in ihr die Hei­li­ge Eveia aus den zahl­rei­chen Iko­nen, die sie am Stra­ßen­rand und in den Tempeln ver­kauf­ten. Sie straff­te die Schul­tern und reck­te das Kinn, als wä­re das gan­ze Gold in Tur­ban, auf den Lip­pen und in den Sti­cke­rei­en ih­rer Klei­der nicht ein­schüch­ternd ge­nug.

Der No­tar räu­sper­te sich: »Ich, No­tar Ry­da­tis, be­glau­bi­ge im Dien­ste der Fa­mi­lie Yplo­is die Han­dels­mäch­tig­keit der hier an­we­sen­den Zy­ria, ein­zi­ge Tochter der Fa­mi­lie Yplo­is.«

Die Leder­map­pe mit zwei iden­ti­schen Ver­trags­blät­tern zwi­schen ih­nen streif­te sich Xia­fis den Sie­gel­ring über und er­hob sich. »Mein Zeu­ge wird Ly­sos sein, Na­vi­ga­tor und Mit­glied der Fon­ty­as.«

Das Gold auf Zy­ri­as Lip­pen glänz­te, als sie sprach: »Ich schwö­re bei der Hei­li­gen Eveia, dass die­ser Han­del ehr­bar und ehr­lich ist. Und dass die­ser Han­del we­der dem Wohl­stand Te­bas noch dem sei­ner Be­wohn­er­in­nen und Be­woh­ner scha­det. Ich be­auf­tra­ge hier­mit die Be­sat­zung der Fon­ty­as, mich auf ei­ner Han­dels­rei­se zu be­glei­ten und ihr Schiff für den Trans­port der Wa­re zur Ver­fü­gung zu stel­len. Da­für ga­ran­tie­re ich ei­ne an­ge­mess­ene Ent­schä­di­gung und Ver­sor­gung vor, wäh­rend und nach der Fahrt.«

Sie nahm ei­ne Fe­der von ih­rem No­tar ent­ge­gen und un­ter­zeich­ne­te die Do­ku­men­te. Dann träu­fel­te Ry­da­tis Wachs da­run­ter und sie drück­te ih­ren Sie­gel­ring hin­ein.

»Im Na­men der Be­sat­zung der Fon­ty­as neh­me ich die­sen Han­del an«, er­wi­der­te Xia­fis. »Und als Käpt’n ga­ran­tie­re ich, dass sich die Be­sat­zung ei­ner ehr­ba­ren und ehr­li­chen Durch­füh­rung des Han­dels ver­pflich­tet. In­so­fern die münd­lich ver­spro­che­nen Leis­tun­gen ge­ge­ben sind, ver­zich­te ich auf weite­re For­de­run­gen.«

Nach der Un­ter­schrift drück­te Xia­fis den Ring in das Wachs. Zu­letzt un­ter­schieb der No­tar auf Zy­ri­as Sei­te und Xia­fis for­der­te Ly­sos auf, eben­falls zu un­ter­zeich­nen. Er dreh­te die Fe­der und be­ob­ach­te­te, wie sich der Trop­fen Tin­te an der Spit­ze sam­mel­te, da­rauf war­tend, dass er das Papier be­rühr­te. Er hat­te sein Recht auf Wi­der­spruch ver­wirkt, das war ihm be­wusst. Nicht zu un­ter­schrei­ben wür­de nicht nur den Zorn des No­tars be­schwö­ren, son­dern Xia­fis bloß­stel­len. Im schlimm­sten Fal­le wür­de Zy­ria die Lan­zen ru­fen und ihn ver­haf­ten las­sen.

Er späh­te zu ihr und für ei­nen Mo­ment be­geg­ne­ten sich ih­re Bli­cke. In ih­ren Augen spiegel­te sich Ker­zen­schein, die ihn an ei­ne glü­hen­de Lun­te auf ih­rem Weg zum Pul­ver­fass er­in­ner­te. Wenn er die­ses Do­ku­ment un­ter­schrieb, muss­te er Wort hal­ten und fin­den, was sie ver­lang­te. Konn­te er das? Was droh­te ihm, wenn nicht? Was er­war­te­te ihn, wenn doch? Ein Le­ben in Frei­heit, oh­ne Onei­as Hand am Hals. Ein ris­kan­tes Spiel mit ho­hem Ein­satz, das nicht zu sei­nen Guns­ten stand. Aber hat­te ihn das je­mals da­von ab­ge­hal­ten, die Würfel trotz­dem zu wer­fen?

