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Intrigen bei den Gurrads - die Terraner stoßen auf heikles Terrain vor Auf den von Menschen und ihren Nachkommen bewohnten Planeten der Milchstraße schreibt man das Jahr 1333 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Aufgrund des so genannten Hyperimpedanz-Schocks herrscht in der Galaxis eine Mischung aus wirtschaftlichem Niedergang und wagemutiger Aufbruchsstimmung. Auf Terra, der Urheimat der Menschheit, leben zudem viele Bewohner in wachsender Angst: Der mysteriöse "Gott" Gon-Orbhon greift aus dem Dunkel heraus nach der Macht. Die Regierung vermutet sein Versteck in der Großen Magellanschen Wolke. Eine Expedition soll das Übel an der Wurzel packen. Unter dem Decknamen " Operation Kristallsturm " brach die RICHARD BURTON - nach starkem Umbau und mit neuer Ausstattung - schon vor einem halben Jahr auf. Nach langem Flug nähert sich das Raumschiff seinem Ziel. In Magellan sucht man nun Verbündete: Die Gurrads sind als alte Bekannte der Menschheit nahe liegend. Zum Treffen begeben sich die Terraner in DIE KRONE VON ROEWIS...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Nr. 2265
Die Krone von Roewis
Intrigen bei den Gurrads – die Terraner stoßen auf heikles Terrain vor
Michael Marcus Thurner
Auf den von Menschen und ihren Nachkommen bewohnten Planeten der Milchstraße schreibt man das Jahr 1333 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Aufgrund des so genannten Hyperimpedanz-Schocks herrscht in der Galaxis eine Mischung aus wirtschaftlichem Niedergang und wagemutiger Aufbruchsstimmung.
Auf Terra, der Urheimat der Menschheit, leben zudem viele Bewohner in wachsender Angst: Der mysteriöse »Gott« Gon-Orbhon greift aus dem Dunkel heraus nach der Macht. Die Regierung vermutet sein Versteck in der Großen Magellanschen Wolke. Eine Expedition soll das Übel an der Wurzel packen.
Unter dem Decknamen »Operation Kristallsturm« brach die RICHARD BURTON – nach starkem Umbau und mit neuer Ausstattung – schon vor einem halben Jahr auf. Nach langem Flug nähert sich das Raumschiff seinem Ziel.
In Magellan sucht man nun Verbündete: Die Gurrads sind als alte Bekannte der Menschheit nahe liegend. Zum Treffen begeben sich die Terraner in DIE KRONE VON ROEWIS ...
Tadh Al Arroin – Der Patriarch der Krone von Roewis.
Dinded Teifer – Arroins Stellvertreter will hoch hinaus.
Lisch Entber – Der mürrische Gurrad fungiert als Hausmeister.
Reginald Bull – Delegationsleiter auf dem Planeten der Gurrads.
Kantiran – Rhodans Sohn geht bis an seine Grenzen.
Gucky
30. Januar 1333 NGZ
»Dendar, du bist mein Sargnagel!«
»Wie soll ich das verstehen?«
»So, wie ich es sagte«, entgegnete Malcolm Scott Daellian. »Ich wollte eine langsame Annäherung auf null Komma zwei Lichtjahre an die Außengrenze des Parr-Systems. Keinen Millimeter weiter.«
»Null-Komma zwei oder Null Komma eins – ich sehe da keinen großen Unterschied ...«
»Für einen lebenden Toten oder toten Lebenden wie mich mag das auch zutreffen. Für den Rest der Besatzung der EAGLE kann es viel ausmachen. Deine Sehnsucht nach Vabanquespielchen ist mir durchaus bekannt, Dendar Kleer. Solange ich hier das Sagen habe, wirst du derlei Eigenmächtigkeiten unterlassen. Und jetzt bring uns gefälligst wieder auf Kurs!«
»Jawohl!« Mit einem Achselzucken gab der Kommandant des Kreuzers EAGLE den Befehl an die Zentralebesatzung weiter.
