Perry Rhodan 151: Sternenfieber (Silberband) - Peter Griese - E-Book

Perry Rhodan 151: Sternenfieber (Silberband) E-Book

Peter Griese

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Beschreibung

Millionen von Menschen sind vom Sternenfieber ergriffen worden. Mit ihren Raumschiffen streben die Vironauten hinaus ins All – sie träumen davon, die Wunder des Universums kennenzulernen. Ihr wichtigstes Ziel sind die Galaxien der Mächtigkeitsballung Estartu, wohin man sie eingeladen hat.   Perry Rhodan folgt währenddessen einer kosmischen Aufgabe. Mit der BASIS, dem größten Raumschiff der Menschheit, sucht er nach EDEN II. Auf dieser Welt der Superintelligenz ES will er Informationen und Machtmittel an sich bringen.   Doch dann gerät Rhodan in die Gewalt des Herrn der Elemente. Dieser unerbittliche Gegner der Menschen hat zuletzt Krieg und Unruhe in die Milchstraße getragen. Nun zieht er mit Rhodan zur Erde – dort wartet Stalker auf sie, der geheimnisvolle Gesandte aus Estartu ...

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Nr. 151

Sternenfieber

Cover

Klappentext

Kapitel 1-10

1. Nur eine Pflanze?

2. Reginald Bull

3. Vathin

4. Der Elfahder

5. Besucher

6. Krieger Bull

7. Gefangen

8. Vor der Schlacht

9. Sieger und Besiegte

10. Flug nach EDEN II

Kapitel 11-20

11. Neu-Moragan-Pordh

12. Fornax

13. Paratau

14. Am Ziel

15. Die V'Aupertir

16. Shrou

17. Artefakte

18. Herr der Elemente

19. Entscheidung

20. Zwei Bewusstseine

Kapitel 21-27

21. Störungen?

22. Devolution

23. Zeitflecken und Raumschimmel

24. Der Pakt

25. Sheela

26. Upanishad

27. Rückkehr

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Millionen von Menschen sind vom Sternenfieber ergriffen worden. Mit ihren Raumschiffen streben die Vironauten hinaus ins All – sie träumen davon, die Wunder des Universums kennenzulernen. Ihr wichtigstes Ziel sind die Galaxien der Mächtigkeitsballung Estartu, wohin man sie eingeladen hat.

Perry Rhodan folgt währenddessen einer kosmischen Aufgabe. Mit der BASIS, dem größten Raumschiff der Menschheit, sucht er nach EDEN II. Auf dieser Welt der Superintelligenz ES will er Informationen und Machtmittel an sich bringen.

1. Nur eine Pflanze?

Die kleine Virenschaukel schwebte auf ihrem Antigravfeld neben dem Schott in die Höhe, bis Jizi Huzzel den Öffnungssensor berühren konnte. Die Siganesin war leicht verärgert, weil ihr terranischer Freund den Eingang nicht selbst öffnete. Er hätte ihr damit die für ihre geringe Körpergröße mühsame Prozedur ersparen können. Trotzdem unterdrückte sie ihren Groll. Der Lange, wie sie Rainer Deike zu nennen pflegte, bereitete wohl die angekündigte Überraschung vor. Schließlich war heute ihr 800. Geburtstag.

Das Virenkonglomerat, das ein gängiges Schiffsschott nachbildete, floss nach allen Seiten auseinander und gab den Weg frei. Jizi stoppte per Gedankensteuerung ihre Virenschaukel, denn dicht vor ihr stand der Terraner.

»Willkommen an Bord der ACHTERDECK!« Rainer Deike lachte. »Ich freue mich, dass du wieder da bist.« Er grabschte nach der Schaukel, die auf seiner flachen Hand Platz fand, und zog sie vor sein Gesicht.

»Schäm dich«, seufzte Jizi, weil ihr Freund wieder nur den alten blauen Bademantel und seine Schlappen trug. »Anlässlich deiner Rückkehr und meines Geburtstags hättest du dich passender kleiden können.«

Deike winkte ab. Er genoss die Zwanglosigkeit, die in fast allen Virenschiffen im Pulk um Reginald Bulls EXPLORER vorherrschte. »Sei froh, kleine Hexe, dass ich deinen Geburtstag nicht vergessen habe«, feixte er. »Sieh dir an, welches Geschenk ich für dich aufgetrieben habe.« Er drehte sich um und ging voraus.

Die ACHTERDECK gehörte zu den kleinsten Virenschiffen, die sich dem Segment-1, der EXPLORER, angeschlossen hatten. Sie maß maximal 100 Meter und hatte etwa die Form einer Pyramide, deren obere Hälfte fehlte und deren Kanten abgeschliffen waren. Mit einer Schmalseite hing Seg-1234, so die offizielle Bezeichnung der ACHTERDECK, an zwei weiteren Virenschiffen. Über eine dieser Verbindungen war Jizi Huzzel gekommen, nachdem sie von Deikes Rückkunft erfahren hatte.

Der junge terranische Biologe hatte darauf bestanden, den Ausflug ohne seine kleine Begleiterin zu absolvieren. Jizi, ebenfalls Biologin und zudem Positronikexpertin, hatte erst eingewilligt, als er den Grund für dieses Verhalten genannt hatte. Deike wollte seine Gefährtin mit einem besonderen Geburtstagsgeschenk überraschen.

Nun schwebten beide in einem Antigravschacht in die obere Region der ACHTERDECK, wo Deikes Labor und ihre Unterkünfte lagen. Endlich begrüßte auch das Schiff die Siganesin. Nicht mit der wohlklingenden Stimme Vishnas, sondern bärbeißig wie ein historischer Seemann. Deike und seine Gefährten – alle Wissenschaftler und Mitglieder eines Clubs für historische Seeschifffahrt – hatten beim Heranwachsen der ACHTERDECK aus einer Virenwolke auf diesem Detail bestanden. Sie nannten das Schiff auch nicht Vi, wie andere Vironauten das taten, sondern Käpt'n.

»Öffne bitte, Käpt'n«, sagte Deike, als Jizi und er den Wohnraum erreichten.

Die Siganesin seufzte zufrieden. Sie lenkte ihre Virenschaukel nur mit Gedankenkraft. Das schüsselförmige Gerät war eine auf sie abgestimmte Antigravplattform.

Deike zeigte auf den offenen Durchgang zum Nebenraum. Er lächelte verheißungsvoll. Jizi landete ihre Virenschaukel unter dem dekorativen alten Schiffsruder und sprang auf den Boden. Dass sie 20 Schritte machen musste, während Deike nur einen tat, störte sie nicht.

»Du machst es richtig spannend, Langer!«, rief sie über ihren Sprachverstärker.

Im nächsten Moment schrie sie auf und blieb verblüfft stehen. »Die Comanzatara!« Jizis Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Es gibt sie tatsächlich, und du hast sie gefunden! Das ist phantastisch. Du wirst in die Annalen der Bioforschung eingehen.«

»Halb so schlimm.« Deike hob die nur 18 Zentimeter messende Frau vorsichtig in die Höhe. »Obwohl ich sie gefunden habe, gehört sie nicht mir. Herzlichen Geburtstag zum Geburtstag, meine Kleine! Die Comanzatara ist dein Geschenk.«

»Das kann ich nicht annehmen, Rainer!« Ausnahmsweise benutzte sie den richtigen Namen ihres großen Freundes.

»Doch! Du kannst. Allerdings hätte ich nichts dagegen, wenn du mich an den Forschungsarbeiten beteiligen würdest.«

Sie sprang aus seiner Hand auf seine Schulter und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

»Erzähl mir, wie du Comanzatara gefunden hast«, bat sie. »Ich muss alles genau wissen.«

»Und du berichtest, was sich hier ereignet hat, während ich weg war.«

»Das ist zweitrangig ...«

Neun Männer und neun Frauen, das war die Mannschaft der ACHTERDECK. Oder anders ausgedrückt: sieben Paare und vier Singles. Rainer Deike und Jizi Huzzel waren zweifellos das merkwürdigste der Paare. Sie kannten einander seit Jahren, und immer schon hatten sie ihrer Arbeit weit draußen im Weltraum nachgehen wollen. Alle an Bord der ACHTERDECK verbanden Fernweh und Forschungsdrang. Nur ein Mann hatte letztlich einen Rückzieher gemacht und sich einer anderen Gruppe von Vironauten angeschlossen.

Das Schiff bestand deshalb aus zwölf Sektoren, von denen einer nicht bewohnt war. Jeder Sektor hatte einen Wohn-und-Laborbereich, der nach den Wünschen der Nutzer gestaltet worden war. Nur in Deikes Abschnitt existierte überhaupt so etwas wie eine Kommandozentrale, wenngleich diese völlig anders aussah als der Standard auf galaktischen Raumschiffen. Abgesehen von zwei Sitzmöbeln und einem kleinen Tisch war dieser Raum leer. Gesteuert wurde das Virenschiff ohnehin nur über mündliche Anweisungen. Der Unterschied zwischen der Zentrale und allen anderen Räumen bestand lediglich darin, dass Käpt'n hier umfangreichere Möglichkeiten der Kommunikation und bildlichen Darstellung zur Verfügung standen.

Eine weitere Besonderheit an Bord stellte Sektor 2 dar, denn dort lebten zwei Maahks in der Abgeschlossenheit ihrer Methanatmosphäre. Sie hießen Grek-98 und Grek-99 und waren als Berater an einer terranischen Universität tätig gewesen. Beide hatte nach der Aktivierung des Chronofossils Terra ebenso das Fernweh ergriffen wie viele andere Nichtterraner. Das Virenschiff hatte ihnen eine Umgebung geschaffen, die ihrem Metabolismus als »Giftgasatmer« in jeder Hinsicht entsprach. Dazu gehörten nicht zuletzt Schutzanzüge, die es den Maahks erlaubten, sich jederzeit außerhalb ihrer Unterkunft zu bewegen.

Die Ereignisse rund um Reginald Bulls EXPLORER interessierten die Besatzung der ACHTERDECK kaum. Dreimal seit dem Aufbruch aus dem Solsystem hatte das Segment 1234 abgekoppelt. Die Forscher waren dabei ihren eigenen Weg gegangen, aber stets rechtzeitig zurückgekehrt, weil sie sich ohne den Pulk einsam fühlten. Die Nähe aller anderen Virenschiffe vermittelte eben ein Gefühl der Sicherheit.

