Passion - Süßes Verlangen - Olga Bicos - E-Book
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Passion - Süßes Verlangen E-Book

Olga Bicos

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Beschreibung

Wenn Vertrauen deinen Tod bedeuten könnte: Der packende Romantic-Thriller „Passion – Süßes Verlangen“ von Olga Bicos als eBook bei venusbooks. Abend für Abend beobachtet der reiche Jake Donovan die geheimnisvolle Schöne, die an den Spieltischen seines Casinos ein goldenes Händchen beweist. Jake ist besessen davon, hinter Macs Geheimnis zu gelangen – und schließlich entlockt er ihr die ebenso süße wie gefährliche Wahrheit: Die begnadete Chemikerin braucht dringend Geld für ihre Forschungen an einem Parfüm, das ungeahnte Leidenschaften weckt … und in den falschen Händen zur gefährlichen Waffe werden kann. Was die attraktive Frau Jake zunächst verschweigt ist, dass sie in einen furchtbaren Skandal verwickelt ist und deswegen sogar vom FBI verfolgt wird. Nur Jake könnte sie jetzt noch retten – oder aber ihr Verderben sein … „Olga Bicos hat für sich ein faszinierendes Genre gefunden: den erotischen Spannungsroman. Unübertroffen und unverwechselbar!“ Romantic Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Romantic-Thriller „Passion – Süßes Verlangen“ von Olga Bicos. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 733

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Über dieses Buch:

Abend für Abend beobachtet der reiche Jake Donovan die geheimnisvolle Schöne, die an den Spieltischen seines Casinos ein goldenes Händchen beweist. Jake ist besessen davon, hinter Macs Geheimnis zu gelangen – und schließlich entlockt er ihr die ebenso süße wie gefährliche Wahrheit: Die begnadete Chemikerin braucht dringend Geld für ihre Forschungen an einem Parfüm, das ungeahnte Leidenschaften weckt … und in den falschen Händen zur gefährlichen Waffe werden kann. Was die attraktive Frau Jake zunächst verschweigt ist, dass sie in einen furchtbaren Skandal verwickelt ist und deswegen sogar vom FBI verfolgt wird. Nur Jake könnte sie jetzt noch retten – oder aber ihr Verderben sein …

»Olga Bicos hat für sich ein faszinierendes Genre gefunden: den erotischen Spannungsroman. Unübertroffen und unverwechselbar!« Romantic Times

Über die Autorin:

Olga Bicos wurde in Havanna geboren, studierte Jura in Berkley und arbeitete als Firmenanwältin in einem Medienunternehmen in Los Angeles, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei zuwandte. Abenteuerlustig und weit gereist, lebt sie heute mit ihrer Familie in Kalifornien. Für ihre gefährlich-charmanten Helden wurde Olga Bicos für den begehrten K.I.S.S. Award der Romantic Times nominiert.

Von Olga Bicos erscheinen bei venusbooks auch die Thriller Fever – Zärtlicher Tod und Fever – Eiskalter Kuss sowie der Roman Die Liebe des Lords.

***

eBook-Lizenzausgabe November 2018

Dieses Buch erschien bereits 1999 unter dem Titel Riskantes Spiel bei Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1997 bei Olga Gonzales-Bicos

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel Risky Garnes bei Zebra Books, Kensington Publishing Corp., New York

Copyright © der deutschen Ausgabe 1999 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Originalausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2018 venusbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Published by Arrangement with Olga Gonzalez-Bicos

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock.com/WWj

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95885-615-8

***

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Olga Bicos

Passion – Süßes Verlangen

Thriller

Aus dem Amerikanischen von Inez Meyer

venusbooks

Für meine Schwester Leila, die nie auch nur eine einzige Probe, eine einzige Aufführung oder einen erneuten Versuch versäumt hat.

Und für meinen Mann Andrew, der von der anderen Seite des Saals über die dichtgedrängte Menge blickte ...

ERSTER TEIL Verwandlungen

»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?«

Aus: Schneewittchen und die sieben Zwerge, Märchen der Gebrüder Grimm, 1814

Prolog

Sollte ich jemals im Leben einen wirklich grundlegenden Fehler begangen haben, so ist jetzt jener Moment. Ich spüre das Böse in solch unmittelbarer Nähe, und dennoch sehe ich, welch geniale Kraft hinter seinem Tun steht. Er ist ohne Zweifel der aufregendste Mann, dem ich jemals begegnet bin. Gott vergebe mir, doch ich liebe Doktor Frankenstein.

Auszug aus dem Labortagebuch von Dr. Alicia Goodman

McCall Sayer konzentrierte sich auf den Charakter, den sie diesen Abend darstellen wollte.

Aus dem Nebenzimmer hörte sie, wie das Badewasser für die Zwillinge eingelassen wurde. Sie hörte das Lachen der Kinder, die versuchten, ihrem Vater Stan doch noch zu entwischen. McCall lächelte. Sie freute sich, als Freundin des Hauses bei Barb und Stan wohnen und an ihrem Familienleben teilhaben zu dürfen. Sie kramte in ihren Schminkutensilien auf dem Frisiertisch und wählte einen Lippenstift. Während sie ihre Lippen mit kirschroter Farbe ausmalte, summte sie gemeinsam mit Stans Tenorstimme ein Lied aus »Baby Beluga«.

An diesem Abend trug Dr. McCall Sayer als kleine Besonderheit schwarze Netzstrümpfe.

Sie nahm die Perücke vom Ständer und stülpte sich den blonden Pagenkopf über ihr rotes Haar. Augenblicklich hatte sie sich vollkommen verwandelt, und das Blau ihrer Augen strahlte plötzlich noch viel intensiver. Eine ganz und gar andere Frau. »So gehe ich doch problemlos als Südstaatenschönheit durch«, murmelte sie in dem dafür typischen weichen Tonfall. »Eine richtige südliche Magnolie.«

»Hey, McCall«, hörte sie Barb von der Treppe her rufen. »Dein Taxi ist da.«

»Komme schon.« Sie wandte sich auf dem Stuhl um, schlüpfte in ihre hochhackigen Riemchensandaletten und verschloß sie um die Fesseln. Ihr eisblaues Schlauchkleid sollte als Provokation genügen. Mit den Jahren hatte sie gelernt, daß man seiner Umwelt mit seinem Äußeren eine kleine Orientierungshilfe geben mußte. Heute würde sie ihnen die aufreizende Blondine präsentieren. Unmöglich würde man dies mit ihrem für die nächste Woche geplanten Aufzug verwechseln, wenn sie nämlich als bebrillte Brünette in einem unauffälligen Kostüm erscheinen wollte.

Sie schnappte sich ihr Abendtäschchen vom Frisiertisch.

Im Spiegel fiel ihr Blick noch einmal auf das Labortagebuch. ABTEILUNG BIOLOGIE konnte sie im Spiegelbild entziffern. Das Labortagebuch war übermäßig groß, so wie es ihr auch schon seit jeher am besten gefiel.

McCall nahm das Buch hoch und starrte es fasziniert an ... dann bückte sie sich, schob es in die unterste Schublade ihrer Kommode und bedeckte es mit Pullovern. Während sie sich wieder aufrichtete, stieß sie die Schublade mit der Fußspitze zu. Unruhig ballte sie ihre Hände zu Fäusten und öffnete sie im nächsten Moment schon wieder. Öffnen, schließen, öffnen, schließen. Sie hob die Hände und spreizte die Finger. Sie zitterten.

»Bald hast du es geschafft, McCall«, flüsterte sie. »Bald bist du am Ziel.«

Kapitel 1

Heute Abend war ihr Haar rot.

Jake Donovan starrte durch den Saal des New River Palace, sein Blick vollkommen auf diese Frau fixiert. Vorhin schon hatte er sie über die Überwachungskameras aus verschiedenen Blickwinkeln beobachtet. Nun stand er in der Nische neben ihr und fragte sich, wie er weiter verfahren sollte.

Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Schwarzes Kostüm, transparente schwarze Strümpfe, schwarze Stilettoabsätze. Das Kostüm war zudem noch aufregend sexy. Sie saß weit vorgebeugt und mit einem V-Ausschnitt auf ihrem Hocker am Blackjacktisch, so daß der Croupier die Spitze ihres Büstenhalters sehen konnte. Auch der Saum des Kostüms war schon halb ihren Schenkel hochgerutscht. Jake beobachtete, wie sie ihre Beine übereinanderschlug und in aufreizender Manier mit der Fußspitze wippte. Ihr Haar hatte sie zu einem kunstvollen Knoten geschlungen, der wie ein Feuerwerk glänzte, wenn sie ihren Kopf unter den Kronleuchtern drehte.

Sie hatte große Ähnlichkeit mit jenen Diven aus den alten Filmen wie etwa Greta Garbo oder Rita Hayworth. An dem Champagner jedoch nippte sie, als sei er eine bittere Medizin. Wenn sie das Glas wieder absetzte, verzog sie sogar fast das Gesicht. Jake fiel auf, daß sie an den Nägeln kaute. Dies war ihre einzige Eigenschaft, die sie weder verändert noch zu verstecken versucht hatte.

In der vergangenen Woche war sie nämlich als gebildete Brünette mit Brille erschienen. Die Woche davor war sie eine Blondine gewesen, die offenbar Netzstrümpfe liebte.