Daellian war nicht irgendwer. Das Wort des Chefwissenschaftlers der RICHARD BURTON, die das Mutterschiff des Kreuzers EAGLE war, galt während dieser Mission mehr als das seine.
Minutenlang hielt sich bedrückende Stille. Bis Dendar Kleer leise fragte: »Malcolm, diese Bemerkung über den Sargnagel – war das deine Art von Ironie?«
Die metallische Stimme Daellians drang gequetscht aus den Lautsprecherfeldern des wuchtigen Medotanks, von vielen »Sarg« oder »Sarkophag« genannt. »Zynismus, Dendar«, sagte der Untote, »denn der Zynismus ist der Versuch, das Universum so zu sehen, wie es wirklich
Lisch Entber
Der Wecker brüllte wie jeden Morgen. Lisch rappelte sich mühsam hoch und zeichnete mit einer Hand einen Kreis in die Luft. Sofort stoppte der infernalische Lärm.
Er rieb sich die Augen und blickte neidisch zur anderen Seite des Bettes. Andrasch, sein Weib, knurrte zufrieden und rollte sich nochmals unter der Syntho-Strohdecke ein.
Sie wusste, wie sehr er es verabscheute, aufstehen zu müssen – und er wusste, dass sie es wusste. Hätte es keines anderen Grundes bedurft, die Frau zu hassen – dieser eine genügte vollends.
Aber was sollten die trüben Gedanken am frühen Morgen? Andrasch war die Frau, die ihm jene Kinder geschenkt hatte, welche die Tradition der Entbers fortsetzen würden.
Lisch streckte den sehnigen Körper und begab sich in die Trockenzelle.
Herrscher waren gekommen und gegangen; sie hatten Kaiserreichen, matriarchalischen Militärdiktaturen oder Handelskonsortien wie jenem der Zweiundzwanzig vorgestanden – und sich dennoch immer bereitwillig den Wünschen der Entbers gebeugt.
Hausmeister zu sein, dachte er, bedeutet, den Schlüssel in der Hand zu haben. Sagen zu können, wann Sperrstunde ist. Wer leise zu sprechen hat. Wer wohin gehen darf.
Lisch drehte das Gebläse auf. Er genoss die heiße Luft und das Prickeln des Sandes auf seiner Haut.
Er öffnete die zierliche Reinigungsdose und setzte sich die Anbel-Symbionten an den Bauch. Wie immer krochen die kleinen, gelblichen Würmer zuerst in das dichte Brusthaar, das wie ein eigener kleiner Pelz wirkte: Er galt als Zeichen der Männlichkeit und Virilität. Er betrachtete sie aufmerksam. Die Anbels waren darauf dressiert, Hautunreinheiten zu vertilgen, kleinere Wunden zu schließen und Bakterienbelag von den Zähnen zu fressen.
Die Würmer waren eigentlich ein Spielzeug der Begüterten und Einflussreichen. Aber als Hausmeister der »Krone« stand man immer in einem Teil des Glanzes der hohen Tiere. Die Anbels hatten einmal einem Handelsherrn des Planeten Ayshran-Ho gehört, der aufgrund einer Intrige vom Thron gehebelt worden war. Nach seiner überstürzten Abreise waren ihm die persönlichen Sachen zwar nachgeschickt worden, doch um die Würmchen hatte sich niemand gekümmert.
»Kommt nur, meine kleinen Lieblinge!«, flüsterte Lisch und öffnete den Mund. Die zwei tüchtigsten Anbels kamen gegen den Widerstand des starken Sandgebläses über den Hals gekrochen und suchten sich ihren Weg über die tiefen Kinnfalten. So wie jeden Tag.
Er schloss den Mund und zog die Zunge ein klein wenig zurück.