Ly­sos hin­ter­ließ ei­nen Fleck ne­ben dem er­sten Schwung sei­nes Namens. Er spür­te Xia­fis’ Augen auf, wäh­rend er die Fe­der ab­wisch­te.

Zy­ria streck­te die Hand aus. »Der Han­del sei hier­mit in die wohl­wol­lenden Hän­de von Ich­ry­lis ge­legt und ste­he un­ter dem Schutz der Hei­li­gen Eveia.«

Xia­fis nahm die Hand an. »So sei es.«

Nach­dem der Han­del ab­ge­schlos­sen war, mach­te sich der No­tar da­ran, die Map­pe ein­zu­sam­meln. Xia­fis nahm die eige­ne Ver­trags­ab­schrift an sich.

»Seht zu, dass Ihr mit Eu­ren Waren­kis­ten kein Auf­se­hen er­regt und denkt nicht da­ran, güns­ti­ge Ar­beits­kräf­te vom Hafen an­zu­heu­ern, sonst ist all Eu­re Ge­heim­nis­krä­me­rei um­sonst. Ich küm­me­re mich um ver­trau­ens­wür­di­ge Leu­te für den Trans­port, wir wol­len ja kei­ne Pi­ra­te­rie oder Sa­bo­ta­ge ris­kie­ren. Und«, Xia­fis tipp­te sich auf die Lip­pen, »wischt das weg, be­vor ihr die­ses Schiff ver­lasst. Ich er­war­te Euch erst zur Ab­rei­se. Das Datum er­fahrt Ihr von mei­ner Kor­re­spon­denz.«

»Ich ver­traue auf Eu­ren Rat.« Zy­ria und ihr No­tar deu­te­ten ei­ne Ver­beu­gung an und Ly­sos woll­te sie an Deck be­glei­ten.

Da hielt Xia­fis ihn auf: »Die Gäs­te fin­den selbst vom Schiff.«

»Na­tür­lich, Käpt’n«, seufzte er.

Der Höf­lich­keit hal­ber neig­te er auch vor Zy­ria den Kopf, nicht tie­fer als nö­tig.

»Nicht ein­mal ein Dank«, brach es aus ihm her­aus, so­bald sie die Tür hin­ter sich ge­schlos­sen hat­te. »Ich bin Na­vi­ga­tor, ver­dammt, ein biss­chen Re­spekt kann ich ver­lan­gen! Te­ba­ne durch und durch!«

»Und wo­her in Ich­ry­lis’ Na­men kennst du die­se Te­ba­ne?«

Käpt’n Xia­fis ver­zog den Mund und beug­te sich über den Schreib­tisch. Als er schwieg, schnell­te Xia­fis’ Faust he­rab und don­ner­te mit so ei­ner Wucht auf das Pult, dass ein Tin­ten­fass wank­te. Er zuck­te, den Kopf ge­senkt. Bei je­der Stand­pau­ke ent­deck­te er neue Details in den ge­schnitz­ten Ver­zie­run­gen des Schreib­pul­tes: mal ei­nen Del­fin zwi­schen den Wel­len, ei­ne Fi­gur am Steu­er­rad ei­nes Schiffs oder Ich­ry­lis’ Hän­de aus dem Himmel ra­gend.

»Wie oft ha­be ich dir ge­sagt, dass dich dei­ne Es­ka­pa­den ei­nes Tages dei­nen Kopf kos­ten wer­den? Treib dich mei­net­we­gen in den Hafen­spe­lun­ken he­rum, da küm­mert sich nie­mand um ei­nen ver­lo­re­nen Streu­ner wie dich! Was fällt dir ein, in die­ses Vier­tel zu ge­hen?«

»Es tut mir leid, Käpt’n.«

Er spür­te, wie sich die Rö­te bis in sei­ne Oh­ren­spit­zen aus­brei­te­te. Er war ein Er­wachs­ener, mehr als zwan­zig Jah­re alt, die Hälf­te sei­nes Lebens auf dem Schiff, in­zwi­schen Na­vi­ga­tor – und trotz­dem wur­de er aus­ge­schimpft wie der Ben­gel von da­mals. Er woll­te wü­tend wer­den, aber das trau­te er sich nicht. Und Käpt’n Xia­fis hat­te ja recht, das wuss­te er. Nur … was blieb ihm an­de­res üb­rig?

