Perry Rhodan 2828: Die Technoklamm - Michael Marcus Thurner - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2828: Die Technoklamm E-Book und Hörbuch

Michael Marcus-Thurner

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Atlan auf der Suche nach dem Richterschiff - gejagt von den Verfolgern des Tribunals Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen. Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang, den Weltenbrand der Galaxis. Atlan, der unsterbliche Arkonide, will dem Tribunal in dessen Machtzentrum gegenübertreten, um die Wahrheit zu erfahren. Bis zur Passagewelt Andrabasch ist er bereits vorgestoßen, doch ohne besondere Berechtigung endet sein Weg dort. Seine einzige Chance ist die Hilfe des geheimnisvollen Pensors. Dessen Residenz ist angeblich DIE TECHNOKLAMM ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Veröffentlichungsjahr: 2015

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 54 min

Veröffentlichungsjahr: 2015

Sprecher:Andreas Laurenz Maier

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 2828

Die Technoklamm

Atlan auf der Suche nach dem Richterschiff – gejagt von den Verfolgern des Tribunal

Michael Marcus Thurner

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.

Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang, den Weltenbrand der Galaxis.

Atlan, der unsterbliche Arkonide, will dem Tribunal in dessen Machtzentrum gegenübertreten, um die Wahrheit zu erfahren. Bis zur Passagewelt Andrabasch ist er bereits vorgestoßen, doch ohne besondere Berechtigung endet sein Weg dort. Seine einzige Chance ist die Hilfe des geheimnisvollen Pensors. Dessen Residenz ist angeblich DIE TECHNOKLAMM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Unsterbliche muss um sein Leben kämpfen.

Vogel und Shukard Ziellos – Die Brüder begleiten Atlan auf eine abenteuerliche Reise.

Lua Virtanen – Die junge Frau muss sich eingestehen, dass sie ihre Kräfte womöglich überschätzt hat.

Veyqen und Elmtroq

1.

Atlan, heute

Ein Dovedag kreuzte über uns. Mein Herz schlug schneller. Man hatte uns gesagt, dass der Gleitvogel ungefährlich sei und bloß auf kleinere Vierbeiner Jagd mache. Und dennoch hatte ich ein flaues Gefühl im Magen.

Der Dovedag genoss die Thermik, glitt in engen Spiralen höher, spielte auf einzigartige Weise mit dem Aufwind. Irgendwann würde er sich fallen lassen und mit eng angelegten Flügeln einen fernen Punkt im Coonuy-Gebirge anvisieren, womöglich seinen Horst.

Ich atmete mehrmals tief durch. Wir befanden uns in einer Höhenlage, die jener von etwa zweitausend Metern auf Terra entsprach. Das Atmen fiel uns allmählich schwerer.

»Ein Kuthan«, sagte Shukard Ziellos. Er klapperte laut mit den Zähnen und deutete auf die Spur im Schnee, die wir seit einigen Minuten verfolgten.

»Nein, ein Rigo«, widersprach sein Bruder Vogel. »Siehst du den Hornabdruck der Fersenkralle? Und hier die Kratzspuren am Fels?«

Ich sah mich um. Vogel hatte recht. Wir verfolgten einen Rigo. Ein behände kletterndes Tier, das etwa halb groß wie ein Mensch wurde und dessen Aggressivität Anlass zur Sorge bot. Sein Fleisch freilich wäre eine willkommene Abwechslung nach den vielen Nahrungskonzentraten, die wir während der letzten Tage zu uns genommen hatten.

»Er ist nahe«, sagte ich und betrachtete die Spuren eingehender. »Seht ihr diese gelbgrünen Tröpfchen im Schnee? Er weiß, dass wir hinter ihm sind und markiert zur Abschreckung sein Revier.«

Wir hatten einen Artgenossen aus der Ferne beobachtet, wie er einen meterlangen Kriecher attackiert, ihm die Raubtierzähne in den Körper geschlagen, ihn hochgeschleudert und wieder aufgefangen hatte, um ihn genüsslich zu zerbeißen. Anschließend hatte er sich über die in der Kälte dampfenden Innereien hergemacht, aber den Rest des Fleisches verschmäht.