Es war ein widerliches Gefühl, die beiden Fremdkörper in seinem Rachen zu spüren. Selbst nach Jahren hatte er sich nicht daran gewöhnen können. Aber was bedeuteten diese kleinen Unannehmlichkeiten gegen das Wissen, den ganzen Tag sauberen Atem zu verbreiten und glänzend goldfarbene, zugespitzte Zähne zeigen zu können?
Lisch schob den breiten Rücken gegen den hinteren Kratzbaum. Er fühlte die stacheligen Naturhohldornen des Esch-Baumes. Sie fuhren wie von selbst in den Mähnenwulst und toupierten ihn dank seiner kreisenden Bewegungen ein wenig auf, während über Wirbelgebläse ein harziger Parfumduft in die ledrige Haut einmassiert wurde.
Lischs Lebensgeister erwachten endgültig. Er stieß ein wohliges Knurren aus, verließ die Trockenzelle und gurgelte mit einem Schluck Wasser. Die beiden Anbels, die das Ende ihrer Arbeit mit einem sanften Biss in seine Oberlippe kundtaten, spuckte er in die Reinigungsdose zurück. Alle anderen pflückte er von Hand ab.
»Der Tag kann kommen«, sagte er, der mächtigste Mann der Krone. Er zog den weißen Arbeitsoverall über, beutelte die Mähne ein letztes Mal durch, wünschte seiner Frau inbrünstig einen langsamen Tod und ging an die Arbeit.
Reginald Bull
Bull konzentrierte sich auf das Bild, das über die Holo-Matrix projiziert wurde. Die Sonne Grosnor war als silbern glänzender Diamant im Zentrum der Aufnahme wiedergegeben. Roewis, ihr Ziel, stach als dritter von neun Planeten rubinfarben hervor.
»Das bedeutet noch zwölf weitere Etappen zu je fünfzig Lichtjahren«, sagte Oberst Pragesh und gestattete sich ein Seufzen.
Reginald Bull konnte es ihm nachfühlen. War doch die ganze Selbstverständlichkeit der Raumfahrt dahin. Noch vor wenigen Jahren hatten ihnen die Wege zu den entferntesten Sterneninseln offen gestanden; heute blieben sie auf kleine und kleinste Hüpfer durch das All reduziert. Allein, dass sie Magellan erreicht hatten, kam schon fast einem Wunder gleich.
Eine Linearetappe à fünfzig Lichtjahre, dann zwangsweise Rückkehr in den Normalraum. Austausch eines Kompensations-Konverters nach maximal 2500 Lichtjahren. Unser Blick, der weit über den Horizont des Glaubhaften gereicht hatte, ist reduziert wie der eines Maulwurfs.
»Noch schlimmer«, sagte Bull laut. »Wir sehen sie, aber wir können die meisten Ziele nicht mehr erreichen. Wir sitzen auf einer Insel inmitten des Ozeans und beobachten durch Fernrohre, was die Bewohner anderer Inseln so treiben.«
»Wie bitte?« Der Kommandant der RICHARD BURTON drehte sich um und betrachtete ihn irritiert.
Der Unsterbliche lächelte Pragesh müde zu. »Ältere Menschen neigen zu Selbstgesprächen. Wusstest du das nicht?« Übergangslos wurde er ernst. »Irgendwelche Fehlermeldungen?«
»Keine, die über die bisherigen hinausgehen. Unser Mangel an Hyperkristallen ist die einzige echte Schwäche. Daher wäre es ratsam, den Hawk-Konverter, den wir derzeit in Betrieb haben, ebenfalls auf Roewis auszutauschen.«
»Wer garantiert eigentlich, dass die Gurrads uns helfen werden?«, fragte Major DeMool misstrauisch. Der kleine, zart gebaute Olympgeborene war Dritter Offizier des Schiffes und tat während der Ruhephasen von Tako Ronta und Knut Anderson Dienst als Prageshs Stellvertreter. Seine düstere, stets ein wenig pessimistische Sicht der Dinge trug nicht unbedingt dazu bei, die Stimmung in der Zentrale zu verbessern.
