Perry Rhodan 2280: Exil der Orakel - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 2280: Exil der Orakel E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Die Schota-Magathe auf Heimatsuche - die Milchstraße rüstet gegen die Kybb Wie mit einem gewaltigen Paukenschlag fällt am 12. März 1333 NGZ der Arphonie-Sternhaufen aus seinem Hyperkokon zurück in den Normalraum - und wie die "Büchse der Pandora" entlässt er tödliche Gefahren für die Menschheit. Tagg Kharzani, der Herrscher Arphonies, ist trotz aller Niederlagen noch am Leben und reist auf direktem Kurs zur Erde. Mit ihm kommen die verfügbaren Kybb-Titanen, riesige kugelähnliche Raumschiffe mit einem ungeheuren Waffenarsenal. Perry Rhodan fliegt sofort ins Solsystem, um der bedrohten Menschheit beizustehen. Atlan indessen begleitet Zephyda, die Stellare Majestät der Motana, zurück zum Zentrum des Widerstands: Tom Karthay im Sternhaufen Jamondi. Sie wissen, dass die Zeit gegen sie arbeitet. Während sie selbst noch immer viel zu wenige Schiffe haben, kann Kharzani auf gewaltige Machtmittel zurückgreifen.Was sie also benötigen, sind weitere Raumschiffe und zusätzliche Verbündete. Diese finden sich möglicherweise im EXIL DER ORAKEL...

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Nr. 2280

Exil der Orakel

Die Schota-Magathe auf Heimatsuche – die Milchstraße rüstet gegen die Kybb

Michael Marcus Thurner

Wie mit einem gewaltigen Paukenschlag fällt am 12. März 1333 NGZ der Arphonie-Sternhaufen aus seinem Hyperkokon zurück in den Normalraum – und wie die »Büchse der Pandora« entlässt er tödliche Gefahren für die Menschheit.

Tagg Kharzani, der Herrscher Arphonies, ist trotz aller Niederlagen noch am Leben und reist auf direktem Kurs zur Erde. Mit ihm kommen die verfügbaren Kybb-Titanen, riesige kugelähnliche Raumschiffe mit einem ungeheuren Waffenarsenal. Perry Rhodan fliegt sofort ins Solsystem, um der bedrohten Menschheit beizustehen.

Atlan indessen begleitet Zephyda, die Stellare Majestät der Motana, zurück zum Zentrum des Widerstands: Tom Karthay im Sternhaufen Jamondi. Sie wissen, dass die Zeit gegen sie arbeitet. Während sie selbst noch immer viel zu wenige Schiffe haben, kann Kharzani auf gewaltige Machtmittel zurückgreifen.

Was sie also benötigen, sind weitere Raumschiffe und zusätzliche Verbündete. Diese finden sich möglicherweise im EXIL DER ORAKEL ...

Die Hauptpersonen des Romans

Bort Leytmark – Ein junger Patriarch der Schota-Magathe will sein Volk in die Zukunft führen.

Goth Dungear – Der Oberste der Schota-Magathe bewahrt die Traditionen.

Atjaa – Die Stählerne Schildwache rüstet die Motana zum Krieg.

Atlan

1.

Baikhal Cain

»Umwälzen!«, befahl Bort Leytmark seiner Jüngsten zum vielleicht sechzehnten Mal am heutigen Tag. »Lass dich vom Sog der unteren Kaltströmung packen! Und nütz endlich deine Flosse, du Blubberlutsch!«

Natürlich gehorchte Wiini nicht. Natürlich stemmte sie sich gegen die tiefste Strömung. Sie wirbelte umher, verlor in ihrer Angst gänzlich die Orientierung und trieb steif wie ein Stück Holz zurück an die Oberfläche.

»Womit habe ich das nur verdient!«, schnaubte Bort und blies das Nasenwasser in einer wütenden Sprayfontäne weit in den düsteren Himmel. »So ein Ausbund an Ungeschicklichkeit ist mir noch nie untergekommen!«

»Das hast du noch bei jedem deiner Kinder gesagt«, schnorchelte Kentiloy und rieb ihre Bauchseite beruhigend über die seine.

