Perry Rhodan 2976: Hyperlicht - Michael Marcus Thurner - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2976: Hyperlicht E-Book und Hörbuch

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Unterschwellig herrschen zwar Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Nicht immer erfolgt dieser Kontakt zur Freude aller: So versteht kaum jemand die Beweggründe der Gemeni, die angeblich den Frieden im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen: Jüngsten Erkenntnissen zufolge arbeiten sie mit den Thoogondu zusammen, die einst als Lieblingsvolk von ES galten, von diesem aber wegen eines schwerwiegenden Verrats verbannt wurden. Doch in beiden Völkern gibt es unterschiedliche Strömungen, und niemand vermag zu sagen, wer Freund und wer Feind ist. Im Solsystem kommt es zu einem folgenschweren Ereignis: Adam von Aures, Lotho Keraete und Gaumarol da Bostich versuchen die Machtübernahme auf Wanderer. Die Scheibenwelt reagiert – und Bostich stirbt. Aus dem Fanal seines Todes erwächst das HYPERLICHT ...

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Zeit:3 Std. 31 min

Veröffentlichungsjahr: 2018

Sprecher:Renier Baaken

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Nr. 2976

Hyperlicht

Auf der Welt der Maulwurfmenschen – die Katastrophe nimmt ihren Lauf

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Profi

2. Die Kämpferin

3. Theorie und Praxis

4. Existenzängste

5. Das Finale

6. Erste Anzeichen

7. Siegesparaden

8. Das Angebot

9. Alles ändert sich

10. Die Empfindlichkeit der Jerreten

11. Ein Freund, ein guter Freund

12. Das Haus

13. Oberflächengespräche

14. Die Ansprache

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen zwar Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten.

Nicht immer erfolgt dieser Kontakt zur Freude aller: So versteht kaum jemand die Beweggründe der Gemeni, die angeblich den Frieden im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen: Jüngsten Erkenntnissen zufolge arbeiten sie mit den Thoogondu zusammen, die einst als Lieblingsvolk von ES galten, von diesem aber wegen eines schwerwiegenden Verrats verbannt wurden. Doch in beiden Völkern gibt es unterschiedliche Strömungen, und niemand vermag zu sagen, wer Freund und wer Feind ist.

Im Solsystem kommt es zu einem folgenschweren Ereignis: Adam von Aures, Lotho Keraete und Gaumarol da Bostich versuchen die Machtübernahme auf Wanderer. Die Scheibenwelt reagiert – und Bostich stirbt. Aus dem Fanal seines Todes erwächst das HYPERLICHT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Caltu Roy – Ein Oberflächenmensch sieht Unbequemes.

Mabeschtur – Ein Maulwurfmensch sieht Entsetzliches.

Kariabosch und Tariamsch – Mutter und Tochter erleben Unschönes.

Coron Roy

Corons erste Erkenntnis

Es ist uns gelungen, die Milchstraßenprojektion aufzuzeichnen. Wir arbeiten daran, die Aufnahmen zu fragmentieren und zu analysieren. Ich bin gleichermaßen fasziniert und erschrocken – und ich fürchte Schlimmes.

1.

Der Profi

Zylindrion war alles. Es war in seinen Gedanken, seinen Träumen, in seinen frühesten Kindheitserinnerungen.

Zylindrion war eine Sucht, der sich Caltu Roy kaum zu entziehen vermochte – und auch nicht wollte.

Zylindrion war Schönheit und Anmut, Einsatz und Leistung, Wille und Mut, Tapferkeit und Strategie. Es war all das und viel mehr.

Doch wie hatte sein Vater – die Sternengötter mochten seiner Seele gnädig sein – so schön gesagt?

»Letztlich ist Zylindrion doch nur ein Spiel.«

*

Caltu löste sich aus der Trainingssimulation und sammelte sich. Wie immer fiel ihm die Rückkehr in die Realität schwer. Die Oberschenkelmuskulatur war schmerzhaft stark angespannt, der Nacken ebenso.

