Perry Rhodan 2941: TEIRESIAS spricht - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2941: TEIRESIAS spricht E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten; dazu zählen auch die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris. Einst waren sie in der Milchstraße beheimatet und haben nun den Wunsch geäußert, erneut Kontakt aufzunehmen. Gegenwärtig hält sich Rhodan in ihrem Goldenen Reich auf, wo er auch auf ein Splittervolk der Menschheit gestoßen ist: das Zweite Solare Imperium. Dieses ZSI gilt als treuer Verbündeter des Gondunats – aber es gibt Grund zu der Annahme, dass dessen Interessen nicht jenen der Milchstraßenmenschheit entsprechen und das Bündnis auf einer Lüge beruht. Insgesamt scheinen es die Thoogondu mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen. Als dies im ZSI bekannt[…]

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Zeit:3 Std. 40 min

Sprecher:Andreas Laurenz Maier

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Nr. 2941

TEIRESIAS spricht

Bürgerkrieg im Zweiten Solaren Imperium – auf welcher Seite steht die Mondpositronik?

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. In den Hades

2. TEIRESIAS spricht

3. Grau in grau

4. Tötet Perry Rhodan!

5. Balance

6. Sackgasse

7. Freunde wie diese

8. Schlangennest

9. Jünger des Hippokrates

10. Worte eines alten Mannes

11. Das Herz der Göttin

12. Rhodan spricht

13. Wahrscheinlich ein Held

Leserkontaktseite

Clubnachrichten

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten; dazu zählen auch die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris. Einst waren sie in der Milchstraße beheimatet und haben nun den Wunsch geäußert, erneut Kontakt aufzunehmen. Gegenwärtig hält sich Rhodan in ihrem Goldenen Reich auf, wo er auch auf ein Splittervolk der Menschheit gestoßen ist: das Zweite Solare Imperium.

Dieses ZSI gilt als treuer Verbündeter des Gondunats – aber es gibt Grund zu der Annahme, dass dessen Interessen nicht jenen der Milchstraßenmenschheit entsprechen und das Bündnis auf einer Lüge beruht. Insgesamt scheinen es die Thoogondu mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen. Als dies im ZSI bekannt wird, kommt es zum Bürgerkrieg – und TEIRESIAS SPRICHT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Gucky – Der Mausbiber erhält ein begrenztes Teleportationsverbot.

Perry Rhodan – Der Terraner begegnet einer Widerstandsgruppe.

Arbo P. Dannan – Der Sternenadmiral sieht sich als Bewahrer der Ordnung.

Gi Barr – Der Gäone begegnet einer Biopositronik.

Lupita Shona

1.

In den Hades

26. November 1551 NGZ

Gi Barr durchquerte den Transmitterring. Am Zielort trat er ins Leere: Der Boden befand sich nicht auf demselben Niveau wie am Ausgangspunkt, sondern einen Meter tiefer. Der Gäone fiel jedoch nicht, sondern sank sanft in die Tiefe. Rechts von ihm tat Perry Rhodan das Gleiche, und ein weiteres Stück rechts folgte Gucky.

Barr hielt seinen Quintstrahler einsatzbereit, aber das Visier seiner Rüstung hob keine potenziellen Gegner hervor: keine lebenden Wesen, nichts, das nach Kampfroboter aussah. Nur ein paar Wartungseinheiten huschten den Boden und die Wände entlang.

Noch bevor er den Boden touchierte, drehte sich Gi Barr und sicherte nach hinten. Auch von dort drohte keine Gefahr. Alles, was er sah, war das Gegenstück zum Portier – jenem Roboter, der sich zu einem Transmitter umfunktioniert und dadurch seine beiden Begleiter und ihn selbst gerade aus höchster Not gerettet hatte.

0,16 Gravos, blendete Yester ihm ein. Atmosphäre nicht atembar. Die Neurotronik seiner Pedgonditrüstung hatte die veränderten Schwerkraftverhältnisse bereits analysiert.

Barr quittierte die Information mit einem zufriedenen Nicken. 0,16 Gravos war der Standardwert des Mondes Selene an jenen wenigen Orten, an denen die Gravitation nicht künstlich auf Gäon-Niveau gehalten wurde.

Mit anderen Worten: Alles war so, wie es sein sollte. Sie befanden sich immer noch auf dem Mond, und dass in den heiligen Hallen der Großpositronik TEIRESIAS keine Energie für Schwerkraftmanipulationen verschwendet wurde, entsprach den Erwartungen.

