Paul Vier und die Schröders - Andreas Steinhöfel - E-Book

Paul Vier und die Schröders E-Book

Andreas Steinhöfel

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Beschreibung

Die »Neuen« sind da! Weil die Schröders alles andere als eine normale Familie sind, ist in der gediegenen Ulmenstraße bald die Hölle los. Denn fast jeden Tag sorgt eins der vier Schröder-Kinder für Ärger und Aufregung in der Nachbarschaft. Nur Paul Walser, genannt Paul Vier, mag die Schröders, vor allem Delphine mit den wunderschönen grünen Chromaugen. Aber auch er muss hilflos mitansehen, wie sich die Ereignisse dramatisch zuspitzen...

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Von Andreas Steinhöfel sind im Carlsen Verlag erschienen:Die Mitte der Welt Beschützer der Diebe David Tage Mona Nächte Der mechanische Prinz Defender Paul Vier und die Schröders Dirk und ich Es ist ein Elch entsprungen Froschmaul Geschichten Trügerische Stille O Patria Mia! Rico, Oskar und die Tieferschatten Rico, Oskar und das Herzgebreche CARLSEN Newsletter Tolle neue Lesetipps kostenlos per E-Mail!www.carlsen.de Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. Veröffentlicht im Carlsen Verlag Copyright © 1992, 2006, 2008 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg Umschlagbild: Regina Kehn Umschlaggestaltung: formlabor Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-646-92048-2 Alle Bücher im Internet unterwww.carlsen.de

Für Dirk und Björn

1. Kapitel

Ich weiß noch, es war ein Dienstag, ein Dienstag im Mai. Durch das hohe Verandafenster fielen Sonnenstrahlen auf die missratene Käsetorte und auf das komplette Bayerisch Blau-Service. Die Luft roch nach Tabakrauch und diversen Parfüms, nach frischem Kaffee und dem bevorstehenden Sommer.

»Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte!« Frau Heinsel schielte verlegen aus dem Sofa heraus auf die Torte, die so flach war wie eine unbelegte Pizza. Dann strich sie nervös über ihr grünes Kleid, in das sie eine Falte gebügelt hatte, wo keine hingehörte.

Der Rest der Runde schwieg teilnehmend. Mams eingeschlossen waren es fünf Kaffeetanten, die sich in unserem Wohnzimmer versammelt hatten. Sie hatten vieles gemeinsam. Abgesehen von einer Vorliebe für Käsekuchen fanden alle Robert Redford total sexy. Alle benutzten den gleichen Weichspüler und alle hatten denselben Friseur, Herrn Gatzer, der diese unglaublichen Dauerwellen fabrizierte. Außerdem waren sie alle mit Leib und Seele Hausfrauen.

Ich saß in einem der Polstersessel mit den hohen Lehnen und versuchte zu lesen. Niemand beachtete mich. Wenn mehr als drei Erwachsene sich in einem Raum aufhalten, gibt es anscheinend einen geheimen Mechanismus, der Kinder und Jugendliche für sie unsichtbar macht. Ich kannte das schon und es war mir nur recht. Auf diese Weise hatte ich in den letzten Wochen erfahren, dass Frau Döller schrumpelige Haut an den Oberschenkeln hatte – Orangenhaut nannte sie das – und dass Herr Markowski in letzter Zeit beim Essen tierisch rülpste. Das Klo zog er auch nicht mehr runter. Frau Tauchmann befand sich zum zweiten Mal – aber diesmal ganz sicher – in den Wechseljahren und ihr ältester Sohn wollte den Wehrdienst verweigern. Letzteres fanden die Kaffeetanten übereinstimmend schlimmer als das tierische Gerülpse von Herrn Markowski.

Frau Döller brach das Schweigen. Die Frau des Direktors der Städtischen Sparkasse schaufelte sich ein großes Stück Torte auf den Teller und sagte: »Meine Lieben, ihr werdet nicht glauben, was ich letzte Nacht gesehen habe!«

Frau Markowski beugte sich aus ihrem Sessel vor und eine schwere Bernsteinkette rutschte aus dem Ausschnitt ihrer Trachtenbluse. »Ich glaub’s dir, Mechthild«, sagte sie eifrig. »Also, was war es?«

Mams zwirbelte erwartungsvoll eine ihrer Locken um einen Zeigefinger. Frau Tauchmann hatte sich im Sofa zurückgelehnt und zupfte gespannt an ihrem linken Ohrring. Nur Frau Heinsel, die neben ihr saß, war immer noch nicht ganz bei der Sache. Sie schaute abwechselnd auf den Käsekuchen und die unerwünschte Bügelfalte und konnte sich offensichtlich nicht entscheiden, was von beidem schlimmer war.