»Aber diesmal stimmt es wirklich!« Der Patriarch stieß seine dreijährige Tochter mit einem einzelnen, heftigen Flossenschlag von sich. Ein paar wilde Körperdrehungen erzeugten einen Sog, dem sich das kleine Wesen nicht entziehen konnte. Es wurde quietschend nach unten hin weggetrieben, verschwand leise piepsend im Dunkelwasser.

»Du griesgrämiger Tangrüssel!«, fuhr ihn Kentiloy an. »Es geht bloß um eine simple Umwälzung, nicht um deinen sorgsam gepflegten Streit mit dem Obersten Rat! Reagier deinen Frust gefälligst woanders ab und nicht hier, zwischen den Trainingsstöcken der Kleinsten!«

Die Rückensprenkelung seiner Gehegin leuchtete in aggressivem Rostrot. Obwohl sie mehr als eine Flossenbreite kleiner als er war – und noch dazu fast krankhaft schlank –, verpasste sie ihm einen Nasenstupser in die Weichteile, der ihn leise winseln ließ.

Mühsam unterdrückte Bort seine Wut, sein brodelndes Ungestüm. Abrupt wandte er sich von Kentiloy ab, verließ den Kinderkorallengarten und kämpfte sich gegen die Hauptströmung nach draußen, weit hinaus ins offene Meer.

Erst als der junge Patriarch meinte, weit genug geschwommen zu sein, holte er tief Luft, pumpte den Leib auf und presste den Sauerstoff mit einem lang gezogenen Schrillgrunzen aus.

Der stürmische ablandige Mittagswind trug den Zorneslaut über die Wasseroberfläche, bloß weg von hier, und das war gut so.

Meinte denn jeder, seinen Rüssel in jede ihm genehme Richtung drehen zu können? Musste er sich gar schon in der eigenen Familie dem Willen eines dreijährigen Balglings unterordnen und noch dazu gegen seine halsstarrige Gehegin ankämpfen? Bort hatte es satt, satt, satt!

Nur langsam beruhigte er sich. Ein paar lang gezogene Fürze, die die Wasseroberfläche zum Blubbern brachten, halfen ihm, sein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden.

Der Patriarch verschloss die Nasenlöcher und tauchte hinab ins Dunkle Reich. Dorthin, wo die Sicht zur Ahnung wurde. Dorthin, wo Kühle und absolute Stille herrschten und wo der Naturkrill tausendmal besser schmeckte als nahe der Oberfläche.

Ganz allmählich fand Bort zu jenem sanften Körperschwung zurück, der ihn entlang der schwächsten Strömungen vorwärts und abwärts führte. Er spürte, wie sein Herzschlag beschleunigte und gleichzeitig regelmäßiger wurde. Eine Flottille dahintreibender, hell glühender Noosenkakerlaken kreuzte seinen Weg und schenkte ihm zum letzten Mal weißgelbes Licht, bevor alles um den Patriarchen zu wunderbarem Grüngrau wurde.

Er seufzte grummelnd.

Viel zu selten fand er Zeit und Muße, hier herabzukommen, in den Facettierungen der Eintönigkeit Kraft zu sammeln – und den Jähzorn, der seiner Familie gegeben war, zu bekämpfen.

Der prall gefüllte Tentakelarm einer Zucklilie griff nach ihm, zog sich aber sofort wieder zurück. Die Hybridwesen wussten sehr wohl, an wen sie sich herantrauen konnten und wen sie zu achten hatten.

Einhundert Körperlängen tief war er nun gelangt. Der Meeresboden, meist sandig und nur von einzelnen Süßalgsträuchern bewachsen, befand sich nicht mehr weit unter ihm.

Bort begann zu singen. Leise, fast andächtig, stimmte er den Beschwingten Feuchtwälzer aus Tan-Orakelstadt an; eine uralte, mythisch verbrämte Melodie, die normalerweise zum Familientanz geblubbert wurde. Aber hier und heute war er sich selbst genug.

