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Penelope soll den Sohn des reichen Nachbarbauern heiraten. So will es die Mutter, die dadurch ihre Existenz - und die der beiden Brüder - gesichert sieht. Unter keinen Umständen will Penelope dieses Schicksal annehmen. Sie verbündet sich mit ihrer inneren Stimme, die durch ihre Träume zu ihr spricht. Dadurch entrinnt sie einem fremdbestimmten Schicksal und verwirklicht stattdessen ihre geheimen Wünsche. Dank ihrem Mut zur Selbstbestimmung eröffnen sich am Ende allen Beteiligten neue Perspektiven.
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Seitenzahl: 82
Veröffentlichungsjahr: 2015
www.tredition.de
Pietro Del Campo
PenelopesTraum
Folge deiner inneren Stimme
www.tredition.de
© 2015 Pietro Del Campo
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7323-7105-1
Hardcover:
978-3-7323-7106-8
e-Book:
978-3-7323-7107-5
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Vergangenheit
Perlmuscheln
Die neue Welt
Wichtige Dinge
Veränderungen
Ein stürmisches Jahr
Keine frohe Botschaft
Der Traum
Die Wandlung
Das Gebet und der Wille
Die Tat
Zufällige Hilfe
Ungeduldiges Warten
Abschied
Der richtige Moment
Ehrliche Liebe
Papeete
Die Tränen der Götter
Salome
Die Tiefe
Nachrichten
Am See
Die Rückkehr
Vergangenheit
In ihrem kleinen Bauerndorf am See war die zehnjährige Penelope wohlbekannt. Jeder kannte ihr schmales, feines Gesicht, das von einer wilden und lockigen Haarpracht dunkel umrahmt wurde. Jeder hatte schon in ihre grossen, braunen Augen gesehen. Und jeder – ob Bäcker, Bauer oder Apotheker – winkte ihr zu, wenn sie in ihrem geflickten, stets zu gross wirkenden Rock und ohne Schuhe durchs Dorf spazierte.
Die Dorfbewohner winkten ihr nicht deshalb zu, weil sie so lieblich war oder dies im Dorf Brauch gewesen wäre. Die Menschen der Gegend waren zurückhaltend und misstrauisch. Sie winkten ihr auch nicht aus Respekt vor ihrer Familie zu, die aus dem Mädchen selbst, ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Brüdern bestand. Nein, sie winkten Penelope zu, weil das lebhafte Wesen selber jeden, der ihren Weg kreuzte, und blickte er auch noch so mürrisch drein, freudig grüsste. Ihr heiteres Lachen, bei dem die schneeweissen Zähne mit den leuchtenden Augen um die Wette strahlten, erwärmte auf eine besondere Art, der man sich kaum entziehen konnte, die Herzen der Menschen.
Die kleine Familie lebte in Armut und mit wenig Kontakt zu den anderen Dorfbewohnern auf einem heruntergekommenen Hof. Penelopes Mutter war den angesehenen Bürgern der Gegend suspekt. Man war sich im Dorf nicht sicher, ob ihr Mann abgehauen oder bei einem seiner frühmorgendlichen Angelausflüge im See ertrunken sei. Eines Tages war er einfach nicht mehr dagewesen.
Penelope war es egal, dass ihre Familie nicht mit Reichtum gesegnet war. Und was die Dorfbewohner über ihre Mutter dachten, kümmerte sie ebenso wenig. Sie nahm jeden Tag, wie er kam, half im Garten und fütterte die Hühner.
Einmal pro Woche packte die kleine Familie das Gemüse, einige Kräuter und die Eier auf einen kleinen Handwagen und zogen diesen zum Markt in die nicht allzu weit entfernte Stadt. Der Verkauf ihrer Erzeugnisse brachte allerdings wenig ein. Nur dank der Arbeit beim reichen Nachbarsbauern hatten sie genügend zu essen. Er besass Vieh und viele Kirschbäume, deren Früchte sie im Frühjahr pflücken und an der Strasse zur Stadt verkauften.
