Passt der Islam zu Deutschland? - Christoph Morgner - E-Book

Passt der Islam zu Deutschland? E-Book

Christoph Morgner

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Beschreibung

Der Islam und Deutschland – passt das zusammen? Eine Frage, die sich angesichts der aktuellen Entwicklung immer mehr Menschen in unserem Land stellen. Jenseits der extremen Positionen politisch korrekter Schönfärberei einerseits und pauschaler Verdammung andererseits versucht Christoph Morgner wohltuend sachlich und unpolemisch eine Antwort. Er lässt Fakten und Quellen sprechen und gibt auch unbequemen Stimmen aus Politik, Medien, Wissenschaft u. a. – auch aus dem Islam selber – Gehör. Die Brisanz des Themas sorgt von allein dafür, dass man sich als Leser nicht beruhigt zurücklehnen mag. Es gibt Fragezeichen und Hoffnungszeichen, aber keine einfache Lösung.

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Christoph Morgner · Passt der Islam zu Deutschland?

Christoph Morgner

Passt der Islam zu Deutschland?

Ein Zwischenruf

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8429-1007-2eISBN 978-3-8429-1008-9

Bestell-Nr. 5.121.007

© 2016 mediaKern GmbH, 46485 Wesel

Umschlagbild: Getty Images / tichr

Umschlaggestaltung, Layout, Satz: Ch. Karádi

Lektorat: Dr. Ulrich Parlow

Gesamtherstellung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in the EU 2016

www.media-kern.de

Inhalt

Vorwort

1. Warum dieses Buch?

2. Der Islam gehört zwar zu Deutschland …

3. … aber Deutschland ist anders geprägt

4. Die kulturelle Differenz

5. Reibungsflächen

6. Der Koran: Was gilt denn nun?

7. Bau von Moscheen

8. Islamischer Religionsunterricht

9. Eine unendliche Geschichte: das Kopftuch

10. Integration – leichter gesagt als getan

11. Die Mammutaufgabe

12. Schritte der Integration

13. »Klarheit und gute Nachbarschaft«

14. Erwartungen

Anmerkungen

Vorwort

Wer sich zu diesem brisanten Thema äußert, befindet sich in einer schwierigen Lage. Weniger wegen der politischen und religiösen Inhalte als vielmehr wegen der aktuellen Ereignisse, die sich seit »Nine Eleven«, dem berühmt-berüchtigten 11. September 2001 in New York, sprunghaft gehäuft haben. In Europa, Asien und Afrika wütet islamistischer Terror, angestachelt durch Gruppierungen wie den IS (»Islamischer Staat«), al-Qaida oder Boko Haram. Oft überschlagen sich die Ereignisse.

Wenn nun ein Buch darüber erscheint, das naturgemäß Monate davor geschrieben worden ist, wird sich wahrscheinlich erneut Schreckliches ereignet haben, verursacht durch einzelne Personen, die »einsamen Wölfe«, gleichsam »Ich-AGs des Terrors«, oder durch größere Gruppen wie die oben genannten. Hier halten uns die aktuellen Nachrichten und die Medien auf dem Laufenden.

Aber die zeitliche Spanne ist kein Schade. Denn in dem Buch geht es nicht um tagesaktuelle Ereignisse, sondern um die größeren Zusammenhänge. Die sollen helfen, das aktuelle Geschehen einzuordnen und besser zu verstehen. Dabei wird nicht zu vermeiden sein, an manchen Stellen vermintes Gelände zu betreten. Dieses Risikos bin ich mir bewusst.

Ich danke allen, die mir beim Entstehen des Buches geholfen haben: vor allem meiner Frau Elfriede, die mich sachkundig und geduldig begleitet hat, und daneben meiner Enkelin Miriam Morgner, die Korrektur gelesen hat. Außerdem danke ich dem Lektor Dr. Ulrich Parlow des Verlags mediaKern für die fördernde und zugleich korrigierende Begleitung und nicht zuletzt auch für die Geduld, die er für mich und meine ständigen Änderungsvorschläge aufgebracht hat.

Garbsen, Oktober 2016ReformationstagDr. Christoph Morgner, Präses i. R.

1. Warum dieses Buch?

Das muss vorweg gesagt werden

»Wie können Sie nur so negativ über den Islam herziehen?«, regt sich eine aufgebrachte Zuhörerin nach meinem Vortrag auf. Sie ist mit meiner Darstellung völlig unzufrieden. Das macht mich nachdenklich. Liege ich mit meiner Sicht der Dinge falsch? Habe ich einseitig argumentiert? Das kann ja vorkommen, sollte aber nicht sein! Gerade in brisanten Fragen kann das zu einer heiklen Angelegenheit werden.