»Wirst du sie denn nun endlich einmal dingfest machen, oder wie?«

Der so wortgewandte Costandinos Tropedis, kurz Dino, lehnte sich entspannt an eine der Wände, die die Nische bildeten. Der Rotschopf saß nur wenige Tische von ihnen entfernt und konzentrierte sich auf ihre Karten und den Champagner.

Dino bürstete sich einen Fussel vom Ärmel und fuhr sich dann durch sein Haar, das wohl noch keinen einzigen Tag ohne Gel erlebt hatte. »Zugegeben, sie ist wirklich ein Prachtstück«, bemerkte er augenzwinkernd. »Ich hätte nichts dagegen, wenn ich derjenige wäre, der ihr auf die Schulter klopft. Aber du, Irishman, bist ja schließlich hier der Boß.«

Dino hatte Jake diesen Namen seiner irischen Herkunft wegen verliehen.

Jake brummte unverbindlich. Er dachte gerade über den Donovanfluch nach und versuchte sich deshalb einzureden, daß die Rothaarige überhaupt nicht sein Typ war.

Als einem der Schichtmanager des River Palace gehörte es zu Jakes Aufgaben, professionelle Spieler des Hauses zu verweisen.

Spielkasinos hatten eben eine starke Abneigung gegen Systemspieler und sie deshalb auch mit einem Verbot belegt. Dies hier war eine Art Disneyland für Erwachsene. Man kommt herein, setzt sich und spielt. Eine spärlich bekleidete Cocktailkellnerin serviert einem kostenlos Getränke, die Belegschaft ist höflich und freundlich – die Croupiers geben einem Tips, und die Geldwechslerin weist einen auf die Maschine hin, die als nächstes gewinnen könnte. Wenn alles gutgeht, verliert man sein Geld also nur langsam. Und wenn man dann nach Hause kommt, denkt man: »Mein Gott, zweitausend Dollar habe ich dort gelassen, aber ich habe mich verdammt gut amüsiert.«

Ganz anders dagegen verhielt es sich mit den Profis, mit jenen Blackjackspielern, die sich Systeme ausgetüftelt hatten. Die meiste Zeit zählten sie lediglich die Karten, während sie auf genau den Augenblick warteten, um gegen das Haus gewinnen zu können. Die richtigen Profis traten außerdem verkleidet auf, damit man sie nicht sofort hinauswarf. Wenn ein Kasino einen von ihnen aber erst einmal dingfest gemacht hatte, dann stellten ein paar unter Freunden geführte Telefonate sicher, daß derjenige im Umkreis von mindestens zwei Bundesländern kein Kasino mehr betreten konnte.

»Nun sieh dir das an«, sagte Dino und pfiff leise. »Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß sie eben ihren Tischnachbarn angetippt hat.«

Der Schuh mit dem auffällig hohen Absatz hörte zu wippen auf und bohrte sich in das Bein des Nachbarn. Der Typ – er konnte kaum älter als neunzehn sein – blickte sie kurz an. Sie betrachtete den Croupier und wartete auf den kurzen Moment, wenn er seinen Blick abwenden würde. Dann machte sie eine kaum wahrnehmbare verneinende Kopfbewegung.

»Da!« sagte Dino. »Hast du das gesehen? Jetzt nimmt er keine Karte! Und das, obwohl der Idiot den ganzen Abend lang wie verrückt gespielt hat.«

Von seiner Nische aus konnte Jake die mit dem Gesicht nach oben liegenden Karten auf dem Tisch einsehen. Der Mann hatte die Sechzehn. Der Croupier zeigte die Zehn, nahm eine Sechs und verlor dann mit der Herzkönigin.

Der Kleine neben Rita Hayworth wäre fast in Tränen ausgebrochen, als der Croupier ihm einen Haufen Chips zuschob. Sie jedoch starrte unbeirrt in die Ferne. Vor ihr auf dem Tisch stapelten sich locker vier Tausender.

»Sieht ganz danach aus, als ob da jemand gerade seine tägliche gute Tat getan hätte«, brummte Jake.

»Sehe ich auch so, ist verdammt noch mal wie Weihnachten da drüben«, erwiderte Dino.

Jake beobachtete, wie die Cocktailkellnerin der Rothaarigen noch einen Drink brachte. Heute abend hatte sie fast ununterbrochen Drinks zu sich genommen. Dies war etwas, das sie bisher immer vermieden hatte. Im Schnitt kam sie etwa dreimal wöchentlich ins River Palace. Sie war Dino zum ersten Mal schon vor Wochen aufgefallen – als Blondine mit Netzstrümpfen. Und bisher hatte sie immer Ginger Ale pur getrunken – Jake hatte das bei der Kellnerin überprüft. Sie verließ den Tisch für gewöhnlich immer schon dann, solange sich ihre Gewinne noch im Rahmen hielten. Und sie war auch immer darum bemüht gewesen, nicht zuviel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das war auch der Grund, weshalb Jake sie trotz allem noch nicht angesprochen hatte, sondern sie lediglich über die Kontrollvideos im Überwachungszimmer beobachtete.

»Sie hat ein System«, sagte Dino. »Noch dazu ein verteufelt gutes.«

Jake zögerte. Das Wort »Donovanfluch« flirrte ihm wie eine Leuchtreklame durch den Kopf. Donovanfluch. Donovanfluch.

»Warum gehst du nicht rüber und schaust dir die Sache mal aus der Nähe an?« fragte Jake.

Dino war fünfzehn Zentimeter kleiner als Jake, der fast einen Meter neunzig maß. Wenn er Jake in die Augen blicken wollte, mußte er sogar den Kopf in den Nacken legen. Er klimperte mit ein paar Münzen in seiner Tasche und konnte nicht begreifen, wie ein so heißblütiger Mann wie Jake die Chance auf eine kleine Plauderei mit Rita Hayworth einfach nicht wahrnehmen wollte.

Jake konnte es beinahe hören, als der Groschen bei Dino endlich fiel.

Dinos Lächeln wurde immer breiter. »Komm schon, Irishman. Sie wird schon nicht beißen. Du wirst noch vorzeitig altern, wenn du die Zügel nicht mal etwas lockerer läßt. Soll ich dir sagen, was du wirklich dringend einmal nötig hättest?«

»Daß du endlich zu plappern aufhörst?«

Dino bemühte sich vergeblich, beleidigt zu wirken. »Ich sag ja nur, daß es nicht gesund ist. Ein Mann wie du und immer allein. Greif doch einfach zu, solange es geht.«

Der gute alte Dino hatte immer ein paar kluge Ratschläge auf Lager.

Dino musterte Jakes schlichtes weißes Hemd und die Leinenhose mit den Hosenträgern und schüttelte lediglich den Kopf. »Würde es dir denn wirklich soviel ausmachen, mal einen Anzug zu tragen? Immerhin bist du hier der Manager.«

Jake dachte an den ganzen Schrank voller Kleidung, die er damals der Heilsarmee vermacht hatte. Damals, als er durch die Tür der Rechtsanwaltskanzlei nach draußen getreten war, hatte er sich geschworen, nie wieder einen solchen Affenanzug zu tragen. Aus seinem alten Leben hatte er lediglich seine Breitling-Armbanduhr behalten. Sie war groß, schwarz und verfügte über drei Zeitzonen. Damit würde er wohl selbst aus dem Amazonasdschungel in Windeseile wieder herausfinden.

Da Dino aus Jake nicht die erwartete Reaktion herauskitzeln konnte, warf er ihm einen Was-soll-nur-aus-dir-werden-Blick zu und zog seine Boss-Krawatte fest. »Herr Donovan, Aschenputtel erwartet Sie. Und meiner Ansicht nach sollte man sie einfach rausschmeißen.«

Jake stand an die Wand gelehnt, nickte und betrachtete wie gebannt die Lady. Normalerweise wäre er schon längst eingeschritten und hätte nicht auf den wiederholten Hinweis seines Untergebenen Dino gewartet. Und normalerweise hätte er es auch nicht seinem Freund überlassen, mit ihr fertig zu werden.

Doch die Wahrheit war nun einmal die, daß Jake Donovan – Ex-Anwalt, Ex-Ehemann und Ex-Verlierer – in Fällen wie diesem gelernt hatte, seiner Intuition zu vertrauen. Er kannte die Anzeichen. Er hatte diese Art Situation bereits zu häufig miterlebt, um jetzt nicht vorsichtig zu sein.

Sie kam immer alleine ... und sie sah sich immer auf jene Art und Weise um, als ob sie es gewohnt sei, über ihre Schulter nach hinten zu blicken. Heute abend aber trank sie auffällig viel, als ob sie etwas vergessen wollte. Sie spielte ohne Unterbrechung und bemühte sich nicht einmal, ihre Gewinne zu verstecken. Sie provozierte sie alle vor ihrer Nase, ja forderte sie geradezu auf, daß man sie endlich erwischen möge.

Eines stand fest: Bei ihrem Anblick schrillten bei Jake gleich alle Alarmglocken.