Er musste die stets unvermutet auftretenden Zorneswallungen endlich unter Kontrolle bekommen! Niemand, nicht einmal die engsten Freunde würden ihm sonst vertrauen bei dem, was er morgen vor dem Rat vorzutragen gedachte.

Denn genauso, wie sich seine Wiini mit störrischem Eigensinn weigerte, den Umwälzer zu lernen, genauso weigerte sich der Oberste des Rates, Goth Dungear, den politischen Umwälzer in Betracht zu ziehen.

Und er, einer der jüngsten Patriarchen, hatte daher vor, den alten Schnorchkopf von seinem Thron zu stupsen.

*

Große und auch beunruhigende Dinge passierten auf Baikhal Cain. Dinge, die Bort Leytmark einfach nicht mehr länger ignorieren wollte – und durfte. Die Motana flohen, der Heilige Berg ... Die Welt war im Wandel, doch sein Volk blieb unbeeinflusst.

Die beiden Monde, Mallein und Narmil, beschienen fahl den Großen Grat der Cain-Orakelstadt. Dreihundert der bedeutendsten Patriarchen hatten sich am Rand der Klippe versammelt. Der Abgrund, sechs Körperlängen tief und nur von der abgewandten Seite des vorgelagerten Meeresriffs her zugänglich, erschien Bort an diesem Tag wie ein Symbol für die düsteren Zukunftsaussichten der Schota-Magathe. Silbrige Fäden salzigen Sprühwassers zogen sich die Steilwand hinab. Schroff, scharfkantig und durchaus gefährlich war sie, wenn man den Sprung zurück ins Wasser nicht genau mit den Wellenbewegungen weit unterhalb abstimmte.

Schon mehrmals waren hier Patriarchen, die während einer Versammlung des Rats in den Tiefen Wassern zu sehr dem alkoholischen Kau-Algerling zugesprochen hatten, ums Leben gekommen. Vielerlei Märchen und Geschichten rankten sich um den schroffen Felsen, der wie ein stumpfer, fauliger Zahn nahe ihrer Heimatinsel aus dem Ozean emporragte.

Hier waren Geschichten und Geschichte der Schota-Magathe geschrieben worden. Hier wurde Recht gesprochen, wurden Gehegebildungen erklärt, Übereinkünfte zwischen Sippen erzielt, Jugendliche über die Pflichten des Erwachsenseins aufgeklärt, die Legenden über ihre Herkunft weitergegeben und vieles mehr.

»Zwei, eins ... ab!«, knurrte Bort Leytmark und ließ sich über die scharfe Kante hinweg in das Nichts plumpsen.

Es war ... erregend. Wenige Momente des freien Falls, befreit von aller Schwere seines Körpers, vom Wind umfächelt, an der Felswand vorbei ...

Das Wasser kam näher und damit die Angst vor dem Aufprall. Die Rüsselnase und die Augen schützte man mit den Händen. Der Körper selbst blieb maximal gestreckt, die Schwanzflosse angewinkelt.

Und dann – der Schmerz des Kontakts mit dem so geliebten Element. Eigentlich war es mehr die Überraschung als ein körperliches Empfinden. Jedes Mal.

Bort Leytmark durchbrach die Wasseroberfläche, wurde von der eigenen Masse weit hinabgedrückt, nahe dem steilen Abhang des wasserseitigen Großen Grats.

Wasserseitig?

Kurz sinnierte der junge Patriarch über jene unglückseligen Geschöpfe, die sich selbst »Landbewohner« nannten. Sie kannten nicht jene Dimensionalität mehrerer Elemente, in denen man sein Dasein verbringen konnte. Irgendwann im Laufe ihrer Entwicklung hatten sie sich dafür entschieden, dem Wasser ade zu sagen und eine an Planetenschwerkraft gebundene Lebensweise einzuschlagen. So zum Beispiel die Vay Shessod: Diese Zweibeiner benötigten stets festen Boden, um sich sicher fortbewegen zu können. Sie hatten sich spezialisiert und waren auf einem Auge blind geworden. Um nicht zu sagen, dass sie degeneriert waren. Denn die Tiefe des Wassers, das wasserseitige Leben, war ihnen als Lebensraum gänzlich verloren gegangen.