Eigentlich müsste mir das negative Urteil zu denken geben, hätte nicht der gleiche Vortrag auch die entgegengesetzte Reaktion ausgelöst: »Wie können Sie den Islam nur so beschönigen! Alles ist doch viel ärger, als Sie das dargestellt haben!«

Unterschiedliche Reaktionen auf den gleichen Vortrag! Das irritiert, hat aber für mich durchaus etwas Beruhigendes: Denn wenn man von beiden Seiten geschlagen wird, bleibt man bekanntlich gerade. Dann kann das, was man vorgetragen hat, so falsch wohl nicht gewesen sein.

Fakt ist: Die meisten haben ein Bild vom Islam vor Augen, das ihren örtlichen Erfahrungen entspringt. Wer freundliche Muslime kennt, womöglich sogar einen Deutsch sprechenden Imam in der Nachbarschaft hat, der bekommt automatisch einen günstigen Eindruck vom Islam. Anders geht es denen, die ständig Querelen mit Muslimen haben: beispielsweise dem Rektor einer Schule, der sich mit türkischen Eltern auseinandersetzen muss. Einige wollen ihre Töchter partout nicht am Schwimmunterricht teilnehmen lassen und ihnen auch die Teilnahme an der Klassenfahrt verbieten. Hier wird der Islam zum ärgerlichen Störfaktor. Kein Wunder, dass man dieser Religion und ihren Angehörigen nichts Gutes abgewinnen kann! Und wenn dann noch von islamistischen Anschlägen berichtet wird, verfinstert sich das Islambild zusehends.

Wird irgendwo das Thema Islam angesprochen, gehen gewöhnlich die Wogen hoch. Gelassenheit: Fehlanzeige. Nicht nur in den großen Medien, sondern auch am Stammtisch, beim Kaffeekränzchen oder in Kirchengemeinden überschlagen sich besorgte und aufgeregte Stimmen. Zustimmung und Ablehnung schwirren wild durcheinander. Pro und Kontra stoßen sich hart im Raum, gewöhnlich eingefärbt in Schwarz oder Weiß, richtig oder falsch. Zwischentöne sind selten.

Die Stimmung wird durch immer neue Ereignisse aufgeheizt, die mehr oder weniger mit dem Islam in Verbindung gebracht werden. Ob Paris, Brüssel, Köln, Orlando, Nizza oder München – die negativen Schlagzeilen sind garantiert. Ängste brechen auf. Unsicherheit und Wut machen sich breit. Wen wundert’s, dass skeptische oder gar ausländerfeindliche Stimmen und entsprechende Demonstrationen regen Zuspruch finden!

Eine politische Szene, die das nicht ernst, geschweige denn wahrnimmt, geht an den Realitäten vorbei und muss sich nicht wundern, dass Wähler in Gefilde abdriften, in denen ihr Unbehagen aufgegriffen und artikuliert wird, wenn auch oft in holzschnittartiger Verzerrung.

Doch weder Blauäugigkeit noch geschwollene Zornesadern sind gute Ratgeber. Hassparolen und feindselige Transparente vergiften das innere Klima in unserem Land. Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht unreflektierten Emotionen überlassen, sondern uns ruhig und überlegt mit dem Sachverhalt auseinandersetzen, dass Muslime in unserem Land leben und arbeiten. Wir müssen uns dabei von allen Wunsch- und Feindbildern verabschieden, die den Islam betreffen, und in die Realitäten eintauchen.

Weil das Bild vom Islam je nach Standort so unterschiedlich eingefärbt ist, liegt mir in diesem Buch daran, mich nicht den jeweiligen Stimmungen und Erfahrungen anzuschließen, sondern anhand stichhaltiger Untersuchungen, Analysen und Statistiken die Frage anzugehen: »Passt der Islam zu Deutschland?« Diese Frage ist brennender denn je. Spätestens seit dem Zuzug von mehr als einer Million Flüchtlingen kommt keiner um diese Frage herum, der über die Zukunft unseres Landes nachdenkt.

So ging das Diskutieren los

»Der Islam gehört zu Deutschland«, stellte im Jahr 2010 der damalige Bundespräsident Christian Wulff schlicht und einfach fest. Einige Zeit später pflichtete ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel bei. Doch der nachfolgende Bundespräsident Joachim Gauck hielt dagegen: »Der Islam gehört nicht zu Deutschland.« Was stimmt denn nun? Wer der obersten Repräsentanten Deutschlands hat recht?

