Paul Clifford - Edward Bulwer-Lytton - E-Book

Paul Clifford E-Book

Edward Bulwer Lytton

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Beschreibung

"Paul Clifford" ist ein Roman von Edward Bulwer-Lytton in 7 Bänden. Die Geschichte erzählt vom Leben und Handeln des Titelhelden, der ein Doppelleben als Krimineller sowie als angesehener Gentleman der englischen Gesellschaft führt. Diese Ausgabe beinhaltet mit alle 7 Bände.

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Paul Clifford

Edward Bulwer-Lytton

Inhalt:

Edward George Earl Bulwer-Lytton – Biografie und Bibliografie

Paul Clifford

Vorrede zur zweiten Ausgabe.

Zueignungsschreiben

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel.

Eilftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechszehntes Kapitel.

Siebzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

Dreißigstes Kapitel

Einunddreißigstes Kapitel.

Zweiunddreißigstes Kapitel.

Dreiunddreißigstes Kapitel.

Vierunddreißigstes Kapitel.

Fünfunddreißigstes Kapitel.

Sechsunddreißigstes und letztes Kapitel.

Paul Clifford, E. Bulwer-Lytton

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605360

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Edward George Earl Bulwer-Lytton – Biografie und Bibliografie

Erster Lord L., berühmter engl. Schriftsteller und Staatsmann, der deutschen Lesewelt bekannter unter seinem frühern Namen Edward Bulwer, geb. 25. Mai 1803 in London, gest. 18. Jan. 1873 in Torquay und 25. Jan. in der Westminsterabtei bestattet. Er war der erstgeborne Sohn des Generals William Earle Bulwer; der Familienname seiner hochbegabten und reichen Mutter war L., ihr Familiensitz Knebworth. Seine Jugenderziehung erhielt er zu Hause, dann besuchte er die Universität Cambridge. Seine ersten poetischen Versuche zeugten von dem Einfluß Byrons, machten aber wenig Eindruck. Noch sehr jung, schloß er (1827) seine unglückliche Ehe mit der Irländerin Rosina Wheeler, der ein Sohn entsprang (s. unten). Mit »Pelham, or the adventures of a gentleman« (1828) gab L. die Anonymität auf und hatte gewaltigen Erfolg. Er war unterdessen durch Reisen und durch das Studium des Deutschen gereist. Seine Beliebtheit stieg mit jedem seiner neuen Romane. Hierher gehören: »The Disowned« (1829), »Devereux« (1829), »Paul Clifford« (1830). Er betrat nun die politische Laufbahn, schrieb satirische Verse: »The Siamese twins« (1831), wurde ins Unterhaus gewählt und vertrat 1832–41 die Stadt Lincoln als Liberaler. Bei der Krönungsfeier der Königin Viktoria (1838) wurde er zum Baronet geschlagen. In diese erste Periode fällt eine Reihe seiner größten schriftstellerischen Erfolge, zunächst die Romane: »Eugene Aram« (1832), eine Verbrechergeschichte, späterhin auch dramatisiert; das liebliche Buch »The pilgrims on the Rhine« (1834), »The last days of Pompeii« (1834), die Frucht einer italienischen Reise, und die großartige Wiederbelebung einer bis dahin dunkeln Geschichtsepoche in »Rienzi. the last of the tribunes« (1835); dann von ganz anderm Gehalt, an Goethes »Wilhelm Meister« sich anlehnend, der »dem großen deutschen Volk, einer Nation von Denkern und Kritikern« gewidmete Roman »Ernest Maltravers« (1837) und dessen Fortsetzung: »Alice« (1838). Von geringerer Bedeutung sind: »Godolphin« (1833); »Leila, or the siege of Granada« (1840); »Night and morning« (1841) und »Zanoni« (1842; deutsch, Leipz. 1905), worin sich der Hang zum Geheimnisvollen dartut, der späterhin großen Einfluß über L. erlangte. Überdies veröffentlichte er Bilder des Nationallebens: »England and the English« (1833), schrieb eine Reihe von sehr geschätzten kritischen Aufsätzen in »Blackwood's Magazine«, die er nachher als »The Student« (1835) zusammenstellte, leitete das »New Monthly Magazine«, schrieb sein Geschichtswerk »Athens, its rise and fall« (1837) und eine Reihe von Dramen, von denen »The lady of Lyons« (1838), »Richelieu« (1839), »Money« (1840) und auch »The Sea-captain« (1839), umgearbeitet als »The rightful heir« (1869), starke Bühnenerfolge erzielten. Bei den Neuwahlen von 1842 fiel L. durch und lebte während zehn Jahren in verhältnismäßiger Zurückgezogenheit. Damals fiel ihm (1843) durch den Tod seiner Mutter ein großes Vermögen zu; er änderte seinen Namen nun in Bulwer-L. Auf den historischen Roman: »The last of the barons« (1844) aus dem Kriege der Rosen folgte: »Harold, the last of the Saxon kings« (1845), worin das Romanhafte weit hinter das Historische zurücktritt. In »Lucretia, or the children of night« (1846) kehrte er zum eigentlichen Roman zurück, nicht mit dem frühern Erfolg. Dazwischen fallen Gedichte mit persönlichen Beziehungen: »Eve, and the ill-omened marriage« (1842); Übersetzungen aus Schiller u. d. T.: »Poems and ballads« (1844, neue Ausg. 1869), satirische Verse: »The new Timon, a romance of London« (1846), und das Heldengedicht »King Arthur« (1848). Nun wandte er sich wieder dem modernen Roman mit größtem Erfolg zu: anonym in Monatslieferungen von »Blackwood's Magazine« erschienen die »Caxtons« (1850), die in der Grundanlage den Einfluß des »Tristram Shandy« von Lawrence Sterne verraten. Auf derselben Höhe erhielt er sich in der Fortsetzung: »My novel« (1852). Mit der Flugschrift: »Letter to John Bull« (1850) vollzog er seinen Übertritt zu einem gemäßigten Konservativismus und wurde als Tory 1852 von der Grafschaft Hertford in das Unterhaus gewählt, wo er bis 1866 als großer Redner saß. Unter Derby war er 1858–59 auch Minister für die Kolonien. In diese Periode gehören seine Romane: »What will he do with it?« und »A strange story« (1861), in welch letzterm er starke Hinneigung zu dem Spiritismus unsrer Zeit an den Tag legte. Als Baron L. of Knebworth wurde er 1866 ins Oberhaus berufen, wo er Gladstones Maßregeln zur Versöhnung mit Irland unterstützte. Literarisch betätigte er sich durch die »Lost tales of Miletus« (1866), eine Übersetzung der Oden des Horaz und das Lustspiel »Walpole« (1869). Anonym veröffentlichte er: »The coming race«, eine Utopie, in der er neuere Entdeckungen der Naturwissenschaft mit dem Phantasiegebilde fliegender Menschen verquickte. Während seiner letzten Krankheit hatte er die Korrekturen seines Romans »Kenelm Chillingly« gelesen; aus seinem Nachlaß erschien sein letzter Roman: »The Parisians«, sowie der unbeendete: »Pausanias the Spartan« (1876). Seine Reden mit ausführlicher Denkschrift hat sein Sohn herausgegeben (1874, 2 Bde.), wie auch »Pamphlets and sketches« (1875). In der äußern Politik neigte er sich mehr zu Deutschland als zu Frankreich. Die letzte Gesamtausgabe seiner Werke ist die »Knebworth-Edition« in 38 Banden (1874 u. ö.).[8] Die Biographie des Dichters nebst dessen nachgelassenen Schriften veröffentlichte sein Sohn u. d. T.: »Life, letters and literary remains« (1883, 2 Bde.); doch reicht die Biographie nur bis 1832 und ist durch die Einleitung zu den Reden zu ergänzen. L. besticht durch seine Vielseitigkeit: er schreibt, um bei seiner Hauptgattung zu bleiben, sentimentale, romantische, historische, realistische und utopistische Romane. Niemals ist er bahnbrechend, immer aber hat er eine seine Witterung für die literarischen Strömungen des Tages. War er für die jeweilige Richtung auch nur Nachahmer, so bewahrte er sich doch seinen verschiedentlichen Vorbildern gegenüber die persönliche Eigenart. Das zeigt sich besonders auffällig im historischen Roman, also gegenüber dem mächtigsten Muster, W. Scott. Die Romane wurden in fast alle europäischen Sprachen, auch wiederholt ins Deutsche, übersetzt. Vgl. Planche, Portraits littéraires, Bd. 1 (Par. 1849); Jul. Schmidt, Bilder aus dem geistigen Leben unsrer Zeit (Leipz. 1870).

Seine Gattin Rosina, Lady Bulwer, geb. 1807 in Limerick, gest. 12. März 1882 in London, war die Tochter Francis Wheelers und Enkelin Lord Masseys und verheiratete sich mit Bulwer 1827. Die Ehe wurde später gelöst, und bald darauf verfaßte sie den skandalösen Roman »Cheveley, or the man of honour« (1839; deutsch, Stuttg. 1840), voll bitterer Angriffe auf ihren Gemahl. Ihm folgten gelungene Schilderungen gesellschaftlicher Zustände in »Miriam Sedley« (1851; deutsch, Wurzen 1852), »Behind the scenes« (1854), »Very successful« (1857) und »The world and his wife« (1858).Vgl. Louisa Devey, Life of Rosina, Lady L. (Lond. 1887).

Paul Clifford

Viele Eurer Lordschaften müßen sich noch erinnern, was vor einigen Jahren auf den Landstraßen in der Umgegend dieser Hauptstadt vorzukommen pflegte. Kaum konnte ein Wagen ungeplündert durchkommen, und oft sahen sich die Reisenden genöthigt, mit den Highwaymen, welche die Straßen beunruhigten, zu fechten und ihnen Treffen zu liefern.