Und einem derart erbarmungslosen Kämpfer stapften wir hinterher? Drei junge Leute, die vor wenigen Tagen das heimatliche Generationenschiff, die ATLANC, erstmals verlassen hatten, und ein alter Narr.

Ich betrachtete meine Armbrust, eines der wertvollsten Stücke unserer Ausrüstung. Die Bolzen waren aus einer besonders leichten Metalllegierung gefertigt, der Korpus aus Naturholz. Ich hatte einige Erfahrung mit einem derartigen Gerät. Doch meine Zeit als Jäger lag lange zurück.

Ich blickte hoch. Schneegraupel, der von böigem Wind herangetragen wurde, behinderte mit einem Mal meine Sicht. Etwa dreißig Höhenmeter über uns entdeckte ich eine zarte Linie, die sich vom übrigen Einerlei des Gerölls geringfügig abhob. Ein Wildpfad möglicherweise. Dort oben würden wir den Rigo finden, dessen war ich mir sicher.

Beobachtete er uns? Wusste er, dass wir Jagd auf ihn machten – und nicht umgekehrt?

»Haltet eure Waffen bereit!«, warnte ich meine Gefährten. Ich sah mich weiter um und entdeckte voraus einen überhängenden Fels von der Größe eines Hauses, den wir an der Unterkante passieren mussten, wollten wir das Geröllfeld gefahrlos überwinden. »Ihr geht weiter. Ich bleibe zurück. Und achte auf euch.«

Vogel klapperte mit den Schnabelhälften aufeinander, wollte etwas sagen. Doch er überlegte es sich und bedeutete dem Bruder und Lua, ihm zu folgen.

Vielleicht ahnte er, was ich vorhatte. Vielleicht wusste er, dass ich die drei Freunde als Lockvögel verwenden wollte. Sein einmaliges, genetisch vermischtes Erbe brachte Instinkte hervor, die ihn in dieser Welt aus Stein, Eis und Schnee bevorteilten.

Ich legte meinen Reiserucksack ab und verhielt mich ruhig. Ich tat keinen Schritt, trotz der Kälte, die ich bis in meine Knochen spürte. Ich entzog mich der Beobachtung durch den Rigo, der oberhalb auf uns lauerte. Er war trotz allem nur ein Tier. Etwas, das sich nicht bewegte, stellte keine Gefahr für ihn dar.

Erst als sich Lua, Vogel und Shukard dem riesigen Felsbrocken näherten, machte ich mich auf meinen gefährlichen Weg über loses, immer wieder nachgebendes Gestein. Manchmal musste ich mich an zähem Wurzelwerk und an Krüppelgewächsen festklammern, wenn der Boden unter mir zerbröckelte, oder einen Teil unserer Ausrüstung zurücklassen. Allmählich gewann ich an Höhe.

»Geht jetzt langsamer«, verlangte ich leise über den Armbandkom von meinen Begleitern. »Achtet auf jedwede Bewegung und gebt euch gegenseitig Schutz. Entsichert die Waffen. Der Rigo ist nahe.«

Die drei jungen Leute waren etwa fünfzig Meter von mir entfernt. Das Tier musste jeden Moment seine Deckung aufgeben. Ich schätzte das Gelände ein, ich las es.

Da!

Ich sah die Bewegung. Der Rigo veränderte seine Position. Wie erwartet, befand ich mich außerhalb seiner Wahrnehmung. Im Jagdfieber konzentrierte er sich völlig auf seine Beute.

Solange ich mich ruhig verhielt ...

Ich trat einen Stein weg, er kollerte bergab, riss weiteres Gestein mit sich, das sich zu einer kleinen Lawine auswuchs. Felsen polterten dreihundert Meter tief ins Tal und blieben dort vor einer gewaltigen Eis- und Schneewechte hängen. Ich verharrte auf der Stelle. Den Fluch, der mir auf der Lippe lag, unterdrückte ich.