»Also, meine Lieben«, sagte Frau Döller mit einem eleganten Wellenschlag ihres Doppelkinns, »ich darf euch mitteilen, dass letzte Nacht das Schröderhaus wieder bezogen worden ist.«

Das saß! Frau Döller war mit einem Schlag zum Star der Kaffeetafel aufgestiegen. Alle Augen hingen gebannt an ihren kirschrot geschminkten Lippen. Meine auch. Ich legte das Buch auf die Knie und wartete interessiert auf das, was jetzt kommen würde. Es interessierte mich wirklich.

Das Haus der Schröders stand direkt neben unserem eigenen. Es war etwas baufällig und unglaublich groß, riesig. Viel zu groß jedenfalls für die beiden alten Schwestern, die darin gewohnt hatten. Vor einem halben Jahr waren die Schröderschwestern gestorben, kurz nacheinander. Eine lange Rangelei um das Erbe hatte eingesetzt, die für Wochen das Gesprächsthema des Kaffeekränzchens gewesen war. Schließlich hatte eine entfernte Verwandte der Schwestern das Haus bekommen. Das wusste jeder, mehr aber auch nicht. Die geheimnisvolle Verwandte, eine Nichte zweiten Grades, war nie aufgetaucht. Bis jetzt.

»Erzähl!«, sagte Frau Heinsel. Bügelfalte und Kuchen waren vergessen.

»Wisst ihr, unsere Ursel hat doch diesen schlimmen Durchfall und ich konnte natürlich die ganze Nacht kaum schlafen«, begann Frau Döller.

Ursula von Hohenstetten war der dümmste Rassepudel, der jemals seine Haufen auf die Gehsteige der Ulmenstraße gesetzt hatte. Sie war ständig krank. Vor fünf Wochen war es noch die Frühlingsgrippe gewesen. Jetzt war es also Durchfall. Wahrscheinlich hatte Frau Döller sie wieder mit Gummibärchen gefüttert.

»Es war also gegen halb drei letzte Nacht«, fuhr Frau Döller fort, »als ich zufällig aus dem Fenster schaute, die Straße runter. Und da kommt dieser Wagen angefahren. Ziemlich schnell. So ein großer, vorne lang und hinten kurz, ohne Kofferraum. Ihr wisst schon, so einer, wo viele Leute reinpassen.«

»Ein Caravan«, vermutete Frau Markowski. Wenn er nicht gerade rülpste oder das Klo vernachlässigte, verkaufte ihr Mann Autos.

»Schon möglich«, sagte Frau Döller unwillig. Sie hasste es, unterbrochen zu werden. »Also, der Wagen – verbeult übrigens, sehr schmutzig – hält vor dem Schröderhaus. Alle Türen fliegen gleichzeitig auf und das Erste, was ich sehe, ist dieser Hund, der hinten rausspringt. Eine hässliche kleine Promenadenmischung, schwarz, mit Stummelschwanz.« Sie warf Mams einen mitleidigen Blick zu. »Er hat direkt an deinen Wacholder gepinkelt, Marianne.«

Mams zuckte gleichgültig die Achseln. Herr Döller hatte auch schon unseren Wacholder angepinkelt, als er irgendwann nachts ziemlich angeheitert auf dem Weg nach Hause gewesen war.

»Der Hund springt also auf die Straße und als Nächstes steigt diese Frau aus. Sie hatte den Wagen gefahren. Mitte dreißig, schätze ich. Lange dunkle Haare. Glatt.«

Das war wichtig. Schließlich hatten alle Kaffeetanten, Mams eingeschlossen, Herrn Gatzers unglaubliche Dauerwelle.

»Und dann fielen links und rechts die Kinder aus dem Auto. Nein wirklich! Sie fielen förmlich auf die Straße.«

Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, in der sie sich eine Zigarette anzündete. Sie wusste genau, wo sie ihre Erzählung unterbrechen musste, um die anderen Kaffeetanten auf die Palme zu bringen.

Schließlich hielt Frau Markowski es nicht mehr aus. »Und?«

»Und was?«

»Meine Güte, wie viele? Wie viele Kinder?«

Frau Döller blickte triumphierend in die Runde, wartete einen weiteren Moment und sagte dann: »Vier!« Sie strahlte, als hätte sie den ersten Preis im Zählen von eins bis zehn gewonnen.