Rede des Herzogs Wellington über die Bill, die Polizei der Hauptstadt betreffend, 5. Juni 1829.

Kann Jemand im Zweifel seyn, ob es besser sey, ein großer Staatsmann zu seyn oder ein gemeiner Dieb?

Jonathan Wild.

Vorrede zur zweiten Ausgabe.

Ward je die Critik zur Wissenschaft erhoben? wird sie es je werden? Perron pflegte zu sagen: er ziehe Ein Blatt von Quintus Curtius dreißig Blättern von Tacitus vor; ja er behauptete sogar: er habe nie einen Mann von Verstand den Tacitus rühmen gehört. Heut zu Tage würden die Leute diese Autorität durch den Ausspruch niederschlagen: Perron sey ein Narr; aber damals waren die Leute noch nicht so vorlaut. Perron war keineswegs ein Narr; er war ein sehr gescheiter Mann, und ein großer Gelehrter. Jedermann hegt, jeder Critiker entwikelt individuelle Ansichten, die, der Himmel allein weiß, wie? sich gebildet haben, und diese spricht man, wenn keine Parteilichkeit mit ins Spiel kommt, nicht nach den Grundsäzen der Wissenschaft, sondern nach der Laune des Augenbliks aus; derselbe, der dich vor dem Essen würde getadelt haben, rühmt dich nach dem Essen; und, wie ein großer Beurtheiler einmal unbefangen bemerkte: »Niemand sagt in der Critik, so wenig als in Briefen, genau Das, was er zu sagen beabsichtigte.« Dieses genau ist ein fürchterliches Wort; es ist oft die einzige Grenzscheide zwischen Schmeichelei und Verdammung. Man hat mir gesagt: der erste Theil dieses Buches sey plump, unverständlich und gemein; sey weit schlechter als die andern; es kann seyn, aber meine Meinung ist Dieß nicht. Im Gegentheil, ich glaube, diesen Theil wird man mit dem meisten Vergnügen zweimal lesen, aus diesem wird man, in einigen Jahren, die häufigsten Anspielungen hören, und die vorkommenden Gedanken am meisten ausziehen. In einigen Jahren! Ist dieß ein keker Ausspruch? Die Antwort kommt weder meinen Critikern noch mir zu. Die Fragen, welche man der Zeit vorlegt, kann auch nur die Zeit lösen. Eine schwache Voraussetzung, eine der in dieser Erzählung auftretenden Personen betreffend, ist unziemlicher Weise von nicht weniger als drei periodischen Blättern zuversichtlich ausgesprochen worden. In allen wurde irgend ein bestimmter Mann als das Original zu Peter Mac Grawler bezeichnet. Ich erlaube mir zu erklären, daß kein einziger von allen mir eine so ergiebige Fundgrube abzugeben schien, um daraus die vollständige Charakterzeichnung eines so glanzvollen Mannes zu entnehmen. Alle die genannten, ich gebe es zu, lieferten Beiträge. Aber Mac Grawler wurde nach den Regeln des Apelles geformt, und die Attribute von Vielen vereinigten sich zur Hervorbringung dieses Ideals.

Einige Zusäze und eine gelegentliche Auslassung wird man bei diesem Abdruk von Paul Clifford finden. So konnte ich namentlich die Gelegenheit einer Leichenrede zu Ehren des Gentleman George nicht hinauslassen, und das Werkchen, das diesem Buche angehängt ist, die Urne mit den Weisheits-Reliquien von Augustus Tomlinson, wird ohne Zweifel mit der Verehrung betrachtet werden, die es verdient.

Bis wir uns wieder begegnen, Leser, lebwohl! Diese Vorrede zeigt mein Verlangen, Dir meinen freundlichen Gruß zu bieten. Wenn Du mein Buch zuvor schon gelesen hast: schlag es wieder auf; alle meine Werke sind nach einem Grundsaz gearbeitet: zweimal gelesen zu werden.

16. August 1830.

Der Verfasser.

Zueignungsschreiben

an

**** ******, Esq.

Vor einigen Jahren, mein lieber Freund, als Sie und ich noch mehr Poesie des Lebens im Herzen trugen, als, ich fürchte, beiden jezt noch geblieben ist, sezte ich Ihren Namen einem schwachen Bändchen von Gedichten vor, die gedruckt, aber nicht veröffentlicht wurden. Von den hundert Abdrücken dieser knabenhaften Unbesonnenheiten, welche das Kunstprodukt einer französischen Presse, von unglaublichen Drukfehlern und Versehen wimmelten, habe ich bis auf diesen Tag nicht mehr als zwei- oder dreiundzwanzig weggegeben. Ich widmete Ihnen damals ein Buch, das nur durch die Hände von Freunden gehen sollte, in der stillschweigenden Voraussetzung, daß sie gleicherweise bereitwillig zum Entschuldigen und geneigt zum Loben seyn würden. Jetzt widme ich Ihnen ein Buch, das im Augenblik, da ich es aus der Hand gebe, in die Hände von Lesern fällt, von welchen selbst die mir Gutgesinnten zu lau sind, um zu loben, und die mir Abholden im Voraus zu tadeln entschlossen; und wo Jeder, voll grausamer Gerechtigkeit, es für billig erachtet, durchgängig treffliche Leistungen vom Schriftsteller zu erwarten und ihm nirgends Nachsicht zu gewähren. Dies ist das natürliche, hergebrachte Schiksal der Veröffentlichung; es versteht sich, daß auch ich, wie alle welche sich dazu entschließen, auf diese Bedingungen mich gefaßt halte. Aber ehe ich wieder vor einem Publikum erscheine, das nur um so strenger in seinem Urtheil und vielleicht auch um so verduzter ist, als ich in diesem Buche seinen Meinungen Troz biete, lassen Sie mich einige Minuten hinter der Scene hinbringen und mich durch freundschaftliche Zwiesprache mit Ihnen ermuthigen. Es schmerzt mich, mein lieber ******, wenn ich denke, daß ich meine Blätter nicht mit Ihrem Namen schmücken darf; denn es ist mir wohl bewußt, daß wenn nach Jahren sich Ihren Talenten die schickliche Bahn eröffnet hat, dieser Name dann nicht leicht ins Gewicht fallen wird, wo man immer Rechtlichkeit und Wahrheit, die Einsicht, welche das Gute erkennt, und den Muth, der es ausübt, als achtungswerthe Eigenschaften betrachtet. Aber bei Ihren gegenwärtigen Bestrebungen dürfte es für Sie kaum von Werth seyn, von einem Romanschreiber gerühmt und in der Zueignung einer Novelle genannt zu werden. Auch würden es Ihre Freunde nicht eben gern sehen, wenn Sie auf eine so prunkend feierliche Art einem Buche die Weihe ertheilen wollten, das Sie, den Wünschen und Hoffnungen jener Männer zufolge, nie auch nur zu lesen sich Muße gewinnen sollten.

Vier Jahre sind verflossen, seit ich Ihnen die schon erwähnten Gedichte widmete; sie haben an uns beiden nicht unbeträchtliche Veränderungen herbeigeführt. Wir sind nicht mehr die keken Springinsfelde, die nach Lust und Laune umherschweiften und nach unsern Wünschen Abenteuer aufsuchten. Wir fühlen, wenn wir auch dieß Bewußtseyn in dem stummen Herzen verschließen, daß das Leben rauhere und dornenvollere Pfade hat, als wir uns vorstellten, und wir betrachten die Wege auf unsrer Pilgerfahrt nicht mehr mit dem frohmüthigen oder flüchtig hingleitenden Blick sorglos heiterer Wanderer, sondern mit dem müden gedankenvollen Auge des umgetriebenen Geschäftsmanns. Sie haben den gewiß ehrenvollen, aber etwas unfruchtbaren Arbeiten der Gerichtsschranken sich hingegeben: und ich – ein bloßer Betrachter von anderer Leute Glück und Abenteuern – ich ziehe aus dem Gelärme der regsamen Welt eine so harmlose Beobachtung, wie Sie solche, wenn Sie eine kleine Weile in meinem Gemüthe gelegen hat, in gewissen mäßigen und sehr unschuldigen Novellen wieder zu Tage gefördert finden. Nicht minder innig jedoch häng ich meinem alten Glauben an: daß Erfahrung die einzige Waare ist, welche nie ermangelt, uns unsere Auslagen dafür zehnfältig zu ersehen, und daß wir keine bessere und zuverläßigere Führer durch die Irrgänge dieses Lebens, welche wir nicht nur Einmal, sondern wiederholt zu durchwandern haben, finden können, als den Irrthum ober das Vorurtheil, oder die Reue, die wir bei jedem Lebensabsatz als Merkzeichen auf unserm Wege hinter uns lassen.