Der Rigo wandte mir seinen hammerähnlichen Kopf zu. Ich blickte in rot glühende Schweinsäuglein, sah das schreckliche Gebiss, die ledrige und von unzähligen Narben verzierte Gesichtshaut ...

Nahm er mich wahr? Brachte er den Lawinenabgang mit mir in Verbindung, dieser weißhaarig und aufrecht dastehenden Gestalt, die sich nicht bewegte?

»Er kommt gleich«, sagte ich ruhig über Funk. »Er lauert rechts über euch, auf vier Uhr.«

Vogel bestätigte. Ich sah zu, wie sich die jungen Geniferen einsatzbereit machten. Ihre Bewegungen wirkten linkisch und ungeschickt. Ich musste mir immer wieder vorsagen, dass sie niemals zuvor die Weite einer Welt erlebt hatten. Dass die veränderten Umweltbedingungen sie überraschten. Die Gerüche. Die Gewaltmärsche der letzten Tage. Schnee, Eis, Wind, Kälte. Die ungewohnte Nahrung ...

Die Hinterläufe des Rigo bewegten sich mehrmals unruhig, wie die einer Raubkatze, dann tat er mit gespreizten Pfoten einige Schritte bergab. Unendlich langsam, dank seines grauweißen Fells dem Höhenland perfekt angepasst.

Ich nahm die Armbrust hoch, visierte das Tier an. Probeschüsse beim Kauf der Waffe hatten mir gezeigt, dass die Bolzen trotz Windes sehr stabil flogen.

»Seht ihr ihn?«, fragte ich die drei jungen Leute via Funk.

»Nein. Bist du dir sicher, dass ...«

»Er ist nur zwanzig Schritte von euch entfernt, Vogel!«

Ich löste die primitive Arretierung, holte tief Luft, hielt den Atem an – und löste den Schuss aus. Der Bolzen sirrte davon. Die Armbrust schlug ein wenig zurück, drückte gegen meinen Oberarm. Ich hatte ein klein wenig vorgelegt, hatte einen weiteren kurzen Schritt des Rigo einkalkuliert.

Aber aus irgendeinem Grund – Instinkt vielleicht? – bewegte sich das Tier rascher als erwartet. Das Geschoss traf zwar, doch es blieb im linken Hinterlauf stecken und nicht, wie erhofft, im Brustbereich.

Ich hörte den Schrei. Das Fauchen. Der Rigo kreischte, drehte sich um die eigene Achse, ließ sich zur Seite fallen, löste eine weitere Gerölllawine aus. Wütend schlug er mit den ausgefahrenen Krallen nach dem Bolzen, schnappte mit dem ungewöhnlich breiten Kiefer danach, bekam den Schaft zu fassen – und riss sich das Geschoss mit einem gewaltigen Ruck aus dem eigenen Fleisch.

Lua, Shukard und Vogel hielten ihre Schusswaffen vor sich. Einer von den dreien feuerte, verfehlte aber deutlich.

Der Rigo kam auf die Beine. Er stieß ein bösartiges Knurren aus, das selbst mir die Kehle zuschnürte. Dann jagte er davon.

Auf mich zu.

Vierzig Schritte. Nicht mehr als drei Sekunden blieben mir. Ich legte den nächsten Bolzen ein und spannte. Die Führung klemmte, ich musste ein zweites Mal aufziehen. Ich sah ein blutverschmiertes, massiges Etwas auf mich zuspringen, vierzig bis fünfzig Kilogramm schwer, mit weit aufgerissenem Raubtiermaul, schnaubend, fauchend, hasserfüllt.

Keine Zeit für einen gezielten Schuss. Ich musste hoffen. Musste auf meine Erfahrung vertrauen. Ich feuerte den Bolzen ab. Er traf, verschwand im dichten Fell.

Wo hatte ich den Rigo erwischt? Warum fiel er nicht, verflucht noch mal? Warum ...

2.

Veyqen, früher

Das war also der Richter. Matan Addaru Jabarim. Eines der mächtigsten Wesen von GA-yomaad. Jemand, der Ethik, Moral und seine persönliche Integrität als Leitbilder vor sich hertrug wie hell leuchtende Schutzschilde. Das Vorbild aller, die sich mit den Zielen des Atopischen Tribunals identifizierten.