Nicht so dem Volk der Schota-Magathe.

Gut – sie waren plump und behäbig an Land und spürten die Schwerkraft des Planeten am Leib. Dennoch konnten sie weite Distanzen zurücklegen und ohne Probleme längere Zeit in Trockenheit überleben.

Bort Leytmark rieb seine ledrige Haut an einem Korallenstamm und stieß Laute der Befriedigung aus. Der Sprung vom Großen Grat war mehr als eine Mutprobe. Es war das Initiationsritual seiner Mannwerdung gewesen und diente seitdem zur beständigen Überprüfung seiner körperlichen und mentalen Tüchtigkeit.

Mehrere breite Schatten verdunkelten die Sicht nach oben.

Eine größere Gruppe von Patriarchen näherte sich mit kräftigen Flossenschlägen dem Versammlungsfelsen. Der vorderste der mächtigen Körper war hell gesprenkelt und an den faltigen Seiten von tiefen Längsnarben durchzogen.

Goth Dungear. Begleitet von der Senioren-Fraktion, wie Bort die Taumelgreise insgeheim nannte.

Bort drückte sich in den Schatten des Korallenstocks und verharrte ruhig, um sich ja nicht durch weitere Wellenwirbel zu verraten. Er verspürte keinerlei Lust, mit dem Obersten des Rates bereits jetzt zusammenzukrachen.

Zu spät.

Auch wenn Goths Leib hinfällig und seine Augen nahezu erblindet waren – sein Gefühl für Wirbel, Strömungen und Störungen des Wassergeflechts war legendär. Mit zwei kräftigen Flossenschlägen näherte sich das alte Ratsmitglied bis auf eine Körperlänge.

»Bist du heute gekommen, um wieder Unruhe zu stiften?«, fragte der Alte und stieß dabei einen heftigen Sprudel an Blasen aus.

»Ich bin hier, um mein Recht auf Meinungsfreiheit einzufordern«, wich Bort Leytmark aus.

»Ich rate dir dringend davon ab, erneut widersinnige Forderungen auszusprechen. Mit deinen wirren Ansichten schwimmst du dich immer weiter ins Abseits.«

»Es kommt nicht darauf an, wohin man schwimmt, sondern wofür man schwimmt. Und ich meine, im Dienst einer guten Sache zu schwimmen ...«

»Du meinst?« Goth blubberte verächtlich. »Das bedeutet, dass du keine Ahnung hast, woran du tatsächlich rührst.«

»Natürlich weiß ich ...«, begann Bort, musste jedoch abbrechen. Denn der Oberste des Rates wandte sich bereits ab, zeigte ihm provokant den Rundbuckel und tauchte in zittrigen Torkelbewegungen zurück zu seinen Begleitern.

Ratlos blieb der junge Patriarch zurück. Während mehrerer Flossenschläge verharrte er ruhig, riss sich unter großen Mühen zusammen. Schließlich gab er dem Kochen und Brodeln in seinem Leib nach – und zertrümmerte wütend den Korallenstamm mit der Wucht seines Leibes.

*

»Dass die Motana Baikhal Cain verlassen haben sollen, ist eine erschreckende Nachricht«, bellte der Oberste des Rates den Beginn seiner Rede. »Umso mehr, als wir wissen, zu welchem Zweck dieser Exodus herbeigeführt wurde.«

Goth Dungear legte eine kurze Atempause ein. So, wie er es gern tat, wenn er dabei war, etwas Bedeutungsvolles auszusprechen.

Bort Leytmark kannte die kleinen rhetorischen Tricks des alten Patriarchen zur Genüge, und er hatte sie längst durchschaut. Im Gegensatz zu den meisten anderen, die hier am Großen Grat saßen oder lagen.