»In erster Linie unsere Gäste«, sagte Bull. »Schon vergessen?«
Er sprach von Faghan El Bar, Tary Gerrige und Gahd Konter, jenen drei Gurrads, die sie aus einer Rettungskapsel ihres zerstörten Raumschiffes an der Grenze zum Parr-System gerettet hatten. Sie waren selbstbewusst bis zur Überheblichkeit aufgetreten, arrogant und stolz.
»Drei gerettete Gurrads – na und?«, entgegnete Major DeMool achselzuckend. »Wird das Grund genug sein, uns das wertvollste Material, das es derzeit zu finden gibt, in großen Mengen zu überlassen? In der Milchstraße wird betrogen und gemordet, um in den Besitz von Hyperkristallen zu gelangen.«
Das musste man ihm lassen: DeMool vertrat seinen Standpunkt ohne übergroßen Respekt vor ihm, dem Unsterblichen. Und seine Einwände waren nicht ungerechtfertigt. Galt die Rettung der drei Gurrads tatsächlich genug, um einen Handel zu begünstigen?
Entgegen seinen eigenen Zweifeln sagte Bull laut genug, dass ihn jeder in der Zentrale verstehen konnte: »Ich denke schon, dass Roewis uns helfen wird. Immerhin bringen wir einen Schwung neuer Erkenntnisse mit. Unter anderem Informationen über die Herkunft der Gurrad-Völker. Und nicht zuletzt: eine Warnung vor Gon-O.«
»Genau solche Dinge also, die jeder gerne hört: von Zwergen abzustammen und im Begriff zu stehen, von einem mentalen Despoten unterjocht zu werden. Ich bin sicher, das wird uns sehr helfen.«
»Jetzt reicht's aber mit deiner ewigen Schwarzseherei!«, fuhr ihn Pragesh an.
»Ich bemühe mich, realistisch zu bleiben ...«
»Ein guter Schuss Realismus ist gut – aber was du hier betreibst, grenzt schwer an Defätismus. Und den können wir an Bord dieses Schiffes und gerade im Rahmen unserer Mission auf keinen Fall gebrauchen.« Prageshs Stimme war hart. Allerdings hatte der Kommandant ein Dimmfeld aktiviert, das den Rüffel für den Rest der Zentralebesatzung unhörbar gemacht hatte.
Ranjif Pragesh verstand sein Geschäft ausgezeichnet. Der schlanke, dunkelhäutige Erdgeborene wusste genau, wie er seine Pappenheimer behandeln musste.
DeMool schluckte und hauchte ein »Aye, Sir!«
Dann legte Pragesh seinem Stellvertreter die Hand auf die Schulter und fragte: »Nervös?«
»Ja«, antwortete DeMool überrascht. »Die letzten Tage waren ... waren ...«
»... beschissen?«
»Das war das Wort, das mir auf der Zunge lag.«
Sie grinsten sich an.
Lisch Entber
Er betrat die Überwachungszentrale. Für einen Moment herrschte Ruhe, dann gaben sich die fünfzehn Männer und Frauen der Nachtschicht den Anschein übertriebener Geschäftigkeit.
Natürlich!, dachte Lisch. Sie fühlen sich ertappt, denn sie haben etwas ausgefressen. Sie hatten immer etwas ausgefressen. Und selbst wenn dem ausnahmsweise nicht so war, würde er sie mit kleinen Hinweisen daran erinnern, was sie in den letzten Tagen alles falsch gemacht hatten.
»Nun?«, fragte er grollend.
»Alles in Ordnung, Vater!«, antwortete Findus, sein Ältester.
»Es ist nie alles in Ordnung!«, wies Lisch ihn zurecht. »Also raus mit der Sprache!«
»Es gab nur das Übliche. Ein paar defekte Lichtinseln; punktuelle Schäden an der Außenverschalung in Sektor C durch einen schadhaften Robo; ein betrunkener Wächter ...«
»... hast du ihm gekündigt?«, unterbrach ihn Lisch.