Die Irritation wird durch schiere Ahnungslosigkeit verstärkt. Dementsprechend hören wir, wenn es zu islamistischen Terrorakten gekommen ist, allseits besänftigende Töne: »Mit dem Islam hat das aber überhaupt nichts zu tun. Er ist eine friedliche Religion.« So ertönt es reflexhaft nicht nur von muslimischen Vertretern, sondern leider oft auch von kirchlicher Seite. Der Wunsch, sich den Fakten zu stellen, ist um eines scheinbar lieben Friedens willen wenig ausgeprägt. Man beschwichtigt, indem man von unserer christlichen Art des Glaubens ausgeht und der Überzeugung anhängt, dass ein Gott – wo auch immer – stets auf der Seite des Anständigen und Guten stehen müsse. Doch wer das meint, hat den Koran noch nicht gelesen.

Ja, die Ahnungslosigkeit reicht leider bis in den Raum der Kirche hinein. Sie hat einen schlichten Grund. Man kann nach wie vor evangelischer Pfarrer werden, ohne sich intensiv mit dem Islam beschäftigen zu müssen. Die Religionswissenschaft gilt als sogenanntes Orchideenfach. Es ist zwar interessant, aber die Kenntnis seines Lehrstoffs wird nicht für die theologischen Examina vorausgesetzt. Das kann man sich gern ersparen. Wen wundert es, dass es dann zu blauäugigen Reaktionen kommt? »Der Islam redet von Gott, von Abraham, von Mose und von Maria und Jesus. Wir als Christen auch. Im Islam wird gebetet. Bei uns auch. Der islamische Koran hat seine Suren, wir die biblischen Kapitel. Also legen wir das zusammen, zumindest gelegentlich.«

Doch dabei wird Unverträgliches zusammengemixt. Denn jede Art von Religionsvermischung gaukelt eine Einheit vor, die sachlich nicht vorhanden ist. Jede Religion ist eine Welt für sich und vertritt einen absoluten Wahrheitsanspruch. »In der Begegnung von Religionen und Weltanschauungen treffen ›Endgültigkeitsansprüche‹ (Hans Zirker) aufeinander, die sich […] nicht harmonisieren lassen.«1 Deshalb sind Religionen nicht miteinander kompatibel. Hierbei wird Unvereinbares miteinander vermengt. Damit nimmt man das unverwechselbare Kolorit der einzelnen Religionen – auch der christlichen – nicht ernst. Der Respekt vor der eigenen, aber auch vor einer anderen religiösen Überzeugung verbietet zusammenzufügen, was nicht zusammengehört. Es kann keine religiöse Ökumene geben, denn »andere Religionen [präsentieren] einen anderen Entwurf ihrer Gotteserfahrung und Gottesverehrung«2.

Konkret heißt das: »Die Heilsbedeutung von Jesu Tod und der Glaube an den dreieinigen Gott sind christliche Glaubensüberzeugungen, denen Muslime bei aller Wertschätzung Jesu als Prophet nicht folgen, die sie vielmehr ausdrücklich ablehnen. Ein gemeinsames Gebet in dem Sinne, dass Christen und Muslime ein Gebet gleichen Wortlauts zusammen sprechen, ist nach christlichem Verständnis nicht möglich, da sich das christliche Gebet an den Einen Gott richtet, der sich in Jesus Christus offenbart hat und durch den Heiligen Geist wirkt.«3 Deshalb ist die Richtlinie für die evangelischen Kirchengemeinden klar: »Auch jegliches Missverständnis, es finde ein gemeinsames Gebet statt, ist zuverlässig zu vermeiden.«4 Natürlich ist jedoch »die respektvolle Teilnahme am Gebet der jeweils anderen Religion« möglich.5

Das islamische Ansehen auf dem Tiefpunkt

Fakt ist: Das Ansehen des Islam befindet sich auf einem Tiefpunkt. So hat es bereits der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung im Jahr 2015 erhoben: »Obwohl Muslime mittlerweile in Deutschland heimisch geworden sind, lehnt die deutsche Mehrheitsbevölkerung Muslime und den Islam zunehmend ab. Über die Hälfte der Bevölkerung nimmt den Islam als Bedrohung wahr und ein noch höherer Anteil ist der Ansicht, dass der Islam nicht in die westliche Welt passt. Diese Ablehnung des Islams hat in den letzten zwei Jahren noch deutlich zugenommen.«6

Das wird von »infratest dimap« bestätigt, demzufolge 60 Prozent der Deutschen den Islam keineswegs als Teil Deutschlands sehen. Die Stimmung gegenüber dem Islam hat sich in jüngster Zeit weiter in Richtung Skepsis bzw. Ablehnung verändert. Stimmten 2010 noch fast die Hälfte der Befragten der oben zitierten Aussage von Bundespräsident Wulff zu, hat sich das in der Zwischenzeit geändert. »Je älter, desto eher sind die Befragten heute dem Islam gegenüber kritisch eingestellt.«7 Bei den 18- bis 34-Jährigen halten sich die Meinungen die Waage, während bei denen, die über 65 Jahre alt sind, das Pendel mit 71 Prozent deutlich in die islamkritische Richtung weist. Drei von vier Befragten – quer durch alle Altersstufen – haben Angst vor einem islamistischen Terroranschlag.