»Siehst du die Fehler?«, wisperte ihm Rasputin zu. »Merkst du, wo du dich falsch bewegt hast?«

»Ich bin zu langsam. Ich reagiere zu schwerfällig.«

»Weil du ein Mensch bist.«

Caltu erhob sich von der Massageliege und winkte zwei der sündteuren Haptomechs herbei. Sie legten sich sachte um seine Beine und begannen mit der Aktivierung seiner Muskeln. Sie würden selbstständig erkennen, wann es genug war. Vermutlich nach etwa einer Stunde. Das Spiel war erst morgen, er durfte seinem Körper ein wenig Erholung gönnen.

»Ich empfange einen Trivid-Anruf von Mabeschtur«, sagte Rasputin auf seine steife, unbeholfene Art. »Lass dich bloß nicht auf einen seiner Spielabende ein.«

»Kümmere dich nicht um meine Privatangelegenheiten.« Caltu schnippte mit den Fingern, das dreidimensionale Bild seines Mannschaftskollegen ploppte im Zentralholo auf. »Was gibt's, Kleiner?«

»Ich wollte mit dir einige Spielzüge durchgehen, Fettling«, antwortete der Freund.

Caltu grinste. »Woher kommt es, dass ich dir nicht so recht glaube?«

»Du misstraust mir? Einem ehrbaren Jerret?« Mabeschtur blinzelte kurzsichtig, sein Kopfbohrer färbte sich zartrosa.

»Weil ich dich kenne. Schließlich spielen wir seit mehr als drei Jahren zusammen. Du weißt ganz genau, dass Taktik nicht gerade meine Stärke ist. Wenn's nach mir ginge, wäre das Spiel viel geradliniger. Ich bin nun mal ein dummer Kerl.«

»Das stimmt nicht! Zumindest nicht ganz.«

»Spuck's aus: Was willst du wirklich von mir?«

»Na ja. Es ist langweilig hier unten. Du weißt, wie es so ist vor dem Spiel. Wir dürfen kaum etwas unternehmen und sind verpflichtet, uns von den Heimtrainern überwachen zu lassen. Damit wir nichts Unüberlegtes machen, uns nicht verletzen, nicht abgelenkt werden.«

Caltu seufzte im Gleichklang mit seinem Mannschaftskameraden und Freund. Wie recht Mabeschtur hatte! Von diesen Einschränkungen hatte ihm niemand etwas erzählt, als er seinen ersten langfristigen Zylindrion-Profivertrag unterschrieben hatte.

»Mir ist schrecklich langweilig, und ich wollte diese Langeweile mit meinem besten Freund teilen, selbst wenn der kein Unterweltjerret ist, sondern ein Oberflächenmensch. Bei einem Spieleabend.«

»Rasputin warnte mich, dass du mit deiner Mitleidsmasche daherkommen würdest.«

»Und mein Heimtrainer meinte, dass wir viel zu eng befreundet wären, die gesunde Rivalität dadurch beeinträchtigt werden würde und dass ich dich unter keinen Umständen in die Unterstadt holen sollte.«

Caltu blickte auf Rasputin und rief die Daten des Leistungsoptimierers ab. Er grinste. »Das Blechding meint, dass wir durch die Ablenkung etwa nullkommaacht Prozent Leistungsbereitschaft verlieren, aber nullkommasieben Prozent im Bereich besseres Verständnis gewinnen könnten. Die Differenz liegt damit unter dem vertraglich Verbotenen.«

»Das heißt, dass du dich auf den Weg machst?«

»Selbstverständlich. Wenn du möchtest, bringe ich Protein-Chips mit.«

Mabeschtur verzog das Gesicht. »Nein, danke. Ich kann das Zeug nicht mehr sehen. Ein paar ungesunde Salznüsse wären mir lieber. Aber ich vermute, dass unsere monatliche Ration an Sündware bereits verbraucht ist.«

Wieder seufzten sie im Einklang.

»In einer Stunde bin ich bei dir, Kleiner«, sagte Caltu zum Abschluss und desaktivierte die Holoverbindung.