»Du bist Veyqen«, sagte der Richter mit einer Stimme, die seine Haut abkühlen ließ. Die schmerzte, die sein Wohlbefinden steigerte, die etwas in ihm zum Klingen brachte.

»Ja, Richter.« Eine volle Kopfdrehung nach links, eine volle Kopfdrehung nach rechts.

»Du wurdest mir empfohlen. Man sagte mir, dass du ein besonders treuer Gefolgsmann des Tribunals seist. Dass auf deine Stimme viel Wert gelegt werde. Dass du eine große Zukunft vor dir hättest und nur auf einen größeren Auftrag wartetest.«

»Das mögen andere beurteilen.« Veyqens Kopfhaut juckte, ganz hinten, am Spitz. Nur zu gerne hätte er sich gekratzt. Doch eine derartige Blöße konnte und durfte er sich nicht geben, nicht in Gegenwart des Richters.

»Bescheidenheit ist fehl am Platz. Vor allem hier und jetzt.«

»Ich verstehe nicht, Richter ...«

»Du hast gewiss die Gerüchte vernommen, die den Tod des Richters Chuv umranken?«

»Selbstverständlich, Herr. Ich hörte deine Ansprache, in der du die Bewohner GA-yomaads über diese schrecklichen Geschehnisse hier im Baagsystem informiertest. Es war ein Tag der Trauer für uns alle.«

»Ja, das war es.« Der Richter gab einen seltsamen Ton von sich, eine Art Pfeifen. »Aber die Umstände verlangen, dass wir uns nicht allzu lange dem Schmerz hingeben. Das Tribunal hat Feinde, die bekämpft werden müssen. Solche, die eine Gefahr für all das darstellen, was wir glauben und was wir sind.«

»Eine Gefahr für die Atopie?«

»Nichts und niemand kann das Tribunal erschüttern. Doch es gilt, auch geringe Störfaktoren zu beseitigen.«

Veyqen behielt seine Meinung für sich. Er war einer der treuesten Fürsprecher des Tribunals in GA-yomaad. Er würde die Mörder des Richters Chuv niemals als bloß geringe Störfaktoren betrachten können. Ihnen musste die unabdingbare Strafe des Tribunals gewiss sein. Für eine derartige Tat gab es keine Entschuldigung.

»Wie kann ich dir helfen, Richter?«, fragte er und beugte den Kopf. »Das Netzwerk der Tesqiren steht dir selbstverständlich zur Verfügung. Wir werden dafür sorgen, dass die Geschichte von Richter Chuvs Tod auf jedem zivilisierten Planeten GA-yomaads bekannt und nach den Mördern mit aller Vehemenz gesucht wird.«

»Das ist nicht notwendig. Wir wissen, wer die Täter sind und was sie vorhaben.«

Veyqen wollte nachhaken, seiner natürlichen Neugierde nachgeben. Doch er wusste, dass Matan Addaru Jabarim sich oft behäbig gab und es gar nicht mochte, wenn seine Gedankengänge jäh unterbrochen wurden. Also schwieg er und wartete.

»Perry Rhodan gilt als Drahtzieher dieser schändlichen Tat«, sagte der Richter schließlich. »Ausgeführt hat sie dessen ebenso willfähriger wie skrupelloser Lakai. Der Arkonide Atlan.«

Veyqen kannte diese Namen nur zu gut. Seine Ellbogengelenke knacksten laut, als er sie voll Ärger verdrehte. Perry Rhodan. Der Terraner, der als ein Kardinal-Fraktor des Weltenbrandes galt und der sich trotz der großen Schuld, die er eines fernen Tages auf sich nehmen würde, uneinsichtig gab. Er bekämpfte das Atopische Tribunal mit unerklärlicher Vehemenz.

Nun, er mochte ein potenziell Unsterblicher sein. Derer gab es viele. Dennoch hatte er niemals jene Weitsicht, mit der die Richter über das Schicksal vieler Galaxien bestimmten und für ausgedehnte Zonen des Friedens sorgten.