»Klar«, sagte Jake und beugte sich dem Unausweichlichen. »Bleib im Hintergrund und steh mir bei.«

Das River Palace war eines der wenigen noch verbliebenen schwimmenden Kasinos auf dem Mississippi in der Altstadt von New Orleans. Über seine weitere Existenz würde schon bald bei einer Volksbefragung über das Glücksspiel entschieden werden – mal abgesehen von der Konkurrenz des größten jemals geplanten Landkasinos nur wenige Straßen entfernt. Das heißt, falls es jemals zu dessen Bau kommen sollte. Ebenso wie das Flamingo des Hilton, ein Mitüberlebender, war das River Palace an ein vornehmes Hotel angeschlossen. Mit nur fünfhundert Betten, die Hälfte davon Luxussuiten, erinnerte das River Palace vom Stil her an die großen Plantagenhäuser, und lediglich die elektrische Beleuchtung ähnelte mehr der von Las Vegas. Die Spielfläche des Kasinos erstreckte sich über drei Stockwerke. Zur Zeit war das Schiff wegen unruhiger Wasserlage etwas abseits der Uferpromenade vertäut. Das wiederum war ein Segen für das River Palace, denn normalerweise war es per Gesetzesdekret dazu verpflichtet, alle drei Stunden abzulegen. Jake lief über das unruhige Muster des Teppichbodens. Das Muster war absichtlich so angelegt, damit man den Blick vom Boden weg auf die hellerleuchteten einarmigen Banditen lenkte. Aus alter Gewohnheit verschloß er seine Ohren gegenüber dem Lärm der fallenden Münzen, die sich in die Blechwannen ergossen. Auf dieser Etage hatte sich das River Palace Mardi Gras zum Motiv genommen. Die größeren Flächen waren in gold, violett und grün gehalten, und riesige, mit Federn geschmückte Masken standen in jeder Ecke. Im River Palace war das Leben eben ein rauschendes Fest.

Als er den Blackjacktisch erreicht hatte, nahm er auf dem leeren Hocker neben Rita Hayworth Platz. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er die Rothaarige dabei, wie sie an ihrem Getränk nippte und abermals das Gesicht verzog.

»Nun«, begann er und betrachtete dabei die Karten, die Cynthia ihm ausgeteilt hatte. »Ich vermute, Sie tragen Ihr Haar heute rot, weil Sonntag ist?«

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Ihre Augen waren ungewöhnlich blau und hatten einen grünlichen Rand. Und sie war außergewöhnlich attraktiv, was ihn verblüffte. Eine gerade Nase, ein voller Mund, wenig Make-up – denn das hatte sie überhaupt nicht nötig. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu ihrem Dekolleté, wo sich ihr Kostüm eben etwas bewegt hatte. Ganz wie er es erwartet hatte: keine schlechte Aussicht.

Sie setzte das Glas ab. »Mein Gott, danach sehen Sie nun wirklich nicht aus.«

»Wonach denn?« hakte er nach. Er zwinkerte der Angestellten zu. Jetzt hatten sie alles im Griff.

»Ich hätte Sie für einen Türsteher gehalten.« Rita Hayworth musterte ihn auf jene offenkundige Art und Weise, die ihm verriet, daß sie ihn auch bei seiner Musterung erwischt hatte. Ihre Augen verschmälerten sich, während sie nachdachte. »Sie machen eher den Eindruck eines – eines Pfadfinders.«

»Pfadfindergruppe der Adler«, erwiderte er. »Dritter Rang.« Er schüttelte den Kopf. »Das waren Zeiten.« Dann sagte er leise, so daß nur sie es hören konnte: »Und wie steht es mit Ihrer Hilfe für den jungen Mann an Ihrer Seite?«

Sie hob das Glas und trank ihren Drink in einem Zug aus. Dann zuckte sie mit den Schultern und versuchte gar nicht erst, die Sache abzustreiten. »Wenn Sie hier schon ebensolange sitzen würden wie ich, dann hätten Sie die Geschichte mitangehört. Seine Frau ist im sechsten Monat schwanger. Er selbst ist arbeitslos geworden. Und der Vermieter droht den beiden mit der Kündigung. Auf der Suche nach einem Wunder ist er schließlich hierhergekommen.«

»Lassen Sie mich raten. Dann müssen Sie seine Glücksfee sein?«

Lächelnd setzte sie das Glas ab. »Ist jetzt der Moment gekommen, in dem Sie mich bitten, von der Bühne abzutreten?«

In seinem Kopf meldeten sich wieder die Alarmglocken ... gehen Sie nicht über diesen Punkt hinaus ... aber er schüttelte dennoch den Kopf. Sechsunddreißig Jahre, ein ganzes Leben voller Fehler, und doch hatte er immer noch nicht seine Lektion gelernt.

»Nein«, sagte er, Idiot, der er war, und beobachtete Cynthia dabei, wie sie seine Karten wieder einsammelte. Vielleicht hatte Dino ja recht, daß er sich viel zu lange zurückgehalten hatte. Wenn er sie sich so ansah, wollte er die Chance jedoch beim Schopfe packen. »Dies ist der Zeitpunkt, wo ich Sie zum Kaffee einlade. Sagen Sie zu?«

Ihre Augen weiteten sich ein wenig. Sie hatten eine unglaublich intensive Farbe. Vielleicht trug sie aber auch lediglich farbige Kontaktlinsen. Er spürte ihre Verblüffung. Dennoch erwiderte sie: »Also gut, Pfadfinder. Zeigen Sie mir den Weg.«

Leicht schwankend stand sie auf. Alkohol, dachte Jake. Auf dem Stuhl hinter ihr lag ein Stapel Papier. Sie griff danach, verfehlte ihn jedoch, und die Blätter fielen zu Boden. Einen kurzen Augenblick lang glaubte Jake, er müsse sich mit dem jungen Mann darum balgen. Aber ein Blick genügte, um diesen wieder in seine Schranken zu verweisen. Jake lächelte. Er hatte es eben noch immer in sich.

Jake warf einen Blick auf die Blätter. Es waren Kopien eines Artikels aus der wissenschaftlichen Zeitschrift American Science. Der Titel lautete »Die Suche nach den menschlichen Pheromonen«, Verfasserin war eine gewisse Dr. McCall Elizabeth Sayer.

Jake blätterte den Artikel bis zum Ende durch. Demnach hatte diese McCall nach ihrer Promotion im Fachbereich Molekularbiologie am California Institute of Technology gearbeitet. In Harvard dann ihren Doktor in Entwicklungsgenetik gemacht.

Als er aufstand, hatte sich die Rothaarige schon wieder von ihm abgewandt und sprach kurz mit dem jungen Mann, woraufhin dieser mit Tränen in den Augen den Tisch verließ.

»Meine ganze Aufmerksamkeit gehört nun Ihnen, Pfadfinder.«

Er warf einen Blick auf ihre Gewinne – und auf die Chips, die der junge Mann jetzt gerade in seinen Plastikeimer mit dem River Palace Emblem schüttete. Das Emblem zeigte einen Dampfer, aus dessen Schornstein Goldmünzen aufstiegen.

»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, sagte Jake.

Sie beobachtete ihren Schützling, wie er sich durch die Tische hindurch den Weg in Richtung Kasse bahnte. »Er hat mir versprochen, es nicht zu verspielen. Ich habe ihm erklärt, daß er kein sonderlich guter Spieler ist.« Mit einem Seufzen dachte sie an den Verlust, der ihr gerade entstanden war. »Es ist ja schließlich nur Geld.«

»McCall?« fragte er, einer Eingebung folgend.

»Ja?« Sie blickte ihn leicht abwesend an, ehe ihr bewußt wurde, daß er offenbar ihren Namen kannte. Ihr Blick fiel auf die Kopien, die er ihr jetzt entgegenstreckte. »Ach, vielen Dank.«

Sie klemmte sich sowohl den Artikel als auch ein Täschchen, in dem noch nicht einmal ein Taschentuch Platz gefunden hätte, unter den Arm. Nach einem kurzen Zögern hakte sie sich bei ihm ein. Ihre Bewegung war ein wenig steif, und ihr Blick schweifte überallhin – nur ihn blickte sie nicht an.

»Und wie nennen Ihre Freunde Sie?« fragte er.

»McCall«, erwiderte sie. Sie sah ihn für einen Moment an, ein wenig arrogant, ein wenig von oben herab, ein Blick eben, der ganz und gar »Harvard« war.

»Wirklich? Nur McCall?« Sie hatten den Ausgang des Kasinos erreicht, und er hielt ihr die Tür auf. »Nun, für mich sehen Sie mehr nach Mac aus. Genau, Mac ist der richtige Name. Kommen Sie, Mac. Ich habe das Gefühl, daß Ihnen eine schöne, heiße Tasse Kaffee jetzt guttun würde.«

Jake beobachtete Mac, die ihm gegenüber am Tisch saß. Er hatte sie an seinen Lieblingsort im River Palace gelotst, die »Cascade Lounge«. Sie war ein mit Glas abgedecktes Atrium, in der man das Wasser aus drei Metern Höhe auf eine dramatisch angeordnete Steinlandschaft fallen hören konnte. In dem Wasserbecken darunter schwammen Schildkröten.