»Ich bin gegen dieses Treffen!«, protestierte Rasputin. »Morgen findet das Halbfinale statt, und du setzt mutwillig nullkommaeins Prozent Leistungsentwicklung aufs Spiel. Ich werde dich beim Trainer melden.«

»Mach das. Du weißt, dass du keinen Erfolg haben wirst. Mein Manager hat eine Toleranzspanne von einem halben Prozent ausgemacht.«

»Und dennoch ...«

»Wenn du mich weiter ärgerst, ersetze ich dich durch einen anderen Heimtrainer.«

»Ich protestiere schweigend«, sagte Rasputin. Er beugte den zylindrischen Körper, stach Caltu mit seinem Igelkopf in den Unterarm und zapfte zum wiederholten Mal am heutigen Tag Blut ab. Blut, das er analysieren und dessen Werte er an die Individual-Trainingszentrale weitermelden würde.

Caltu ignorierte den leichten Schmerz und machte sich ausgehfertig. Dabei rief er sich das Credo seines Trainers, seines Betreuungsstabes und seiner robotischen Unterstützer in Erinnerung: Es ist einzig das Spiel, das zählt. Die negativen Begleiterscheinungen haben dich nicht zu kümmern. Auch wenn sie deine Freude manchmal beträchtlich trüben.

*

Er zog den Wärmeanzug über und schob eine Illu-Maske davor. Das eng anliegende Holobild ließ ihn als älteren Mann mit ferronischer Gesichtsfärbung erscheinen. Als einen Touristen.

Er wollte nicht erkannt werden, nicht an diesem Tag. Yll, die Sonne Jespers, war zwar bereits untergegangen und die Dämmerung würde ihn schützen. Doch man wusste nie. In den letzten Tagen der Meisterschaft drehten die Fans völlig durch.

Caltu war von der Vereinspositronik angehalten worden, sich so viel wie möglich zu bewegen. Also würde er bis zum Zentralabgang Süd der Stadt Mamurin zu Fuß gehen.

Eine dünne Schicht Raureif überzog den Boden, die Temperaturen sanken rasch. Bald würden sie die im Frühjahr üblichen Minusgrade erreichen.

Caltu blickte in den Himmel. Tausende Sterne glitzerten, das breite Band der Milchstraße zog sich quer übers Firmament.

Wie immer war da dieses sonderbare Gefühl eines ... Mangels. Es fehlte ihm etwas, so wie etwa fünf Prozent aller Terrastämmigen auf Jesper. Diese Irritation war nicht so einfach zu erklären. Vermutlich beruhte sie darauf, dass Jesper keinen Mond hatte und dass die Schwerkraft um gut zehn Prozent geringer war als auf Terra, jener Welt, von der aus seine Vorfahren hierhergelangt waren. Selbst nach Jahrtausenden hatten sie sich nicht hundertprozentig auf die Umweltbedingungen Jespers umgestellt.

Ein Nachtkakadu flatterte laut kreischend an ihm vorüber. Caltu duckte sich instinktiv. Diese heimtückischen Biester machten sich einen Spaß daraus, mit ihren scharfen Krallen durchs Haar der Oberflächenbewohner zu fahren und lange Kratzspuren zu ziehen.

Trotz aller Widrigkeiten liebte Caltu seine Heimat. Das Leben auf Jesper war so bunt, so aufregend, so umfassend. Er hatte Angebote von Zylindrion-Spitzenmannschaften aus anderen Teilen des Orionarms erhalten. Selbst die schwerreichen Jungs von Phendai Omni hatten bereits angeklopft. Er aber hatte abgelehnt, trotz des sauren Gesichts, das sein Manager gezogen hatte.

Caltu machte einen kleinen Abstecher zum Frozen Creek. Er hörte das Wasser unter der fast vollständig gefrorenen Oberfläche gurgeln. Einige Leuchtkimmen strebten aufgeregt ihren Laichgründen entgegen. Die Flossen bewegten sich mit irrwitzigem Tempo. Mit jedem Schlag hinterließen sie phosphoreszierende Ausscheidungen, die Partner des anderen Geschlechts anlocken sollten.