Wenn Sie diese drei Bände erhalten, gedruckt und mit Zetteln behängt und broschirt – in all der unbeschnittenen Stutzerhaftigkeit der letzten allerneusten Novelle: so kann ich mir ganz genau das halb lächelnde, halb stirnrunzelnde Gesicht vorstellen, womit Sie dieselben begrüßen, und den freundschaftlichen Muthwillen, womit Sie dieselben verdammen und denken: »Wie Schade ist es, daß – – noch immer nichts als Romane schreibt!« Ist es wirklich Schade, mein lieber Freund? Sind Sie dessen gewiß, daß ich, wenn ich etwas Anderes schriebe, etwas Besseres schreiben würde? Ich lege mir selbst oft diese Frage vor, und wenn ich sie zu meiner Zufriedenheit zu bejahen wüßte, wäre dieß Buch ungeschrieben blieben. Aber fassen wir einmal die Sache genau ins Auge; was soll ich denn Anderes schreiben? Da ist einmal obenan die Poesie! – Werden Sie, wird irgend Jemand epische Gedichte oder Sonnete – Märchen oder Satiren, Tragödien oder Epigramme lesen? Wie groß auch die Mannigfaltigkeit seyn mag – verwerfen Sie nicht auf einmal die ganze Gattung? Und würden Sie es nicht für minder ermüdend und dabei nützlicher halten, drei Bände zu durchlaufen, als über einer einzigen Stanze zu gähnen? Die Zeit – die allgemeine Meinung widersagt der Poesie; und in der literarischen Welt wie in der fysischen kann auch der keckste Abenteurer über Zeit und Stunde sich schwerlich wegsetzen. Verbannen wir also die Poesie aus der Sfäre der Wahl, – und mein Wunsch geht, weil mir noch immer die ganze Zärtlichkeit und Weichheit der ersten Liebe inwohnt, dahin: Sie möchten selbst mich von dieser Ansicht abzubringen versuchen; – sollen wir uns zur Filosofie wenden? Soll ich über die Seele schreiben, oder Forschungen über die Sinne anstellen? – Ach, zu welchem Zwecke? Man kann die Nachfrage nach Schriften über die praktische Filosofie daraus abnehmen, wenn man erwägt: daß die Werke von Hobbes nicht vollständig gedruckt sind, und die Analysis von Mills keine Beurtheilung fand. Ich gestehe Ihnen frei: für mich trägt das Schreiben schon seinen Lohn in sich selbst; wenn ich schreiben soll, muß ich immer auch Aussicht haben, gelesen zu werden. Politik, Versuche, Reisebeschreibungen, Biografie, Geschichte, – sind dieß Gegenstände, von welchen man mit größerer Wahrscheinlichkeit einen ehrenvollen Namen von ewiger Dauer zu erwarten hat, als von der Abfassung von Novellen? Ich sollte kaum denken. Sehen wir uns einmal um! Welche Ermunterung lockt uns zu einem von diesen Gegenständen? Sind nicht die Schriften in diesen Gebieten weit mehr die Efemeren der Literatur als die erdichtenden Erzählungen?

Ueberlebt die Biografie, oder der filosofische Versuch, oder die Abhandlung auch nur das Jahr, über welches wenigstens die Novelle hinausreicht? Und wenn solche Schriften den Roman nicht an Dauer übertreffen, so können sie sich, wie Sie mir zugeben werden, an allgemeinem Beifall gar nicht mit ihm messen. Der literarische Müßiggänger, der sie vom Buchhändler bekommt, schickt sie wieder zurück und wartet deren Beurtheilung im Quarterly-Rewiew ab; und der Freund, der Hausgenosse, dem Sie ein Geschenk damit machen, geht Ihnen Zeitlebens aus dem Wege, damit Sie ihn nicht um seine Meinung darüber fragen können. Sie sehen, mein lieber ******, ich habe die Sache vom umfassendsten Gesichtspunkt aus erwogen. Ich hätte die Frage auf Einmal abschneiden, ich hätte, statt eine Erörterung zu veranlassen, durch Auseinandersetzung des Unpassenden an solchen Bestrebungen, mich mit einer leichten Anspielung auf die Unfähigkeit meiner Person begnügen, und ausrufen können: Poesie! Ich bin ein Poetaster und kein Poet. Filosofie! Ich bin ein lernender Jünger und kein Entdecker. Versuche! Ich habe die Welt schon mit solchen im »Devereur« und im »Verstoßenen« ermüdet. Reisen! Wo, o wo hab ich Reisen gemacht? Aber, wir leben nicht in dem Zeitalter, wo die Menschen so unerfinderisch in Beweggründen wären, daß sie einen Mangel an Geist oder Armuth an Kenntnissen eingeständen, und folglich bitte auch ich Sie, zu glauben, daß ich Romane schreibe, nicht, weil ich sonst nichts zu schreiben vermag, sondern weil Romane das beste sind, was man irgend schreiben kann.

Wir leben in einer für die Literatur verhängnißvollen, drohenden Zeit. In Büchern, wie in andern Manufakturen, scheint das große Ziel: Abkürzung der Arbeit, zu seyn. Das leichteste Werk ist das angenehmste. Die Leute wollen ihren Zeitaufwand immer durch einen augenblicklichen Ertrag von Kenntnissen vergütet sehen; und der gesunde und schöne Gewinn, der langsam kommt aber nachhaltig bleibt, heißt ihnen in der Literatur abgeschmackt, und in der Politik eine unnütze Träumerei. Dieser unruhige und doch faule Hang der Gemüther, der jetzt so allgemein ist, hat eine ausländische, buntscheckige Art von Literatur, die früher in unserem Lande wenig gekannt und beliebt war, auf die Bahn gebracht. Beiseite legt man die tiefen Forschungen und wirft sich auf populäre Darstellungen: wir verlassen unsern alten Weg durch fleißig gearbeitete Geschichtswerke, um uns in die Fluth unterhaltender Memoiren zu werfen. Wenn in diesem Punkte, unsrem nächsten Hauptzweck in der Literatur, irgend eine Classe von Schriften es allen andern in Popularität und Achtung zuvorgethan hat, so ist es der Roman. Die Leser suchen jezt in erdichteten Erzählungen nach Thatsachen; wie Voltaire mit seiner witzigen Filosofie unter Thatsachen nach Erdichtungen sich umsah. Ich sage nicht: der Roman habe durch sein wachsendes Verdienst seinen wachsenden Ruf verdient; im Gegentheil: ich meine, obgleich unser Styl weniger breit seyn mag als im vergangenen Jahrhundert, so seyen doch unsre Gedanken matter und unsre Erfindung minder kräftig. Wie dem auch sey: die Mode in der Literatur, wovon ich spreche, hat über den Trümmern von vielem Großen und Edeln, dem guten Kopf vom zweitem Rang und der mittelmäßigen Einsicht Bahnen eröffnet, die ihnen früher verschlossen waren. Und ich meines Orts, wenn ich als Mitglied des Publikums verloren habe, gewinne als Individuum mehr als verhältnißmäßig. Ich bin mir bewußt, eben dasjenige Maß von Gelehrsamkeit, oder Beobachtung, oder Scharfsinn, kurz von Talenten irgend einer Art zu besitzen, welches mir es möglich macht, daß ich in einer leichten Dichtung diese und jene ergötzliche, vielleicht selbst nützliche Wahrheiten aufgable; während weder meine Gelehrsamkeit, noch meine Beobachtung, noch mein Scharfsinn oder irgend ein Talent muthmaßlicherweise hinreichen würden, mir einen auch nur vorübergehenden Anspruch auf einen Namen durch ein ernsteres und tiefer gehendes Werk zu erringen. Zudem bilde ich mir in Verdauungsstunden, wenn eine gewisse Selbstzufriedenheit ihre anmuthige Wärme über die Seele verbreitet – ich bilde mir dann ein, zufälligerweise eine nicht so ganz ausgebeutete Ader angeschlagen zu haben, daß ich mit meinen nächsten Zeitgenossen den Besitz theilen müßte; denn der filosofische Roman in irgend welcher Gestalt ist dermalen nicht nur wenig bearbeitet, sondern diejenigen, welche den wenig verheißenden Boden aufwühlen, sind in der That ganz ernste und lehrhafte Schriftsteller. So der liebenswürdige mit allen Vorzügen geschmükte Verfasser von De Vere, oder der sinnige Schöpfer von St. Leon und Maudeville, auf dessen Styl man die schon auf Tertullian, aber zu schmeichelhaft bezogene Bezeichnung anwenden darf: daß er sey wie Ebenholz, dunkel und glänzend. Die Novelle, welche das Komische und gelegentlich auch das Dramatische mit der Betrachtung und Erörterung verbindet, diese ist es, welche mit Ausnahme des Devereux, ich mir als das meinen Bestrebungen abgesteckte Gebiet herausgefunden habe und indem ich den Wettstreit mit den ausgezeichneten, eben genannten Schriftstellern vermied, lenkte ich ganz unabhängig mein Augenmerk auf die Klugheit und gewann vielleicht selbst einige Neuheit.