Ähn­lich schnell wie die Eb­be zog sich Xia­fis’ an­fäng­li­che Wut zurück. Mit ver­schränk­ten Ar­men lehn­te sich Xia­fis in den Ses­sel und deu­te­te ni­ckend in sei­ne Rich­tung. »Du hast dich al­so da­von­ge­schli­chen.«

Kei­ne Fra­ge, kei­ne Fests­tel­lung, son­dern der An­fang der Ge­schich­te, die er weiter­füh­ren soll­te. Er ver­such­te gar nicht erst, sich her­aus­zu­re­den, das wür­de den bro­deln­den Är­ger nur wie­der her­vor­ru­fen. Al­so er­zähl­te er: »Ich ha­be in ei­nem Gar­ten Schutz vor den Lan­zen und Was­ser­rat­ten ge­sucht. Ich wuss­te nicht, wem die­ser Gar­ten ge­hör­te.«

»Es soll Zu­fall ge­we­sen sein, dass du dich aus­ge­rech­net im Gar­ten ei­ner der reichs­ten und vor al­lem ein­fluss­reich­sten Fa­mi­lien ver­steckt hast?« Xia­fis hob ei­ne Augen­braue. »Du hast das we­der ge­wusst noch be­merkt oder an­der­wei­ti­ge Hin­ter­ge­dan­ken ge­habt?«

»Es war Zu­fall! All­zu oft bin ich nicht in die­sen Vier­teln. Ich kam nicht am Haus­ein­gang vor­bei, son­dern von ei­ner Sei­ten­gas­se. Dort schien es mir wie je­des an­de­re wohl­ha­ben­de An­we­sen. Mei­ne Hän­de ha­ben mich ge­führt. Als ich ge­hen woll­te, stand sie da. Im Nacht­ge­wand mit ei­ner Arm­brust, stell dir vor!«

Er senk­te den Kopf, in Er­war­tung, an­ge­schrien zu wer­den. Aber Xia­fis nahm ei­nen Atem­zug, dann ei­nen zwei­ten und frag­te: »Wie­so hat sie dich ge­hen las­sen?«

»Sie woll­te von mei­ner Ga­be wis­sen. Ich er­zähl­te ihr da­von und sie mein­te, sie su­che et­was. Wenn ich es für sie fän­de, wür­de sie mich nicht bei den Lan­zen mel­den, be­haup­te­te sie.«

»Sie sucht et­was?« Xia­fis furch­te die Stirn.

»Je­man­den«, kor­ri­gier­te Ly­sos. »Sie hat mir ein Me­dail­lon ge­zeigt, nicht mehr ge­sagt. Ihr No­tar weiß wohl nichts da­von und die­ser gan­ze Han­del hier soll die Su­che ver­heim­li­chen.«

»Des­halb al­so die­se Notiz.«

»Was stand denn drauf?« Er wag­te sich ei­nen Schritt nä­her.

»Nur, dass sie nicht frei re­den kann und der eigent­li­che Ver­trag ver­trau­lich aus­ge­han­delt wer­den soll.«

Xia­fis ließ den Na­cken krei­sen, bis es knack­ste und er­hob sich aus dem Ses­sel.

»Nun gut, wir ha­ben ei­nen neu­en lu­kra­ti­ven Auf­trag und ein­deu­tig die Ober­hand in der Aus­hand­lung um die Su­che.«

»Dann …«, setz­te Ly­sos vor­sich­tig an. »Dann pro­fi­tie­ren wir hier­von? Mei­ne Gold­hän­de ha­ben uns zu ei­nem klei­nen Schatz ge­führt.«

Sein Lä­cheln ver­blass­te, so­bald Käpt’n Xia­fis sei­nen Blick er­wi­der­te. »Du schrubbst bis zu un­se­rer Ab­fahrt das ge­sam­te Deck, die La­tri­nen und küm­merst dich um die Dreck­wä­sche. Und wenn ich dich auch nur ein­mal von Bord schlei­chen se­he, schrubbst du die gan­ze Rei­se über. Ha­ben wir uns ver­stan­den?«

Ly­sos ver­zog den Mund und sa­lu­tier­te. »Aye, Käpt’n.«

 

Kapitel 3

 

Ly­sos’ Fin­ger waren so auf­ge­quol­len und wund, dass er be­zwei­fel­te, je­mals wie­der ei­nen Kom­pass hal­ten zu kön­nen. Das hat­te Käpt’n Xia­fis da­von, ihn ta­gein, ta­gaus put­zen zu las­sen als wä­re er Ma­tro­se. Sei­ne Schul­tern und Knie schmerz­ten und sei­ne Haut brann­te von der Son­ne. Seit zwei Wo­chen tat er nichts an­de­res mehr: schrub­ben, La­tri­ne rei­ni­gen, Wä­sche wa­schen, schrub­ben, rei­ni­gen, wa­schen.