Das ewige Schauspiel der Paarung würde in den nächsten Tagen Hunderttausende Fische an den Ewigen See locken, in den unzählige Bäche mündeten. Die Leuchtkimmen würden zum See hochschwänzeln und im ruhigen Gewässer laichen.

Die Kreisel- und Drehbewegungen unterhalb der vielen Katarakte des Frozen Creek und anderer Flüsschen, die aufgeregten Spiele der Fische, ihr Gebaren – dies alles ergab ein beeindruckendes Schauspiel.

Caltu sah dem Treiben von vier oder fünf Fischlein für eine Weile zu, bevor er seinen Weg fortsetzte. Mamurin Süd war bald erreicht. Der Anzug isolierte hervorragend. Der Hals wurde besonders gut geschützt, mehrere Dutzend Fühler kontrollierten zu jeder Zeit seinen Wärmehaushalt. Eine Verkühlung wenige Stunden vor dem Halbfinale wäre fatal gewesen.

Der Abgang in die Unterstadt Qyrtet, ein halbkreisförmiges Tor von gewaltigen Ausmaßen, wurde wie immer von einem gemischten Doppel bewacht. also einem Menschen und einem Jerret. Für einige Sekunden gab sich Caltu der Hoffnung hin, unerkannt zu bleiben. Doch dann forderte ihn der Maulwurfmensch mit der typisch leisen Stimme seines Volkes auf, die Maske abzulegen. Als er Caltu erkannte, bat er ihn aufgeregt um ein Individual-Holoprint. Umgehend schloss sich sein terrastämmiger Partner der Bitte an.

Caltu blieb geduldig und ließ sich von mehreren Seiten ablichten, sodass rasch ein dreidimensionales Abbild von ihm entstand. Die Grimassen, die er dabei zog, würden dieses Bild einzigartig werden lassen.

Er wiederholte den Vorgang für den Terraner und dann für drei Passanten, die neugierig geworden waren und ihn ebenfalls erkannten.

»Genug, Herrschaften!«, dröhnte Rasputin, als das Gedränge zu groß wurde. Er hatte sich bislang dezent im Hintergrund gehalten. Nun schwebte er hinter Caltus Rücken hervor. »Ihr werdet verstehen, dass unser bester Mann Ruhe benötigt.«

Die Menge zerstreute sich zu Caltus Erleichterung rasch, er konnte seinen Weg in die Tiefen der Unterstadt Qyrtet fortsetzen.

»Ich sagte doch, dass es eine dumme Idee wäre, Mabeschtur zu besuchen!«, sagte der Heimtrainer mit vorwurfsvoll klingender Stimme.

»Wir sind gleich da. Dann haben wir Ruhe.«

Caltu aktivierte die Maske erneut. Die Maulwurfmenschen, die sich selbst Jerreten nannten, interessierten sich kaum für ihn. Sie waren weitaus reservierter als Terraner. Sie kannten keine Hysterie, sie schätzten die Privatsphäre und sie waren meist von ausgewählter Höflichkeit.

Caltu passierte die große Markthalle der Jerreten. Der Geruch nach Fisch vermengte sich mit dem nach frischen Gewürzen, salzigen Fleischkrusten und dem Zuchtobst aus den unterirdischen Kavernen. Alles zusammen ergab eine Mischung, die Caltu immer wieder aufs Neue begeisterte.

Die Gebäude dieses Bezirks rings um die Markthalle waren uralt und wirkten, als wären sie direkt in den Felsen gehauen. Sie waren faszinierend.

Lediglich dieses stetige Zwielicht, diese Beinahedunkelheit, irritierte Caltu, sooft er in die Welt der Jerreten hinabstieg. Es war undenkbar für ihn, hier unten zu leben. Er war und blieb ein Oberflächenmensch.