Deike hatte mit seinen Begleitern darauf verzichtet, an den Exkursionen nach Gyhdai teilzunehmen. Die biologisch tote Welt interessierte ihn und die anderen nicht; sie hatten ein eigenes Ziel gesucht – und waren fündig geworden: ein Planet nur mit pflanzlichem Leben, ohne Fauna. Schon das war ein grandioser Erfolg.

Darüber hinaus hatte Jizi Huzzel eine verfallene Hütte entdeckt, die bewies, dass vor nicht zu langer Zeit raumfahrende Intelligenzen gelandet sein mussten. Die Ausbeute in der Hütte schien zunächst bedeutungslos zu sein: ein Stück Draht, mehr nicht.

Erst an Bord der ACHTERDECK, nachdem Käpt'n alle mitgebrachten Proben als unbedenklich eingestuft hatte, war deutlich geworden, dass der winzige Draht Informationen in Form magnetisch gepolter Segmente enthielt.

Der Draht war unvollständig. Doch schon das kleine Stück erwies sich für Deike und die Siganesin brisanter als eine Arkonbombe.

... du eine gute Tat tun willst, Fremde, die du dies liest. Das All ist voll mit Wundern, die zu sehen sich lohnt. Zugleich gibt es beherrschende Kräfte, die du meiden sollst. Und tödliche Gefahren, die du erkennen musst. Da sind farbenprächtige Sterne, deren Planeten Leben geboren haben, das du bestaunen wirst. Und dunkle Schlünde, durch die du gehen kannst, falls du das Leben nicht liebst. Es gibt die Sünde, der du dich schuldig machst, wenn du eine Pflanze zertrittst. Es gibt den Schein der Morgenröte, den du vergessen wirst, wenn dein Abend naht. Da ist das Wunder der Unsterblichkeit des Kosmos, das du erahnen kannst ...

Zahlen und Binärcodes... Womöglich Koordinaten?

Das All lebt. Auch die Zonen zwischen den Sternen leben. Nichts ist tot. Alles ist in Bewegung. Das eine schnell, das andere langsam, manches scheinbar ruhend. Deine kümmerlichen Sinne können diese Bewegung oft nicht erfassen. Sie sind zu stumpf. Oder besitzt du die Gabe, Comanzatara zu verstehen? Wohl kaum ...

Wieder geheimnisvolle Bits, ein rhythmisches Muster, vielleicht eine Art von Begleitmusik? Der Umsetzversuch Käpt'ns in eine Melodie stimmte Rainer Deike und Jizi Huzzel so traurig, dass sie diese Passage nie wieder hören wollten.

... es gibt sie: Comanzatara. Wenn du ihr begegnest, solltest du ihr beistehen. Sie braucht Hilfe. Sie ist nichts, wenn du sie mit den Wundern des Kosmos vergleichst, trotzdem ist sie schön. Ihre Pracht wird dich so faszinieren, dass du ihr eigentliches Problem übersiehst. Und niemand wird es dir nennen. Du kannst Comanzatara nur helfen, wenn du ihre Ewige Frage selbst findest – und die Antwort darauf ebenfalls. Das mag für dich, Fremde, geheimnisvoll klingen. Ich sage dir, dass es nicht geheimnisvoll ist. Es ist das Leben – das größte Wunder, das unser All aus sich heraus geboren hat. Wir alle verstehen nicht, was sich hinter diesem grandiosen Schöpfungsakt verbirgt, vor dem wir uns mit tiefer Ehrfurcht verneigen und rufen: »Das wollen wir erhalten!« Falls du das nicht glaubst, hör auf, diese Nachricht zu lesen, denn dann kannst du Comanzatara nicht helfen ...

Erneut folgten unverständliche Zeichen und Symbole, aus denen nur ein verständliches Wort erkennbar wurde: Ciclaun. Es klang wie ein Name. Alles andere in diesem winzigen Abschnitt des Drahtes blieb wirr und unverständlich.

... sage dir, wie du Comanzatara erkennst. Ihre wichtigste Eigenschaft ist ihre scheinbare Einmaligkeit. Ich sage dir, Leserin dieser Botschaft, sie ist einmalig! Aber wenn du sie fragen würdest und sie dir antworten könnte, würde ihre Antwort anders lauten. Sie ist eine Frau. Eine Pflanze, ein Geschöpf des Bodens, mit dem und aus dem sie lebt. Sie ist unstet und schön. Wunderschön! Lass dich davon nicht täuschen, denn ihre prächtige Ausstrahlung schadet ihr und verhindert, dass du erkennst, was sie wirklich ist. Sie ist permanent wie die Bewegungen der Sterneninseln. Sie ist lebendig wie jedes Atom, das den Weltraum zu dem macht, was er ist. Sie ist schön und XXX. Ich habe dieses Wort nachträglich gelöscht, Fremde, die du dies liest. Wenn es weiterhin an dieser Stelle stünde, hätte ich den ersten Schritt, den du vollziehen sollst, schon in ein Stolpern verwandelt. Hab also Verständnis für meine Vorsicht, denn nur wahre und ehrliche Hilfe kann Comanzatara nützen. Und wisse, dass ihr Nutzen für dich Hilfe bedeutet. Ein Blatt wäscht das andere! ... andere ...

»Eine Pflanze!« Jizi Huzzel hatte an dieser Stelle in die Hände geklatscht und dabei versehentlich die Verstärkung ihres Sprechgeräts so übersteuert, dass Deike sich stöhnend die Ohren zuhielt.

Ciclaun, Perpetim, Sans-Cror, Alvaandoree, Manludum, Vilyandoc – Orte des Versagens für Comanzatara! Flecken, die Hoffnungslosigkeit schürten. Wisse, unbekannte Leserin dieser Informationen, Comanzatara gibt nie auf! Die Hoffnungslosigkeit ist nur scheinbar und wird niemals von ihr Besitz ergreifen, denn das ewig Weibliche versiegt nicht. Es XXX ... Es tut mir leid, ich musste aus den schon genannten Gründen auch dieses Wort löschen. Comanzataras Chancen, an die ich nicht glaube – aber das sage ich ihr nicht –, würden sonst nur schwinden, vergehen ...

Eine rasche Folge von Positiv- und Negativbits schloss an. Sie waren unmelodisch, unmathematisch, trotzdem systematisch. Ihre Bedeutung blieb unklar.

... du Comanzatara finden willst, wird es dir gelingen, denn sie will dich ebenfalls finden. Sie braucht dich, aber du brauchst sie nicht. Das sind die Fakten. Was kümmert dich eine Pflanze, die etwas XXX ... Nun ja, du weißt schon. Ich musste auch das löschen. Wenn du die Grazie des Kosmos sehen willst, dann suche Comanzatara. Sie ist nichts Besonderes, doch sie ist schön. Dabei beschäftigt sie etwas anderes. Du weißt schon: XXX ...

»Das ist mir zu hoch!«, hatte Deike seufzend zugegeben.

... ist nicht groß. Vielleicht etwas größer als die Gräser, die auf den unendlich vielen Welten wachsen. Ihr Körper ist geschwungen und purpurrot. Die Wurzeln sind zart und klein, zugleich sehr hart. Der Stamm strahlt eine Harmonie aus, die den Betrachter fasziniert. Vier dunkelgrüne Blätter zieren ihren Körper. Diese Blätter und der Stamm zeigen Comanzataras Weiblichkeit. Wer ihren Charakter kennenlernt, sieht das sehr deutlich und versteht ihre XXX. Du wirst das ebenfalls verstehen, unbekannte Leserin dieser Informationen. Der Kopf ist die Knospe. Prall, strahlend, in tausend Farben im Wechselspiel. Feine Fühler. Blitzende Enden. Tastende und XXX Sinne. Schweigen. Kein Selbstmitleid. Kein Jammern. Wenn du die Blüte siehst, und ich nehme an, dass du Comanzatara finden wirst, wird sie in weichem Blau strahlen. Sobald du Comanzatara verstehst, wird sie diesen Blauton verschwinden lassen und glutrot leuchten ...

Einmal mehr folgten unübersetzbare Zeichen.

... dir diese Beschreibung? Falls nicht, mach dir deshalb keine Gedanken, Fremde. Wenn du mich suchen willst, wirst du mich finden. Und damit gebe ich preis, dass ich selbst Comanzatara bin – diese Worte stammen von mir. Der Verstorbene hat mir geholfen, die Aufzeichnung herzustellen. Ich weiß nicht, ob sie gelungen ist. Und ich habe Zweifel daran, dass sie überhaupt jemand finden wird. Aber, wie gesagt: Comanzatara gibt die Hoffnung nie auf! Man muss seine Spuren hinterlassen, um seine Chancen zu wahren ...

Eine Pause.

Schließlich folgte eine bildliche Darstellung. Käpt'n konnte auch diese Umsetzung erstellen.

Deike und die Siganesin sahen Comanzatara.

In ihrer Selbstdarstellung hatte die Pflanze extrem untertrieben. Das Bild allein war schon eine Pracht.

Der Magnetdraht endete an dieser Stelle.

»Sag mir endlich, wie du Comanzatara gefunden hast!«, flehte Jizi Huzzel.

»Korks«, antwortete Deike lapidar, als wollte er Jizi quälen. Allerdings redete er sofort weiter: »Korks nannten wir unseren Professor, der sich nun als Abenteurer und Schiffskommandant austobt. Er konnte einen Teil der unverständlichen Bytes entschlüsseln. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich dir ein Geschenk präsentieren wollte, das jedes andere aussticht. Die Bytes bezeichneten Koordinaten. Deshalb fand ich Comanzatara, hatte aber verdammt viel Glück dabei. Oder sie wollte es so.«

Jizi Huzzel starrte in den Nebenraum. Die knapp einen Meter große Pflanze ruhte in einer Schale. Ihre Knospe strahlte in gleichmäßigem Blau.