»Sicher?«, fragte ihn Rhodan.

Ein letzter Test: Barr machte einen prüfenden Schritt. Mondstaub wallte von dem unverkleideten Steinboden auf und blieb dank der niedrigen Schwerkraft in der Luft hängen. Die Pedgonditrüstung kompensierte die Mindergravitation jedoch vollständig. Er konnte sich bewegen wie auf Gäon oder jedem beliebigen Schiff des Zweiten Solaren Imperiums.

Die SERUNS der beiden Besucher aus der Milchstraße leisteten mit Sicherheit das Gleiche. Ergo: keine erkennbaren Feinde, keine ungewöhnlichen Einsatzbedingungen. »Sicher«, bestätigte er.

»Wo sind wir überhaupt gelandet?«, fragte Gucky. »Besonders gastfreundlich wirkt das hier nicht auf mich.«

Barr sah sich um. Steinerner Boden, metallene Wände. Licht spendete, nachdem der Transmitter sich wieder desaktiviert hatte, lediglich ein mattgrüner Leuchtstreifen, der den Korridor entlangführte. Er verlieh dem eigentlich weißgrauen Boden eine ungesunde Färbung.

Die Worte des Ilts trafen also zweifelsohne zu. Aber dennoch ...

»Besser als in der Konsultationskammer«, antwortete Rhodan auf die Bemerkung.

Gi Barr sah das ähnlich. Die dortigen Begebenheiten waren zwar auf menschliche Bedürfnisse zugeschnitten gewesen. Ihr neuer Aufenthaltsort punktete dafür mit der vollständigen Abwesenheit gäonischer Killerkommandos.

»Pff«, sagte Gucky. »Keine Kunst. Ich möchte mal wissen, wie viele Galaxien wir schon bereist haben, und wir wurden ja wirklich nicht immer freundlich empfangen. Aber dass uns hier in Sevcooris von allen Völkern ausgerechnet die Menschen ans Leder wollen ...«

»Wo entlang?« Gi Barr brachte das Gespräch auf die drängendste Frage zurück. Über das von Gucky angeschnittene Thema wollte er nicht sprechen, zumindest nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. In der Tat hatte die gäonische Enklave der Menschheit mit der Person Perry Rhodans sowohl Vorbehalte als auch Sehnsüchte verknüpft, die zu einer drastischen Verschlechterung der Lage geführt hatten, bis zum Bürgerkrieg innerhalb des Zweiten Solaren Imperiums.

Zu ihrer Verteidigung musste man einräumen, dass die Thoogondu die Menschen in Sevcooris über Jahrhunderte hinweg mit gefälschter Geschichtsschreibung in eine falsche Richtung gedrängt hatten. Erst vor wenigen Tagen hatten die Gäonen die wirkliche Historie ihrer vermeintlichen Gönner erfahren – und nun bekriegten sich die unterschiedlichen Gruppierungen des ZSI in einem Bürgerkrieg, den eigentlich keiner wollte.

»Vielleicht hilft Portier Zwei uns weiter«, sagte Rhodan. Erwartungsvoll wandten sie sich alle drei zu dem Roboter mit dem seltsamen Namen um. Dieser war damit beschäftigt, seine Baugruppen in aufreizender Ruhe neu zu arrangieren, bis der tiefste Punkt des Kreisbogens nur noch einen halben Meter über dem Boden lag und große Teile des Transmitterrings durch Metallpaneele verdeckt waren. Dann flammten mehrere Leuchtpunkte in dem Metallzirkel, vom selben Ton wie die Wandmarkierungen, jedoch erheblich heller und intensiver.

»Willkommen im Hades«, sagte der Roboter mit derselben Stimme wie sein Pendant in der Konsultationskammer. »TEIRESIAS erwartet euch. Folgt mir.«

Der Roboter setzte sich in Bewegung, nicht in Richtung von Gi Barr, Rhodan und Gucky, sondern exakt entgegengesetzt. Er ging auf insgesamt acht Beinen, die in zwei Vierergruppen rechts und links angeordnet waren – allerdings nicht seitlich wie bei einer Spinne, sondern quer zur eigentlichen Laufrichtung. Aus jeder Vierergruppe hatte jeweils nur eines Bodenkontakt, die anderen drei befanden sich in unterschiedlichen Phasen der Vorbereitung auf ihren nächsten Schritt.