Sie werden bemerken, daß ich auf die Worte: nächste Zeitgenossen einen Nachdruk gelegt habe, denn ich täusche mich nicht selbst mit der Einbildung, etwas im mindesten Neues aufgebracht zu haben; ich habe mich nur bemüht, etwas wieder ins Leben zu rufen, was ein wenig außer Augen gesetzt worden war, und wenn meine Bücher einiges Glück gemacht haben, so ist dieß der Trefflichkeit der Schule zuzuschreiben, trotz den Fehlern des Schülers. Die Verbindung des filosofischen Romans mit dem komischen ist in der That längst durch zwei große Schriftsteller in einer Vollendung durchgeführt worden, der, ich gesteh' es, kaum irgend ein glüklicher Schriftsteller auch nur von weitem sich nähern dürfte. Der erste und bei weitem gröste von diesen (ich rede von Fielding) erscheint als ein Mann, dem, bei allgemeinem Ruf, doch nie volle Schätzung zu Theil wurde. Mir erscheint er nicht nur als Romandichter unvergleichlich, sondern auch als einer der gesundesten Denker und tiefsten, gründlichsten Moralisten, die je einem Land Ehre und der Menschheit Belehrung gebracht haben. Der zweite, Dr. Moore, hat dieß merkwürdige Verdienst: er hat uns an ihm zwei Sünden vergessen machen, die bei jedem andern Schriftsteller eine unverzeihliche Schuld begründet hätten: – im Styl nämlich ein widriges Haschen nach Gallicismen und in der Moral eine geheime Neigung, lieber den schon ganz fertigen Gedanken einzuführen, als aus dem rohen Stoff allmälig herauszuschaffen. Diesen Zweien kann Miß Edgeworth beigezählt werden, die fehlerfreiste, wenn nicht die glänzendste unter allen Romanschreibern jetziger und vergangner Zeit. Ich rechne sie nicht zu den nächsten Zeitgenossen, theils weil sie sich ganz von diesem Gebiet scheint zurückgezogen zu haben, und theils weil diejenige gediegene und ruhige Beurtheilung schon über ihre lieblichen und nützlichen Erzählungen ergangen ist, die gewöhnlich sonst der Entscheidung der Nachwelt vorbehalten bleibt. Obwol ich also nur mit den Ansprüchen auf das Verdienst des Erneurers, nicht des Schöpfers, des Auffrischers von alten Gemälden und nicht des Künstlers, auftreten kann: so bin ich doch sehr weit von der Gewißheit entfernt, in einem andern Zweige der Literatur auch nur so viel erreichen zu können; und so empfangen Sie denn eine vierte Novelle von meiner Feder, obwohl Ihre mich überschätzende Freundschaft vorgezogen hätte, einen Versuch im Gebiete der politischen Moral oder der Geschichte von mir zu sehen. Geschichte! es liegt, Alles zusammengenommen und ungeachtet aller niederschlagenden Umstände, für jeden, der sich mit Studien beschäftigt, für jeden Mann, der in seinen gelehrten Beschäftigungen oder in akademischen Erinnerungen lebt, ein wundervoller Reiz in diesem Worte und vielleicht habe ich selbst, meinem eignen Urtheil und den Warnungen rings um mich her zum Trotz, bereits den Embryo eines Entwurfs in meinem Innern, der sich auf dieses edelste und am wenigsten ausgebeutete Feld geistiger Forschung bezieht, und der nach Jahren Ihnen enthüllt werden und ins Leben treten soll. Aber dieß ist keine Sache, die man leichtsinnig anfassen, oder ehe sie im Geiste gezeitigt, anrühren darf; und wie viele Zufälligkeiten können in den Weg kommen, um die Ausführung eines solchen Plans ganz zu vereiteln, wie viele Zufälligkeiten können, im besten Falle, sie bis auf das mattere Alter hinausschieben, wo die Kräfte durch lange Gewöhnung an die Kämpfe und Widerwärtigkeiten des Lebens erschlafft sind. Oft wenn wir in der Blüte der Jugend und Mannhaftigkeit an unsrem höchsten Triumf zu arbeiten wähnen, verschwenden wir unsre Kräfte nur an einen letzten Fehlwurf. Inzwischen, wenn ich vor der Hand nur auf wenig Gewinn rechnen darf, kann mich auch nur geringer Verlust treffen; ich setzte nicht mein ganzes Herz auf den Erfolg von Bestrebungen, die, wie ich mit meinen Feinden bekenne, (denn Feinde haben ist das allgemeine Schicksal in der Literatur, dem auch die allergewöhnlichsten Schriftsteller nicht entgehen) unbedeutend und schwach sind; ich lasse mich durch das Lob dieses Mannes nicht so aufblähen, durch den Tadel von jenem nicht so niederschlagen, daß ich des ruhigen Gleichgewichts des Geistes verlustig gienge, oder den kleinen anmuthigen Kreis überschritte, in welchen die Vernunft – eine Zauberin, wenn sie ihr Reich beschränkt, eine Betrügerin, wenn sie es ausdehnt, – Andern sich einzudrängen verwehrt. Auch glaube ich nicht, daß für Einen, der sich eine strenge und ernste Geistesthätigkeit angewöhnt hat, das Schreiben von Büchern, wenn sie nur nicht Poesie oder abstrakte Wissenschaften find, mit einem so völligen, alles Andre verschlingenden Zeitaufwand verbunden ist, wie man sich gewöhnlich einbildet. Für Alle, nur nicht für den Müßiggänger, hat das Leben Stunden genug, und was mich selbst betrifft: läge es nicht in meiner Lebensgewohnheit, ernstere Gegenstände als Studium zu betreiben, so hätte ich es mir auch nie dürfen in den Sinn kommen lassen, Novellen zu schreiben – zur Erholung. Glauben Sie jedoch nicht, nach dem was ich sage, ich wolle mein ganzes Leben über Novellen schreiben; ich entschuldige was ich that und was ich thue; ich mache keine Vorrede zu dem was noch geschehen soll.

Nun hab' ich, mein theurer Freund, alles gesagt, worauf ich mich zur Entschuldigung der Art meiner Werke berufen kann. Ich will mich nicht gegen Sie oder durch Sie gegen meinen Leser wegen meiner Selbstgefälligkeit und Weitschweifigkeit rechtfertigen. Für alle Schriftsteller ist die Zueignung ein unangefochtener und freier Boden; allen Lesern ist eine nicht minder anerkannte Freiheit bewilligt: die nemlich, so schnell als sie immer mögen, darüber wegzugehen. Ich habe mich gegen Sie mit einer Freimüthigkeit ausgesprochen, bei der ich ganz vergessen, daß die Zeilen, die ich Ihnen hier schreibe, in die entfremdeten Charaktere der Druckerpresse übergehen werden; und wenn ich mich in allgemeinen Aeußerungen, oder in solchen, die meine Person angehen, etwas zu breit herausgelassen habe, so muß ich den Fehler dadurch gut machen, daß ich über das vorliegende Werk mich so kurz als möglich fasse.

Für die ursprüngliche Idee zu Paul Clifford bin ich einem Herrn verpflichtet, der einen ausgezeichneten Namen in der Literatur hat, und dessen Güte gegen mich zu meinen wohlthuendsten Erinnerungen gehört. Diese Idee würde, wenn das Buch kürzer geworden wäre, das Ganze durchdrungen haben; so wie es jezt ist, findet man sie in denjenigen Partien dargestellt, welche, wie ich glaube, die beliebtesten in diesem Buche seyn werden. So die Scene bei Gentleman George, die Skizze von Bachelor Bill u. s. w. Da das Beispiel belehrender ist als die Erörterung, beziehe ich mich lieber auf diese Stellen, um ins Licht zu sezen, was ich von meinem Freunde überkam, als daß ich versuchen sollte, es hier zu entwickeln und im Einzelnen zu verfolgen. Um gegen meinen Freund gerecht zu seyn, muß ich beifügen, erstlich, daß ich mir wohl bewußt bin, einen meines Bedünkens ausgezeichnet glücklich erfundenen Gedanken durchaus nicht in vollkommen entsprechender Form dargestellt zu haben; und fürs zweite, daß, weil ich seine Idee mehr nur als Stütze und Beiwerk für meine Geschichte denn als Kern und Basis des Ganzen benutzt habe, alle Fehler der Verwicklung und alle Mängel der Erfindung, auf die man im Verlauf und in der endlichen Lösung meiner Erzählung stößt, ganz und einzig mir zur Last fallen. Es wäre zu wünschen, daß mein Freund selbst unter wichtigeren Arbeiten die Muße gefunden hätte, seine Idee zu verkörpern, oder daß er, indem er mir die Leinwand gab, mir auch seine Geschicklichkeit in Führung des Pinsels und Mischung der Farben und seine Schöpferkraft hätte mittheilen können.

Kaum vermag ich zu errathen, was Sie, der Sie so streng und ekel auf die Zierlichkeit der Sprache halten, von den etwas gemeinen Reizen denken werden, womit der größere Theil meines ersten Bandes ausgestattet ist. Ich muß gestehen, ich habe mich in diesem Punkt gegen jeden Tadel gepanzert; denn abgesehen von einer geheimen Beimischung von Ironie in der Sprache, wovon es sich hier handelt, ich will einmal einen Versuch wagen, der in Schottland und Irland glücklich durchgesetzt wurde, obwohl er in jetziger Zeit in England noch nicht gemacht wurde: die getreue und eigenthümliche Redeweise von gewissen Menschenklassen wiederzugeben, welche Lesern jedes Standes, wenn sie nur geistige Beweglichkeit besitzen, weit mehr Theilnahme einflößen und lebhaftere Unterhaltung gewähren müßen als abgedroschne Schilderungen der mattherzigen Erbärmlichkeiten eines Prunkzimmers, oder die leblosen Gemälde von Originalen, deren Ruhm eigentlich darin besteht: kaum lebendig zu seyn.