»Perry Rhodan und Atlan«, echote Veyqen.

»Ja. Du wirst verstehen, dass diese Namen nicht laut genannt werden sollten. Es wird in GA-yomaad noch einige Jahrzehnte dauern, bis der Widerstand gegen jene Veränderungen gebrochen ist, die wir herbeiführen müssen. Gerüchte und Schauermärchen würden in manchen Sternensektoren die Runde machen und unsere Arbeit erschweren.«

»Ich verstehe, Herr.«

Der Richter zeigte ein mildes Lächeln. »Die Pläne der beiden Renegaten sind leicht zu durchschauen. Sie wollen in die Jenzeitigen Lande vordringen und uns dort schaden. Sie verstehen nichts, gar nichts ...«

Was wollte ihm der Richter mitteilen? Warum war er an diesen Ort gebracht worden? Warum wurde er in Dinge eingeweiht, über die nur die wenigsten Mitarbeiter des Atopischen Tribunals Bescheid wussten?

»Du hast viele Fragen, nicht wahr? – Und ich werde sie dir beantworten.« Der Richter griff nach seinem Glivtor, jenem Stock, der ihm angeblich geheimnisvolle Kräfte gab. Er klopfte drei Mal auf dem Boden auf, bevor er sich in einen Stuhl fallen ließ und Veyqen aufforderte, sich ebenfalls zu setzen.

Zwei winzige Roboter kamen mit Trinkkugeln angeschwebt und legten sie vor ihnen auf dem Beistelltisch ab. Die Kugeln leuchteten von innen heraus, das winzige Kühlelement sprang an und ließ die Außenhaut der Gefäße mit Raureif beschlagen. Veyqen griff erst zu, nachdem sich der Richter bedient hatte.

Der Saft schmeckte süßlich, ein wenig metallen, nach spät geernteten Klobsterbeeren. Er löschte augenblicklich den Durst und weckte die Lebensgeister.

Endlich fuhr der Richter fort: »Wir wissen mittlerweile, dass Atlan die CHUVANC übernommen und den Platz des ermordeten Richters Chuv eingenommen hat. Zu meinem Bedauern hat das Schiff den Arkoniden als seinen neuen Piloten anerkannt. Es heißt nun ATLANC – und ist mit Atlan an Bord in der Synchronie unterwegs.«

Veyqen wollte etwas sagen, doch die Stimme gehorchte ihm nicht. Matan sprach übelste Dinge mit einer grausamen Selbstverständlichkeit aus. Dieser arkonidische Verbrecher tat Dinge, die über den Verstand eines einzelnen Bürgers der Atopie weit hinausgingen.

Er fühlte Zorn, roh und ungezügelt, wie niemals zuvor. Er war ein begnadeter Fürsprecher und hatte niemals Schwierigkeiten, die Stimmung an Bord eines Schiffs, in einer Stadt oder gar auf einem ganzen Planeten zu seinen Gunsten zu steuern. Doch nun hätte er selbst jemanden benötigt, der ihm sagte, was zu tun war. Was richtig, was falsch war. Der das Durcheinander in seinem Kopf neu ordnete und ihm mitteilte, wie er angesichts dieses Schmerzes weiterarbeiten, weiterleben konnte.

»Kann man die CHUVANC denn in der Synchronie verfolgen?«

»Du meinst die ATLANC«, verbesserte ihn der Richter mit sanfter Stimme. »Und ja. Ich erteile dir diesen Auftrag. Du wirst dem Arkoniden hinterherreisen.«

»Ich? Aber ... ich bin kein Krieger. Kein Stratege. Und ich kann ganz gewiss kein Schiff in die Synchronie steuern.«

»Du verfügst über Eigenschaften, die das Atopische Tribunal besonders schätzt. Hartnäckigkeit, Integrität, Schläue, Überzeugungskraft. Du weißt stets, was zu tun ist. – Glaub mir: Du wurdest nicht zufällig für diesen Auftrag ausgesucht. Ich habe lange gesucht, um einen wie dich zu finden.«

»Einen wie mich?«

»Belassen wir es dabei. Bist du bereit, dem Tribunal zu dienen?«

Matan Addaru Jabarim beugte sich zu ihm vor. Er lächelte, die vielen Falten in seinem Gesicht wurden deutlich sichtbar. Das Gesicht des Richters ähnelte einer urtümlichen Gebirgslandschaft mit einem flachen Hügel in ihrem Zentrum.