Insgesamt entstand so eine flüssige Bewegung, deren Charakter sich jedoch deutlich von normalem Gehen, Schweben oder Fahren unterschied. Gi Barr fühlte sich mehr an die vielen Glieder einer Raupe erinnert oder die Bewegung von Fingern, wenn man eine Münze über die Hand tanzen ließ.

Rhodan sah sich um, zuckte mit den Achseln und folgte dem Roboter. Gucky und Gi Barr kamen mit.

Die Bewegungen des Ilts wirkten träger als sonst. Er kämpfte mit den Nachwirkungen der Parafalle, in die er in der Hauptstadt des Mondes geraten war: Er hatte Schmerzen, und er konnte seine Kräfte nicht einsetzen.

Gi Barr fühlte sich nicht direkt bedroht, aber TEIRESIAS' Reich hatte etwas Verstörendes. Sie passierten Maschinen ohne erkennbaren Sinn, Roboter, die einfach nur fremdartig wirkten. Gerade kam ihnen eine tiefschwarze Metallkugel mit einigen leuchtenden Punkten entgegen, die sich nicht auf Beinen oder Ketten bewegte, aber auch nicht schwebte. Stattdessen stieß sie sich vom Boden, den Wänden oder der Decke ab, legte vielleicht acht Meter Gang auf diese Weise zurück, bevor sie erneut Kontakt hatte, und sprang weiter. Statt durch Portiers verkleinerten Ring zu fliegen, verharrte sie plötzlich mitten in der Luft, fiel zu Boden und sprang dann durch die Beinkette des Transmitterroboters.

»Ist dein Transmitter jetzt eigentlich empfangsbereit?«, fragte Rhodan.

»Nein«, antwortete Portier.

»Warum baust du den Transmitter nach dem Einsatz wieder ab?«, erkundigte sich der Terraner. »Wenn man ihn braucht, dauert es viel länger, bis er einsatzbereit ist.«

»Sehr richtig«, erwiderte der Roboter, als wäre damit alles erklärt.

Der Gang mit dem hellen Boden und den dunklen Wänden erweiterte sich zu einer Rotunde, aus der fünf weitere Korridore hinausführten. Auch dort bestimmte das grüne, ungesund wirkende Licht die Atmosphäre. In der Mitte der Halle schwebte eine perfekte, stahlgraue Kugel von etwa einem Meter Durchmesser. Sie bildete das Zentrum einer zweiten, durchscheinenden Kugel. Diese mehr zu ahnende als zu sehende äußere Schale mochte vielleicht zwanzig Zentimeter dick sein.

Gi Barr drängte sich an Rhodan und Gucky vorbei nach vorne. Er war sich nach wie vor nicht ganz sicher, wie man seine offizielle Rolle bei diesem Einsatz bezeichnen konnte. Bis er darüber Klarheit gewann, blieb er bei dem, wofür er ausgebildet war. Im Moment konnte er ihrer Gruppe am besten als Personenschützer dienen.

Er bedeutete Rhodan, zurückzubleiben, und näherte sich dem Objekt bis auf Armeslänge. »Was ist das?«

»Lehrreich«, antwortete Portier. »Wie sieht es aus?«

Barr zögerte. Er hatte den Eindruck, als machte der Roboter sich über ihn lustig. »Eine Kugel«, sagte er schließlich, als klar war, dass TEIRESIAS' Gesandter tatsächlich eine Antwort erwartete.

»Zähl nach!«, schlug Portier vor.

Unnötig. »Zwei Kugeln«, sagte Barr gereizt.

»Fass sie an!«

Er zögerte. Eine innere Stimme warnte ihn davor, die durchscheinende Schale zu berühren. Aber wie zuvor tat Portier nichts Weiteres, bis Gi Barr sein Kommando befolgt hatte. Vorsichtig streckte er den Arm aus.

Als nur noch Millimeter zwischen seinen Fingerkuppen und der Kugel lagen, übertrug die Rüstung eine Vibration auf seine Hand, die sich ähnlich anfühlte wie ein schwacher elektrischer Strom.

Erneut zögerte er, doch Portier gab keine neue Anweisung. Er schob die Hand das letzte Stückchen voran.

Schlagartig änderte sich das Bild vor seinen Augen. Statt zweier Kugeln sah er nun einen Würfel: einen Stahlblock von etwa einem Meter Kantenlänge. Die Oberfläche war schrundig, aber nicht wie zerkratzt, sondern als hätte man jeden Quadratmillimeter genutzt, um dort winzige technische Aufbauten zu positionieren.