Mac ließ die von Jake bestellte Tasse dampfenden Kaffees links liegen und trank statt dessen ihr Glas Champagner aus. Jake war sich ziemlich sicher, daß sie betrunken war. Dennoch mußte er anerkennen, daß sie sich sehr wacker hielt. »Sie haben Ihren Kaffee ja noch nicht einmal angerührt.« Er schob die Tasse näher zu ihr hinüber, als ob es am Abstand gelegen hätte. Es war eine seiner eisernen Regeln, niemals mit einer betrunkenen Frau zu schlafen. Aber Gott stehe ihm bei, denn die Vorstellung, mit Mac zu schlafen, schien ihm trotz allem eine besonders verlockende Idee zu sein. Mac schob die Kaffeetasse beiseite und griff nach der Champagnerflasche, die sie sich bestellt hatte. »Wie, in aller Welt, landet ein Pfadfinder wie du denn im Kasino?«

Unwillkürlich hatte sie begonnen, ihn zu duzen, wie Jake mit Genugtuung feststellte. Er fing die Flasche auf, ehe Mac den Inhalt auf der Tischdecke verkleckern konnte. »Und wie kommt es, daß eine Frau Doktor in Gentechnologie als professionelle Kartenspielerin arbeitet?«

Lächelnd drohte sie ihm mit dem Zeigefinger. »Ich habe zuerst gefragt.«

Er zuckte mit den Schultern. Vielleicht würde sich seine Vorstellung von einem Abend mit wildem Sex wohl doch nicht bewahrheiten. Statt dessen würde er wahrscheinlich als Babysitter arbeiten müssen. Seiner Ansicht nach konnte sie jetzt nämlich nicht mehr viel trinken. Obwohl sie für eine Frau recht groß war, vielleicht einssiebzig ohne Absätze, hatte sie doch kaum etwas auf den Rippen.

»Das ist zwar, zugegeben, nicht gerade mein Traumberuf, aber die Wahl hat sich dann doch bewährt«, antwortete er. »Und wie war es bei dir? Klemmst du dir jedesmal, bevor du das Haus verläßt, erst mal einen wissenschaftlichen Artikel unter den Arm?«

Ihr Blick schweifte zunächst in weite Ferne, dann blickte sie zu den Blättern neben ihren Füßen hinunter, die sich langsam wieder aus der Rolle lösten, die sie aus ihnen geformt hatte. »Jemand hat ihn mir, kurz bevor ich hierher kam, in die Hand gedrückt.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte ihn wegwerfen sollen. Ich weiß auch nicht, warum ich es nicht getan habe.«

Sie schien ihm nicht älter als Mitte Zwanzig zu sein. Gerade noch jung genug, um zwar all diese akademischen Abschlüsse gemacht zu haben, ihnen dann aber doch den Rücken zu kehren. »Erzähl mir doch etwas über den Inhalt.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Blätter.

Sie sah zu ihm auf und nippte nochmals an ihrem Champagner. »Das ist doch alles Steinzeit. Momentan bin ich dabei, an meiner zweiten Karriere zu basteln.«

»Dem Glücksspiel?«

»Ich besitze ein gutes Gespür für Zahlen.«

»Das glaube ich gern«, erwiderte er, blickte aber in den Ausschnitt ihres Leinenkostüms. Wäre er schlau, dann würde er sie jetzt zur Tür begleiten und ihr ein Taxi rufen – ehe er seine eiserne Regel bezüglich betrunkener Frauen noch gänzlich vergaß, und sie gar zu sich auf sein Zimmer einlud.

»Wirst du die Sache publik machen?« fragte sie.

»Du meinst, ob ich die anderen Kasinos benachrichtigen werde? Selbstverständlich.«

Sie lehnte sich vor und sah ihm direkt in die Augen. »Vielleicht ist es mir inzwischen ohnehin egal.« Sie nahm seine Hand und malte ihm mit dem Zeigefinger Kreise auf die Handfläche. »Vielleicht ist sowieso alles egal.«

Als Verführungstaktik war es, zugegebenermaßen, wohl etwas naiv, verfehlte aber dennoch nicht seine Wirkung. In seinem Kopf meldete sich bereits eine Stimme, die ihn drängte, ihr Angebot doch einfach anzunehmen. Jake starrte auf die Bar und die glitzernden Lichter, die sich auf der schwarzen Oberfläche des Mississippis spiegelten. Es dauerte nicht lange, bis sich bei ihm ein mulmiges Gefühl einstellte.

Als sie ihre Finger in seine gleiten ließ, beruhigte er sich damit, daß Murphys Gesetz wohl nicht zweimal unmittelbar hintereinander Anwendung finden würde. Gut, sie war ein wenig betrunken. Es war aber schon soviel Zeit vergangen, seit er zuletzt mit einer Frau geschlafen hatte, daß er sich langsam Sorgen darum machte, ob Dino mit seinen Bemerkungen über die Enthaltsamkeit nicht doch richtig lag. Und obwohl er ihr lediglich gegenübersaß, war er schon jetzt so erregt, daß er ihre gemeinsame Nacht bereits ahnen konnte. Jake Donovan hatte jedoch seine eigene Geschichte, und bei ihrem Anblick schrillte unwillkürlich auch eine Alarmglocke in seinem Kopf: Donovanfluch, Donovanfluch. So sehr er sich bemühte, er konnte die Warnung nicht überhören. Kopfschüttelnd wurde ihm bewußt, wie ernst er den Fluch in letzter Zeit genommen hatte.

Er ließ seine Finger aus ihrer Hand gleiten, lehnte sich zurück und griff nach der Kaffeetasse.

»Weißt du was, Mac? Ich glaube, du bist blau.« Das war eine der Situation angemessene Beurteilung. Er sollte den Schaden begrenzen, bevor er einen gravierenden Fehler beging. Er setzte noch eins drauf, indem er sagte: »Du wirst jeden Augenblick aus dem Sessel kippen, und ich werde nicht schnell genug dort sein, um dich aufzufangen.« Er zuckte mit den Schultern und fand, daß er gut Paroli bot. »Und dann muß ich mir womöglich wegen der Ohnmacht und all dem anderen auch noch Sorgen machen.«

Sie schien mit einem Schlag ausgenüchtert zu sein. Die Worte hatten Wirkung gezeigt, ganz wie er es beabsichtigt hatte. Man arbeitete nach dem Doktor nicht auch noch an der Universität, ohne ein gewisses Maß an Stolz zu besitzen.

Sehr vorsichtig setzte sie ihr Champagnerglas ab. »Das beendet den Abend auf eine wirklich sehr liebenswürdige Art und Weise, nicht wahr?« Sie schüttelte den Kopf. »Und ich hatte mit dir schlafen wollen.«

Er nickte, so als ob sie ihm gerade irgendeine belanglose Frage über den Kaffee gestellt hatte. Er empfand noch immer ein starkes Gefühl des Bedauerns. »Was hältst du davon, wenn ich dir ein Taxi rufe?«

Sie blickte auf ihre Champagnerflöte. Er glaubte, sie würde ihm gar nicht antworten oder aber ihm den Champagner ins Gesicht kippen.

Es schockierte ihn bis ins Mark, als er statt dessen die Tränen in ihren Augen bemerkte.

Er spürte, daß sie unglaublich wütend war. Aber darüber hinaus war in den weißen Linien um ihre Augen und ihren Mund auch noch Schmerz zu erkennen.

»Heute morgen habe ich meine Mutter begraben.« Sie sprach jedes einzelne Wort ganz deutlich aus, so als ob sie plötzlich unbedingt nüchtern sein wollte. »Ich habe das Recht, mich zu betrinken. Und wenn es mir hilft, die Sache durchzustehen, dann habe ich auch das Recht, eine einmalige Liebesnacht zu erleben.« Sie blickte auf. Ihre tränenerfüllten Augen sahen jetzt eher grün als blau aus. »Ich dachte immer, alle Leute tun es andauernd.« Sie lächelte. »Aber ausgerechnet ich mußte mir heute abend einen Pfadfinder herauspicken.« Sie stieß ihren Stuhl zurück, stand auf und benahm sich ganz so, als ob sie die Tränen auf ihrem Gesicht gar nicht bemerkte. Dann sagte sie: »Danke, daß du mich darauf hingewiesen hast, was für eine dumme Idee das gewesen ist.«

Noch bevor er etwas hätte erwidern können, ließ sie ein paar Scheine auf den Tisch fallen, wandte sich um und eilte auf die Tür zu.

Leise fluchend rannte ihr Jake hinterher. Himmel, gleich vom ersten Augenblick an, als er sie am Tisch gesehen hatte, wußte er, daß ihm dieses Mädchen noch gehörig Ärger bereiten würde. Die Art sich zu bewegen, ihre Intensität beim Spiel ... jede wunderbare Kurve, jede grazile Bewegung hatte ihn bereits darauf hingewiesen. Doch wie ein Idiot rannte er ihr dennoch hinterher.

In der Nähe der Aufzüge fand er sie an eine Wand gelehnt. Sie stand von ihm abgewandt, aber an ihren zuckenden Schultern konnte er erkennen, daß sie weinte. Sie in diesem Zustand zu sehen, ließ ihn den Donovanfluch vergessen, ließ ihn alles vergessen.

Er berührte ihren Arm und drehte sie zu sich herum.

»Warum konntest du denn nicht alles einfach so hinnehmen, wie es war?« Wut blitzte in ihren Augen auf. »Warum konntest du mich nicht einfach meinen Champagner trinken lassen und mir damit das Vergessen etwas erleichtern?« Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lachte. »Das erste Mal, daß ich einfach nur mal eine Nacht mit einem Mami verbringen möchte. Und dann ist es vorbei, noch ehe es angefangen hat. Bei meiner Auswahl hatte ich, weiß Gott, schon immer ein gutes Händchen!«

Sie starrte ihn an. All ihre Gefühle lagen offen zutage – die Verletzung, die Einsamkeit, die Angst. In diesem Augenblick waren sie sich sehr nahe. Er fühlte, wie ihre gemeinsame Nähe die Luft um sie herum anfüllte. Ein Geräusch wie das Zuschlagen einer Tür oder das Zuschnappen eines Schlosses erklang in seinen Ohren – und seine eiserne Regel, daß man betrunkene Frauen nicht weiter beachtete.