»Es handelt sich nur um eine Pflanze«, sagte Deike. »Keine verborgene Intelligenz, keine Möglichkeit, sich irgendwie mitzuteilen. Nichts. Ich habe dir die Comanzatara geschenkt, weil du Pflanzen ebenso liebst wie ich. Sie ist in der Tat wunderschön. Sogar faszinierend. Vor allem konnte ich nur diese eine finden. Insofern hat der Magnetdraht recht, sie ist einmalig. Wenn du dich an ihrem Anblick begeisterst, dann freue ich mich ebenfalls.«

»Du hast wirklich den ganzen Planeten abgesucht und nichts entdeckt, was Comanzatara gleicht?«, fragte Jizi.

Rainer Deike nickte stumm.

»Ciclaun, Perpetim, Sans-Cror ... Was bedeuten diese Namen?«, bohrte die Siganesin weiter.

Der Terraner schüttelte stumm den Kopf. Die Comanzatara reckte in dem Moment ihre oberen Blätter in die Höhe. Die Knospe an der Spitze des Stamms wurde grau.

»Ich zeig dir was«, sagte der Terraner. »Käpt'n!«, rief er im gleichen Atemzug. »Mach das Licht aus!«

Es wurde dunkel.

Comanzatara leuchtete. Der Stamm strahlte in sanftem Purpurton, und die Knospe lockte die beiden Betrachter mit einem Wechselspiel von Farbnuancen. Ihr heller Schimmer warf anheimelnde Schatten.

Jizi erschien es, als ob sich die Pflanze sanft wiegte. In ihren Umrissen lag eine tiefe, wenn auch schwer verständliche Harmonie ...

... und Trauer.

»Ich werde dir helfen!«, sagte Jizi Huzzel leise.

Comanzatara leuchtete eine Nuance heller.

»Ich war nur sieben Tage fort«, resümierte Rainer Deike wenig später. »Bully hat in der Zeit offensichtlich alles auf den Kopf gestellt. Was ist hier bei euch eigentlich los?«

Jizi schüttelte den Kopf. »Bevor wir darüber reden, will ich mehr über die Analyse deines Professors hören. Konnte er alle unklaren Stellen des Magnetdrahts entziffern?«

»Erst einmal die Koordinaten dieses einen Sonnensystems, in dem ich Comanzatara fand«, antwortete Deike. »Die Namen Ciclaun, Perpetim und so weiter benennen vermutlich Planeten, die Comanzatara ebenfalls besucht hat. Die Pflanze scheint nicht intelligent zu sein, aber wenn ich mir vor Augen führe, was auf dem Draht wiederholt angedeutet wurde ...« Deike massierte sich den Nacken; es wirkte ein wenig hilflos. »Der Professor konnte die Position einer weiteren Welt identifizieren: Ciclaun. Die Daten sind Käpt'n inzwischen bekannt.«

»Wunderbar«, freute sich die Siganesin. »Wir haben also einen Ansatzpunkt, der uns helfen könnte, das Geheimnis zu lüften. Ich schlage vor, wir koppeln die ACHTERDECK ab und suchen Ciclaun. Die anderen werden wohl nichts einzuwenden haben.«

»Ich befürchte, dass wir trotz allem einem Phantom hinterherrennen. Womöglich hat sich jemand nur einen üblen Scherz erlaubt.«

»Selbst wenn, wäre das nicht schlimm«, widersprach Jizi. »Wir klären die Sache, Punktum. Einverstanden?«

Rainer Deike wiegte den Kopf. »Eines irritiert mich: Die Stimme auf dem Draht ging davon aus, dass die Person, die ihre Nachricht hört, ebenfalls weiblich ist. Wie will sie das im Voraus gewusst haben?«

Jizi zuckte mit den Schultern. »Es könnte daran liegen, dass Comanzatara sich selbst als weiblich versteht.«

»Korks hat das ebenfalls vermutet. Und daraus geschlossen, was Comanzatara nicht ausdrücken konnte oder wollte.«

»Heraus mit der Sprache, Langer!«

»Sie sucht etwas.«

»Und? Was?«

»Ein männliches Exemplar. Erinnere dich, dass sie Zweifel äußerte, ob sie einmalig sei oder nicht.«

»Wenn das stimmt, ist Comanzatara wohl das einsamste Wesen hier in Erendyra.«

»Sie ist eine Pflanze«, stellte Deike richtig. Es klang eher hilflos, schon gar nicht überzeugend.

Da die Siganesin schwieg, wechselte er das Thema: »Was plant Reginald Bull?«

»Wir werden ein Sonnensystem anfliegen, in dem es fünf Elysische Ringe geben soll. So recht scheint Bully aber selbst nicht zu wissen, was ihn dort erwartet.«

Deike winkte ab.

»Die verwüstete Welt war wohl nicht so ganz tot«, redete Jizi weiter. »Bully stieß auf ein seltsames Wesen namens Cruhl. Es bezeichnete sich selbst als Elfahder – ein Name, ein Begriff, keine Ahnung. Mehr scheint nicht bekannt zu sein, denn Cruhl sprengte sich selbst in die Luft. Frag mich nicht, warum, Langer, ich weiß es nicht. Es genügt, wenn Bully sich darum kümmert.«

Deike grinste breit. »Du bist und bleibst eine kleine Hexe«, seufzte er, rief nach Käpt'n und bat um eine Verbindung zu allen Sektoren der ACHTERDECK.

Keiner an Bord hatte einen Einwand gegen ein erneutes Abkoppeln. Das Ziel, Ciclaun, lag ohnehin nur 28 Lichtjahre entfernt.

Sofort nach dem Rückruf meldete sich Deike bei Seg-1 ab, der eigentlichen EXPLORER. Eine reine Formalität.

»Ich wünsche euch viel Spaß am neuen Ziel«, scherzte er. »Hat es schon einen Namen?«

»Die Sonne bezeichnen wir als Virgo-Tor«, antwortete die sanfte Stimme aus Bulls Schiff. »Und den Planeten nennen wir Eremit, weil er als einziger die Sonne umkreist.«

Deike wandte sich wieder an die Seele des Schiffes: »Abkoppeln, und Kurs auf Ciclaun!«

»Aye, aye, Sir!«, erwiderte Käpt'n.

Vathin bekleidete die Funktion eines Oberwächters. Das bedeutete, dass er jeweils elf Tage in der Außenstation seiner eigentlichen Aufgabe nachgehen musste und anschließend drei freie Tage hatte, die er auf Ciclaun verbringen durfte. Der Cloreone war ein Einzelgänger, der in seiner Mission aufging. Oft hatte er seine freien Tage schon in der Station verbracht, weil ihn nichts auf seine Heimatwelt zog. Alle Vorgesetzten rechneten ihm dies hoch an, zumal sein Eifer mithalf, die Anzahl der Kurierflüge zwischen den Außenstationen und der Mutterwelt gering zu halten.

Der Tag X kam näher. Admiral Tarcicar hielt fast täglich eine flammende Rede auf sämtlichen Kanälen. Die Schlagworte darin wiederholten sich regelmäßig: der Krieger Kalmer; die Letzte Schlacht; die Bewährungsprobe. Vathin kannte viele dieser Reden auswendig, denn sie wurden immer wieder gesendet. Er verfolgte den Aufmarsch der Flotten, die sich nahe bei Ciclaun sammelten. 2500 Schiffe waren schon da, 3000 sollten es werden.

Die Außenstation, in der Vathin Dienst tat, stand über zwei Lichtstunden von Ciclaun entfernt und damit außerhalb des Sektors, in dem sich die Flotte für die Letzte Schlacht einfand. Bald würde Vathin seinen Posten verlassen, denn er gehörte zur Blauen Garde von Ciclaun und war längst einem Schiff zugeteilt. Er freute sich auf diese neue Aufgabe und übersah dabei geflissentlich, dass er überhaupt nicht wusste, wer der Gegner war.

Wieder lief eine Sendung von Ciclaun ein. Die sechs Oberbefehlshaber der Vereinigten Kolonialflotte diskutierten. Admiral Tarcicar wirkte schon durch seine stämmige Erscheinung und die tiefblaue Uniform. Er stand hinter einem Pult und hatte seine kräftigen Arme aufgestützt. Sein halbkugelförmiger Kopf mit den 36 Augen zuckte leicht und verriet Nervosität.

Der Atemschlitz am Übergang vom Kopf zum Rumpf schnappte nach Luft. Vathin dachte daran, dass Tarcicars Großahn einst Ciclauns Flotte gegen Sans-Cror und Vilyandoc geführt hatte. Die Zeiten, in denen die Kolonial-Cloreonen sich gegenseitig das Leben schwer gemacht hatten, waren zum Glück vorbei. Ihre Einigkeit war gewachsen, je näher der Tag X rückte, den der Ewige Krieger Kalmer vor 5000 Jahren festgelegt hatte.

Vathin war von der Erscheinung des Admirals derart beeindruckt, dass er kaum auf dessen Worte achtete. Erst als Tarcicar das Pult verließ, erfasste die Kamera seine Gesprächspartner. Admiral Gilgamel von den Grünen Garden des Planeten Perpetim verneigte sich leicht, während sein Name genannt wurde. Neben ihm erhob sich Taff-Cror, auf dessen roter Uniform das Symbol seiner Herkunftswelt Sans-Cror prangte. Edamoo von Alvaandoree, zwei Kopf kleiner als die anderen, blieb in der Gruppe unscheinbar.

»Zu Ehren des Ewigen Kriegers!«, brüllte Admiral Paranguard und reckte die Fäuste. Er war der Oberste Führers von Manludum, doch seine purpurfarbene Uniform mutete alt an und abgetragen.

Den Schluss in der Vorstellung bildete Admiral Sparzer von der Kolonialwelt Vilyandoc. Die Farbpunkte auf seiner schwarzen Uniform stachen grell hervor.