In einigen feindseligen und ziemlich persönlichen, aber geistreichen Bemerkungen gegen mich in einem neuen periodischen Werke, wird die Behauptung aufgestellt: Leute, die in guter Gesellschaft leben, verstehen nicht filosofisch, ja, so scheine es, überhaupt nicht gut zu schreiben. Ich setze natürlich voraus, der Critiker rede von solchen, die nur in guter Gesellschaft leben; und obgleich die Bemerkung unrichtig ist, wie es denn sich merkwürdigerweise trifft, daß die meisten filosofischen Prosaiker, namentlich in England, Männer von Stande waren, und wie es sich von selbst ergab, den grösten Theil ihres Lebens unter ihren Standesgenossen zubrachten; so will ich mich doch mit der Erklärung begnügen: daß die Bemerkung, wahr oder falsch, in diesem Falle keineswegs mich betrifft, der ich wohl eben so viel mit den niedrigsten Ständen als mit andern verkehrt habe und der ich die sogenannte Welt kaum betrete. Beiläufig, da der gemeldete Critiker sich in dem sehr witzigen Einfalle, mich als den Schriftsteller und Helden meines Buchs (Pelham) in Einer Person anzusehen, gefallen hat, so veranlaßt mich dieß zu einigen Worten über diesen Gegenstand. Ein Jahr ehe Pelham erschien, gab ich Falkland heraus, dessen Held ganz und gar jener düstern, schwärmerischen, nebelhaften Classe angehört; kurz: Sir Reginald Glanville – noch überboten und übertroffen. Der Schwarm der Allerweltswisser, die Wir sagen und sich Critiker nennen, erklärte: Falkland sey offenbar eine Selbstschilderung des Autors. Im folgenden Jahr erschien Pelham, der moralische Antipode von Falkland, und derselbe Schwarm behauptete genau dasselbe von Pelham. Werden sie sich herablassen diesen Widerspruch auszugleichen? die Wahrheit ist, daß sobald einem Helden eine hervorragende und wesenhafte Persönlichkeit gegeben wird, und, wohlgemerkt, der Held nicht als auffallend trefflich geschildert wird, (Niemand hat noch gesagt, ich gleiche Mordaunt!) dann der Held und der Autor dieselbe Person seyn müssen. Dieß ist der eine Grund, warum die Helden heutzutage zu so armen Geschöpfen heruntergesunken sind. Die Autoren, ein friedliebendes, harmloses Volk, sehen sich nicht gern persönlich mit ihren eignen Schöpfungen vermischt. Ich für meinen Theil, obgleich ich eine besondere Ursache haben mag, mich über eine solche Uebertragung zu beschweren, da ich nie zwei Helden Worte als Bezeichnungen desselben Gegenstandes,) für manches ziemlich harte Wort und manchen derben Hieb gegen mich selbst – biete ich keine Entschuldigung: meine Rache liegt im Geiste der englischen Kampfführung; Schläge in einem Augenblick, und gute Laune im nächsten. Was die Schottländer betrifft, so bin ich noch nicht ganz sicher, ob es ihnen bis jetzt gelungen ist, die in der Tiefe meines Herzens lauschende Zuneigung, die ich einst gegen sie hegte, zu verdrängen. Es ist nicht so leicht, im Ernste sich mit dem Lande zu verfeinden, wie scharf man auch spottend gegen es zu Felde zieht, das Burns, Scott und Campbell erzeugte; ein Land zudem, mit welchem man gern in Verkehr steht und dessen Sohn der ausgezeichnete Freund ist, dessen ich in diesem Brief erwähnte. Ich erwiedere nur, vor der Hand ziemlich mild, die Streiche, welche sie zuerst gegen mich geführt haben; ich weiß, was ich als Erwiederung hierauf zu erwarten habe und werde schwerlich Der seyn, der zuerst ruft:

Halt! Genug!

Für manche gelegenheitliche Rache, an Critikern, Feinden, oder Schottländern ausgeübt, (bei mir erwiesen sich meist diese drei über Einen Leisten zugeschnitten, sondern jeden, Falkland, Pelham, Mordaunt, Devereux, als ein von den andern ganz verschiedenes Wesen dargestellt habe;– ich bin es doch vollkommen zufrieden, falls es den guten Leuten das geringste Vergnügen macht, daß meine Critiker mich mit Pelham zusammenwerfen. Ja, wenn Pelham überhaupt das ist, was er seyn soll: nemlich, eine lebendige Satire auf die übertriebenen, menschenfeindlichen Romane des Tags – ein ächt menschliches Wesen, dessen wahrhaft gute Eigenschaften die krankhafte Sentimentalität mit blauen Himmeln und offener Brust, die schwermüthigen Geckereien und interessanten Schurkenstreiche beschämen; wenn er überhaupt ein solcher ist: dann bin ich außerordentlich stolz, mit ihm verwechselt zu werden. Denn obgleich er allerdings ein Mann ist, der sich badet und säuberlich lebt, (die zwei Hauptvorwürfe, welche von den großen Ungewaschenen gegen ihn vorgebracht werden) ist er doch auch tapfer, edelmüthig, gerecht; ein treuer Freund, ein thätiger Bürger, in seiner Pflichterfüllung tadellos, in seinen Grundsätzen unerschütterlich! Wie? ist dieß mein Bild, mein Facsimile, Ihr Herren? Auf mein Wort, ich bin Ihnen unendlich verbunden. Bitte, fahren Sie fort! Ich möchte Sie um Alles nicht unterbrechen.

Aber (ich spreche ohne Leidenschaft), unsre guten Mitunterthanen auf dem andern Ufer des Tweed haben eine kleine ungefällige Schwäche, die sie weit weniger liebenswürdig macht, als sie ohne jene seyn würden: sie verlieren ihre Gemüthsruhe, sobald ein Engländer irgend einen Vortheil erringt; sie werden ganz widersinnig-zornig, wenn wir einen noch so kleinen Namen, ein noch so kleines Vermögen in unsrem Lande gewinnen; sie scheinen sich einzubilden, Gott der Allmächtige habe ihnen ein Geschenk mit England gemacht, um damit anzufangen, was ihnen beliebt, und jeder Engländer, der ihr Monopol antaste, begehe einen Frevel der schlimmsten Art. Wenn wir den allerunbedeutendsten Schritt thun, so dürfen wir gewiß versichert seyn, darüber gescholten zu werden; aber ich denke mir, bei näherer Untersuchung würde sich herausstellen, daß neunmal unter zehen der Tadel in breitem Schottisch sich ergießt! Man hat es diesem Buch zum Vorwurf gemacht, daß der Styl des ersten Bandes von dem des zweiten und dritten verschieden ist; diese Verschiedenheit war mir beim Niederschreiben dieses Buchs ein Hauptaugenmerk. Scenen im Leben, die einen wesentlichen Contrast bilden, scheinen auch eine dem Contrast gemäße Sprache zu erheischen, und ich kann nicht umhin, es für einen der grösten und gewöhnlichsten Fehler in der Dichtung zu halten, wenn man alle Begebenheiten und all die wechselnden Auftritte in einförmiger, sich nie senkender und hebender Sprache erzählt und schildert.

Im Helden der Geschichte wird ein Individuum von einer Menschenklasse zu zeichnen gesucht, deren das Land jetzt glücklicherweise entledigt ist, aber die mir so viele ächte, für den Roman, besonders in seiner Komik und Naturwahrheit taugliche Züge gehabt zu haben scheint, als die fremden Carbonari und die ausländischen Piraten, welche englische Schriftsteller, Jagd auf herzgewinnende Verbrecher machend, so gerne in ihren Büchern aufführten. Ich für meinen Theil will einen englischen Landstraßenritter, wie er verlarvt, bewaffnet und beritten über die Hundslow-Heide trabt, mit dem stattlichsten Bösewicht, den je das Festland hervorbrachte, sich messen lassen.

Zum Schluß will ich noch hinzufügen, daß ich mich bemüht habe, mich vor den Fehlern meiner frühern Werke zu hüten. Vielleicht wird man finden, daß die Geschichte besser durchgeführt und das Interesse gleichmäßiger aufrecht erhalten wird, als in meinen andern Schriften. Ich habe den Wunsch des Recluse, belehrend seyn zu wollen, überlebt und habe gleicherweise den Moralton und die Abschweifung vermieden, mit Einem Wort, ich habe mir mehr Mühe gegeben als in meinen zwei letzten Büchern, eine ziemlich unterhaltende Novelle zu schreiben. Nur Eine Episode von Belang habe ich zugelassen – die Geschichte des Augustus Tomlinson; und ich habe mir diese Ausnahme nur gestattet, weil diese Geschichte, wenn man auf Moral und die Abzweckung des Ganzen steht, keine Episode ist, wenn gleich sie im Verlauf der Erzählung als solche erscheint.

Und nun, mein lieber Freund, ist es hohe Zeit, einen selbst für Ihre Geduld bereits zu langen Brief zu schließen. Was auch immer das Schicksal dieses Buchs und seiner Vorgänger seyn mag; ob sie aufgeflattert seyn mögen, wie die von der sicilischen Quelle angezündeten Insekten – in Einem Augenblick belebt und im nächsten getödtet; oder ob, trotz tausend Fehlern, die Niemand besser als ich selbst an ihnen entdecken kann, vielleicht Etwas, das eine nicht gedankenlose noch unehrerbietige Achtsamkeit auf die Mannigfaltigkeit und die Spiele der Natur, und eine liebevolle Zärtlichkeit gegen ihre Erzeugnisse, verkündigt, ihnen in der Neigung der Welt ihr Daseyn noch um eine kleine Weile über den kurzen Zeitraum hinaus fristet, der ihnen die Geburt gab. Einen Dank habe ich mir wenigstens gesichert! ich habe diese Novelle, die, so möchte ich gerne glauben, nicht als meine schlechteste wird betrachtet werden, und die möglicherweise meine letzte bleiben dürfte, mit solchen Erinnerungen verwoben, welche ihren Untergang überleben, oder ihren Erfolg mir noch theurer machen.

Adieu mein lieber ******

Ich wünsche Ihnen Gesundheit und Glück, und versichere Sie meiner zärtlichsten Freundschaft.

Hertfort-Street, April 1830.

E.L.B.

Anmerkung. Man findet in diesen Blättern ein- oder zweimal Bemerkungen oder Anspielungen auf Moore's Leben Byron's. Seit sie niedergeschrieben wurden, ist der Gegenstand etwas abgedroschen worden, und die hier ausgesprochenen Ansichten hat man mir gewissermaßen vorweggenommen. Zur Zeit der Abfassung jedoch waren sie neu und schienen mir am Orte.