Andererseits, so eine Untersuchung im Exzellenzcluster »Religion und Politik« an der Universität Münster, in dem sich mehr als 200 Wissenschaftler engagieren, fühlen sich 90 Prozent der Türkischstämmigen in Deutschland wohl. 51 Prozent sehen sich jedoch als Bürger zweiter Klasse.8

Ein Kartell des Verschweigens?

Die Diskussionen werden auch dadurch ständig neu angefacht, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist: Über den Islam und Muslime wird in unseren Medien nicht offen geredet; das gehört sich offensichtlich nicht! Nach den Ereignissen in der Silvesternacht 2015/16 in Köln sickerte in den Medien erst nach und nach durch, dass die übergriffigen Täter nordafrikanischer Herkunft waren. Oder ein anderes Beispiel von zahlreichen anderen: Ein Polizeibeamter aus einer westfälischen Großstadt berichtete im Fernsehen, dass die Zahl der Vergewaltigungen stark angestiegen sei; es habe jedoch bislang nicht offiziell gemeldet werden dürfen, dass 85 Prozent der Täter türkisch-muslimischer Herkunft waren.

In der politisch links angesiedelten TAZ stellt der Psychologe Ahmad Mansour in einem Essay unter dem bezeichnenden Titel »Wir sind nicht eure Kuscheltiere« fest: »Muslime und Menschen mit ›Migrationshintergrund‹ genießen bei linken, progressiven Zeitgenossen in Deutschland besondere Sympathie und Solidarität.«9 In dem legitimen Bemühen, Rassismus und Vorurteile abzubauen, werden dabei vor solchen muslimischen Traditionen die Augen verschlossen, die eine eindeutig autoritäre Erziehungs- und Rechtskultur pflegen und die in einem freiheitlich-demokratischen Staat nichts zu suchen haben. Jugendämter sollen »kultursensibel« mit Eltern und Kindern umgehen, auch wenn auf der Hand liegt, dass die Kinder mit Drohungen eingeschüchtert und mit Gewaltmaßnahmen erzogen werden. Die Rücksicht auf Traditionen und Gebräuche nimmt für manche Gruppierungen offensichtlich einen höheren Stellenwert ein als das Ziel, Migranten in einen freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat zu integrieren und Verhaltensweisen einzufordern, die diesem Staatswesen entsprechen.

Diesem Denken entspricht auch das Verhalten einer jungen linken Politikerin, die von mehreren jungen muslimischen Migranten vergewaltigt wurde. Sie brachte das zunächst nicht zur Anzeige, um nicht das Bild der Migranten insgesamt zu schädigen. Später wurde dann doch Anzeige erstattet.10

Auch Muslime selbst, die sich kritisch über ihre eigenen Religionsinhalte und -gebräuche äußern, werden laut Ahmad Mansour von »Grünen, Linken und sogar Sozialdemokraten mit Argwohn betrachtet«.11 Dass Mansour arabischer Herkunft ist, unterstreicht die Brisanz seiner Aussagen.

Es herrscht offensichtlich ein Kartell des Verschweigens. »Öffentliche Stellen versuchen, die Veröffentlichung von Studien zu verhindern, die muslimischen Antisemitismus aufdecken.«12 Das Problem wird verdrängt. »In Deutschland ist diese Praxis der journalistischen Selbstzensur sogar im Pressekodex vorgeschrieben. Um ethnische Spannungen nicht anzuheizen, sind Journalisten der Volkserziehung mehr verpflichtet als der Wahrheit. Die Praxis trägt auf Dauer zu einer Erosion des gesellschaftlichen Vertrauens bei.«13