»Völker von Ciclaun, Perpetim und Sans-Cror«, begann Tarcicar, und nun hörte Vathin aufmerksam zu, »von Vilyandoc, Manludum und Alvaandoree! Die Stunde der Letzten Schlacht naht. Einst gaben der Krieger Kalmer und der Elfahder Volcayr unserem Volk die Aufgabe, uns für die Letzte Schlacht zu rüsten. Wir können uns glücklich schätzen, dass unsere sechs Kolonien die Bande zur Heimat Cloreon durchschnitten haben. Wir haben unsere eigene Flotte aufgebaut, die dem Ewigen Krieger alle Ehre machen wird. Diese Flotte wird in Kürze aufbrechen. Unser Ziel ist Cloreon, die Heimat der Ahnen. Cloreon wurde vom Ewigen Krieger in ein Energiefeld gehüllt, das niemand von innen nach außen durchdringen kann. Deshalb wissen wir nicht, wie es heute auf Cloreon aussieht, nicht einmal, wie sich unsere Urheimat vorbereitet hat. Aber das muss uns nicht interessieren. Wir wissen, dass wir zu kämpfen haben, um die Ehre des Kriegers neu entstehen zu lassen.«

Vathin hatte sich bisweilen eigene Gedanken über die Geschichte seines Volkes gemacht. Die Gesellschaft war militärisch straff organisiert. Die Cloreonen hatten sechs Sonnensysteme besiedelt, die nah beieinanderstanden. Vier Lichtjahre betrug die durchschnittliche Entfernung zwischen den längst selbstständigen Kolonien.

Der Oberwächter Vathin besaß ein gutes Gespür für Wahrheit und Lüge. Die Admirale redeten in ihrer Runde über den großartigen Fortschritt der eigenen Technik seit einst. Er erinnerte sich jedoch an Erzählungen seines Urgroßahns und folgerte, dass schon in dessen Jugend die Raumschiffe und ihre Bewaffnung nicht anders ausgesehen hatten als in diesen Jahren. Offensichtlich wollte keiner wahrhaben, dass sie alle seit Generationen auf der Stelle traten. Der Wahn um den Krieger hatte die Kolonien blind gemacht.

Der Krieger Kalmer, auch wenn er einst dem Heimatsystem aller Cloreonen Entsetzliches zugefügt hatte, war längst kein Schreckgespenst mehr, weit eher ein Idol. Dafür hatten die Militärs gesorgt.

Die Diskussion der Admirale bewegte sich in Themenbereiche, die Vathin zur Genüge kannte. Sein Interesse erlahmte, bis endlich Fragen an die versammelte Admiralität gestellt werden durften. Allerdings wurde eine sorgfältige Auswahl getroffen, denn nahezu alle Fragen klangen für Vathin banal, ohnehin waren sie schon oft beantwortet worden.

Neben dem Oberwächter tickte ein Automat. Vathin warf einen kurzen Blick auf die eingehende Information: Die letzten Raumschiffe waren da, Taff-Crors Rote Garden und die Reserven von Alvaandoree.

Er hing weiter seinen Überlegungen nach und verfolgte die Diskussionsrunde. Aber schon kurz darauf unterbrach Tarcicar und eilte zum Rednerpult.

»Ich bitte um Ruhe!«, rief der Admiral von Ciclaun. »Die Worte des Ewigen Kriegers erfüllen sich. Weit mehr als tausend Raumschiffe, die wie Kletten aneinanderhängen, sind über Cloreon erschienen. Der Tag X ist da! Wir beenden die Konferenz und brechen auf.«

Die Faust des Ewigen Kriegers erschien in der Übertragung. Vathin dachte schmerzvoll daran, dass dies alles schon vor über zwei Stunden stattgefunden hatte. So lange benötigten die Funkwellen bis zu seiner Außenstation.

Der Distanzalarm heulte. Vathin sprang auf und blickte verwirrt um sich. Seit er vor sieben Jahren als Unterwächter seinen Dienst in der Station begann, war nie Alarm ausgelöst worden. Das nächste Kurierschiff würde erst in drei Stunden kommen, dann endete seine Aufgabe als Wächter.

Auf dem Bildschirm leuchtete weiterhin die Faust des Kriegers. Das Display daneben zeigte einen blinkenden weißen Punkt: Ein nicht angekündigtes Objekt näherte sich Ciclaun.

»Der Ewige Krieger!«, ächzte Vathin und schaltete eine Vergrößerung.

Kalmer? Schwer vorstellbar. Das anfliegende Raumschiff war klein, sogar kleiner als die bescheidensten Einheiten der eigenen Raumflotte. Trotzdem war es kein cloreonisches Schiff.

Vathin alarmierte Ciclaun und setzte gleichzeitig den Standardspruch an den Fremden ab, der diesem eine Andockposition zuwies. Die Symbole waren so eindeutig, dass jede fremde Intelligenz sie verstehen würde.

Dann kauerte Vathin in seinem Kommandosessel und wartete auf eine Reaktion. Ciclaun hatte er über die Hyperfunkstrecke alarmiert, die er für Extremfälle benutzen durfte. Dass jemand im Hauptquartier in der Hektik des bevorstehenden Aufbruchs der Flotte schnell reagieren würde, bezweifelte er.

Das fremde Raumschiff antwortete zuerst. Mit einen Symbolspruch, der nach dem gleichen Muster abgefasst war wie die Aufforderung: »Hier ACHTERDECK. Wir kommen in Frieden und docken an, wie es erbeten wurde.«

»Oh«, sagte Vathin zu sich selbst. »Die sind richtig höflich.«

Ein weiteres Signal kam. »An Außenstation, Oberwächter Vathin!«, donnerte eine Stimme. »Kurierschiff EXE-23 im Anflug. Vathin sofort in Schleuse A melden! Ausrüstung mitführen! Erwarteter Einsatz auf der LEFLAHT. Ehre dem Ewigen Krieger! Bestätigung!«

Vathin schwieg. Er verglich den knappen Tonfall mit den freundlichen Worten der Fremden. Ihm war für die Letzte Schlacht ein Platz als Orter einer Geschützmannschaft auf der LEFLAHT zugewiesen, doch das war kein Grund, ihn derart barsch anzuschreien.

Er wollte gerade antworten, da sprach der Hyperfunkempfang an. »Unteradmiral Lillingjoke«, meldete sich eine kratzige Stimme. »Vathin, kümmern Sie sich um das fremde Raumschiff. EXE-23 wird Ihnen zur Unterstützung unterstellt, bis die Situation geklärt ist. Umgehend Rapport!«

»Verstanden«, sagte der Oberwächter, ließ die Sprechtaste der Hyperfunksenders wieder los und seufzte im Selbstgespräch: »Danke, Unteradmiral.« Hastig fuhr er den Normalfunk hoch. »Vathin an EXE-23!« Nun brüllte er ebenfalls. »Andocken und Waffen klarmachen! Kommandant meldet sich bei mir! Verstanden?«

»Jawohl, Oberwächter Vathin!«, kam es zurück.

Es knisterte im Empfang. »Hier spricht Jizi Huzzel von der ACHTERDECK«, vernahm Vathin eine sanfte Stimme. »Wir haben eure Sprache im Griff. Wir kommen in Frieden und hoffen, dass ihr keinen Angriff auf uns versucht.«

»Kommt einfach«, sagte Vathin. »Ich freue mich auf jeden, der vernünftig redet und nicht schreit.«

Wenig später dockten die ACHTERDECK und die EXE-23 nahezu gleichzeitig an der Außenstation an. Vathin war wieder die Ruhe selbst. Er freute sich auf die Begegnung mit den Fremden. Dass diese mit dem Ewigen Krieger zu tun hatten, war ihm klar. Alles andere wäre in diesen Stunden ein unglaublicher Zufall gewesen.

2. Reginald Bull

Ich wurde aus Volcayr nicht schlau. Überhaupt hatte ich Mühe, meine Gedanken zu sortieren und besonnen zu reagieren. Volcayr ist bereit für die Letzte Schlacht. Die Worte des Elfahders klangen in mir nach.

Er hatte mich in einen Bereich der subplanetarischen Anlagen verschleppt, den ich nicht kannte. Meine Begleiter waren zurückgeblieben und wohl an Bord der Virenschiffe zurückgekehrt.

Ich befand mich in einem gepanzerten Fahrzeug, das einem riesenhaften Igel ähnelte. Es war gut 40 Meter lang und nicht ganz halb so hoch. Die Technik war mir fremd, ich konnte nicht abschätzen, welche Möglichkeiten Volcayr damit zur Verfügung standen.

Der Raum, in dem ich mich befand, war zweifellos die Zentrale des Igelpanzers. Die Bildflächen ringsum erlaubten jedenfalls eine nahezu perfekte Außenbeobachtung.

Volcayr stand vor etlichen Schaltelementen. In seiner von Stacheln geprägten Rüstung erweckte er den Eindruck eines zwei Meter großen, aufrecht gehenden Igels. Die im Gegensatz zum Rückenbereich flachen Brustelemente der Rüstung setzten sich aus Lamellengliedern zusammen. Auf der Schulterrundung saß ein ovaler Helm mit einem Gitter an der Vorderseite. Hinter diesem Gitter funkelte es hin und wieder grün, als blickten Raubtieraugen hervor. Zwei kurze Arme ragten zu beiden Seiten des Halsansatzes aus dem Oberkörper. Sie endeten ebenso wie die stämmigen Beine in plump anmutenden Auswüchsen. Volcayrs Stimme klang hell. Seine Sprache, die mein Translator übersetzte, glich einem melodiösen Singsang.

Volcayr ist bereit für die Letzte Schlacht. Eine ganze Weile lag diese Übersetzung schon zurück. Meine Erwartungen an das Reich der ESTARTU hatten sich relativiert. Zumindest hier in der Galaxis Erendyra war durchaus nicht alles eitel Sonnenschein und so überwältigend schön, wie Stalker es geschildert hatte.

O ja, die Elysischen Ringe boten einen atemberaubenden Anblick. Ihre Existenz bewies zudem, dass Stalker uns nicht belogen hatte. Sotho Tal Ker – Homer G. Adams hatte den Namen zu Stalker verkürzt. Ich fragte mich, ob er das bewusst getan hatte oder nur des Wortspiels wegen. Dass uns Unerfreuliches erwarten würde, hatte Homer keinesfalls ahnen können. Die Ringe von Virgo-Tor bestanden aus der Materie ehemaliger Planeten, die vor 5000 Jahren vernichtet worden waren.

Volcayr steuerte sein Fahrzeug weiter durch die Unterwelt des Planeten. Cloreon – wir Vironauten nannten den als einzigen dieses Systems gebliebenen Planeten seiner Einsamkeit wegen Eremit – war ein Albtraum und sehr viel weiter ausgehöhlt, als ich je gedacht hätte.