»Selbstverständlich!«
»Gut!« Ab und zu musste man den Jungen auch loben. »Weiter!«
»Nun – zwei gestohlene Sandföne ...«
»Gestohlen? Wer wagt es, mir etwas wegzunehmen?«
»Vater«, wagte Findus einen leise gemaunzten Widerspruch, »diese Föne sind nicht dein Eigentum. Sie gehören der Krone!«
»Und die Krone bin ich!«, brüllte Lisch. »Wann wirst du das endlich verstehen?! Also, heraus mit der Sprache! Wer war es?«
»Es gibt nur einen Verdacht ...«
»Nur einen Verdacht? Nur ... einen ... Verdacht? Ha! Das dachte ich mir! Ihr habt wohl die ganze Nacht geschlafen oder Hummusch gespielt, anstatt Nachforschungen anzustellen.«
»Es handelt sich wahrscheinlich um ein Mitglied der Delegation von Mantoll. Wir können doch keinen diplomatischen Konflikt provozieren, nur weil ein Haargebläse abhanden gekommen ist.«
»Zwei! Zwei Haargebläse – und selbst wenn es nur eines wäre: Hör auf, mir zu widersprechen! Aus dir spricht die ganze Unverschämtheit deiner Mutter!« Lisch schlug seinem Sohn vor die Brust. »Wage es nicht noch einmal, mir gegenüber einen derart dreisten Tonfall anzuschlagen.«
Findus wich einen Schritt vor ihm zurück, beide Hände zur Abwehr erhoben.
»Natürlich können wir und natürlich werden wir!«, rief Lisch, ohne weiter auf den missratenen Zögling zu achten. »Was schert es mich, was sich dieses Diplomatenpack für Schweinereien ausdenkt, um seine Pfründe abzustecken! In der Krone herrschen Zucht und Ordnung, solange ich das Sagen habe.«
Er drehte sich im Kreis und blickte sie zornfunkelnd an. Die Vettern, Basen, Nichten, Neffen, Schwippschwager, Töchter und Söhne. »Und das, meine Lieben, wird noch lange der Fall sein«, fügte er hinzu. »Gebt euch keinen falschen Hoffnungen hin.«
Tadh Al Arroin
Gurrads legten viel Wert auf ihre Außenwirkung. Eine voluminöse Stimme, körperliche Präsenz sowie ein gerüttelt Maß an Leidenschaft halfen bei Verhandlungen mit Landsleuten weitaus mehr als kaufmännischer Verstand.
Al Arroin konnte ein Mondgebrüll davon anstimmen. Schließlich spielte er seine Stärken bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus. Ein stattlicher Körperwuchs und tiefgrün glänzende Augen waren sein Bonus – ein Übermaß an Eitelkeit sein größter Makel.
Als klugem Gurrad gelang es ihm, sich selbst seine Schwäche einzugestehen. Meist beherrschte er sie, nur ab und zu war es andersherum.
Dieses Mal kokettierte er damit, als er das Holo-Bild des Unsterblichen anstarrte. »Deine Schmeicheleien sind so geschickt formuliert, Reginald Bull«, sagte er mit freundlich hochgezogenen Mundwinkeln, »dass sie mich fast dazu bringen, dich zum Ehrenbürger von Roewis zu ernennen. Aber ich kenne euch Mähnenlose; hinter jedem Lob versteckt ihr eine Forderung. Ist es nicht so?«
Er konnte die Mimik des Residenz-Ministers natürlich nicht deuten. Dafür gab es Xenopsychologen, die sich später anhand der Aufzeichnungen ihr Geld verdienen sollten. Doch er hätte beim Barte seiner Mutter schwören können, dass der Unsterbliche verblüfft war.