Erstes Kapitel.

Sprecht Ihr, die nur ein Wahn von Schmerz bethört. Ihr, deren Ruh verstimmt ein Nerv schon stört. Ihr deren Wink, wenn schlaff Ihr drückt den Pfühl, Belauscht der Sklaven schüchternes Gewühl, Die Ihr den müden Arzt um Namen quält Für Leiden, welchen Nam' und Daseyn fehlt, Mit Scheingeduld euch in ein Leiden gebt. Das ächter Schmerz, und dieser Arzt nur, hebt: Wie trüget Ihr die wahre Leidenspein Versäumt, versöhnt im bittern Tod allein? Wo jede Bangigkeit die Brust beengt Und jeder Jammer um den Sarg sich drängt?

Crabbe.

Es war eine dunkle, stürmische Nacht, der Regen fiel in Strömen und ließ nur dann von Zeit zu Zeit nach, wenn er von einem heftigen Windstoß unterbrochen wurde, der durch die Straßen heulte (unser Schauplatz ist nämlich London), in den Giebeln sauste und übermüthig mit den kümmerlichen Flämmchen der Lampen spielte, welche gegen die Finsterniß ankämpften. Durch eines der unbekanntesten Viertel London's und durch Gäßchen, welche von den Herren bei der Polizei nicht sonderlich geliebt waren, verfolgte ein Mann, augenscheinlich den niedrigsten Ständen angehörig, seinen einsamen Weg. Zwei- oder dreimal blieb er stehen an Läden und Häusern von einer Beschaffenheit, die mit dem Aussehen des Stadttheils, worin sie lagen, vollkommen zusammenstimmte, und hielt Nachfrage nach irgend einem Gegenstande, der, wie es schien, nicht leicht zu bekommen war. Alle Antworten, die er erhielt, fielen verneinend aus; und so oft er sich wieder von einer Thüre entfernte, sprach er brummend, in eben nicht sehr zierlichen Redensarten, seinen Unmuth über seine getäuschten Erwartungen aus. Endlich setzte in einem Hause der Inhaber, ein stämmiger Fleischer, nachdem er auf die Anfrage des Mannes auch wie die bisherigen, eine verneinende Antwort erhielt, hinzu: »Aber wenn dieß da es auch dut, Dummie, dieß ischt ganz zu Eurem Dienscht!« Dummie schwieg einen Augenblick nachdenklich, versetzte dann: er meine der angebotne Gegenstand könne es auch thun, steckte ihn in eine weite Tasche und eilte so rasch hinweg, als Sturm und Regen es erlaubten. Bald erreichte er eine Anzahl niederer, schmutziger Hütten, an deren Eingang in halb verwischten Zügen stand: Thames Court. Vor der ansehnlichsten davon, einer Kneipe oder einem Bierhaus, durch dessen halb geschlossene Fenster in einladend röthlichem Schimmer die Flammen des gastlichen Herdes glänzten, blieb er stehen und pochte hastig an der Thüre. Er wurde von einer Dame von ansehnlichem Alter eingelassen, deren Angesicht und übrige Person in gleicher anmuthiger gerundeter Vollkommenheit strotzte. »Hascht's bekommen, Dummie?« fragte sie rasch, als sie dem Gast die Thüre aufschloß.

»Nix, nix, nicht ganz's rechde, aber ich denk' auch so – –« »Pfui Ihr Narr!« rief das Weib, ihn unterbrechend, verdrießlich aus: »es nutzt nix, mir Sand in d'Augen streuen. Ihr wißt wohl, Ihr seyd aus meiner Drinkstube nur in eine andere marschirt, und habt Euch um das Buch gar nicht umgedan. So, da liegt jetzt die arme Cratur in der Raserei und im Sterben und Ihr –«

»Laßt, ich muß sprechen!« unterbrach sie jetzt Dummie, »drabte zuerst, sag's Euch ja, zu Mudder Bußblone, die, wie ich gut weiß, den jungen Frauenzimmern Morgens und Abends für das Gewinsel dut, und fragte da nach einer Bibel und sie sagt: »Ich hab', sagt sie, nur einen Begleider zum Aldar, aber ihr werded schon eine Bibel bekommen, denk ich, bei Meister Talkins dem Schuhflicker, der bredigt. So geh' ich zu Meister Talkins und der sagt: ich brauch', sagt er, keine Bibel, warum, darum – bin auserwählt ohne das, aber kann seyn Ihr kriegt eine beim Fleischer drüben, warum, darum – der Fleischer fährt in die Hölle. So geh ich hinüber und der Fleischer sagt: ich hab keine Bibel, sagt er, aber ich hab ein Komödien-Buch, das ganz so wie eine Bibel eingebunden ischt und vielleicht sieht das arme Wesen den Unterschied nicht. So nehm' ich die Comödien, Mrs. Grete, und da sind sie auch. Und was macht die arme Judy?«

»'S geht grundschlecht. Sie wird die Nacht nicht überleben, schätz' ich.«

»Nun ich will mal die Trittling hinaufgehen.« Mit diesen Worten stieg Dummie das Stiegenhaus ohne Thüre hinan, an dessen Eingang eine Decke, in einem Winkel von der Mauer gegen das Kamin herübergespannt, eine Art von Schirm bildete; und sofort stand er in einer Kammer, an deren Schilderung sich Crabbe's finsterer und schwermüthiger Genius würde ergötzt haben. Die Wände waren geweißt und an manchen Stellen waren sonderbare Figuren und groteske Schnörkel von einem fröhlichen Hausbewohner in solchen schwarzen Umrissen hingezeichnet, wie man mit dem Ende eines angebrannten Steckens, oder einem Stück Kohle zu entwerfen pflegt. Das armselig flackernde Licht von einer Pfennigkerze' gab diesen Meisterstücken von Zeichenkunst etwas Unheimliches und Drohendes, besonders da mehr als ein Bild des Satans in seiner gewöhnlichen Volkstracht zur Verschönerung der Gallerie beitrug. Ein schwaches Feuer brannte düster auf dem rußigen Kamin und von der Ecke her zischte »die leise, dünne Stimme« eines eisernen Kessels. Auf einem runden, tannenen Tisch waren zwei Fläschchen, eine zerbrochene Schaale, ein zerbrochener Löffel von einem schlechten Metall und auf zwei oder drei verstümmelten Stühlen lagen verschiedene Bestandteile eines weiblichen Anzugs zerstreut. Auf einem andern Tisch, unter einem hohen, schmalen Fensterflügel ohne Laden, über den, statt der Vorhänge, eine farbige Schürze locker hingehängt war und nun von den Windstößen, die durch manche Spalte und Lücke leichten und freien Paß hatten, immer hin und her geweht wurde, war ein Spiegel, einige Erfordernisse zur Toilette, eine Büchse mit grobem Roth, einige wenige Zierrathen von mehr Glanz als Werth und eine Uhr, deren regelmäßiges und ruhiges Picken jenes unbeschreiblich peinliche Gefühl erzeugte, dessen sich, wie wir fürchten, manche unsrer Leser, welche diesen Ton in einer Krankenstube anhörten, wohl erinnern werden. Ein großes Himmelbett stand diesem Tisch gegenüber und der Spiegel warf zum Theil das Bild der Vorhänge mit verblichenen Streifen zurück, und dann und wann, da die Leidende in der rastlosen Unruhe eines zerrütteten Gemüths immer ihre Lage änderte, konnte man flüchtig ein Antlitz sehen, auf dem die raschen Fortschritte des Todes sich abmalten. Neben diesem Bett stand nun Dummie, ein kleiner, schmaler Mann, in eine zerlumpte Jacke von Plüsch gekleidet, von dem die Regentropfen langsam herabträufelten, mit einem schmalen, gelben, verschmitzten Gesicht, mit sonderbar abschreckenden Zügen, aber nicht eben geradezu entschieden bösem Ausdruck. Auf der andern Seite des Bettes stand ein kleiner Knabe von ungefähr drei Jahren; der Kleidung nach konnte er den bessern Classen angehören, obgleich sie einigermaßen zerrissen und abgeschossen war. Das arme Kind zitterte heftig und sah offenbar mit einem Gesicht der Hoffnung Dummie eintreten. Und nun schleppte sich auch, langsam und mit manchem hektischen Seufzer, gegen den Fuß des Bettes daher die schwerfällige Gestalt des Weibes, das Dummie unten angeredet hatte und ihm haud passibus aequis in das Zimmer der Kranken gefolgt war; sie stand mit einer Arzneiflasche in der Hand, die sie hin- und herschüttelte, und ein gutherziges aber schüchternes Mitleiden lag auf ihrem durch regelmäßige Trankopfer gerötheten Antliz. Dieß war die ganze Scene; nur daß noch auf einem Stuhle neben dem Bette ein Ueberfluß von langen, glänzenden, goldnen Locken lag, die man der Kranken abgeschnitten hatte, als das Fieber sich gegen den Kopf zog; aber mit einer Anhänglichkeit, welche die armseligen Leidenschaften eines eitlen Herzens charakterisirt, hatte sie dieselben neben sich hingelegt und durchaus nicht wegnehmen lassen; außerdem lag noch neben dem Feuer, völlig unempfindlich gegen das Ereigniß, das in der Kammer einzutreten drohte und dem wir zweifüßigen Wesen eine so große Wichtigkeit beilegen, eine große, graue Katze zusammengerollt zu einer Kugel und döste mit halbgeschloßnen Augen, und mit Ohren, die dann und wann durch eine leichte Biegung den Eindruk eines ungewöhnlich lauten oder nahen Geräusches auf ihre schlummerhaften Sinne verriethen. Die Sterbende beachtete anfänglich das Eintreten von Dummie und der Frau zu den Füßen ihres Bettes nicht; sie wandte sich gegen das Kind, faßte es heftig beim Arm, zog es zu sich her und betrachtete seine erschrocknen Züge mit einem Blick, in welchem Erschöpfung und außerordentliche Blässe mit dem heftigen und stieren Ausdruck der Fieberhitze einen gräßlichen Contrast bildete.