»Die Motana treten in den Kampf gegen die Kybb-Völker ein!«, fuhr der Alte schließlich mit donnernder Stimme fort. »Sie wollen das Schicksal erneut herausfordern. So wie damals, vor der Blutnacht von Barinx, von der die Legenden berichten. Sie haben sich dafür entschieden, den Kybb offenen Widerstand zu leisten. Hier, auf Baikhal Cain, kam es zu erbitterten Kämpfen. Der Heilige Berg wurde in die Luft gesprengt. Explosionen von Raumschiffen waren am nächtlichen Firmament zu erkennen ...«

Die Unruhe war groß. Überall flappten die Patriarchen, jung oder alt, mit Schwanzflossen und Händen auf den salzverkrusteten Felsen.

Die Worte Goth Dungears hatten nach Borts Ansicht bis jetzt nichts Neues gebracht. Sie gaben nur wieder, was längst in Form von Gerüchten oder Wassertratsch durch alle Baikhalmeere geschwappt war. Aber der Oberste des Rates war ein Meister darin, die geringsten Kleinigkeiten aufzubauschen und sie wie Sensationen zu präsentieren.

»Nun gibt es manche«, fuhr der alte Patriarch fort, »die meinen, wir sollten im Zuge dieser ... Veränderungen ebenfalls mit alten Sitten brechen. Junge Mitglieder unserer ehrwürdigen Versammlung, deren Barthaare noch nicht einmal getrocknet sind und die dennoch meinen, das Land gewaltsam aus dem Ozean hebeln zu müssen.«

Goth Dungear drehte seinen hinfällig gewordenen Körper mühsam zur Seite, vollführte eine Rolle, bedachte mehrere der Anwesenden scheinbar rein zufällig mit einem Blick.

Das alte Walross war nahezu blind. Gleichwohl schien es zu riechen oder zu spüren, wo Bort sich befand. Sein strenger, blinder Blick strich gerade über seinen Leib besonders lange und aufmerksam hinweg.

Der junge Patriarch beherrschte sich, wie er selbst meinte, mustergültig. Er konnte der offensichtlichen Herausforderung ohne Probleme widerstehen. Lediglich seine Schwanzflosse klopfte leise über den Stein seiner Ruhekuhle.

Goth rollte in die Sitzstellung zurück und blies bedächtig Nasenschleim in ein breites Muschelgefäß vor ihm. »Es bedarf schon eines besonders anrüchigen Skeptikers, der Worte anzweifeln wollte, die bis in alle Ewigkeit festgeschrieben worden sind: Wir, die Schota-Magathe, stehen für Stabilität. Für stetig gleich bleibendes Leben. Für die Nichteinmischung in die Geschehnisse im Sternenozean. Für die Doktrin der Unsichtbarkeit. Für die Wünsche und Befehle unserer Herrin!«

Wie ein hohles Echo klang es, als die Patriarchen die Worte des Obersten wiederholten: »Stabilität ... Nichteinmischung ... Unsichtbarkeit ...«

Reflexartig sprach Bort Leytmark mit, folgte den suggestiven Worten des Alten. Generation um Generation musste diese Floskeln wie Muttermilch in sich aufgesogen haben.

Lange dauerte es, für seinen Geschmack viel zu lange, bis er sich selbst aus dem hypnotisierenden Singsang reißen konnte. Unwillig und zornig über seine eigene Schwäche, wälzte er sich herum, stieß seine Nachbarn an und sorgte so dafür, dass die endlosen Wiederholungen eine kleine Störung erfuhren. Wellenförmig und nicht mehr zu stoppen breitete sich Unruhe aus.

Mit ihm als Epizentrum.

Kein Seebeben konnte schlimmer sein als die plötzliche Aufmerksamkeit, die er dadurch erfuhr. Die Litanei wurde endgültig abgebrochen, aller Blicke richteten sich auf ihn. Stumme Anklage konnte schmerzhafter sein als die stärksten Flossenschläge.