Bis vor Kurzem hatten wir auf der EXPLORER an eine ruhige Erkundung geglaubt. Wir hatten uns an der Idee berauscht, dass es jedem Vironauten möglich sein würde, seinen eigenen Wünschen zu folgen. Tatsächlich gab es nur Stress. Und den Elfahder empfand ich als kriegslüstern und dienerhaft zugleich.

Der Panzer stoppte. Vor uns erstreckte sich eine gewaltige, in Ausdehnung und Höhe nicht zu überschauende Halle.

»Die Letzte Schlacht, das Alles oder Nichts für die Cloreonen, wird bald beginnen«, säuselte Volcayr. »Siehst du die Maschine?«

Zumindest in dem für mich erkennbaren Bereich reihten sich kilometergroße Aggregate aneinander. Eine unheimliche Zufriedenheit schien bei diesem Anblick von Volcayr auszugehen. »Es ist alles gerichtet«, raunte er in seinem Singsang.

Ich trug Stalkers Permit am linken Handgelenk. Mit etwas Phantasie war die Metallhülse wie die Stulpe eines Handschuhs, dessen Handteil am Fingeransatz abgetrennt worden war. Insofern schien mir die Bezeichnung als »Faust des Kriegers« nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Ich verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Weil Volcayr mich musterte, winkelte ich den linken Arm demonstrativ an.

»Die Faust des Kriegers ...«, säuselte er. »Komm!«

Ohne weiteren Kommentar wandte er sich um und verließ den Igelpanzer. Offensichtlich war er überzeugt davon, dass ich ihm folgen würde.

Augenblicke später standen wir in der gigantischen Halle. Ich fühlte mich hilflos, fast wie gelähmt, denn die riesigen Maschinen waren in Bewegung geraten – ein irrealer, schwer zu akzeptierender Anblick.

»Eine Automatik des Ewigen Kriegers verändert die maschinelle Materie«, kommentierte der Elfahder. »Die Cloreonen müssen nun beweisen, dass sie würdig sind.«

»Würdig?«, fragte ich. »Wem gegenüber? Welchen Sinn hat die Letzte Schlacht?«

Der Elfahder reagierte nicht auf meine Fragen. Er verfolgte die immer schneller ablaufende Veränderung, die eine gewisse Ordnung erkennen ließ. Die Station demontierte sich selbst, und etwas anderes entstand daraus.

Ich versuchte Funkkontakt zu Stronker Keen und den Vironauten aufzunehmen. Aber nur ein wildes Prasseln war zu hören.

Volcayr stand da, als heische er Beifall. »Sieh dir das an!«, sang er trotz des ohrenbetäubenden Getöses, das die gewaltigen Maschinen verursachten. Er reckte einen seiner klobigen Arme und deutete auf das nächste Mammutaggregat. Die Wände des stählernen Blocks, einige Hundert Meter hoch, lösten sich soeben auf und setzten unzählige eiähnliche Gebilde frei.

»Die Herzen des Heeres erscheinen«, sang Volcayr.

Er meinte wohl, dass es sich um Mikropositroniken oder Ähnliches handelte. Die eiförmigen Objekte verteilten sich in der Halle und verschmolzen mit den Fragmenten der Maschinerie. In rasender Geschwindigkeit entstand aus der Fülle des vorhandenen Materials ein Heer von Kampfmaschinen.

Die ersten Gestalten formten sich in Bodennähe. Überall entstanden waffenstarrende Roboter.

»Du siehst das Heer des Ewigen Kriegers«, erklärte mir der Elfahder. Er schien sich an dem Umwandlungsprozess regelrecht zu berauschen.

Binnen Minuten waren von der ursprünglichen Gigantmaschinerie nur noch Gerüste zu sehen, und auch sie wurden in den Verwandlungsprozess einbezogen. Gitterartige Plattformen wuchsen daraus, auf denen die Roboter Waffen montierten. Obwohl mir das alles gar nicht gefiel, musste ich dem Schöpfer dieses technischen Wunderwerks insgeheim meine Anerkennung zollen.

»Träger der Faust des Kriegers!«, rief Volcayr mir begeistert zu. »Nun wird sich zeigen, ob die Quarantäne der Cloreonen ihren Zweck erfüllt hat.«

»Quarantäne?«, fragte ich. Nicht, weil ich keine Ahnung gehabt hätte, was er meinte. Mir kam es darauf an, mehr Informationen zu erhalten.

Der Elfahder drehte mir das Gitter seiner Kopfmaske zu. »Der einseitig gepolte Schirm um Cloreon hat alle an ihre Welt gefesselt und sie gezwungen, sich auf die Letzte Schlacht vorzubereiten. Die Cloreonen hier waren wirklich nicht untätig, und das lässt einen großen Genuss erwarten. Aber erst die Schlacht wird zeigen, ob die Cloreonen gestärkt aus der Abgeschiedenheit hervorgegangen sind.«

Ich fröstelte. Dieser sinnlose Kampf musste vermieden werden, denn er konnte nur so enden, wie ich es auf Gyhdai gesehen hatte.

»Ich muss mit Kalmer sprechen!«, platzte ich heraus.

»Du trägst die Faust des Kriegers«, antwortete er melodisch. »Du bist wie er.«

»Ich will dennoch, dass du Kalmer holst!«

Der Elfahder wirkte für einen Moment, als hätte er mich nicht verstanden. Als er antwortete, klang es nicht sehr melodisch: »Du trägst die Faust. Trotzdem scheint es wesentliche Dinge zu geben, die dir fremd sind.«

»Dann ist es deine Pflicht, mich über diese Zusammenhänge aufzuklären.«

»Das ist es nicht.« Er sang wieder. »Allerdings werde ich mich nicht verschließen. Du sollst wissen, dass der Ewige Krieger Kalmer nur sehr selten persönlich auftritt. Ich habe ihn einmal erlebt. Aber du trägst sein Zeichen. Du kannst es nur aus freien Stücken bekommen und aus freien Stücken angenommen haben. Das allein spricht für dich und deine Bedeutung für die Letzte Schlacht.«

»Auch wenn ich denke, dass diese Letzte Schlacht ein ausgemachter Unsinn ist?«, entgegnete ich frostig.

»Ich erfülle meinen Part, du wirst den deinen ebenso erfüllen«, begehrte der Gepanzerte auf. »Anderes interessiert mich wenig. Kalmer hat einen riesigen Tross von Helfern, deshalb kann und will er nicht an jedem Ort sein. Er muss es auch nicht, denn er hat uns Elfahder. Und er hat dich, du trägst seine Faust. Außerdem verfügt er über viele Vasallen, denen die Ehre zuteilwurde, sich für seine Sache einsetzen zu dürfen. Auf jedem Planeten, der den Krieger interessiert, sind Kaufleute, Spieler, Diplomaten, Händler und Prediger für ihn tätig. Soll ich mich also darüber wundern, dass er einen komischen Vogel wie dich angeheuert hat? Du scheinst wirklich nichts über deine Mission zu wissen. Nun gut. Kalmer handelt nie blind. Die Erinnerung an den Zeitpunkt, als du in seine Dienste getreten bist, wird zweifellos bald in dir erwachen.«

Ich stöhnte. Brauchte ich einen besseren Beweis, dass etwas völlig falsch lief oder von Volcayr absolut unrichtig gesehen wurde? Nur würde ich ihm das nicht plausibel machen können.

Die Umwandlung in der Halle war abgeschlossen, das Roboterheer hatte sich formiert. Mit mächtigen Desintegratoren fingen die Maschinen an, den Fels über ihnen aufzulösen. Das war der kürzeste Weg an die Oberfläche.

»Du erkennst meinen Status als Träger der Faust des Kriegers jedenfalls an?«, fragte ich den Elfahder.

»An deinem Status besteht kein Zweifel«, antwortete er. »In einiger Hinsicht bist du mir sogar übergeordnet. Und sobald die Letzte Schlacht beginnt, ist es sicher in jeder Hinsicht so.«

»Gut. Von wo kommst du, Volcayr?«

Der grüne Schimmer hinter seiner Gittermaske funkelte. »Von Cloreon. Wusstest du nicht, dass ich hier fünftausend Jahre geschlafen habe, wie es der Ewige Krieger wollte? Wir Waffenträger ruhen immer, bis die Letzte Schlacht beginnt.«

»Wird Kalmer selbst erscheinen, sobald sie beginnt?«, wollte ich wissen.

Volcayr stieß eine Folge von Tönen aus, die wie die Ouvertüre zu einem Melodrama klangen. »Sie hat schon begonnen.« Er schaffte es, zweistimmig zu tirilieren. »Du bist da, und deine Raumschiffe stehen über dem Planeten. Der Krieger hat ein beachtliches Potenzial aufgeboten, um den Cloreonen eine letzte Chance zur Rehabilitation zu geben. Die Flotten ihrer Kolonialwelten nahen und werden ihren Anteil tragen. Meine Aufgabe ist es zuerst, dafür zu sorgen, dass die Organismus-Gesellschaft mit ihren Antikörper-Typen deine Vironauten nicht länger behelligt. Die Letzte Schlacht verlangt Ordnung. Der Ewige Krieger erlaubt kein blindes Austoben, denn seine Ziele sind ehern.«

Meine Frage nach Kalmers Erscheinen hatte der Elfahder nicht beantwortet. Noch einmal zu fragen, schien mir in dem Punkt sinnlos zu sein.

»Dann hör mir zu, Volcayr!«, sagte ich betont. »Ich trage die Faust des Kriegers, und ich werde alles daransetzen, diese sinnlose Schlacht zu verhindern. Sie hätte nur den Tod ungezählter Intelligenzen zur Folge.«

Damit war es heraus. Ich fühlte mich wohler.

»Sobald die Letzte Schlacht geschlagen ist, wirst du Zeit für solche Scherze haben«, sang Volcayr unbeeindruckt. »Vorher sind sie unangebracht.«

3. Vathin

Vathin war überrascht und enttäuscht zugleich. Die Stimme des weiblichen Wesens aus dem fremden Raumschiff hatte es ihm angetan. Als er nun sah, dass Jizi Huzzel ein winziges Geschöpf war, kleiner als Kutzi, das Haustier seiner Eltern, konnte er seine Verwunderung kaum verbergen.