»Wenn Du bist wie Er,« murmelte sie, »so will ich Dich erdrosseln; das will ich! ja – zittre nur, Du hast Grund zu zittern, wenn Deine Mutter Dich berührt, oder wenn Er genannt wird. Du hast Augen – ja Du hast! Heraus damit, heraus! Der Teufel sitzt lachend darin! O, Du weinst? weinst Du wirklich, Kleiner? Gut, jetzt sei still, mein Liebling, gieb Dich zufrieden! Ich wollte Dich nicht betrüben! betrüben – O Gott! es ist doch mein Kind!« und mit diesen Worten drückte sie den Knaben leidenschaftlich an ihre Brust und brach in Thränen aus.

»Kommt, Kommt jetzt,« sagte Dummie tröstend. »Nehmt die Arznei, Judith! und dann wollen wir über den kleinen Schelm sprechen.«

Die Mutter ließ den Knaben fahren und wandte sich gegen den Redenden; einige Augenblicke sah sie ihn mit stierem Blick an; endlich schien sie sich allmälig wieder auf ihn zu besinnen und sagte, indem sie sich auf eine Hand stüzte und die andre mit fragender Geberde gegen ihn ausstreckte: »Du hast das Buch mitgebracht?«

Dummie hob statt der Antwort das Buch, das er von dem ehrsamen Fleischer geholt, in die Höhe.

»Macht denn das Zimmer rein!« sagte die Leidende mit jener angenommenen Herrschermiene, die man so oft bei Kranken trifft. »Wir möchten allein seyn.«

Dummie winkte dem guten Weibe am Fuße des Bettes, und diese, obgleich sonst keine Person, die sich so leicht befehlen oder zusprechen ließ, entfernte sich ohne Widerstreben aus dem Krankenzimmer.

»Wenn sie beten will,« brummte unsre Hauswirthin, denn diese Würde schmückte die gute Matrone, »so weiß ich in der Daht nichts Besseres zu thun, als mich fort zu machen, denn es wird einem, wenn man alt ischt, nicht gar behaglich, all die Sachen midauzuhören.«

Mit diesem frommen Stoßseufzer schritt die Wirthin zum Krug, so hieß die Herberge, schwerfällig die ächzenden Treppen hinab.

»Jetzt Mann!« sagte die Leidende mit Ernst, »schwöre, daß Du nie entdecken willst – schwöre, sag' ich Dir, und bei dem großen Gott, dessen Engel diese Nacht erfüllen, wenn Du je diesen Eid brichst, so will ich wieder kommen und Dich bis an Deinen Sterbetag heimsuchen.«

Dummie's Angesicht wurde blaß, denn die Heftigkeit und die Sprache der Sterbenden ergriff sein dem Aderglauben zugängliches Gemüth und er antwortete, indem er die vorgebliche Bibel küßte: er schwöre, das Geheimniß zu bewahren, so viel er davon wisse, was aber, wie ihr bewußt seyn müsse, sehr wenig sey. Während er sprach fuhr ein lauter, heftiger Windstoß durch das Camin herunter und erschütterte das Dach über ihnen so heftig, daß viele von den morschen Ziegeln losbrachen, die, einer nach dem andern, mit schmetterndem Ton unten auf den Boden fielen. Dummie fuhr erschrocken auf und vielleicht zwackte ihn sein Gewissen für den Streich, den er mit der falschen Bibel gespielt hatte. Aber die Frau, deren gereizte und abgespannte Nerven ihre wirren Gedanken von einem Gegenstand zum andern mit unnatürlicher Schnelligkeit überspringen machten, sagte mit hysterischem Lachen: »Sieh, Dummie, da kommen sie mit Gepränge, mich zu holen – gieb mir die Haube – die dort! und bring mir den Spiegel!«

Dummie gehorchte und die Frau, mit leiser Stimme etwas von der unpassenden Farbe der Bänder murmelnd, setzte sich die Haube zurecht; sagte dann mit unmuthigem und trotzigem Tone: »Warum sie mir doch die Haare abschneiden mußten! Solch eine Entstellung!« und trug dann Dummie auf, Mrs. Grete noch einmal zu ihr heraufzubitten.

Jetzt, da sie mit ihrem Kind allein war, besänftigte sich das Angesicht der unglücklichen Mutter, als sie den Knaben ansah und all die Armseligkeiten und Erboßungen – wenn wir das Wort gebrauchen dürfen – welche in der stürmischen Gereiztheit des Fieberwahnsinns, an der Oberfläche ihrer Seele aufgetaucht waren, versanken jetzt allmälig, je mehr der Tod überhand nahm, und die Mutterzärtlichkeit, welche zuvor verscheucht und niedergedrückt gewesen, erreichte ihre natürliche Höhe. Sie nahm das Kind an ihre Brust und drückte es in ihre Arme, die mit jedem Augenblick kraftloser wurden; sie tröstete es mit einer Art Gesang, welchen die Wärterinnen ihren unzufriedenen Kindern singen, aber die Stimme, war schmetternd und hohl und als die Mutter dieß empfand, füllten sich ihre Augen mit Thränen. Jetzt trat Mrs. Grete wieder ein und nun wandte sich die Sterbende mit einer ergreifenden Ruhe in ihrem Benehmen, welche die angeredete Person erschütterte und rührte, zu ihrer Wirthin, deutete auf das Kind und sagte:

»Ihr seyd gütig gegen mich gewesen, sehr gütig? und möge Gott Euch dafür segnen! Ich habe gefunden, daß diejenigen, welche die Welt als die Schlimmsten verschreit, oft die menschenfreundlichsten sind. Aber ich will Euch jetzt nicht danken, wie ich wohl thun sollte, sondern Euch um eine letzte, übergroße Gunst bitten. Nehmt Euch meines Kinds an, bis es groß wird; Ihr habt oft gesagt, Ihr habet es lieb, Ihr seyd selbst kinderlos und ein Stückchen Brod und ein Obdach für die Nacht, was Alles ist, um was ich Euch bitte, wird diejenigen, welche besser begründete Ansprüche haben, nicht arm machen.«

Die gute Mrs. Grete schluchzte heftig, versprach dem Kind Mutter zu seyn und sich zu bemühen, es ehrbar aufzuziehen, obgleich ein Wirthshaus, wie sie selbst gestand, eben nicht der beste Ort für gute Beispiele sey. »Nehmt ihn,« rief mit heiserem Tone die Mutter, deren Stimme, der Kraft ermangelnd, undeutlich schnarrte und beinah in ihrer Brust erstarb, »nehmt ihn – zieht ihn auf, wie Ihr wollt, wie Ihr könnt – jedes Beispiel, jedes Dach ist besser als –« hier wurden ihre Worte unverständlich. »Und o, möge es zu einem Fluch werden und einem – gebt mir Arznei, ich sterbe!«

Dieß bestürzte Wirthin eilte, dieß Verlangen zu erfüllen; aber ehe sie an das Bett zurückkehrte, war die Kranke bewußtlos – auch erlangte sie die Sprache und Bewegung nicht wieder. Ein leises seltenes Stöhnen verrieth allein noch fortdauerndes Leben; binnen zwei Stunden hörte dieß auf und der Geist war entflohn. Da war aber unsre gute Wirthin selbst der Wahrnehmung dieser Sinnenwelt entrückt; denn sie hatte ihre Lebensgeister während der Nachtwache mit so vielen kleinen flüssigen Reizmitteln aufrecht erhalten, daß sie endlich in die Betäubung verfielen, welche gewöhnlich auf die Aufregung folgt. Dummie wollte vielleicht die Gelegenheit benutzen, welche die Bewußtlosigkeit der Wirthin ihm darbot, und so öffnete er bei dem erlöschenden Schimmer der Kerze, die in der Todtenkammer brannte, hastig eine große Kiste, die sonst unter dem Bett verborgen stand und die Garderobe der Verblichenen enthielt, und wühlte mit unehrerbietiger Hand in dem Linnen und der Seide, bis er ganz auf dem Boden des Schreins einige Packe mit Briefen entdeckte; diese nahm er und versenkte sie in seinen Kleidertaschen; dann stand er auf, brachte die Kiste wieder an ihren Ort, warf einen verlangenden Blick nach der Uhr auf dem Toilette-Tisch, die von Gold war; aber er zog sein Auge wieder zurück und machte, mit einem langen, unmuthigen Seufzer, die Bemerkung: »Die alte Veddel kennt sie, Gott verzeih 's ihr! aber wenigschdens will ich dieß da mitlaufen lassen, wer weiß, wo man's einmal brauchen kann; heud' im Morascht, morgen im Pallascht heißd's,« und damit streckte er seine rohe Hand nach den goldnen seidenen Locken aus, die wir beschrieben haben. »s' ischt ein seltsames Zeug und bringt Einen in Verlegenheit; aber stumm! heißt das Wort, um meines eignen kleinen Halses willen.«

Mit diesem kurzen Selbstgespräch stieg Dummie die Treppen hinab und machte sich aus dem Hause.

Zweites Kapitel.

Die Fantasie verweilt, bezaubert ganz, Zu schildern dieses Ortes Pracht und Glanz.

Das verödete Dorf.