Er hatte es bereits kommen sehen, als er sie als Brünette mit Brille beobachtet hatte. Aufmerksam hatte er die Blondine mit den Netzstrümpfen verfolgt, die mit abgeknabberten Fingernägeln Ginger Ale trank.

Das Interesse. Die Anziehung. Das Unvermeidliche für Jake Donovan, ein Verlierer, den es schon zweimal erwischt hatte und der die Anzeichen eigentlich gut genug kennen sollte, um zu wissen, daß er kurz davor stand, das Karussell für eine weitere Runde zu besteigen. Doch zu spät, die Jungfrau in Not stand bereits unmittelbar vor ihm. Und da spielte er auch schon wieder den Ritter in der schimmernden Rüstung ...

Das war eine wirkliche Schwäche seiner Persönlichkeit. So konnte man es mit einem einzigen Satz beschreiben. Immer schon hatte er sein Leben viel komplizierter gemacht, als es hätte sein müssen.

Er seufzte und widersetzte sich nicht mehr. Statt dessen lenkte er seine Energien in eine vollkommen andere Richtung. Eigentlich hätte er es die ganze Zeit über schon spüren müssen. Und nun schien es ihm, als ob er es schon lange wußte.

»Um ehrlich zu sein, Mac, ich habe mir dich ausgesucht. Und du hast auch recht, ich mache die Dinge tatsächlich immer komplizierter, als sie sind. Das ist ein ernsthaftes Problem, an dem ich noch feilen muß.«

Sie blickte ihn argwöhnisch an. »Willst du dir vielleicht noch einen Orden verdienen?«

»Aber nicht doch.« Er strich ihr sanft mit dem Daumen über die Lippen. Das hatte er schon den ganzen Abend lang tun wollen. Sie hatte so weiche Lippen in der Form eines Erosbogens, bei deren Anblick er immer wieder das Verlangen verspürte, sie zu berühren. Er lächelte sie an. Es war jenes Lächeln, das er immer dann aufgesetzt hatte, wenn er sich an die Geschworenen gewandt hatte. »Ich habe ein Zimmer hier im Haus.« Er nahm ihre Hand, verschränkte ihre Finger ineinander, so wie sie es schon am Tisch getan hatten, und drückte sie.

Zunächst war sie sprachlos, doch dann lachte sie. »Und jetzt willst du mich verführen?«

»Wie wäre es, wenn wir mit einem letzten Getränk beginnen würden? Und dann sehen wir mal, wohin die Reise geht.«

Sie blickte ihn an, als ob sie ihn zum allerersten Mal in ihrem Leben sehen würde. Jetzt erst wurde ihm bewußt, worauf er es eigentlich die ganze Zeit schon angelegt hatte: daß sie auch wirklich sicher war, was sie tat, damit er am nächsten Morgen nicht mit seinem schlechten Gewissen zu kämpfen hatte.

»Wie heißt du?« fragte sie, nunmehr interessiert genug, sich zum ersten Mal nach seinem Namen zu erkundigen.

»Jake. Jake Donovan.« Die Aufzugtüren öffneten sich. Er führte sie hinein und drückte den Knopf seines Stockwerks.

»Hoffentlich machst du dir etwas aus Musik. Ich besitze eine ganz ordentliche CD-Sammlung. Hast du schon einmal etwas von Druha Trava gehört? Nein? Dann ist es mir als erstem vergönnt, dich in den tschechischen Bluegrass einzuführen.«

Kapitel 2

McCall hatte das Gefühl, als ob sie gleich verrückt würde.

Sie atmete tief ein und betrat die Hotelsuite. Dabei gab sie sich große Mühe, nichts anzustoßen oder zu stolpern, denn es war ihr ohnehin schon peinlich genug, derart betrunken zu sein. Die riesige Suite strahlte einen ganz eigenen Stil aus, aber es war die Eleganz, die sie wirklich überraschte. Irgendwie paßte es nicht in das Bild, das sie sich von ihrem Pfadfinder gemacht hatte.

McCall umschiffte die Granitarbeitsplatte mit den eingelassenen Küchengeräten, die die Küche vom Wohnbereich trennte. Sie trat auf die bis zum Fußboden reichenden Fensterscheiben zu, die einem einen weitschweifenden Ausblick auf den Fluß boten. Schließlich näherte sie sich, gegen ihren Schwindel ankämpfend, und mit auf den Berberteppich geheftetem Blick den beiden nagelneuen nierenförmigen Sofas. Ihr war ein wenig schlecht – und sie hatte ernsthafte Bedenken gegen eine so flüchtige Affäre.

Mit neunzehn Jahren, und damals auch noch als Jungfrau, hatte sie das letzte Mal mit einem Mann geschlafen. Vielleicht sind zehn Jahre doch eine zu lange Zeit, um nun so etwas hier zu wagen, dachte sie, während sie sich setzte. In der Hand hielt sie ihr Täschchen und die aufgerollten Seiten des Artikels aus der Zeitschrift American Science, den ihr Roger vor einiger Zeit gegeben hatte. Dann waren da noch die denkwürdigen Augenblicke mit ihrem Doktorvater, ihre erste und gleichzeitig letzte sexuelle Erfahrung. Schnell und schmerzhaft und mit einer Menge Stöhnen seinerseits auf dem Laborfußboden, war die Angelegenheit für sie nicht unbedingt ein überwältigendes Ereignis gewesen.

»Was möchtest du trinken?« fragte Jake, der hinter dem Granittresen stand. »Ich hätte sogar Champagner.« Er drehte sich um und zog eine Halbliterflasche aus dem Kühlschrank. Sie verzog das Gesicht. »Kaffee. Ich habe mich vorhin richtig vor dir geschämt.«

«Kenne ich selbst ganz gut ... das habe ich auch alles schon durchgemacht. Am nächsten Morgen wacht man auf, fühlt sich schlecht, und die Probleme sind noch genauso groß wie am Tag zuvor.«

Sie lächelte matt. »Du bist wirklich ein Pfadfinder.«

»Hmmm«, erwiderte er ausweichend. »Wäre dir löslicher Kaffee recht? Ich habe aber auch noch eine Sorte mit Extraaroma.« Er verschwand hinter dem Tresen, und sie hörte ihn herumwerkeln. Sich aufrichtend hielt er eine Dose hoch. »Internationaler Irischer Mokka.«

»Klingt vielversprechend.«

Der Wasserkessel auf dem Ceranfeld war wie eine Kuh bemalt, die Tülle diente als Kopf. In einer Umgebung, in der gerahmte Kunstdrucke und Bodenvasen mit Weidenästen und Seidenblumen um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlten, schien er vollkommen fehl am Platze zu ein. Jeder Gegenstand in der Hotelsuite paßte in das perfekte Design, das aus verschiedenen, aufeinander abgestimmten cremefarbenen Farbtönen bestand.

»Hast du dir das hier selbst eingerichtet?« fragte sie der Form halber, obwohl dies ihrer Meinung nach kaum der Fall sein konnte. Die Möblierung zeigte deutlich einen weiblichen Einfluß.

»Das ist eine lange Geschichte«, entgegnete er und füllte den Wasserkessel.

McCall lehnte sich auf dem nierenförmigen Sofa zurück und beobachtete, wie Jake den Kaffee auf zwei Tassen verteilte. Da sie sonst nichts zu tun hatte, nestelte sie an dem Artikel herum, und legte ihn schließlich zusammen mit ihrem Täschchen auf dem Tisch ab.

Als sie den Champagner bestellt hatte, hatte sie sich ursprünglich nicht betrinken wollen. Sie hatte lediglich die Hoffnung gehabt, daß der Champagner die Bilder der Beerdigung wegwischen würde: der Argwohn auf dem Gesicht ihrer Schwester, die Ablehnung auf dem ihres Vaters, dann der Anblick ihrer Mutter in dem weißlackierten Sarg voller Lilien und Nelken. McCall war nur drei Wochen in New Orleans gewesen. Sie hatte geglaubt, daß ihrer Mutter noch mehr Zeit geblieben wäre, sie hatte um etwas mehr Zeit gebetet.

Die Wirkung des Champagners hatte die Bilder vom Rand her verschwimmen lassen, der Schmerz hatte ein wenig nachgelassen. Sie hatte noch ein Glas bestellt. Und dann noch eines. Sie war direkt von der Beerdigung mit einem Taxi ins River Palace gefahren – das war auch gleich ihr erster Fehler gewesen. Sie hatte einem Schnellkochtopf geähnelt, der kurz davor war zu pfeifen. Sie hatte nach einem Ort gesucht, wo sie etwas Dampf ablassen konnte, um nicht zu explodieren. Sie war viel zu leicht zu verwunden gewesen.

McCall blickte auf die aufgerollten Seiten des Artikels, den ihr Roger mit dem ihm eigenen überlegenen Lächeln in die Hand gedrückt hatte. Der Artikel war eine deutliche Erinnerung daran, wie viele Jahre er und sein Vater ihr gestohlen hatten. Sie grübelte darüber nach, ob es der Sinn dieser Nacht gewesen sein sollte, Curtis Clarke zu treffen und sich zu einer letzten Runde des riskanten Spiels aufzuraffen.