Über Fall- und Rollbänder ließ er sich weiter in die Tiefe hinabbringen. Ein riesiger Vertikaler nahm Caltu und etwa hundert Maulwurfmenschen auf.

Caltu fühlte den Druck auf den Ohren, als es einen halben Kilometer in die Dunkelheit hinabging, hinab zur Ebene Zwei. Das Licht dimmte immer weiter ab. Bald hatte er Probleme, etwas zu erkennen. Also schob er die Restlichtverstärker vor die Augen. Sie gaben der Umgebung einen irritierenden Rotton. Caltu wusste, dass er sich rasch an die geänderten Umstände gewöhnen würde.

In der vorletzten Unteretage von Ebene Zwei stieg er als Einziger aus. Diese Ebene war den Begüterten vorbehalten. Die Jerreten respektierten solche deutlich erkennbaren sozialen Abstufungen ohne Neid oder Eifersucht. Sie akzeptierten Grenzen als fair, hinterfragten sie nicht und nutzten sie auch nicht als Abriebfläche unangebrachten Selbstzweifels.

Nach wenigen Minuten erreichte Caltu Mabeschturs Villa. Sie war auf zwei Etagen angelegt. Zuoberst thronte eine Sichtkuppel, die dem nachtsichtigen Maulwurfmensch einen herrlichen Blick über sein Grundstück erlaubte.

Das Haus war in eine Landschaft eingebettet, deren Gräser einmal pro Tag durch Rasant-Photosynthese zum Wachstum angeregt wurden, sodass sie trotz der beinahe perfekten Dunkelheit gediehen.

In der unmittelbaren Umgebung zeigten sich weitere, meist gut gepflegte Gartenanlagen betuchter Maulwurfmenschen. Viele Gräser leuchteten an den Blattspitzen, ein Ergebnis ungewöhnlicher Phosphor-Genimpfung. Reiche Jerreten versuchten, sich gegenseitig mit außergewöhnlichen Züchtungen zu übertreffen.

»Bist du aufgehalten worden?«, hörte Caltu die Stimme seines Freundes, ohne ihn im Garten erblicken zu können.

»Was glaubst denn du? Ich muss verrückt sein, dich während der frühen Abendstunden zu besuchen, Kleiner. Wo steckst du überhaupt?«

»Hier, Fettling!«

Etwa zehn Schritte voraus tauchte ein Spitzkopf auf. Mabeschtur sprang in die Höhe, immer wieder, um über das hoch wachsende Gras seiner Anlage blicken und auf sich aufmerksam machen zu können.

»Wie wäre es, wenn du deinen Garten wie die deiner Nachbarn pflegen lässt? Natürlich erst, nachdem du dich ins Haus zurückgezogen hast. Andernfalls würde dich der Robotgärtner als etwas zu groß geratenes Ungeziefer identifizieren und dich um ein bis zwei Köpfe kleiner machen.«

Caltu stieß endlich auf jenen Weg, der zum Haus führte. Er war bloß körperbreit. Immer wieder musste er Halme und Stauden zur Seite biegen, um vorwärtszukommen.

Endlich traf er auf Mabeschtur. Der Jerret, der ihm gerade bis zur Brust reichte, grinste vergnügt. Er drehte den Kopf hin und her, immer wieder. So zeigten die Maulwurfmenschen ihre Freude.

Caltu reichte ihm die Hand und achtete darauf, sich an den langen Krallen seines Freundes nicht zu verletzen. Gemeinsam betraten sie das Innere des Hauses. Als Zeichen der Höflichkeit erhellte Mabeschtur den Wohnraum ein wenig, sodass Caltu sich orientieren konnte.

»Ihr trinkt gefälligst keinen Alkohol!«, meckerte Rasputin, der hinterher schwebte.