»Mich laust der Konquestor«, entfuhr es Gucky verblüfft. »Ein Fragmentraumer?«

»Eher ein Modell davon«, murmelte Rhodan. »So klein bekommen das nicht einmal Siganesen nachgebaut.«

Nun erkannte Gi Barr es ebenfalls. Es gab im Zweiten Solaren Imperium zwar keine ganze Zivilisation positronisch-biologischer Roboter, wie man sie in der Milchstraße kannte. Dennoch waren diese Wesen Gegenstand des Geschichtsunterrichts; man kannte ihre Raumschiffe. Nur hatten ihre Boxen normalerweise mehrere Kilometer Kantenlänge, nicht einen Meter.

Aber wo kam das Modell plötzlich her, und wohin war die Kugel verschwunden?

Schlagartig wurde ihm klar, was sich hier soeben abgespielt hatte. Seinem militärischen Training zum Trotz zitterten seine Knie. »Hat dieser Würfel bis eben rotiert?«

Portier bestätigte einsilbig.

Barr atmete durch. Er war auf eine optische Täuschung hereingefallen. Der Metallquader hatte sich über alle Achsen gedreht, um einen stabilen Schwerpunkt in seiner Mitte herum. Die Bewegung war so schnell gewesen, dass sie vor seinen Augen verwischt war. Die dunkle Kugel in der Mitte war der Teil gewesen, an dem sich in jeder Würfelposition Metall befand. Die durchscheinende, äußere Kugel war das Gebiet, in dem mal Metall, mal Luft war. Seine Augen waren zu langsam gewesen, um die Bewegung zu erkennen. Sein Gehirn hatte ein Mischbild aus beiden Zuständen geschaffen.

Er versuchte sich vorzustellen, wie rasant der Würfel sich für diesen Effekt bewegt haben musste – und was geschehen wäre, wenn er in die Zone hineingefasst und das Objekt nicht gebremst hätte. Wahrscheinlich wäre von seiner Hand nichts übrig geblieben.

Warum hatte seine Neurotronik die Gefahr nicht bemerkt, warum keinen Individualschirm aufgebaut? Warum hatte er keine Warnung erhalten?

»Warum?«, fragte er Portier schärfer als beabsichtigt. »Was geschieht hier?«

»Eine exzellente Frage«, bescheinigte ihm ihr Führer. »Warum ein Würfel, der als Kugel daherkommt? Warum die kaschierte Gefahr? Simpel erklärt könnte das eine Selbstverständlichkeit versinnbildlichen: Vorsicht, denn nichts ist, wie es scheint. Doch natürlich wäre diese Deutung viel zu schlicht. Setzen wir unseren Weg fort.«

Gi Barr fühlte Ärger aufsteigen – eine Emotion, die er normalerweise in Einsätzen unterdrückte, weil sie sein Urteilsvermögen trübte. Rhodan bemerkte es offenbar. Der Terraner legte ihm die Handfläche auf den Oberarm und bedeutete ihm, ruhig zu bleiben.

Aus einem der Gänge trippelte eine flache, runde Stahlform auf Hunderten winziger Beine heran. Sie positionierte sich genau unter dem Würfel. Dann fuhr sie mehrere Dutzend leuchtende Antennen aus, von denen eine den miniaturisierten Fragmentraumer genau im Zentrum der untersten Fläche berührte. Erneut verfiel er in Drehungen, langsam und genau erkennbar zunächst, doch bald schon wieder so schnell, dass er vor den Augen verschwamm.

Rhodan und Gucky schienen stärker fasziniert von dem flachen Roboter, der den Prozess in Gang gesetzt hatte. »Ihr habt Matten-Willys nachgebaut?« Rhodan war hörbar verblüfft. »Gallertwesen aus Stahl?«

»Nichts ist, wie es scheint«, sagte Portier zum zweiten Mal. »Gehen wir unseren Weg weiter.«

2.

TEIRESIAS spricht

26. November 1551 NGZ

TEIRESIAS erwartete sie in einer ganz ähnlichen Rotunde. Statt eines Mini-Posbischiffs schwebte ein Holo in der Luft: der überlebensgroße Kopf eines alten Mannes mit leeren Augenhöhlen. Der Avatar des Mondgehirns drehte sich so, dass er Rhodan das Gesicht zuwandte.

»Sieh da, ein Mensch.« Die Stimme war ein Raunen, und sie nahm ihren Ursprung nicht in der Holoprojektion, sondern schien aus allen Wänden des Raums zu dringen.