Veyqen war versucht, sein Gegenüber zu imitieren. Doch das schickte sich nicht. Er würde seine Begabung nicht an diesem großartigen Wesen ausprobieren. »Selbstverständlich bin ich bereit zu dienen«, antwortete er.

»Auch, wenn du alles verlörest, was du besitzt?«

»Mein Leben gehört seit jeher dem Tribunal. Bitte, verfüge über mich.«

Für einen Augenblick überkamen Veyqen Zweifel. War es richtig, was er tat? Gab er damit nicht sich selbst auf, seinen Willen und seine Identität?

Der Moment verging. Übrig blieb die unbedingte Treue zum Richter und zu dem, wofür er stand. Ohne das Atopische Tribunal hatte Veyqens Existenz keinen Sinn.

»Das freut mich zu hören, Fürsprecher.« Der Richter schnalzte anerkennend mit der Zunge, bevor er fortfuhr: »Also möchte ich, dass du der ATLANC folgst. Du wirst die dazu erforderlichen Mittel erhalten.«

»Ich weiß nicht, ob ich der richtige Mann für diese Aufgabe bin«, brachte Veyqen Zweifel an. »Ich weiß nicht viel über die Synchronie. Ich habe keine Ahnung, wie ich die Reise durch dieses Medium bewältigen soll. Und heißt es nicht, dass es einen Piloten braucht, der bereits einmal hinter einer Materiequelle war?« Als Zeichen leichter Belustigung drehte er den Kopf weit nach links. »Damit kann ich leider nicht dienen, Richter.«

»Das ist auch nicht erforderlich. Du erhältst eine Atopische Sonde zur Verfügung. Ich werde sie persönlich autorisieren und programmieren. Die Sonde wird die Synchronie durchqueren. Darüber hinaus erhältst du etwas, das dir den Transfer erleichtern wird.«

»Ja?«

»Mein Geschenk autorisiert dich und wird dich jederzeit handlungsfähig machen. Selbst in der Synchronie, selbst in der Zehrzone.«

»Ich verstehe nicht ...«

»Du wirst beizeiten erfahren, was ich meine.«

»Ich soll also die CHUV... die ATLANC in der Synchronie angreifen?«

»Selbstverständlich nicht! Du wirst dem gestohlenen Schiff folgen, über längere Zeit hinweg.«

Da lag eine Spannung in der Stimme, die Veyqen als Fürsprecher augenblicklich bemerkte. Selbst ein Richter hatte sich nicht immer vollends unter Kontrolle.

»Wie lange?«, hakte er nach.

»Mehrere Jahrhunderte. Ich kann den Zeitrahmen leider nicht exakt einschränken. Die Reisedauer hängt davon ab, wie Atlan mit der ATLANC zurechtkommt.« Wieder verzog der Richter sein Gesicht wie im Schmerz, wieder zeigten sich unzählige Falten und Furchen. »Jemand hätte dem Arkoniden einmal sagen müssen, dass er ein Narr ist. Ein aufgeblasener, sich selbst überschätzender Narr. Er hat keine Lizenz für die Jenzeitigen Lande, also wird er im Limbus des Planeten Andrabasch stranden.«

»Andrabasch?«

»Du bekommst weitere Informationen über diese Welt zur Verfügung gestellt. Vorerst muss dir reichen zu wissen, dass Andrabasch ein singulärer Planet in einer raumzeitlichen Einschnürung der Synchronie ist. Von dort aus erfolgt die Weiterreise in die Jenzeitigen Lande vermittels KATAPULT. Auch darüber bekommst du noch genau Bescheid.«

Veyqen sortierte seine Gedanken. Er verstand längst nicht alles, was der Richter von ihm forderte. Er begriff bloß, dass ihm ein ungeheurer Vertrauensvorschuss entgegengebracht wurde.