»Vier Kinder!« Frau Tauchmanns Stimme überschlug sich. Mams und Frau Markowski schnappten gleichzeitig nach Luft. Frau Heinsel stand der Mund so weit offen, dass ich die Goldzähne zählen konnte, die ihr Mann, der Zahnarzt, ihr eingesetzt hatte. Frau Döller kippte, zufrieden mit dem Effekt ihres Berichts, einen Schluck Kaffee hinunter.

Das war nämlich so: Wer keine Kinder hatte oder nur eines, das hatte ich bei vorangegangenen Kaffeekränzchen gelernt, war entweder unfruchtbar oder geizig, im schlimmsten Fall sogar beides. Zwei Kinder zu haben war normal und der Durchschnitt im hinteren Teil der Ulmenstraße – und das war der Teil, der zählte. Tauchmanns waren die einzige Familie mit drei Kindern, zwei Söhnen und einer Tochter. Aber sie konnten es sich auch leisten – Herr Tauchmann war Bauunternehmer – und der Wehrdienstverweigerer zählte sowieso höchstens halb. Alles, was über diese Zahl hinausging, war unvorstellbar oder –

»Asozial«, stellte Frau Markowski sachlich fest.

Asozial war, nach Meinung der Kaffeetanten, in Bergwald praktisch jeder, der nicht in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft lebte.

»Die Kleinste muss fünf oder sechs Jahre alt sein, vielleicht war es auch ein Junge, so richtig konnte ich das auf die Entfernung nicht sehen. Die Älteste, na ja, ich schätze vierzehn, höchstens fünfzehn.«

Also ungefähr so alt wie ich.

»Jedenfalls stürmten sie dann in das Haus. Ein Wunder, dass sie mit dem Krach nicht die halbe Nachbarschaft geweckt haben.«

»Und der Mann?«, fragte Frau Heinsel.

»Kein Mann!«, sagte Frau Döller.

Das war der Hammer!

»Vielleicht kommt er nach.«

»Oder er ist gestorben.«

»Geschieden!«

»Vielleicht hat sie keinen«, schlug Mams vor. Sie hätte genauso gut sagen können, auf unserem Dachboden wohne seit gestern Robert Redford.

»Eine alleinstehende Frau mit vier Kindern? Marianne, ich bitte dich!«

Das kam von Frau Tauchmann. Ihr linkes Ohrläppchen hatte mittlerweile die Farbe von Frau Döllers Lippenstift angenommen.

»Was passierte dann?«, fragte Frau Markowski atemlos.

»Nichts weiter. Nach zehn Minuten ging das Licht im Haus aus. Ende der Geschichte. Das heißt, unsere Ursel hat dann doch noch in den Flur –«

»Danke«, sagte Mams, »das genügt.«

Frau Döller ließ sich nach hinten in ihren Sessel fallen und faltete zufrieden die Hände.

»Aber ich habe den ganzen Tag keinen Wagen oder Leute beim Schröderhaus gesehen«, sagte Frau Heinsel erstaunt.

Das war wirklich erstaunlich. Schließlich verbrachte sie einen Großteil ihrer Zeit damit, aus dem Küchenfenster zu glotzen, aus lauter Angst, etwas zu verpassen. Kein Wunder, dass dabei die Torten zusammenstürzten.

»Na ja, vielleicht sind sie ganz früh wieder abgehauen«, vermutete Frau Markowski.

»Wollen wir’s hoffen«, sagte Mams.

Ich liebte meine Mutter, aber manchmal war sie unmöglich. Ich verstand auch nicht, was sie von diesen blöden Weibern wollte, die seit Jahren eine Käsetorte nach der anderen in den Backofen schoben und ständig über andere Leute herzogen. Es passte einfach nicht zu ihr.

Ich vertiefte mich wieder in mein Buch. Den Rest des Nachmittags unterhielten sich die Kaffeetanten über alleinerziehende Mütter und kriminelle Kleinkinder. Und darüber, dass Kinder, die ohne Vater aufwachsen, auf jeden Fall psychisch gestört werden. Sehr witzig! Als ob Christian Döller keinen Vater hätte – und wer konnte bekloppter sein als ein Junge, der jeden Tag Salat aus frischen Regenwürmern aß?

2. Kapitel

Die Ulmenstraße lag unterhalb des Enzbergs. Irgendein verrückter Industrieller hatte dort um die Jahrhundertwende sein Haus mitten in die Pampa gebaut. Ein paar andere Verrückte, darunter mein Urgroßvater, waren ihm gefolgt. Alle herumstehenden Ulmen wurden abgeholzt, zwei Brücken wurden gebaut und so entstand die einzige Straße Bergwalds jenseits der Lahn, mit großen Vorgärten und noch größeren Häusern.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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