Der große Fremde, der sich als Rainer Deike vorgestellt hatte, wirkte hingegen beeindruckend. Er trug einen Schutzanzug, der besser zu sein schien als alles, was Vathin je gesehen hatte. Offensichtlich besaßen die beiden Fremden eine überlegene Technik. Die kurze Zeit, die sie benötigt hatten, um die cloreonische Sprache zu verstehen, belegte das. Was Vathin nicht verstand, war das blaue Kleidungsstück aus einem flauschigen Gewebe, das Deike über dem Raumanzug trug. Dieser eher lockere Umhang ergab keinen Sinn, außer, dass in einer der beiden aufgenähten Taschen das kleine Wesen mit der sympathischen Stimme steckte.

»Hier herrscht ziemliche Hektik«, sagte der große Fremde. »Käpt'n, das ist unser Bordrechner, hat an die dreitausend Raumschiffe gezählt und erkannt, dass ihr euch im Aufbruch befindet. Was bedeutet der Aufmarsch, Vathin? Wir haben nur friedliche Absichten. Falls wir stören, ziehen wir uns wieder zurück.«

Der Oberwächter wusste in seiner ersten Überraschung nicht, wie er auf diese Feststellung reagieren sollte. Sein Zögern nutzte das kleine Wesen mit der sympathischen Stimme: »Wir sind nach Ciclaun gekommen, weil wir etwas über eine seltene Pflanze herausfinden wollen. Sie heißt Comanzatara.«

»Inhaftieren!«, brüllte Color dazwischen, der Führer der EXE-23. »Hier herrscht Krieg, auf den wir uns seit fünftausend Jahren vorbereitet haben. Der Ewige Krieger ...«

»Von Schlachten und Kriegen wollen wir nichts hören, Vieläugiger.« Deike fiel dem Kommandanten nicht nur ins Wort, er griff auch noch mit beiden Händen nach dessen kräftigen Oberarmen. »Krieg bringt immer nur Tod und Verwüstung«, sagte er. »Wir haben in dieser Galaxis schon eine ausgelöschte Welt gesehen. Das sollte Ciclaun erspart bleiben, meint ihr nicht?«

»... und der Comanzatara«, meldete sich Jizi.

Sie hatte zwei winzige Arme und zwei kaum größere Beine. Das sah Vathin, weil sie endlich aus der Tasche des blauen Kleidungsstücks hervorschwebte. Sie flog ohne Flügelschlag, ohne sperrige Technik.

Vathins 36 Augen quollen auf, denn das kaum eine Handspanne messende weibliche Wesen mit der zartgrünen Haut verharrte vor seinem Gesicht. Ihm war, als musterte Jizi jedes seiner ringförmig um den Kopf verteilten Augen.

Wie gern hätte er sich darauf eingelassen, doch es war unmöglich. Die Letzte Schlacht, der sein Volk seit vielen Generationen entgegenfieberte, was wichtiger als diese Fremden. Sehr viel wichtiger.

»Tu endlich etwas, Vathin!«, schrie der Kommandant der EXE-23. »Du hast die Verantwortung ...«

Ja, die hatte er. Er gehörte zur Blauen Garde von Ciclaun und sein Platz war ihm zugewiesen, seit er denken konnte. Er musste seine Aufgabe erfüllen, das war seine Pflicht.

»Verschwinde!«, hörte Vathin sich sagen und fragte sich zugleich, ob er das tatsächlich wollte. Ja? Nein? Die beiden Fremden faszinierten ihn. Außerdem hatte Deike etwas gesagt, das in ihm nachschwang und ihn innerlich erschütterte: Krieg bringt immer nur Tod und Verwüstung.

»Wir wollten keine Konflikte zwischen euch heraufbeschwören.« Jizi Huzzels Stimme wischte Vathins Zwiespalt beiseite. Es war so wunderbar zu spüren, dass jemand sanft und ohne hörbaren Zwang redete. Da war kein militärischer Tonfall, kein Befehl, kein Schreien.

»Verschwinde!«, wandte Vathin sich an den Kommandanten und versuchte, ebenfalls leise zu reden. »Das hier ist meine Angelegenheit. Unteradmiral Lillingjoke hat mir die Sache übergeben.«

Was er tat, war Wahnsinn, das war ihm bewusst. Zugleich triumphierte er, denn Color wandte sich um und verließ die Andockkammer. Er, Vathin, der einfache Oberwächter, hatte einen Schiffskommandanten zur Räson gebracht. Wann hätte er das jemals vorhergesehen?

»Bitte, Freund, begleite uns an Bord unseres Schiffes«, sagte Deike. »Wir haben dort eine Pflanze, die Comanzatara heißt. Sie sucht etwas, dabei wollen wir ihr helfen. Wir wissen, dass Comanzatara einmal auf Ciclaun gewesen ist. Ebenso auf Sans-Cror, auf Perpetim, Vilyandoc ...«

»Schon gut«, unterbrach der Oberwächter die Besucher. »Hört ihr mir bitte auch einmal zu?«

Deike schwieg. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, den der Cloreone als entschuldigend verstand. Und Jizi sagte: »Selbstverständlich, Vathin. Verzeih unsere Unhöflichkeit. Wir wollen nur Comanzatara helfen. Diese Pflanze ist das einsamste Geschöpf des Universums.«

»Manchmal war mir, als sei ich das einsamste Lebewesen überhaupt«, entgegnete Vathin.

Weil Deike und die Winzige erwartungsvoll schwiegen, redete er weiter. Er erzählte vom Kodex des Ewigen Kriegers Kalmer, von Ciclaun und den Ereignissen, die vor langer Zeit geschehen waren. Auch von einem seiner Lehrer, der behauptet hatte, dass das Militärregime auf Ciclaun mehr wisse, als es jemals eingestehen würde. Über Cloreon. Über den Stillstand der technischen Entwicklung auf den Kolonialwelten. Und darüber, dass in den Kolonien sehr wohl vieles über die Organismus-Gesellschaft auf Cloreon bekannt war.

Unvermittelt wurde Vathin sehr unruhig. »Die EXE ist weg«, sagte er betroffen. »Ich habe meinen Einsatz auf der LEFLAHT versäumt. Color wird mich dafür vernichten.«

»Es gibt keine Vernichtung«, widersprach Jizi. »Du willst sie nicht, wir auch nicht. Käpt'n meint, das Flaggschiff der Ciclaun-Cloreonen heißt CICLANT. Käpt'n hört euren Funk ab und informiert den Langen und mich. Er sagt, auf der CICLANT fehlt ein Beibootpilot. Der dafür vorgesehene Cloreone trat seinen Dienst nicht an. Euer Admiral wird sich bestimmt freuen, wenn er dich bekommt.«

»Das sind Träume ...«, wehrte Vathin ab.

»Ich erfülle dir diesen Traum«, behauptete die kleine Frau. »Du sagst mir als Gegenleistung, wo Comanzatara auf Ciclaun war, und gibst mir jede Unterstützung, um die Rätsel der Pflanze zu lösen.«

»Ich kenne keine Pflanze Comanzatara«, entgegnete Vathin niedergeschlagen. Seine Stimmung wechselte rasch. »Aber ich verspreche, eurem Forschungsdrang weiterzuhelfen, wenn ihr mich auf die LEFLAHT bringt.«

»Auf die CICLANT«, berichtigte Deike. »Und kein Widerspruch.«

Vathin empfand mit einem Mal Furcht. Er hatte sich verleiten lassen, hatte einem Gefühl nachgegeben und den Verstand und alles, was wirklich wichtig war, ignoriert. Er hatte das Vertrauen hintergangen, das Unteradmiral Lillingjoke in ihn setzte. Damit hatte er sein eigenes Grab ausgehoben. Waren das die beiden Fremden wert? Wo waren seine Träume von der Letzten Schlacht, die er siegreich schlagen wollte?

»Sieh dir Comanzatara wenigstens an«, bat Jizi. »Wir bringen dich danach zu deiner Flotte, zur LEFLAHT oder zur CICLANT, wie du willst. Wir tun das sogar, wenn du Comanzatara nicht sehen möchtest. Wir kennen keinen Zwang und fordern nichts gegen deinen Willen.«

Vathin winkte schwach ab. Seine Gedanken schwirrten durcheinander. Der Tag X ... Der Aufbruch der Flotte ohne ihn ...

Fast schon widerwillig folgte er dennoch den beiden so unterschiedlichen Fremden auf ihr Schiff.

Dort sah er die Schale mit dem weichen Bodensubstrat von Ciclaun – nur die Schale. Das Substrat wies ein paar Mulden auf, die vermuten ließen, dass da etwas gewurzelt hatte.

Comanzatara war nicht mehr da.

»Verrat!«, schrie Rainer Deike wütend auf. »Das können nur die beiden Maahks gewesen sein. Sie treiben ein übles Spiel.«

»Das ist ausgeschlossen«, meldete sich Käpt'n. »Ich hätte es registriert, wenn jemand während eurer Abwesenheit in den Wohnräumen oder Labors gewesen wäre.«

»Dann sag mir, wer Comanzatara entwendet hat!«

Der Cloreone Vathin stand hilflos zwischen den beiden Vironauten. Er verstand nichts und fühlte sich mit einem Mal hoffnungslos verloren. Offenbar hatte er so ziemlich alles falsch gemacht, was er hatte falsch machen können.

»Käpt'n«, hörte er Rainer Deike sagen, dessen Übersetzungsgerät unverändert arbeitete. »Du musst eine Lösung finden.«

»Ich kann nur vermuten«, antwortete die raue, fast beängstigende Stimme. »Da niemand in eurem Sektor war, kann nur einer für das Verschwinden der Pflanze verantwortlich sein.«

»Wer?«, kam es gleichzeitig von Deike und Jizi Huzzel.

»Sie selbst!«, behauptete Käpt'n.

»Das ergibt keinen Sinn«, wehrte der Terraner ab.