Der vermögende Nachbarsbauer war ein imponierender Mann, der grossen Wert darauf legte, als ehrbarer Bürger zu gelten. Er führte seinen stattlichen Hof mit Strenge und Stolz. Sah er einen Knecht herumstehen, trieb er ihn mit dem Stock zur Arbeit. War eine Magd nicht schnell genug mit der Wäsche oder glänzte die grosse Stube am frühen Morgen, wenn er seine Geschäftspapiere auf dem Tisch mit den geschwungenen Beinen ausbreitete, nicht blitzblank, schalt er sie mit lauter Stimme oder jagte sie gleich vom Hof.
Sogar die eigene Frau bekam öfters seine Härte zu spüren. Er behandelte die Mutter seines einzigen Sohnes, der ihm wenig recht machen konnte, wie eine Magd und liess sie, trotz seines grossen Reichtums, selbst am Sonntag in gewöhnlicher Kleidung umhergehen. Er hingegen trug während den sieben Tagen der heiligen Woche feinsten Zwirn und verkehrte nur in den angesehensten Kreisen.
Der reiche Bauer hatte Penelopes Vater gut gekannt. Als Kinder waren sie beste Freunde gewesen, hatten jede freie Minute zusammen verbracht und jeden Pfarrer zur Weissglut getrieben. Unzählige Nächte waren sie zusammen herumgestreunt und hatten jugendlichen Unsinn angestellt. Am liebsten aber waren sie angeln am nahen See – die Ruten in den weichen Sand gesteckt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, den Blick verträumt auf die dahinziehenden Wolken gerichtet.
Eines Tages aber hatten sich Penelopes Vater und ihre Mutter unsterblich ineinander verliebt. Besonders ihr Vater war von den Gefühlen für die junge Schönheit überwältigt gewesen. Während Wochen hatte er nur dieses sinnliche Wesen im Sinn gehabt. Die ganzen Tage war er auf Wolken geschwebt. Und voll überschwänglicher Empfindungen hatte er seinem besten Freund erzählt, dass sie sich die Ehe versprochen hätten.
Der damals junge Bauer hatte ebenfalls ein Auge auf die Wunderschöne geworfen und sich nicht minder als Penelopes Vater in die Frau verliebt. Aber alle seine Versuche, Penelopes Mutter für sich zu gewinnen, waren fehlgeschlagen. Trotz seiner Abstammung aus reichem Haus und der Aussicht auf eine grosse Erbschaft, die Wohlstand und Sicherheit bedeutet hätte, hatte sich Penelopes Mutter für den anderen entschieden. Daran war die Freundschaft zwischen Penelopes Vater und dem reichen Bauerssohn zerbrochen. Beide waren ihrer Wege gegangen, ohne je wieder miteinander zu sprechen.
Penelopes Vater hatte einen kleinen Hof erworben und Tag und Nacht gearbeitet, um die Schulden zu bezahlen, die er deswegen angehäuft hatte. Der Nachbarsbauer hingegen hatte geduldig und in aller Ruhe gewartet, bis sein Vater starb und dann als Ältester die Geschäfte übernommen. Er hatte sich nichts anderes für sein Leben ausgemalt und war zufrieden. Nur seine Frau, die er schon kurz nach der Heirat schlecht zu behandeln begann, spürte die Unzufriedenheit und den Stachel der Eifersucht, der tief im Herzen des Bauern steckte.
Penelope erinnerte sich kaum mehr an den Vater, ihre jüngeren Brüder hatten überhaupt keine Erinnerung an ihn, und die Mutter sprach nie von ihm. Einzig ihre traurigen Augen, wenn die Rede doch irgendwann auf ihren unsichtbaren Mann kam, vermittelten Penelope ein beklemmendes Bild des Vaters. Ihr Vater sei fortgegangen, um ein besseres Leben zu finden, hatte die Mutter ihr einmal erzählt.
Penelopes Mutter war nicht wütend auf den Vater ihrer Kinder. Sie hatte ihn geliebt. Und er hatte sie geliebt. Sie war enttäuscht. Sie hatten einander versprochen, gemeinsam durchs Leben zu gehen, einen Weg aus der Armut zu finden und ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen. Mit leuchtenden Augen hatte er ihr versprochen, alles zu geben, um das schier Unmögliche zu schaffen. Dafür hatte er von früh bis spät gearbeitet. Er hatte sogar auf seinen Lebenstraum verzichtet, ein Leben auf dem fernen Meer zu führen, um Frau und Kinder nicht so lange Zeit alleine zu lassen – auch wenn die Arbeit auf See Geld und ein schuldenfreies Leben bedeutet hätte.