Er sollte Atlan zur Strecke bringen. Er würde diese Gefahr für das Atopische Tribunal aus der Welt schaffen.

»Die ATLANC wird im stationären Orbit um Andrabasch hängenbleiben«, fuhr der Richter Matan Addaru Jabarim gedankenverloren fort. »Die Lizenz wird Atlan nach einer genaueren Untersuchung durch den Konfigurator nicht erteilt werden. Er kennt die Regeln. Er weiß, was er zu tun hat.«

»Der Konfigurator?«

»Er ist ein wertvoller Gefolgsmann des Tribunals.« Der Richter nahm einen weiteren Schluck aus der Getränkekugel, Veyqen folgte seinem Beispiel.

»Vorerst reicht es für dich zu wissen, dass du vor Ort Unterstützung erhältst.«

Der Richter stockte, seine Souveränität litt offenbar. Die Probleme, die dieser Atlan verursachte, waren weitaus größer, als der Atope zugeben wollte. Veyqen roch und schmeckte das Missfallen, das Matan an der derzeitigen Situation fand.

Endlich fuhr er fort: »Atlan wird zweifellos vom Pensor und dessen havariertem Richterschiff auf Andrabasch erfahren, von der WEYD'SHAN. Er wird versuchen, dorthin zu gelangen und den Pensor auf seine Seite zu bringen.«

»Ein havariertes Richterschiff?« Veyqen wollte kaum glauben, was ihm sein Gegenüber erzählte. »Wie ist das möglich? Ich dachte ...«

»Es geschehen Fehler. Meist durch eine Verkettung unglücklicher Umstände. So ist es Atlan gelungen, die CHUVANC zu erobern, so kam es zur Havarie der WEYD'SHAN.«

Matan Addaru Jabarim fixierte ihn mit Blicken. Es war, als könnte der Richter sein Innerstes durchleuchten. Es war ... beängstigend.

»Du musst vor Atlan zur WEYD'SHAN gelangen und dort alles regeln. Der Pensor darf auf keinen Fall mit seiner Lizenz in die ATLANC überwechseln. Du wirst alles dafür Notwendige tun.«

»Ich fühle mich überfordert, Richter Matan. Ich weiß weder, was mich erwartet, noch fühle ich mich dazu in der Lage, den Arkoniden zu überlisten oder gar zu überwältigen.«

»Du hast einen entscheidenden Vorteil, Fürsprecher: Das Wissen, das ich dir zur Verfügung stelle, ist mehr wert als die beste Waffe. Das havarierte Richterschiff befindet sich auf dem Kontinent Doondorc in der Technoklamm. Atlan wird sich diese Informationen erst beschaffen müssen. Er wird auch nicht auf die in der Technoklamm herrschenden Bedingungen vorbereitet sein. Du schon. Außerdem wirst du dich den Cüünen gegenüber als Gesandter des Atopischen Tribunals ausweisen.«

»Wer sind die Cüünen, hoher Herr?«

»Man nennt sie auch Technoscouts. Sie können zur WEYD'SHAN vordringen. Sie haben einstmals einen Kontrakt mit dem Tribunal geschlossen, der noch nicht abgelaufen ist. Man wird dir also freundlich gegenübertreten.« Der Richter klopfte mit dem Glivtor zweimal heftig auf.

»Der beste Weg, Atlan von der Suche nach diesem havarierten Schiff und dem Pensor abzuhalten, wäre dennoch, ihn zu eliminieren.« Woher nahm Veyqen bloß den Mut, auf seiner Meinung zu beharren?

»Mit dem Tod des Arkoniden wäre ein zweites Richterschiff auf Andrabasch gestrandet. Wollen wir das, so frage ich dich? – Zwei herrenlose Schiffe im Limbus würden Glücksritter aus vielen Ecken und Enden des Universums anlocken. Einerlei, wie groß das Risiko sein mag: Zwei Richterschiffe auf einer Welt wären eine zu große Verlockung.«

»Ich verstehe.«