»Vielleicht doch, Langer!« Jizis eben schrill gewordene Stimme beruhigte sich wieder. »Was wissen wir wirklich über Comanzatara? So gut wie nichts. Also lass uns einen kühlen Kopf bewahren. Die Comanzatara ist rätselhaft. Dass sie womöglich nach etwas sucht, können wir uns bereits denken. Ich glaube, ihr Verschwinden hängt damit zusammen.«

»Ich will nicht unhöflich sein«, sagte Vathin matt, »aber bringt mich bitte zurück in die Außenstation. Ich muss dort warten, bis ich für das Kriegsgericht abgeholt werde.«

Deike reagierte mit einer heftigen Armbewegung, die nur seine Ablehnung ausdrücken konnte. »Das kommt schon gar nicht in Betracht«, sagte er heftig. »Wir haben dir diese Suppe eingebrockt, also löffeln wir sie auch aus. Wir bringen dich zur CICLANT oder zur LEFLAHT und stellen die Sache klar. Deine Admirale werden das schon kapieren.«

»Bestimmt nicht«, widersprach Vathin vorsichtig. »Du kennst unsere straffe militärische Organisation nicht. Ich gehöre an meinen vorherbestimmten Platz in der Letzten Schlacht und nicht hierher zu euch. Ich muss verrückt gewesen sein, dass ich ..., dass ich glaubte, es könnte anders ...«

»Alles lässt sich ausbügeln, glaube mir.« Deike lächelte.

»Da ist noch etwas«, sagte Vathin zögernd. »Ich finde euch beide sehr sympathisch, besonders Jizi. Aber ihr interessiert euch nur für eine verschwundene Pflanze und habt keinen Blick für das aktuelle Geschehen. Ich habe euch von der Letzten Schlacht berichtet.«

»Die interessiert uns wirklich nicht«, wehrte Deike ab.

»Ihr gehört zu den Truppen des Kriegers Kalmer, das ist mir viel zu langsam klar geworden. Damit sind wir Gegner. Unsere vereinten Flotten erreichen in Kürze Cloreon, wo die Bewährung stattfinden wird. Unsere Schiffe sind gestartet, weil eure erschienen sind. Die Letzte Schlacht ist unabwendbar. Kalmer wollte das schon vor fünftausend Jahren, und niemand kann das ändern.«

»Du irrst dich!«, rief Jizi freundlich. »Wir gehören weder zu den Truppen eines Kriegers Kalmer, noch werden wir uns in irgendwelche Kämpfe verwickeln lassen. Wir sind in die Mächtigkeitsballung Estartu gekommen, weil Sotho Tal Ker uns die Galaxiengruppe mit ihren Wundern ans Herz gelegt hat.«

»Du nennst Begriffe, die ich nicht kenne«, wandte Vathin unsicher ein. »Wer ist ESTARTU? Und wer oder was ist Sotho Tal Ker?«

»Du weißt das nicht?«, fragte Jizi zurück. »Das ist für mich der Beweis, dass wir die Sache richtig sehen und du leider falsch. Ich kann nicht beurteilen, nach welchen Überlieferungen euer Militärregime aufgebaut ist, doch besonders schlau scheint ihr euch nicht verhalten zu haben. Vielleicht fehlt euch etwas der Überblick oder die Fähigkeit, euch selbst richtig einzuschätzen.«

Vathin schwieg. Die winzige Frau, fand er, war sehr überzeugend, sobald sie redete.

»Vielleicht sollten wir Bull und die anderen Vironauten warnen«, sagte Deike.

»Das habe ich bereits getan«, meldete Käpt'n.

»Bestens.« Deike klatschte in die Hände. »Dann bin ich diese Sorge schon mal los. Zurück zu dir, Vathin: Wir bringen dich zu deiner Flotte, und du wirst sehen, dass es keinen Kampf zwischen deinen Leuten und uns Vironauten gibt.«

»Das glaube ich nicht.« Vathin blinzelte mit mindestens der Hälfte seiner Augen. »Der Ehrenkodex des Kriegers ist unumstößlich. Ich ersuche euch innigst, mich in meine Station gehen zu lassen.«

»Ich bringe dich hin«, bot Jizi an. »Was auch geschehen mag, bei uns wird niemand gezwungen.«

»Was meinst du damit, Jizi?« Vathin fühlte plötzlich eine neue Unsicherheit. Vielleicht war es wirklich nicht seine beste Idee, zur Station zurückzukehren und damit vollends jede Chance zu vertun, an der Letzten Schlacht teilzunehmen.

»Ich denke, dass du weit besser beraten wärst, wenn du uns weiter begleiten würdest«, antwortete Jizi. »Wir bringen dich zu deinen Leuten, egal, was dort passiert.«

»Aus deinem Mund, kleine Frau, klingt das sehr ehrlich«, räumte Vathin ein. »Und da ich sowieso schon alles aufgegeben habe, nehme ich dein Angebot an.«

Die beiden holten noch seine persönliche Ausrüstung an Bord. Danach flog ihr bizarres Raumschiff die Sonne Clore an, die sie Virgo-Tor nannten. Vathin kam aus dem Staunen nicht heraus, denn der Flug nahm nur wenig mehr Zeit in Anspruch als ein halbwegs ruhiger Atemzug.

Das Raumschiff selbst lieferte umgehend eine Fülle von Informationen. Es stellte mitten in Deikes Wohnraum dreidimensionale Bilder zur Verfügung, markierte die wie winzige Modelle dargestellten Schiffe der Kolonialflotte farbig und zeigte nicht nur Cloreon, sondern ebenso die fünf Elysischen Ringe. Vathin erkannte sogar die CICLANT und die LEFLAHT, die besonders hervorgehoben wurden.

»Keine Kampfhandlungen!«, staunte er. »Das verstehe ich nicht. Warum greifen unsere Verbände nicht sofort an?«

4. Der Elfahder

Volcayr war in sein Fahrzeug zurückgekehrt, und eine unsichtbare Kraft hatte mich ebenfalls hineingehoben. Allerdings war meine Beobachtungsmöglichkeit nun etwas eingeschränkt. Ich befand mich nicht mehr in der Zentrale, sondern in einem kleinen Nebenraum. Volcayr hockte zwar nur wenige Meter vor mir, ich sah ihn aber nur durch eine schmale Öffnung.

Antigravfelder ließen den Igelpanzer schweben. Der Elfahder steuerte auf eine düstere Öffnung in halber Höhe der Halle zu. Sekunden später war Dunkelheit um uns. Volcayr stimmte einen monotonen Singsang an. Auf mich wirkte das so, als berausche er sich an dem Geschehen.

Kurz darauf wurde es wieder hell. Ich sah einen kreisrunden, gut 100 Meter durchmessenden Stollen, der schräg aufwärtsführte. Aus der Höhe erklangen berstende Geräusche. Zweifellos stammten sie von Maschinen, die durch die Planetenkruste brachen, um den Kampfrobotern den Weg zu bahnen.

Meine Vermutung wurde wenig später bestätigt. Massige, mit schweren Waffen bestückte Plattformen und ein Heer kugelförmiger Roboter zogen vorbei. Die Maschinen nahmen keine Notiz von Volcayr und dem Igelpanzer.

»Alles verläuft so, wie es der Krieger geplant hat«, jubelte der Elfahder. »Eile ist jedoch geboten, denn das Kriegsbewusstsein geht einen falschen Weg.«

Ich stellte ihm einige Fragen, erhielt aber keine Antwort. Deshalb war ich auf Spekulationen angewiesen. Die Organismus-Gesellschaft auf Eremit hatte ich wenigstens so weit kennengelernt, dass ich mir ein hinreichend plausibles Bild machen konnte. Die Cloreonen wurden von einer Bewusstseinstrinität geführt, den drei besonders intelligenten Gehirnzellen Ge Droonenen, Ge Hardinin und Ge Vullnenen. Erst vor einigen Tagen war das Kriegsbewusstsein entstanden, das die Antikörper unter seine Kontrolle gebracht hatte und wohl im Begriff stand, die Macht an sich zu reißen. Kein Zweifel, das Kriegsbewusstsein würde die Antikörper-Typen rücksichtslos in die Letzte Schlacht führen. Dem Elfahder schien diese Entwicklung indes nicht zu behagen. Ich sah das als widersprüchlich, schließlich arbeitete Volcayr zielstrebig auf die Schlacht hin.

Der Igelpanzer drang in einen Seitenstollen ein, der nach einer Biegung steil aufwärtsführte.

»Die Flotte der Kolonial-Cloreonen ist vollzählig zur Stelle«, sang Volcayr.

Ich schwieg und versuchte, mir ein Bild von den Vorgängen zu machen. Da war zum einen der Pulk der Virenschiffe um meine EXPLORER, in dem offenbar alle Beteiligten die Kampfflotte des Kriegers Kalmer sahen. Als zweiter Faktor existierten die rücksichtslosen Antikörper-Typen der cloreonischen Gesellschaft. Unter dem Kommando des Kriegsbewusstseins stellten sie die Hauptmacht der Ur-Cloreonen dar.

Mit den Kolonial-Cloreonen, über die ich nichts im Detail wusste, war ein dritter Machtfaktor ins Spiel gekommen. Volcayr sang etwas von 3000 Kampfraumschiffen. Was das bedeutete, war mir klar: Die Virenschiffe gerieten zwischen zwei Fronten, denn mittlerweile war der von innen her undurchdringliche Quarantäneschirm um den Planeten erloschen.

Ein vierter Faktor war das Roboterheer, das an die Oberfläche drängte. Seine Kampfkraft konnte ich ebenso schwer einschätzen wie die Stärke der Kolonial-Cloreonen. Dabei ging ich davon aus, dass die Maschinen automatisch Gegner aller Cloreonen waren, die sich in der Letzten Schlacht gegen die Kräfte des Kriegers Kalmer zu bewähren hatten.

Wenn ich eins und eins zusammenzählte, kam ein verblüffendes Ergebnis heraus. Wie es aussah, waren meine Vironauten ohne eigenes Zutun zu Verbündeten des Roboterheers geworden.

Mein Unbehagen wuchs weiter. Selbstverständlich dachte keiner an Bord der Virenschiffe daran, sich in Kampfhandlungen verwickeln zu lassen. Die Frage war wohl eher, wie die Schiffe selbst auf einen Angriff reagieren würden.

»Das Kriegsbewusstsein ist übergeschnappt!«, sang der Elfahder.

Der Igelpanzer erreichte die Oberfläche. Vor uns erstreckte sich ein weites Tal. Wo genau wir uns befanden, blieb mir verborgen. Der Panzer stand auf einer mit Gebüschen überwucherten Anhöhe. Die aggressive Flora wandte sich dem Fahrzeug zu. Ich bemerkte sich gierig neigende Blüten in grellen Farben, aus deren Kelchen Säure oder irgendwelche Gifte verspritzten.