Bassam Tibi, ein deutscher Politikwissenschaftler syrischer Herkunft, der in diesem Buch noch öfter zu Wort kommen wird, erzählt: »Ich kenne eine somalische Familie, die schon im amerikanischen Ohio gelebt hatte. Der Vater beklagte sich, dass man in Amerika arbeiten müsse und wenig verdiene. Er hat es geschafft, aus Amerika nach Deutschland zu kommen und zu suggerieren, er wäre gerade aus Somalia geflohen. Amerika hat ihm nicht gefallen. Also hat er gelogen. Nun hat er eine Wohnung, und die vier Kinder bringen ihm insgesamt so viel Geld ein, wie ich als pensionierter Professor verdiene. Er ist schon drei Jahre hier und spricht kein Wort Deutsch. Das wird er auch nicht lernen. Man muss über solche Fälle reden dürfen!«14

Darf man aber nicht, oder? Doch je mehr der Eindruck entsteht, dass über Problematisches nicht offen berichtet werden darf, desto diffuser schwirren die Vermutungen umher. Desto mehr wird die Gerüchteküche angeheizt. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Das Munkeln über geheime Absprachen nimmt zu und mehrt die Verdrossenheit über die gegenwärtige Politik und ihre Vertreter. Deren Verhalten leitet Wasser auf die Mühlen derer, die jede Art von Migration ablehnen und das auch lautstark oder gar gewalttätig bekunden. Wenn aber ein Unbehagen, und sei es auch nur wenig begründet, nicht ausgesprochen werden darf, entsteht die böse Saat des Misstrauens. Sie vergiftet schleichend das Vertrauen in den Staat und seine Organe.

Darüber hinaus wird auch das Vertrauen in die Medienkultur beschädigt. Zwar ist dieses seit jeher in Deutschland unterschiedlich ausgeprägt – je nach Zeitung oder Zeitschrift. Je größer die Lettern, desto größer die Skepsis (ob berechtigt oder nicht). Aber man ging bisher davon aus, dass es vertrauenswürdige, seriöse Medien gebe, mit unstrittigem Wahrheitsgehalt in ihren Meldungen. Das traf in gleicher Weise auf die großen Fernsehsender zu. Nun tauchen leise Fragen auf: Sind unsere Leitmedien tatsächlich vor allem der Wahrheit verpflichtet? Geben sie unbestreitbare Tatsachen wieder? Berichten sie nach bestem Wissen und Gewissen, und das neutral und objektiv?

Sollte sich der Eindruck festsetzen, es könnte um der politischen Wirkung willen etwas verschwiegen oder verdreht werden, wäre das verhängnisvoll. Wem soll man denn dann noch glauben? Welchen Meldungen und welcher Statistik kann man noch voll und ganz vertrauen? Ist das Gift der Lüge nicht bereits überall eingesickert? Kein Wunder, dass in entsprechenden Demonstrationen lautstark »Lügenpresse« skandiert wird. Ein beschädigtes Vertrauen in die prägenden Medien öffnet brodelnden Gerüchteküchen in den elektronischen Medien Tür und Tor. Geschwundenes Vertrauen lässt sich nur schwer wiederherstellen.

Das kann sich eine Demokratie auf Dauer nicht leisten. Sie lebt schließlich vom Vertrauen ihrer Bürger in die Redlichkeit und Transparenz dessen, was sich politisch zuträgt. Wird dieses nachhaltig erschüttert, erleidet das demokratische Gefüge irreparablen Schaden. »Die Wahrheit wird euch frei machen« (Johannes 8,32). Dieser Satz von Jesus gilt auch in diesem Zusammenhang.

Was dieses Buch will

Es geht mir in diesem Buch vorrangig um die politisch-kulturelle Dimension. An Büchern, die sachkundig über die Inhalte der islamischen Lehre und über die Bräuche muslimischen Lebens informieren oder die sich mit dem Verhältnis zwischen Christentum und Islam beschäftigen, herrscht kein Mangel. Diese Aspekte bleiben daher weithin ausgeblendet, weil der Schwerpunkt des Buches ein anderer ist.

Unsere Frage, ob der Islam zu Deutschland passt bzw. gehört, beantworte ich zunächst zweifach, um dann im Folgenden einige Reibungsflächen aufzuzeigen und Problemfelder zu beleuchten.

2. Der Islam gehört zwar zu Deutschland …

Wer wollte das bestreiten? Der Islam ist zweifellos vorhanden. Er gehört dazu, genauso wie der Buddhismus, der Hinduismus und die Zeugen Jehovas zu Deutschland gehören. Moscheen, Gebetshäuser, Frauen mit Kopftuch und Döner sind mittlerweile selbstverständlich. Menschen unterschiedlicher Religionen leben in unserem Land. Dieses versteht sich als freiheitliche Demokratie. Und die Religionsfreiheit ist einer ihrer wesentlichen Bestandteile. Jeder darf der religiösen Überzeugung anhängen, die ihm wichtig ist. »Die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen ist zu einer alltäglichen Erfahrung geworden.«15