Er leg­te sich auf das Deck und starr­te in den tin­ten­blau­en Abend­himmel. Ich­ry­lis’ Licht strahl­te am Nord­himmel hell wie der Mond. Für ei­nen Mo­ment waren Är­ger und Schmer­zen ver­ges­sen. Die Ster­ne waren das Ein­zi­ge, von dem er auf See nie ge­nug be­kam. Sie be­glei­te­ten ihn, lei­te­ten zu­ver­läs­sig den Weg und ver­än­der­ten sich gleich­zei­tig je­des Mal. Ein plötz­li­cher Ster­nen­schau­er. Ein Stern, der ei­nes Nachts auf­leuch­te­te und in der Näch­sten ver­schwand.

Ly­sos streck­te die ge­schun­de­ne Hand aus und reck­te sie, dass er mit Dau­men und Zei­ge­fin­ger zwei Sei­ten des Lyr’schen Drei­ecks um­fass­te. Die Stern­kons­tel­la­tion öst­lich von Ich­ry­lis’ Licht lag tief und noch nicht so hell wie an­de­re Ster­ne zu die­ser Jah­res­zeit. Das Drei­eck war nicht sein liebs­tes Stern­bild, doch für die Na­vi­ga­tion es­sen­ziell. Des­halb prüf­te er je­de Nacht, ob er die Ster­ne wie­der­fand. Es moch­te ein Ab­er­glau­be sein, aber er woll­te nicht ris­kie­ren, dass ih­re näch­ste Rei­se zu ei­ner Irr­fahrt wur­de. Er hat­te ja nicht ein­mal ei­nen ge­nau­en Plan da­von, wo­hin es ge­hen soll­te. Ei­ne ver­schol­le­ne Per­son im Lyr’schen Meer su­chen … wie soll­te er das an­stel­len?

Zy­ria hat­te er­ste Kis­ten mit Waren und Pro­vi­ant lie­fern las­sen und Hand­werks­leu­te ge­schickt, die klein­ere Män­gel aus­bes­ser­ten. Selbst neu­es Tau­werk für die Ta­ke­la­ge hat­te sie spen­diert. Wer konn­te ei­ner Te­ba­ne wie ihr, ei­ner kalt­her­zi­gen Lö­win so wich­tig sein, dass sie ei­nen Han­del mit ei­ner Gold­hand ein­ging und sich auf ei­ne un­be­stimm­te Rei­se mach­te? Waren es Schul­den, die sie ein­trei­ben woll­te? Die­se Ar­beit ver­rich­te­te sie si­cher nicht selbst. Dann … war es die Lie­be? Die Han­dels­leu­te, die er bis­her ge­trof­fen hat­te, hat­ten nicht mehr Emo­tio­nen ge­zeigt als die Por­träts und Büs­ten, die sie von sich hat­ten an­fer­ti­gen las­sen. Aber in Zy­ri­as Augen, da war et­was ge­we­sen … et­was an­de­res, et­was Le­ben­di­ge­res. Ein Fun­ke.

Ly­sos stieß ei­nen tie­fen Seuf­zer aus und rieb sich das Ge­sicht. Er dach­te viel zu viel über sie nach. Er war dem Gal­gen ent­kom­men und das war die Haupt­sa­che. Wen auch immer sie such­te, es hat­te nichts mit ihm zu tun. Zwei Mona­te, dann wä­re er frei. Ein wahr­haf­tig frei­er Mann! Wenn sie ihr Ver­spre­chen hielt und ihn von Onei­as Hand er­lös­te …

Der Ge­dan­ke da­ran füll­te ihn mit ei­ner un­ge­mei­nen Vor­freu­de. Sei­ne Fin­ger­spit­zen krib­bel­ten und für ei­nen Mo­ment ver­klang die Mü­dig­keit. Was er alles an­stel­len wür­de! Die üb­ri­gen Aben­de war er zu mü­de ge­we­sen, um sich in die Stadt zu wagen. Manch­mal hat­te er da­rüber nach­ge­dacht und als ha­be er sie da­mit her­auf­be­schwo­ren, waren Xia­fis oder Sar­lis auf­ge­taucht, um ihm ei­ne Auf­ga­be zu über­tra­gen.

---ENDE DER LESEPROBE---