Jetzt aber näherte sich ihr der Pfadfinder mit zwei Tassen dampfenden Kaffees. Er war groß und athletisch gebaut und hatte rötlichblondes, kurzgeschnittenes Haar wie George Clooney. Und er hatte wunderschöne braune Augen. Grübchen. Eine starke Ausstrahlung. Am Kartentisch hatte er ihr das Gefühl gegeben, als sei sie der einzige Mensch im ganzen Raum. Sie beobachtete, wie er das Zimmer durchquerte. Und sie mußte sich eingestehen, daß die heutige Nacht weit mehr als bloß eine Ablenkung werden würde.

McCall nahm ihre Tasse entgegen. Ihr Blick folgte Jake, wie er zur Musikanlage, die vor der einen Wand stand, hinüberging. Vor dem heutigen Abend hatte sie ihre erotischen Gefühle vorsichtig für eine unbestimmte Zukunft gehegt und gepflegt – die dann aber doch niemals eingetreten war. Noch nie zuvor hatte sie einem Mann in die Augen geblickt und Verlangen gespürt.

Als der Pfadfinder seinen Blick in ihrem Ausschnitt versenkt hatte, konnte sie es bis in die Zehenspitzen hinein spüren. Er hatte sie mit diesem ihm eigenen begehrenden Blick betrachtet. Und McCall hatte die verführerische Note in seinen Augen sehr genossen – konnte sich dem auch gar nicht entziehen. Da war etwas, das sie noch weiter erforschen wollte.

Sie hörte den sanften Klang eines Saxophons, der von einem versteckten Lautsprecher aus das Zimmer füllte. Jake hatte eine Jazzplatte aufgelegt. »Das hört sich aber gar nicht tschechisch an«, meinte sie.

Er ließ sich neben ihr auf der Couch nieder und stieß mit seiner Tasse leicht gegen ihre an. »Ich wollte dich ganz allmählich in meine Musiksammlung einführen und erst einmal mit ein wenig Jazz beginnen. Danach vielleicht etwas Bluegrass. Und wie sieht es mit dir aus, Mac? War es ein sehr schlimmer Tag?«

»Jedenfalls kein besonders guter. Und mein Name ist McCall. Ich mache mir nicht viel aus Kosenamen.«

»Ach ja?« Wieder berührte Jake ihre Lippen. Er strich mit dem Daumen sanft über ihre Unterlippe und löste damit eine ganze Reihe ihr bis dahin unbekannter Gefühle aus. »Du wirst dich schon daran gewöhnen«, sagte er, setzte die Kaffeetasse ab und beugte sich zu ihr hinüber.

Sie wußte sofort, daß dieser Kuß ganz anders sein würde – wie anders jedoch, darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Die Männer in ihrer Umgebung waren keine sonderlich sinnlichen Typen. Genau wie McCall verbrachten sie ihre Zeit vor Computern oder über Reagenzgläser gebeugt. Sie waren etwas ungeschickt und ein wenig ruppig in ihrer sexuellen Annäherung und hatten es immer eilig, das Ziel zu erreichen.

Der Pfadfinder dagegen küßte sie, als ob Zeit überhaupt keine Rolle spielen würde. Als seine Lippen mit ihren spielten, hätte sie seinen Küssen regelrecht einen Verdienstorden verleihen mögen. Das war so ganz anders als mit Paul, der – nach einem einzigen und niemals wiederholten Vollzug – sich unter tausend Entschuldigungen mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn gewischt hatte. Ein Jahr, nachdem er ihre Jungfräulichkeit genommen hatte, hatte er dann auch noch ihre gesamten Forschungsergebnisse unter seinem Namen veröffentlicht und sie gezwungen, die Universität zu wechseln. Damit hatte er ihr noch ein zweites Mal bewiesen, daß Männer sich eben nichts aus ihrem Körper machten.

Der Pfadfinder dagegen schien sich überhaupt gar nichts aus ihrem Intellekt zu machen. Er befeuchtete ihre Lippen mit seiner Zunge, ehe seine Zunge langsam in ihren Mund drang. Sie konnte es selbst nicht glauben, daß sie stöhnte, aber das Geräusch erschien ihr als vollkommen natürliche Reaktion.

Lächelnd lehnte er sich zurück. Er hatte ein wunderschönes Lächeln. Allein bei diesem Anblick wurde ihr schon schwindlig.

»Vorsicht.« Er nahm ihr die Kaffeetasse ab, die sie ihm beinahe über den Schoß gekippt hätte.

Plötzlich spürte sie ein Feuer in sich lodern, während er ganz ruhig die Kaffeetasse auf dem Glastisch abstellte. Möglicherweise war dies alles für ihn bloß reine Routine. Doch dann erinnerte sie sich, wie sehr er sich bemüht hatte, sie nüchtern zu halten ... und er hatte etwas sehr Konzentriertes an sich. Andere Männer hatten ihr weit weniger Aufmerksamkeit entgegengebracht, während sie doch immerhin auf ihre nobelpreisverdächtigen Resultate gewartet hatten.

Er zog die Nadeln aus ihrem Haar und ließ die schweren Strähnen auf ihre Schultern fallen. Sie fühlte, wie sie den Boden unter den Füßen verlor. Wenn sie doch nur nicht soviel getrunken hätte! Der Champagner begann, ihren Magen zu übersäuern, während sich ihre Erregung dagegen noch weiter steigerte. Hoffentlich würde ihr nicht übel werden, oder daß sie gar in Ohnmacht fiele!

Nach Luft ringend löste sie sich aus seiner Umarmung und stand auf, da er sie, nach ihrer Einschätzung, viel zu sehr erregte. Sie ging auf die Musikanlage zu, ohne auch nur einen Blick auf den wertvollen Inhalt in den Regalen zu werfen. Statt dessen betrachtete sie die aufgestellten Fotografien. Sie hatte das schreckliche Gefühl, daß das Zimmer um sie herumwirbelte. Sie lehnte sich an das Regal und konzentrierte sich auf die Bilder. Währenddessen grübelte sie darüber nach, ob sie bleiben oder lieber gehen sollte.

Sie wollte bleiben. Sehr gerne sogar.

Durch den Alkoholnebel hindurch betrachtete sie die Fotos eines kleinen Jungen, angefangen bei jenen Bildern eines Neugeborenen, auf denen Babys immer wie Außerirdische aussahen, bis hin zu Schnappschüssen eines noch nicht schulpflichtigen Jungen, der ungefähr in demselben Alter wie Barbs vierjährige Zwillinge sein mochte. Lächelnd griff sie nach einem Bilderrahmen, der mit verschiedenen Nudelsorten beklebt und danach mit goldener Farbe übersprüht worden war. Er ähnelte den Dingen, die ein Kind im Vorschulalter basteln würde. Genau wie der Teekessel in Form einer Kuh paßte auch dieser Rahmen überhaupt nicht zu der übrigen Einrichtung. Vermutlich handelte es sich dabei um einen der wenigen persönlichen Gegenstände in dem Zimmer.

Der kleine Junge auf dem Foto saß schaukelnd auf dem Schoß seiner Mutter und blickte in die Kamera. Er hatte volles, rotblondes Haar und jede Menge Sommersprossen auf der Nase. Seine schokoladenbraunen Augen konnten das Herz einer jeden Mutter auf zehn Kilometer Entfernung zum Schmelzen bringen. Die Ähnlichkeit war unglaublich.

Jake trat von hinten an sie heran, legte seine Arme um ihre Taille und zog sie zu sich heran. Er fühlte sich so straff an, so muskulös. Genauso sollte sich ein Mann anfühlen, wenn man sich an ihn anlehnte. Diese wunderbare Spannung, die er in ihr auslöste, hatte sie noch niemals zuvor verspürt. Etwas außer Atem drehte sie sich mit dem Foto in der Hand zu ihm um.

»In irgendeiner Weise verwandt mit dir?« fragte sie.

»Mein Sohn.« Sie bemerkte den Stolz in seiner Stimme, in seinem Lächeln. Er strich mit seinen Fingern durch ihr Haar und beobachtete, wie es ihm wieder durch die Finger entglitt.

Erneut verunsichert, benetzte sie ihre Lippen. »Er sieht aus, wie dir aus dem Gesicht geschnitten.«

»Ja, ich weiß. Nur ist er eben um einiges süßer.«

Sie legte das Foto beiseite. »Bist du verheiratet?«

»Im Augenblick nicht.«

»Das klingt nicht sehr vielversprechend. Besitzt du etwa einen Harem von Ex-Frauen, die dir auf den Fersen sind?«

»Unwichtig«, entgegnete er und bedeckte ihre Lippen mit den seinen.

Diesmal wehrte sie sich nicht, sondern gab sich dem bis auf die Knochen schmelzenden Kuß ganz hin. Hierin war er wirklich Meister. Sicher gab es Frauen, die ihn für so einen Kuß bezahlen würden.

»Was, in aller Welt, ist eigentlich ein Pheromon, Frau Doktor?« flüsterte er dicht an ihren Lippen.

»Ich weiß nicht so recht, ob ich es dir verraten soll.«

Sie erwiderte seinen Kuß. »Schließlich möchte ich dich verführen ... und nicht riskieren, dich zu verscheuchen.«

»Nun mach mal halblang, Mac. Ich tue ja nicht so, als ob ich schwer zu haben wäre.«

Er umfaßte ihre Taille und zog sie zu sich heran, ließ sie jedoch das Tempo bestimmen. Sie näherte sich ihm, bis ihre Hüften sich gegen seine preßten. Plötzlich wurde sie von allem eingeholt. Der Champagner, die Zartheit seiner Lippen, die Art, wie seine Hände sie streichelten. Ihr wurde schwindelig. Er beugte sich ihr entgegen und wiegte ihre beiden Körper im Rhythmus des Saxophons. Seine Hände umfaßten den Rock an ihren Hüften.