Eine Beschreibung der frühesten Kinderjahre hat, wenn man nicht wirklich über Erziehung schreibt, wenig Anziehendes. Wir werden uns also nicht lange bei der Kindheit des mutterlosen Knaben aufhalten, welcher der Obhut von Mrs. Grete Lobkins, oder wie sie bisweilen im Vertrauen genannt wurde, Peggy oder Piggy Lob, überlassen blieb. Die gute Frau, welcher der Gewinn von einem Hause, das, wenn auch in einer uansehnlichen Gegend gelegen, sich doch eines weitverbreiteten und belohnenden Rufes erfreute, ein mehr als hinreichendes Einkommen abwarf und die eine einzelne Wittwe ohne Kinder und Vetter war, fühlte keine Versuchung ihr Wort gegen die Verstorbene zu brechen, und sie ließ den Knaben an Stärke und Verstand zulegen, bis er das Alter von zwölf Jahren erreicht hatte, in welcher Periode wir ihn denn jetzt wieder unsern Lesern vorstellen.

Der Knabe zeigte eine sehr kühne Gemüthsart und eine nicht unbeträchtliche Lebhaftigkeit des Verstandes. Alles, was er unternahm, glückte ihm rasch und eine auffallende Stärke der Glieder und Muskeln unterstützte trefflich die Aufforderungen eines Ehrgeizes, der, man muß gestehen, eher in körperlichen als geistigen Kraftäußerungen sich gefiel. Man darf indeß nicht voraussehen, daß sein Knabenleben in ununterbrochener Ruhe verlief. Obgleich Mrs. Lobkins im Ganzen eine gute Frau und ihrem Pflegling zugethan war, war sie doch von heftiger und roher Gemüthsart, oder wie sie selbst es schmeichelhafter ausdrückte: ihre Gefühle waren über die Maßen stark; und ein Wechsel von Zank und Versöhnung war die Hauptbeschäftigung in des Schützlings häuslichem Leben. Da, eh er der Obhut von Mrs. Lobkins untergeben ward, man ihn nie anders als: das Kind, benannt hatte, fiel die Obliegenheit, ihm einen christlichen Namen zu geben, auf unsere Wirthin vom Krug und nach einiger Ueberlegung beschenkte sie ihn mit dem Namen Paul – es war ein Name von glücklicher Vorbedeutung, denn er hatte dem Grosvater der Mrs. Lobkins gehört, welcher dreimal deportirt und zweimal gehängt worden war (das erstemal, da ihm letztgenannte Widerwärtigkeit begegnete, war er durch die Chirurgen wieder zu sich gebracht worden – zum großen Verdruß des jungen Anatomen, der die Ehre gehabt hätte, ihn zu zerschneiden). Der Knabe schien den ausgezeichneten Namen, den er trug, nicht verdienen zu wollen, denn er zeigte keine auffallende Vorliebe für fremdes Eigenthum. Ja, obgleich er zuweilen einem gelegentlichen Gaste im Kaffesaal der Mrs. Lobkins die Taschen leerte, so schien diese That doch mehr in einer Neigung zu lustigen Streichen als im Streben nach Gewinn ihren Grund zu haben; denn wenn der Geplünderte durch seinen Verlust, etwa eine Tabaksdose oder ein Taschentuch, oder der Art Bedürfnisse, hinlänglich gequält worden war; wenn er, zum heimlichen Jubel Pauls alle Ecken des Zimmers durchstöbert, sich geärgert und gestampft und sich durch seinen Verdruß den bittern Vorwürfen von Mrs. Lobkins ausgesetzt hatte, dann pflegte unser junger Freund ruhig und plötzlich es so zu richten, daß der vermißte Gegenstand freiwillig wieder in der Tasche sich einfand, aus der er verschwunden war. Und so geschah es, wie denn unsre Leser ohne Zweifel schon eine ähnliche Erfahrung gemacht haben, wenn sie den Frieden einer ganzen Haushaltung wegen des Abhandenkommens eines tragbaren Schatzes störten, den sie selbst, wie sich nachher ausweist, verlegt hatten, so geschah es, daß das unglückliche Opfer von Pauls ehrlicher Schlauheit dem vereinigten Unwillen der Zuschauer preis gegeben und vom Ankläger zum Ueberwiesenen herabsinkend, insgeheim das unselige Schiksal verfluchte, das ihn nicht allein durch den Verlust seiner Habe ängstete, sondern ihm auch den noch größern Verdruß bereitete, sie wieder zu finden.

Ob nun Mrs. Lobkins bei Entdeckung dieser Streiche wegen eines künftigen Hangs zu der Geschicklichkeit, welche sie verriethen, zitterte, oder ob sie dachte, die Tollheit zu stehlen ohne Gewinn, erheische schleunige und beharrliche Abhülfe, können wir nicht entscheiden, aber die gute Frau wurde am Ende äußerst besorgt, Paul die Wohlthat einer anständigen Erziehung zu sichern. Den Schlüssel der Weisheit (die Kunst zu lesen) hatte sie wirklich schon zwei Jahre vor diesem Zeitpunkt ihm zu Theil werden lassen, aber damit ihr Gewissen bei weitem nicht befriedigt, ja sie fühlte, daß wenn sie ihm nicht auch Anleitung zum richtigen Gebrauch desselben könne geben lassen, es weiser gewesen wäre, dem Knaben einen Schlüssel ganz vorzuenthalten, mit dem er verkehrterweise in allen Schlössern wühlte, außer im rechten nicht. Mit einem Worte, sie wünschte sehnlich, ihm eine Erziehung geben zu lassen, weit höher als seine Umgebung sie hatte. Und da sie wie die meisten ungebildeten Leute, der Gelehrsamkeit einen zu großen Werth beilegte, schloß sie, um so anständig leben zu können als der Geistliche des Kirchspiels, brauche er nur ebensoviel Latein zu wissen.

Eines Abends besonders, als die Dame an ihrem behaglichen Feuer saß, beschäftigte dieser Gegenstand ihrer Besorgniß mit ungewöhnlicher Stärke ihr Gemüth und hin und wieder richtete sie einen unruhigen und rastlosen Blick auf Paul, der an der andern Ecke der Herdes auf einer Bank saß, eifrig beschäftigt, das Leben und die Abenteuer des berühmten Richard Turpin zu lesen. Die Bank, auf welcher der Knabe saß, war durch vielen Gebrauch ganz glatt und glänzend geworden, einige Stellen ausgenommen, wo ein kunstsinniger Müßiggänger oder sonst Jemand zu seiner Belustigung allerlei sonderbare Namen, Beinamen, Sprichwörter und sonstige Witze eingeschnitten hatte. Man hat gesagt, das Organ für das Schnitzeln in Holz werde vorzugsweise an den englischen Schädeln entdeckt, und der scharfsinnige Herr Crambe hat dieß Organ in den Hinterkopf verlegt, neben das für die Zerstörungslust, welches bei unsern Landsleuten eben so groß ist, wie man dieß an allen Geländern, Sitzen, Tempeln und sonstigen Gegenständen sehen kann, die andern Leuten gehören.

Der Feuerstätte gegenüber war ein großer tannener Tisch, an dem Dummie, genannt Dummaker, der Dame des Hauses zunächst sitzend, ruhig über einem Glas Holländerschnaps und Wasser hindämmerte. Weiter hin, an einem andern Tisch in der Ecke des Zimmers schmauchte ein Herr mit einer rothen Perüke, in abgetragenen Kleidern und Weißzeug, das aussah, als ob es in Saffran gekocht worden wäre, seine Pfeife, abgesondert, schweigend und offenbar in tiefes Nachdenken versunken. Dieser Herr war kein Anderer, als Herr Peter Mac Grawler, der Herausgeber einer prachtvollen periodischen Zeitschrift, das Asinäum betitelt, welche geschrieben wurde, um zu beweisen, daß was immer populär ist, schlecht seyn muß, eine schätzbare, tiefliegende Wahrheit, welche das Asinäum befriedigend dargethan, indem es drei Drucker zu Grunde gerichtet und einem Buchhändler den Hals gebrochen. Wir brauchen nicht beizusetzen, daß Herr Mac Grawler von Geburt ein Schotte war, da wir als allgemein bekannt voraussetzen, daß alle periodischen Schriften dieses Landes seit undenklichen Zeiten das Monopol der Herren von dem Lande der Kuchen gewesen sind; – wir wissen nicht, wie man es in Schottland mit dem Essen gemeldeter Kuchen hält; aber hier scheinen die guten Fremdlinge sie auf beiden Seiten sorgfältig mit Buttertaig belegt zu lieben. Zur Seite des Herausgebers stand ein großer zinnerner Deckelkrug; über ihm hieng eine Abbildung des »wundervoll fetten Ebers, früher dem Herrn Fattem Viehmäster angehörig.« Zu seiner Linken erhob sich das braune Gehäuse einer schmalen, stehenden Uhr mit eichenem Kasten; unter der Uhr waren ein Bratspieß und eine Büchse neben einander an die Wand angelehnt. Unter diesen Zwillings-Emblemen des Kriegs und der Kochkunst waren vier Ständer, Zinn- und Steingutplatten enthalten, und Centauren, artig in eine Art von Küchentisch auslaufend. Auf der andern Seite dieser häuslichen Bequemlichkeiten war ein Gemälde von Mrs. Lobkins, in einem Scharlachkleid mit Hut und Federn. Im Rücken der schönen Wirthin war die Decke ausgespannt, die schon früher erwähnt wurde. Die einförmige Fläche dieses kunstlosen Schutzmittels zu heben, waren verschiedene Balladen und gelehrte Legenden an der Decke angeheftet. Da konnte man in pathetischen und schmucklosen Versen lesen, wie