Gucky ließ den Schwanz auf den Boden patschen, sodass der Mondstaub aufwirbelte, und hob die linke Hand. Mit zwei Fingern formte er ein V. »Buenos días, TEIRESIAS!«

Gi Barr kannte die Grußformel – sie hatte sich bis zur Schwarmkrise und dem Aufbruch nach Sevcooris im terranischen Dialekt des Interkosmo gehalten und war sogar im Zweiten Solaren Imperium noch geläufig. Allerdings war ihm unklar, warum der Ilt sich ausgerechnet jetzt für diese unübliche Wendung entschied.

Rhodan schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Ich grüße dich, TEIRESIAS. Vielen Dank, dass du uns empfängst.«

»Sei mir willkommen, Mensch. Was führt dich zu mir?«

»Die Suche nach Wissen.«

TEIRESIAS nickte gemessen. »Wie zutiefst menschlich. Was bedarf der vertiefenden Betrachtung? Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft?«

Gi Barr presste die Lippen zusammen und zog die Mundwinkel herab. Schon diese erste Frage hätte er nicht beantworten können. Sie wollten wissen, wer in der Vergangenheit Rhodans Schiff sabotiert und damit ein Feuergefecht ausgelöst hatte, damit sie den Verantwortlichen in der Gegenwart zur Rechenschaft ziehen konnten, um eine bessere Zukunft für das Imperium zu sichern.

Zu Barrs Verblüffung antwortete Rhodan überhaupt nicht, sondern entschied sich für einen völlig anderen Weg der Gesprächsführung. »Was bedeutet das Wort Mensch für dich?«

TEIRESIAS lächelte. Ein ganzes Netz aus Falten bildete sich um die Augen und Mundwinkel des alten Gesichts. »Warum begehrst du darauf Antwort?«

Rhodan hielt drei Finger in die Höhe. Die Geste erinnerte Barr an Guckys vorheriges V-Zeichen. »Dreimal Mensch in drei Sätzen. Ich denke, eine Biopositronik, die den halben Mond ausfüllt, verfügt über ein größeres Vokabular. Insofern unterstelle ich, dass du deine Worte nicht beliebig, sondern mit Absicht setzt – und diese Absicht möchte ich gerne ergründen.«

Gi Barr zog die Augenbrauen um eine Winzigkeit zusammen. Er verstand nicht, was Rhodan vorhatte. Interessant war die Frage allemal, dringend jedoch nicht. Dringend war, dass irgendwo auf Selene Killerkommandos nach ihnen suchten. Dringend war, Arbo P. Dannans Putsch gegen das ZSI abzuwenden, bevor weitere Unschuldige zu Schaden kamen.

»Das weiß ich«, sagte TEIRESIAS. »Nicht mir musst du dich erklären, sondern dem Gäonen.«

Der Kopf drehte sich, bis die leeren Augen auf Gi Barr gerichtet waren.

Rhodan wandte sich ihm zu. »Barr?«

Er hatte seine Überraschung schnell überwunden. »Wir sollten nach der Manipulation auf der RAS TSCHUBAI fragen«, schlug er vor. »Das hat die höchste Priorität.«

Rhodans Mund zog sich ein wenig in die Breite. »Das wirkt tatsächlich wie unser dringendstes Problem. Aber ich habe gelernt, dass nichts ist, wie es scheint. Also, TEIRESIAS?«

Der Avatar entließ Gi Barr wieder aus seinem Fokus. Ein Gefühl der Erleichterung stellte sich ein.

»Es ist lange her, dass ich einen Menschen gesehen habe«, erklärte er.

»Du lebst in einem ganzen Sonnensystem voller Menschen«, sagte Rhodan.

TEIRESIAS antwortete nicht.

Rhodan schwieg ebenfalls.

»Ich lebe in einem Reich der Schatten«, sagte die Biopositronik schließlich.

»Nur weil du wie ein griechischer Seher heißt, bedeutet das nicht, dass du im Hades wohnst«, schaltete Gucky sich ein. »Und wenn du unbedingt willst, dann bitte stilecht, also ohne Strom, Datenübertragung und den ganzen Kram. Du kannst uns nicht weismachen, dass du nicht jede Kamera im ganzen System anzapfen kannst, wenn du mal einen Menschen sehen möchtest.«

TEIRESIAS schloss die leeren Augen. Er sah aus wie ein alter Mann, der in seinem Leben zu viel gesehen hatte. »Ganz Sevcooris ist ein Schattenreich.«

»Was soll das bedeuten?«, fragte Rhodan.