Volcayr kümmerte das wenig. Ich achtete ebenfalls nur im ersten Moment darauf, denn weit im Umkreis wimmelte es von bis an die Zähne bewaffneten Antikörper-Typen. Die verborgenen Arsenale mussten sich ihnen zur Gänze geöffnet haben.

Volcayrs Fahrzeug blieb unbemerkt. Offenbar verfügte der Panzer über eine gute Tarnung.

Die unsichtbare Kraft fasste wieder nach mir. Diesmal trug sie mich aus dem engen Nebenraum in die Zentrale und setzte mich neben dem Elfahder ab.

»Siehst du die Kuppe, um die sich die Antikörper scharen?«, fragte er und deutete ins Tal hinaus.

»Ich sehe sie. Hat das eine besondere Bedeutung?«

»Bedeutung?« Volcayr schien mich nicht zu verstehen. »Dort ist der Ausgang für unser Roboterheer. Die Kampfmaschinen werden gleich erscheinen.«

»Das gibt ein sinnloses Gemetzel!« Ich legte meinen ganzen Widerwillen in die Betonung. »Wenn du etwas Vernünftiges tun willst, dann verhindere diesen Wahnsinn!«

Er reagierte nicht darauf. Seine Aufmerksamkeit galt nur dem Tal, in dem plötzlich Dunst aufwölkte.

»Sie kommen.« Volcayr klang irgendwie zufrieden. »Das Kriegsbewusstsein handelt in seinem Übereifer falsch, es verwechselt den Aufmarsch mit der Schlacht.«

Die Antikörper-Cloreonen rannten nach allen Seiten auseinander. Viele benutzten Flugaggregate und nahmen dabei andere mit, die nicht über diese Möglichkeit verfügten. Nach wenigen Augenblicken war der Bereich, in dem sich der Untergrund brodelnd veränderte, wie leer gefegt.

Auch das wollte mir nicht in den Sinn. Den Robotern mit ihren schweren Desintegratoren hätte es ein Leichtes sein müssen, den Durchbruch überraschend zu schaffen und so viele Gegner auszuschalten.

Die Antikörper postierten sich am Rand des über 100 Meter durchmessenden Aufbruchs. Gleichzeitig schwebten die ersten Kampfmaschinen aus der Tiefe herauf. Sie schoben vier hausgroße Aggregatblöcke vor sich her. Kaum eröffneten die Cloreonen das Feuer, hüllten sich die Blöcke in schimmernde Energieschirme. Sekunden später wimmelte es von Robotern. Trotz ihrer Bewaffnung reagierten die Kampfmaschinen nicht auf die Angreifer. Vielmehr bemühten sie sich, die vier Blöcke in gleichen Abständen an den Seiten des Durchbruchs zu positionieren. Antikörper, die das zu verhindern versuchten, wurden von Defensivschirmen abgedrängt.

Ich brauchte eine Weile, bis ich verstand, dass Volcayr einem blutigen Kampf wohl aus dem Weg gehen wollte. Der Elfahder, und nur er allein konnte für das Verhalten der Roboter verantwortlich sein, hockte stumm neben mir. Er schien das Geschehen gespannt zu verfolgen. Ob und wie er jedoch Anweisungen gab oder Meldungen empfing, blieb mir verborgen.

Die vier Aggregatblöcke waren verankert. Ihre Energieschirme dehnten sich aus und schoben dabei die Antikörper-Cloreonen sanft, aber unnachgiebig von der Grube zurück. Augenblicke danach verschmolzen die Energiefelder miteinander und schirmten den Durchbruch ab. Aus der Tiefe quollen nun die eigentlichen Heerscharen hervor und füllten den immer weiter anwachsenden geschützten Bereich aus.

Ich atmete auf, denn meine schlimmsten Vorahnungen traten nicht ein. Das befürchtete Gemetzel blieb aus. War der Elfahder doch nicht so kampfwütig, wie er sich bislang gegeben hatte?

»Eine gute Lösung für die Letzte Schlacht«, sagte ich anerkennend. »Als Träger der Faust des Kriegers lehne ich jedes sinnlose Töten ab.«

»Was hier geschieht, hat mit der Letzten Schlacht nur am Rand zu tun«, sang Volcayr. »Der Zeitpunkt wird kommen, an dem du das verstehst. Ich denke, du hast einen gewissen Nachholbedarf.«

»Und nun?«, drängte ich.

Ich bekam wieder einmal keine Antwort, aber der Igelpanzer beschleunigte jäh. Offenbar bewegten wir uns mit extremer Geschwindigkeit, denn für eine Weile konnte ich von der Umgebung so gut wie nichts erkennen. Ich versuchte, mithilfe des SERUNS Kontakt zu Stronker Keen oder anderen Vironauten zu bekommen – leider vergeblich.

Minuten später stoppte der Panzer. Volcayr stieß ein schauerliches Lachen aus, das schnell in seinen Singsang überging. »Beim Ehrenkodex des Ewigen Kriegers Kalmer, damit habe ich nicht gerechnet«, freute er sich. »Das wird ein Spaß!«

»Spaß?«, fragte ich wütend. »Mir scheint, du treibst ein übles Spiel mit allen, die sich zwangsweise versammelt haben.«

Wieder lachte er.

»Du hättest die Admirale der Kolonialflotten hören sollen! Nun wünsche sogar ich, dass der Krieger Kalmer persönlich kommt, um die Letzte Schlacht zu verfolgen.«

Er erweiterte den Ausblick aus dem Igelpanzer. Ich sah etwa ein Dutzend Raumschiffe, 200 Meter durchmessende Halbkugeln, die mit der Kreisfläche voran zur Landung ansetzten. Diese Schiffe wurden von mindestens 100 zigarrenförmigen Beibooten begleitet.

»Das sind die Vorkommandos der Kolonialflotte«, erklärte der Elfahder.

Auf gewisse Weise hatte ich ein Puzzle vor mir, von dem ich nicht einmal wusste, wie es zusammengefügt aussehen sollte. Ich kannte nur den Titel: Die Letzte Schlacht.

Im Sturm meiner widerstreitenden Gefühle winkelte ich den linken Arm an und zeigte Stalkers Permit. »Ich berufe mich auf den Kodex des Kriegers!«, sagte ich scharf.

Ich erwartete nicht, dass Volcayr sofort reagieren würde. Er hatte seine Sturheit schon zur Genüge bewiesen. Umso überraschter war ich, als der Elfahder sich mir hastig zuwandte. »Was verlangst du?« Sein Singsang klang nicht einmal unfreundlich.

»Ich will zurück zu meinen Leuten und unseren Raumschiffen! Es entspricht nicht meinem Status, nur durch die Gegend zu fahren und die Vorbereitungen für eine sinnlose Schlacht zu verfolgen.«

Volcayr sang ein kurzes: »Ja, gern!« Meine Verblüffung war vollkommen, als er fortfuhr: »Tu, was du tun musst, und leg deine Feuertaufe ab!«

Die unsichtbare Kraft griff wieder nach mir und setzte mich auf dem Planetenboden ab. Das Fahrzeug raste los, eine lange Staubfahne hinter sich her ziehend.

Schon Sekunden später verschwand der Igelpanzer aus meinem Blickfeld. Dafür landeten in meiner unmittelbaren Nähe die Raumschiffe und Beiboote der Kolonial-Cloreonen.

»Was ist das für ein übles Katz-und-Maus-Spiel?«, zischte ich wütend. »Aber es wird sich schon noch zeigen, wer die Katze ist und wer die Maus ...«

Die Gestalten aus den Beibooten näherten sich mir mit schussbereiten Waffen. Ich sah sofort, dass es sich um Cloreonen der ursprünglichen Form handelte. Sie waren hominid mit stämmigem Rumpf und je einem kurzen und kräftigen Arm- und Beinpaar. Der halslos auf den Schultern aufsitzende Kopf wurde von einem Ring aus 36 Augen umlaufen, die tief in knochigen Höhlen saßen und jedem Auge nur einen schmalen Blickwinkel erlaubten. Dennoch hatten die Cloreonen eine permanente Rundumsicht. Wie ihre Gehirne aus den einzelnen Wahrnehmungen ein Panoramabild zusammensetzten, war sicher des Erforschens wert.

Ich schob diese Überlegung beiseite, denn die Kolonisten waren mir zahlenmäßig weit überlegen. Ganz zu schweigen von den Geschützen ihrer gelandeten Kampfraumschiffe.

Da Volcayr mit seinem Igelpanzer verschwunden war, nahm ich an, dass eine Funkverbindung zu den Vironauten wieder möglich war. Ich setzte meinen Ruf auf mehreren Frequenzen ab.

»Ja, ja«, erklang sofort der Singsang des Elfahders im Helmempfang. »Kümmere dich um deine Kämpfer, während meine Roboter die chaotischen Cloreonen in Schach halten.«

Von seinen Kampfmaschinen aus der subplanetaren Anlage war weit und breit nichts zu sehen. Ich folgerte daraus, dass Volcayr die auf mich zukommenden Kolonisten nicht als »chaotische Cloreonen« ansah. Demnach gab es wohl einen grundlegenderen Unterschied zwischen den Typen der Organismus-Gesellschaft und den Kolonial-Cloreonen als ihr Aussehen.

»Bully!«, meldete sich eine aufgeregt klingende Frauenstimme. »Mirandola Cainz spricht. Stronker Keen, wir und die anderen Vironauten aus den dreißig Schiffen, die auf Eremit gelandet waren, haben uns abgesetzt. Wir schließen uns wieder dem Gesamtpulk an. Colophon und ich unterstützen Stronker, damit alles seinen richtigen Weg geht. Wir kümmern uns später um dich, denn vorerst besteht für dich keine Gefahr. Die Antikörper befinden sich nicht in der Region, aus der deine Signale kommen.«

»Darf ich auch etwas sagen?«, unterbrach ich die Frau schroff. »Während ihr da oben abhaut, bricht hier gleich die Hölle aus. Der Elfahder hat mich ...«

»Keine Zeit, Bully!« Nun fiel sie mir ins Wort. »Wir hatten Probleme genug, uns gegen die Antikörper durchzuschlagen, aber es ist gelungen.«

»Ich möchte mit Stronker Keen sprechen!«