»Du riechst so gut«, flüsterte er und rieb seine Lippen an ihrem Nacken. Seine Hand tastete sich langsam von den Hüften zu ihren Brüsten hinauf, als ob er sich jede Kurve genau einprägen wollte. »Mit dem Pfadfinder, das war übrigens gelogen«, flüsterte er und biß sie zärtlich in die Unterlippe.

»Ich weiß.« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals. »Einen Adler-Pfadfinder dritten Ranges gibt es nämlich gar nicht.«

»Was du nicht sagst.«

Er schmeckte wie Schokolade, was sicherlich an dem Internationalen Irischen Mokka lag. Es schmeckte ein wenig süßlich und zugleich verwirrend, genau wie Champagner.

»Dein Parfüm macht mich ganz verrückt, Mac.«

Verrückt, dachte sie. Das war genau das richtige Wort, um das Gefühl dieser Nacht zu beschreiben. Man wurde auf wunderbare Art und Weise verrückt.

Sie wiegten sich immer noch zur Musik. Jake knöpfte ihre Jacke auf und strich sie ihr von den Schultern, während er sie gleichzeitig in Richtung Schlafzimmer zog. Es war nur ein kurzer Weg, den er geschmeidig tanzend mit ihr zurücklegte. Noch bevor sie genau wußte, wo sie sich eigentlich befand, küßte er ihr Haar und drehte sie zu einem riesigen antiken Messingbett um – bei diesem Anblick begann sich für sie wirklich alles zu drehen.

»Ich sollte dich wohl besser warnen«, sagte er. »Als ich mir das letzte Mal eine Affäre erlaubte, für nur eine Nacht, wie ich ursprünglich glaubte, habe ich am Ende geheiratet.«

»Dann sollte ich wohl besser keine Telefonnummer hinterlassen.« Erneut suchte sie voll Begehren seine Lippen. Als ihre Beine schließlich das Bett berührten, ließ er ihre Jacke zu Boden fallen. Gleichzeitig kickte sie ihre Sandaletten von den Füßen, ließ sich auf das Bett sinken und zog ihn mit sich, wobei sie sein Hemd und die Hosenträger abstreifte. Was die Muskeln betraf, so hatte sie sich nicht getäuscht. Er muß seinen Körper wohl regelmäßig trainieren, dachte sie bewundernd. Sie legte die Hände auf seine Brust und konnte dabei das Brusthaar zwischen ihren Fingern spüren. Es war etwas dunkler als sein Kopfhaar, ein fast schon rostiges Braun, und auf den Schultern hatte er lauter kleine Sommersprossen.

Schließlich knieten sie einander zugewandt auf dem Bett und küßten sich leidenschaftlich. Sie bekam kaum noch Luft, doch das war ihr egal. Er hatte ihren Büstenhalter geöffnet und hielt ihre Brüste mit seinen Händen umfangen, und berührte zart die Knospen mit dem Daumen, während er sie küßte. Ihr war ganz schwindlig von seinen Küssen. Unglaublich schwindlig.

Ihr war regelrecht übel vor Schwindel.

»O mein Gott.«

Jake betrachtete die Frau in seinen Armen. Aus irgendeinem Grund, den er in seiner Erregung nicht begreifen konnte, war sie plötzlich ganz verspannt. Jetzt verharrte sie vollkommen regungslos vor ihm auf den Knien, während er ihre Brüste wie zwei Äpfel in den Händen hielt, die man Adam entgegengestreckt hatte. In dem hereinströmenden Licht, das aus dem Nachbarzimmer drang, wurden ihre Augen groß und glasig. Sie schlug erst die eine, dann auch die andere Hand vor den Mund.

Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht.

Sie krabbelte aus dem Bett und schaffte es gerade bis zum Badezimmer, dann hörte er, wie sie sich übergab.

»Ich fasse es nicht.« Nach Luft ringend ließ er sich auf das Bett zurückfallen. Langsam und allmählich drangen die eindeutigen Geräusche aus dem Badezimmer zu ihm durch. »Ich kann es einfach nicht fassen.«

Er holte ein paarmal tief Luft, um wieder auf den Teppich zu kommen. Wahrscheinlich hatte er es verdient, daß die Sache so gelaufen war. Schließlich hatte er sein eisernes Gesetz gebrochen.

Er mußte grinsen. Aber, Himmel noch mal, es war die Sache wert gewesen.

Als er sich endlich beruhigt hatte und ihr ein sauberes Handtuch ins Badezimmer reichte, hockte sie an die Wand gelehnt auf dem Kachelboden des Badezimmers. Sie trug lediglich Rock und Strümpfe und sah noch ziemlich mitgenommen aus.

Er hielt ihr das Handtuch hin. Sie bedeckte sich damit und machte, wie sie so dasaß, einen ganz jämmerlichen Eindruck auf ihn.

»Alles in Ordnung?« fragte er und lehnte sich gegen den Türknauf.

Sie schloß die Augen. »Ich habe noch nie im Leben mehr als zwei Glas Wein auf einmal getrunken.«

»Und irgendwie habe ich das Gefühl, daß die Verführungskunst in deinem Leben auch keine große Rolle gespielt hat.«

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Und ich hatte geglaubt, daß ich das prima überspielen könnte.«

»Du hast dich ganz prima geschlagen, Mac.« Er versenkte seine Hände in den Hosentaschen. »Möchtest du dich duschen?«

Sie nickte. »Ja, bitte.«

Jake brachte ihr noch ein paar Handtücher und seinen Bademantel. Für einen Moment hörte er dem Plätschern des Wassers zu, dann ging er in die Küche und bereitete sich einen Drink mit Eis. Doch er besann sich eines Besseren und griff gleich nach der Flasche. Er betrank sich nur zu ganz besonderen Anlässen, und dieser hier war, weiß Gott, besonders. Jake ließ sich auf das Sofa sinken und trank seinen Wodka, wobei er die Fotografie von Michael betrachtete, die Mac sich vorhin angesehen hatte. Die Freude in den Augen seines Sohnes zauberte immer wieder ein Lächeln auf Jakes Lippen. Diesmal jedoch starrte er die Frau an, die hinter Michael und der Schaukel stand.

Sie hatte braunes Haar, war sehr hübsch und neunundreißig Jahre jung, als sie sich begegnet waren – eine Buchhalterin, die sich unmittelbar nach ihrer Hochzeit für eine Karriere als Mutter entschieden hatte. Er nahm noch einen Schluck.

»Was für eine Nacht.«

Immerhin würde sich die Geschichte nun doch nicht wiederholen, dachte er, während er sich an die schmerzlichen Sorgerechtsverhandlungen erinnerte, laut denen er Michael nur am Wochenende sehen durfte. »Dem Himmel sei Dank.«

Jake hatte seinen Wodka ausgetrunken und kaute auf den Eiswürfeln herum. Die Dusche war mittlerweile abgestellt.

Er stand auf, denn er glaubte, er müsse nach dem Rechten sehen, und wollte sich vergewissern, daß sie auch nicht gestürzt war.

Er klopfte an die Tür. »Mac?« Er horchte und klopfte noch einmal. »Hey, Mac, alles in Ordnung?«

Er öffnete die Tür einen Spaltbreit. Sie lag zusammengerollt in seinem Bademantel auf dem ovalen Badezimmerteppich und schnarchte leise.

Er öffnete die Tür ganz und blickte kopfschüttelnd auf sie hinunter. Sie sah sehr friedlich aus. »Wir hätten wirklich eine Menge miteinander anfangen können, Mac.«

Er trug sie zum Bett hinüber und deckte sie zu. Dann ging er zum Gästezimmer, Michaels Zimmer. Im Schein des Aquariums und des Computermonitors zog er sich bis auf die Jockeyboxershorts aus, und ließ sich zwischen die von Killerwalen bevölkerte Bettwäsche gleiten. Seine Füße schauten unten zum Bett heraus. Abgesehen davon hatte er eine unglaubliche Erektion.

»Ein trauriges Kapitel, Jake Donovan.«

Es verging noch eine lange Zeit, ehe er endlich einschlafen konnte.

Am nächtlichen Himmel verdeckte ein Wolkenband den Mond. Anders als im französischen Viertel waren die Häuser in Slidell an einem warmen Sommerabend ganz still, die Bewohner lagen schlafend in ihren Betten, die Straßen waren leer.

Und ruhig.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht war Sierra die Flucht gelungen.

Die Jagdhündin hatte zwar fast die ganze Nacht gebraucht, doch dann war es ihr gelungen, ein ausreichend großes Loch zu buddeln, um unter dem Zaun hindurch zu entwischen. Die Hündin hatte ein paar besondere Merkmale. Die Ohren waren für einen reinrassigen Hund ein wenig zu lang und zu flauschig, und der Schwanz rollte sich zu einem Kringel auf. Sie war einem Opossum hinterhergejagt, mußte ihre Beute aber durch ein Loch unter den fauligen Zaunbrettern entwischen sehen. Das Loch war für die Hündin zu klein gewesen, weswegen sie sich ihren Weg erst hatte freibuddeln müssen. Als sie es endlich geschafft hatte, war das Opossum natürlich längst verschwunden. Sierra folgte zunächst der Spur, doch dann drehte sie sich besorgt zum Haus um. Die Hündin gehörte einem kleinen Mädchen namens Megan. Sie hatte sie erst letztes Jahr von ihrem Vater geschenkt bekommen, nachdem sie in der Schule Probleme bekommen hatte. Megan hatte den Umzug von Kalifornien nicht so gut überstanden, sie hatte ihre Freunde vermißt. Der Welpe war beim Heilen dieser Wunden sehr hilfreich gewesen, und Sierra und Megan verbrachten seitdem viel Zeit miteinander.