»Wie ich bereits sagte« – dies war Diplomaten-Gurradsch, wie er es schon tausendfach gehört hatte –, »bringen wir drei Überlebende einer Mission des Roewis-Imperiums zum Arwitchnebel zurück in ihre Heimat. Und wir liefern wichtige Informationen, die euer Weltbild auf den Kopf stellen werden.«
Ein Terraner wie Bull sagte so etwas nicht einfach dahin. Das, was er dem Imperium Roewis mitzuteilen hatte, musste eine mittelgroße Sensation sein. Aber Al Arroin war keineswegs bereit, sich seine Neugierde anmerken zu lassen. »Und?«, fragte er deshalb kaltschnäuzig.
Der Terraner riss die Augen weit auf. Eine derbe Unhöflichkeit, die in manchen gurradschen Kreisen mit Mord und Totschlag enden konnte. Al Arroin war Diplomat genug, über diese Aufforderung, sein Gegenüber unter den Achseln zu lecken, großzügig hinwegzusehen.
Also wiederholte er seine Frage: »Wie hoch ist die Gegenleistung, die du vom Konsortium der Zweiundzwanzig erwartest?«
Mittlerweile wurden am unteren Bildrand der leicht gestörten Übertragung Bilder von drei Gurrads eingeblendet. Einer davon, jener mit der grauen Lederkombination und dem raffiniert gebundenen gelben Gürtel, kam ihm bekannt vor. Fagan Ed Bar oder so ähnlich hieß er; eine Koryphäe in einem schmalen Fachsegment der Hyperwissenschaft.
Tadh Al Arroin konzentrierte sich wieder auf den Terraner, der mit seiner Fassung rang. Der Residenz-Minister mochte mit seinesgleichen gut umgehen können. Auf Roewis aber galten die Sitten der Gurrads. Hier hatten sich die Nacktgesichtigen anzupassen. Zumal er sich sehr gut vorstellen konnte, was Reginald Bull von ihm wollte.
»Nun gut«, sagte der Terraner schließlich. »Um es auf den Punkt zu bringen: Wir liefern Informationen – und wollen dafür Ersatzteile für unser Schiff.«
»Wir reden also von Hyperkristallen und Tauschaggregaten, die ihr wollt?«, schnurrte Al Arroin vergnügt.
»So ist es.« Reginald Bulls Züge verzogen sich auf merkwürdige Art und Weise, und seine Gesichtshaut nahm allmählich die Farbe seiner Mähne an. Ein interessanter Chamäleon-Effekt, den er bereits bei anderen Handelskontakten mit Terranern beobachtet hatte.
»Möglich, dass euch das Konsortium der Zweiundzwanzig helfen kann«, sagte der Patriarch. Er fuhr sich durch die Mähne. »Die Großzügigkeit der Gurrads des Roewis-Imperiums ist weithin bekannt. Das Wissen darum sollte bis in die Milchstraße, wie ihr das Schielende Auge lustigerweise nennt, vorgedrungen sein. Wir werden die Terraner also gerne bei ihren Reparaturarbeiten unterstützen und ...«
»Sprechen wir Klartext, Al Arroin. Anstatt froh darüber zu sein, dass wir euch drei Überlebende von einem fürchterlichen Unglück am Rande des Arwitch- oder Parrakhon-Nebels zurückbringen und zudem Nachrichten liefern, dass dir die Barthaare vor Aufregung zittern werden, forderst du Zusatzleistungen von uns. Ein paar mickrige Hyperkristalle sind dem überaus großzügigen Imperium Roewis offensichtlich wichtiger als das Leben seiner Angehörigen. Also heraus mit der Sprache: Was willst du?«
»Es gibt in der Tat etwas«, entgegnete Al Arroin sanft, »um das ich dich zu gegebener Zeit bitten werde. Es handelt sich um kaum mehr als einen kleinen Gefallen.«
»Ich werde sehen, was ich für dich tun kann«, setzte Reginald Bull nach kurzer Nachdenkpause fort. »Sofern es moralisch vertretbar ist. Du hast mein Wort.«
Gegen jeden Anstand und ohne weiteren Gruß unterbrach der Terraner die Verbindung.