Doch erregte er nicht genau jenes Interesse, das er wünschte, um seine Ideen und Vorstellungen unter den Patriarchen zu verbreiten?

Unsicher schwebte er hoch, eine halbe Körperlänge vielleicht. Sollten sie ihn anstarren, diese ignoranten Fettrösser, diese trägen Schwabbelbäuche, diese ... diese ...

»Ihr verharrt in geistiger Unbeweglichkeit«, jaulte er schrill und drehte sich um die eigene Achse, »während sich die Welten im Sternenozean im Aufruhr befinden! Ihr beruft euch auf jahrtausendealte Bräuche und Gesetze, die in diesen Tagen keine Gültigkeit mehr besitzen! Ihr missachtet alle Hinweise der Veränderung! Gebt vor, nur durch Unsichtbarkeit den Willen Carya Andaxis erfüllen zu können. Folgt den Worten eines alten, halb ausgetrockneten Sturrüssels, der nicht mehr zwischen geraspeltem Süßholz und salzigem Wasserfarn unterscheiden kann ...«

Bort verhielt in der Luft und brach seine Brandrede abrupt ab. Wurde sich bewusst, was er gesagt hatte.

Na bravo. Wieder einmal hatte er es geschafft.

Er hatte buchstäblich alle Patriarchen gegen sich aufgebracht. Sein verfluchtes Temperament war erneut mit ihm durchgegangen! Überall, wohin er blickte, begegnete er nun Misstrauen, offener Ablehnung, ja sogar unverhülltem Abscheu.

Warum, bei den Schutzherren, hatte er sich dazu hinreißen lassen, den Obersten persönlich anzugreifen und zu verunglimpfen?

Er ließ sich schwer zu Boden plumpsen und schüttelte müde den Kopf über seine Dummheit.

»Ich werde diese Worte deiner jugendlichen Unerfahrenheit zuschreiben«, sagte Goth Dungear mit sanftem Blubbern. »Ich verstehe, dass du es keinesfalls böse meinst. Ich werde auch die Beleidigungen, die mir persönlich galten, vergessen ...«

Ha, schön wär's! Der Alte würde sie ihm bis in alle Ewigkeiten vorhalten. Wenn etwas bei ihm funktionierte, dann war es sein nahezu eidetisches Gedächtnis.

»... aber das Funktionieren unserer Gesellschaft hängt in höchstem Maße von den moralischen Vorgaben unserer Herrin ab, die du mit einem einzigen Flossenschlag überschwappen willst. Ich gebe dir, deiner Gehegin und eurer Brut eine Nachdenkfrist von ... vierzig Tagen. In dieser Zeit solltest du dir über dein häretisches Gedankengut an einem Ort außerhalb Cain-Orakelstadts im Klaren werden.«

Der Triumph in der Stimme des Obersten war unüberhörbar, als die Mehrheit der versammelten Patriarchen Beifall flappte.

Alles, was Bort an diesem Abend gesagt hatte, würde dazu führen, dass sich die wenigen Sympathisanten seiner Ideen von ihm abkehren mussten. Ein Schota-Magathe, der sich einem derartigen Gefühlsausbruch hingab, war keinesfalls geeignet, das Wort im Kreise der wichtigsten Patriarchen zu ergreifen.

Müde robbte Bort Leytmark zum Großen Grat, um sich wortlos in den Abgrund zu werfen. Er hatte versagt.

Erst als er in das kühle Nass tauchte, wurde ihm klar, dass es der Oberste gezielt auf diese Bloßstellung angelegt hatte.

Die kleine Provokation am Korallenriff; die herausfordernden Blicke während seiner Ansprache; die absichtlich konservativ ausgelegten Litaneien – dies alles hatte nur dazu gedient, das in Bort kochende Temperament zum Vorschein zu bringen und ihn in aller Öffentlichkeit bloßzustellen.

Und er hatte brav mitgespielt, war dem alten Intriganten ein folgsames Opfer gewesen.

*

Cain-Orakelstadt war ein Wunderwerk der Natur.