Die Jagdhündin ging wieder ein paar Schritte auf das Haus zu, bemerkte dann jedoch einen anderen Hund. Es war ein schwarzer Schäferhund, dem sie augenblicklich bellend hinterherrannte.

Nachdem sie eine Weile mit dem Schäferhund gespielt hatte, versuchte sie wieder nach Hause zurückzufinden. Die Straßen jedoch waren ihr unbekannt. Den Bürgersteig entlangtrottend verirrte sie sich schließlich hoffnungslos. Ein sanftes Pfeifen drang an ihr Ohr. Es war zwar nicht Megan, das kleine Mädchen, zu dem Sierra gehörte, aber immerhin jemand, der sie vielleicht nach Hause bringen konnte. Sierra hatte Menschen immer nur als gute Wesen erfahren, die sie streichelten und ihr Leckerbissen gaben. Die Jagdhündin rannte auf den großen Mann zu, der ihr weiterhin zupfiff. Als die Hündin jedoch bei dem dunklen Schatten angekommen war, legte ihr dieser eine Kordel um den Hals und würgte sie.

»Hab ich dich endlich.«

Er zerrte die Hündin zu einem großen weißen Transporter. In dem Wagen waren noch andere Hunde, das konnte die Jagdhündin riechen. Und sie konnte auch deren Angst riechen.

Die Hündin wehrte sich heftig, um nicht in den Wagen gezerrt zu werden, doch der Mann riß an der Kordel, so daß ihr schließlich nichts anderes übrigblieb. Sierra hatte noch niemals jemand gebissen, sie war dazu erzogen worden, nicht zu beißen. Statt dessen jaulte sie leise vor sich hin.

Die Hunde im Inneren des Wagens bellten nicht, doch sie rochen nach Urin und Kot. Der Mann band Sierras Maul zu, so daß auch sie nicht mehr bellen konnte. Dann löste er die Kordel von ihrem Hals und nahm ihr auch das Halsband ab. Im Halbdunkel betrachtete er die Steuernummer, ehe er das Halsband zurück auf die Straße warf. Er konnte behaupten, er hätte den Hund ohne Halsband gefunden. Halsbänder hatten es gelegentlich so an sich, daß sie sich einfach lösten. Er schob Sierra zu einem anderen Hund in einen Käfig. Es war der schwarze Schäferhund, den sie vorhin gejagt hatte. Der Mann hatte also gar nicht vor, Sierra zu Megan nach Hause zu fahren.

Das Telefon klingelte.

Jake tastete nach dem Hörer, bis er sich bewußt wurde, wo er sich eigentlich befand. Stöhnend wälzte er sich aus Michaels Bett. Barfuß ging er in die Küche und hob nach dem sechsten Klingeln endlich den Hörer ab, gerade noch rechtzeitig vor dem Einschalten des Anrufbeantworters.

»Du hast doch nicht etwa mit ihr geschlafen?« Es war Dino. Jake mußte erst einmal richtig wach werden. Kaffee. Er brauchte einen Kaffee. Er klemmte sich das schnurlose Telefon zwischen Ohr und Schulter und griff nach der Kaffeemaschine. Die Küchenuhr zeigte gerade mal acht Uhr an. »Nicht, daß es dich etwas angehen würde, aber die Antwort ist Nein.«

»Nun erzähl mir aber nicht, Irishman, daß du nicht verliebt bist. Ich habe die halbe Nacht schlaflos dagesessen und mir Vorwürfe gemacht, weil ich dich vorausgeschickt habe. Ich meine, bei deinem Ruf! Erst die kleine Suzi und dann diese ... wie auch immer sie hieß.«

Dino hielt mit seiner Meinung wirklich nicht hinter dem Berg. »Ihr Name ist Hope.«

»Wie auch immer. Wie konnte ich nur den Donovanfluch vergessen?«

»Weißt du, Dino, manchmal bist du eine richtige Nervensäge.«

»Du treibst schon wieder deine Späße, Irishman. Aber ich wollte es zur Sicherheit noch mal aus deinem Mund hören.«

Jake füllte den Kaffeeautomat mit Wasser und Kaffee und stellte ihn an. »Ich bin nicht verliebt.«

»Ach, ich bitte dich, dann sag es doch auch einmal so, als würdest du selbst glauben, was du da gerade erzählst. Nein, vergiß es lieber. Du bist ein hoffnungsloser Fall. Du bist für solche Fälle vorprogrammiert. Du wirst sie heiraten. Ihr werdet ein Kind haben, und du wirst wieder Unterhalt zahlen müssen.«

»Ich zahle weder an Hope noch an Susan Unterhalt.«

»Weil du Schwein gehabt hast. Hör auf mich, diesmal wirst du nicht soviel Glück haben. Sie wird dich ausnehmen, Jake. Diese hier macht mir einen ganz gerissenen Eindruck. Die ist mit allen Wassern gewaschen, wenn du mich fragst.«

»Und das weißt du alles, weil du sie beim Kartenspielen beobachtet hast? Willst du mir das jetzt etwa weismachen? Kannst du vielleicht auch wie deine griechische Großmutter aus dem Kaffeesatz lesen?«

»Sie ist Berufsspielerin!« Dino betonte das Wort so überdeutlich, als ob er es Jake noch buchstabieren wollte. »Hast du eigentlich eine Ahnung, was das bedeutet?« Jake starrte auf den zusammengerollten Artikel aus der wissenschaftlichen Zeitschrift, den sie auf dem Tisch liegengelassen hatte. Ihren Doktor hatte sie an der Harvard-Universität gemacht, danach hatte sie an der Caltech geforscht. »Vielleicht kennt sie sich ja bloß gut mit Zahlen aus.«

»Von einer angeborenen Gier mal ganz abgesehen«, fuhr Dino, nunmehr richtig in Fahrt gekommen, fort. »Ich sage dir, diese hier wird dich bis auf die Knochen ausquetschen.«

Jake blickte zum Schlafzimmer hinüber. Er konnte nur die geschlossene Tür sehen. »Nun, da wäre ja nicht viel zu holen.«

»Und trotzdem hat sie ihre Krallen schon nach deinem Konto ausgefahren. In diesen Dingen kenne ich mich aus.«

Jake wanderte langsam wieder zu Michaels Zimmer zurück, um nach seinen Hosen zu suchen. »Gar nichts weißt du, Tropedis.« Er stieg in seine Hosen, knöpfte sie zu, und ging wieder in Richtung Schlafzimmer.

»Für diese Sache werde ich noch gehörig beichten müssen.« Jake hörte ihm jedoch schon gar nicht mehr zu. Vorsichtig öffnete er die Tür und blickte in das Zimmer.

Das Bett war leer.

»Jake? Jake, bist du noch dran?«

Sie hatte das Bett gemacht, und es gab keinerlei Anzeichen mehr dafür, daß sie die Nacht dort verbracht hatte – abgesehen von einer langstieligen Rose und einem gefalteten Blatt Papier, die sie auf der Bettdecke für ihn hinterlassen hatte.

»Jake?«

»Moment mal.«

Er faltete das Papier auseinander und las:

Es war wunderschön, Pfadfinder.

»Offenbar hat sie besser geträumt als ich«, meinte Jake.

»Wovon in aller Welt, redest du denn?«

»Hey, Dino.« Jake knüllte das Blatt Papier zu einem Ball zusammen und warf es in den Mülleimer im Badezimmer.

»Weißt du etwas über Pheromone?«

»Klar. Sag mal, wo lebst du denn eigentlich? Hast du dir noch nie die Talk-Shows angesehen?«

»Die muß ich wohl verpaßt haben.«

»Pheromone sind eine Art Chemikalie. So wie diese ganz speziellen Gerüche, die einen Mann für eine Frau anziehend machen und umgekehrt. Die tun sie auch in Parfums und solches Zeug hinein.«

Er erinnerte sich an ihr Parfum und daran, daß es ihn vollkommen verrückt gemacht hatte. Es war ein sehr exotischer Geruch gewesen. Jasmin mit einer Gewürznote. »Wieso fragst du, Jake?« hakte Dino nach. »Suchst du nach einem Lockmittel, oder was?«

Kapitel 3

Heute haben wir die Hälfte unserer Experimentalgruppe verloren, alles in allem zehn Ratten. Die Autopsien haben noch keine eindeutige Todesursache ergeben. Er möchte diese Tatsache ignorieren und weitermachen. Was wir hier machen sei so lebenswichtig, meinte er, daß man das Risiko eingehen müsse. Ich habe nur schwach protestiert. Ich fühle mich, als ob ich langsam unter seinen Bann sinke. Werde ich wirklich alles tun, was er von mir verlangt?

Auszug aus Dr. Alicia Goodmans Labortagebuch

»Sieh an, der Liebesdoktor.« Die melodisch lispelnde Stimme von Curtis Clarke konnte den Sarkasmus, der darin mitschwang, nicht verbergen.

»Wie sich die Dinge ändern.«