Penelopes Mutter war froh gewesen über diesen Entscheid. Sie hatte sich vor den vielen Monaten der Einsamkeit als Matrosenbraut gefürchtet. Und sie hatte seit jeher Angst vor dem Wasser. Zudem hatte sie befürchtet, ihm könnte auf See ein Unglück geschehen.
Aber in jenen harten Zeiten hatte es kaum Möglichkeiten gegeben, die Lebensumstände zu verbessern, und die Liebe zwischen Penelopes Vater und ihrer Mutter hatte sich verändert. Der Hof hatte wenig eingebracht, und die Schulden hatten schwer gelastet. Das Zusammensein in ihrer Liebe hatte bald nicht mehr ausgereicht, um sie glücklich zu machen. Die Kinder aufwachsen zu sehen und mit sich selbst zufrieden zu sein, war bald schon nicht mehr Ziel ihrer Träume gewesen. Davon hatten sie kein Brot kaufen und keine Schulden abbezahlen können.
In der Not hatte der Vater mit sich und seiner Entscheidung, nicht zur See zu fahren, gehadert. Das Matrosenleben wäre hart gewesen und hätte ihn von seinen Liebsten getrennt – aber es wäre lukrativ gewesen und hätte seiner Familie ein gutes Auskommen beschert.
Die Mutter hingegen hatte in dunklen Momenten bedauert, nicht den reichen Nachbarsbauern geheiratet zu haben, als dieser sie gewollt hatte. Sie liebte ihn wohl nicht, doch der Spatz in der Hand hätte mehr gebracht als die Taube auf dem Dach.
Bei seinem Wegzug hatte Penelopes Vater die Familie in jener Hoffnung verlassen, die alle Menschen kennen: der Hoffnung, dass alles gut wird, egal wie es kommt. Er hatte gewusst, dass er in diesem Leben keinen Besitz sein eigen würde nennen können und nichts zu verlieren hatte. Doch von dem Moment an, als er sich dazu entschlossen hatte, seine Lieben zu verlassen, hatte er auch erkannt, dass ihm für immer fehlen würde, was ihm geschenkt worden war: seine Frau und seine Kinder.
Perlmuscheln
Penelope liebte den See und das klare Wasser darin. Stundenlang ging sie am Ufer entlang und sammelte angespülte Muscheln. Muscheln faszinierten sie. Sie staunte über die perfekten Formen dieser Weichtiere. Manchmal glichen sie einander wie ein Ei dem anderen und waren nur durch die unterschiedliche Grösse auseinanderzuhalten. Manchmal waren sie scharf wie Rasiermesser und schnitten tief in die weisse, vom Wasser durchweichte Haut ein. Penelope hatte vom Lehrer erfahren, dass in den zweischaligen Gehäusen der Muscheln ein Tier lebte, das weder sprechen noch laufen konnte. Trotzdem verteilte sich dieses Wesen im ganzen See. Es wanderte mit der Strömung, aber auch gegen den Fluss. In jedem kleinen Bach, überhaupt in jedem Gewässer, selbst im kleinsten Teich konnte man Muscheln finden.
Und im Meer gebe es tausende Muschelarten in allen erdenklichen Farben und Formen. Das hatte Penelope auf dem Markt gehört, als zwei schnatternde Frauen in teuren Kleidern neben Penelopes Gemüsekarren standen. Eine der beiden Damen trug eine wundervolle Halskette aus blaugrün schimmernden Muscheln, die wie kleine Schnecken aussahen. Stolz zeigte sie ihrer Freundin die Kette und streichelte dabei fast zärtlich über das glänzend polierte Material, während sie von den Kleinoden des Meeres – den Muscheln – erzählte.
«Es gibt Muscheln, die sind so schön, dass sie die Schönsten der Schönen in grossen Städten wie Paris oder in der neuen Welt schmücken.»
Die Frau mit der wundervollen Kette erzählte wie ein Wasserfall – zu Penelopes grosser Freude. Das Thema interessierte sie über alle Massen. Die andere Frau hingegen lauschte nur scheinbar interessiert den Ausführungen.