»Du hast die Wahrheit gehört«, erklang die raunende Stimme. »Verstehen musst du sie selbst.«

Rhodan nickte, als hätte er etwas begriffen – ganz im Gegensatz zu Gi Barr.

»Stell deine nächste Frage!«, forderte TEIRESIAS ihn auf.

»Wer hat die Systeme der RAS TSCHUBAI manipuliert?«, fragte Rhodan. »Wer hat veranlasst, dass unser Schiff das Feuer eröffnet und den Streit mit dem ZSI eskalieren lässt?«

»Diese Wahrheit darfst du nicht hören«, antwortete der Avatar.

Rhodans Miene verfinsterte sich. »Wir brauchen deine Hilfe, TEIRESIAS. Menschenleben stehen auf dem Spiel!«

»Viele Feuer geben viel Licht. Viel Licht tilgt viele Schatten«, antwortete die Positronik.

»Du bist nicht lustig«, meckerte Gucky. »Red gefälligst Klartext! Tu nicht, als wärst du tatsächlich so ein verschrobener Seher!«

Rhodan war ähnlich zornig. »Warum hast du uns gerettet, wenn du uns nicht helfen willst?«

TEIRESIAS lächelte milde. »Weil ich so lange keinen Menschen gesehen habe. Zudem ist es dein Privileg.«

»Unsinn!«, rief Rhodan. »Wie Gucky gesagt hat: Du kannst doch sicher jede Kamera ...« Er hielt mitten im Satz inne. »Wie lange hast du keinen Menschen gesehen?«

TEIRESIAS grinste stolz – wie ein Lehrer, dessen Schüler gerade selbstständig einen hochkomplexen Zusammenhang erschlossen hatte. »Mehr als anderthalb Jahrtausende.«

Rhodan atmete tief durch. Seine Haltung straffte sich. »Das meinst du also? Die Gäonen sind für dich keine Menschen? Du stammst noch aus der Milchstraße, oder? Du warst von Anfang an hier im System.«

Die Biopositronik bestätigte. »Mein Zentrum war das Bordgehirn der ORION. Es wurde in den vergangenen eintausendsiebenhundert Jahren hierhin verlegt, ausgebaut, mein Plasma wurde viele Tausend Male gereinigt und aufbereitet. Aber ursprünglich stamme ich aus dem Schiff, mit dem die Gründer des Imperiums nach Sevcooris gekommen sind. Ich bin das letzte lebende Wesen im Zweiten Solaren Imperium aus der alten Heimat. Ich bin echt. Alles andere sind Schatten.«

Gi Barrs latenter Ärger wandelte sich in Wut. Die Gäonen des ZSI hatten unter schwierigsten Bedingungen Unglaubliches geleistet. Sie hatten nicht nur in einer fremden Galaxis mit schwer beschädigter Ausrüstung überlebt. Sie hatten Fuß gefasst, sich angepasst, ihre Fähigkeiten weiterentwickelt und ein ganzes Sternenreich gegründet! Und diese Biopositronik, diese letzte Hinterlassenschaft ihrer Gründer, wagte es, sie als Schatten zu schmähen?

Rhodan hingegen wirkte ruhig und hoch konzentriert. »Du hast aber nicht nur vom Orionsland gesprochen, in dem das ZSI herrscht. Du hast ausdrücklich die ganze Galaxis Sevcooris als Schattenland bezeichnet. Wieso?«

»Auch die Thoogondu, die in Sevcooris herrschen, stammen aus der Milchstraße. Dort bewegt sich etwas, hier wirft es Schatten, die dann lebendig wirken. So scheint es bestimmt.«

»Danke für die Aufklärung«, sagte Rhodan kurz angebunden. »Ich bin jetzt schlauer, aber das bringt uns nicht weiter. Hilf uns! Ob die Gäonen Menschen oder Schatten sind – ich will nicht, dass sie bei einem Bürgerkrieg sterben! Ich muss dir Fragen stellen können!«

»Nutze deine Privilegien, Großadministrator.«

»Diesen Titel trage ich schon seit Jahrtausenden nicht mehr ...« Rhodan stockte, dann nickte er. »Aber was ich nun bin, ist für dich auch nur Schatten, richtig?«

»So ist es. Du bist der Großadministrator, egal welchen Titel du mittlerweile trägst.«

Gi Barr war verwirrt. Worüber sprach die Positronik?