»Ist schon gut, Kleiner«, sagte Mabeschtur. »Ich habe Anti-Kater-Pillen, die Wunder wirken.«

»Ich bestehe darauf: kein Alkohol. Andernfalls erstatte ich Meldung beim Team.«

»Verzeih, dass ich diese Spaßbremse mitbringen musste«, sagte Roy. »Aber du kennst ja das Vorschriften-Protokoll.«

»Besser als du, Fettling. Schließlich spiele ich seit acht Jahren für Jesper Unison.«

»Das nennst du spielen? Einfach nur im Rückraum der Röhre warten und die gegnerischen Stürmer anbohren, sie behindern? Du zerstörst doch bloß alles.«

»Ich mache es, damit du vorne im Angriff brillieren kannst. Und die Trainer wissen ganz genau, was sie an mir haben. Denk daran, dass ich genau aus diesem Grund der bestverdienende Spieler bin.«

»Jaja. Du bekommst exakt einen Galax mehr als ich. Weil du dich bei den letztjährigen Vertragsverhandlungen lustig über mich machen wolltest.«

»Wie mir scheint, ist mir das gelungen.«

Sie ließen sich nebeneinander in Hartschalenstühlen nieder. Augenblicklich erwachten Bilder zum Leben, vor ihnen auf die breite Wand projiziert. Sie zeigten ein klassisches Zylindrion-Feld. Das altehrwürdige Kimme, wie an unzähligen Furchen und Kerben im Spielfeld zu erkennen war. Im Kimme hatten über Jahrzehnte hinweg die Finalspiele der Orion-Meisterschaft stattgefunden, bevor es vor einigen Jahren abgerissen worden war. Sehr zum Bedauern vieler Fans und Spieler.

»Du bist ein Nostalgiker«, sagte Caltu. »Kein Wunder bei deinem Alter.«

»Ich bin wie guter Wein. Ich werde mit jedem Jahr Profidasein besser.«

Mabeschtur reichte ihm die Konsole samt Tastfeld.

Caltu aktivierte es, eine dünne Folie legte sich sachte über Beine, Brust und Arme. Er erschien im Holofeld, gleich darauf war Mabeschtur in der Simulation zu erkennen. Der Maulwurfmensch stand wie immer weit hinten in der Röhre. Er wiegte den Körper hin und her in den für ihn typischen Bewegungsabläufen.

Gleich darauf erschienen andere, fiktive Spieler. Sie fügten sich nahtlos in die Aufstellung zweier Mannschaften ein.

»Wenn du eine normale Simulation durchgehen wolltest, hätte ich genauso gut zu Hause bleiben können«, beschwerte sich Caltu.

»Keine Sorge. Es gibt Besonderes zu sehen und zu erleben. Setz mal die Spielmaske auf!«

Caltu gehorchte. Er schob den biegsamen Schlauch aus feinstem, kaum spürbarem Material übers Gesicht. Augenblicklich änderten sich seine Wahrnehmungen. Sie wurden noch intensiver, noch realitätsnäher.

»Was ist das, verdammt?«, fragte Caltu und atmete tief ein. Er nahm alles um ein Vielfaches verstärkt wahr. Die virtuellen Spieler waren plötzlich wirklich da! Er hörte ihr Schnaufen, er fühlte ihre Nervosität und die Vorfreude aufs Spiel

»Eine Profimaske, die noch gar nicht auf dem Markt ist«, antwortete Mabeschtur. »Sie hat fast dreimal so viele Stimulationspunkte wie die herkömmlichen Dinger. Bleib jetzt ganz ruhig, wenn sich das Material bewegt ...«

Caltu gehorchte und wartete angespannt. Nach wenigen Sekunden verschob sich die Maske und umspannte seinen Kopf ein wenig fester, ohne allerdings Druck auszuüben. Gleichzeitig sickerte etwas in seinen Mundraum. Es irritierte und ließ ihn kurz panisch werden. Doch er drängte das Gefühl beiseite und wartete.

»Merkst du's?«, fragte Mabeschtur mit undeutlich klingender Stimme.

Ja, er merkte es. Seine Sinneswahrnehmungen erfuhren eine Erweiterung. Er roch Schweiß und fettige Wurstwaren, die auf den Zuschauerrängen verkauft wurden. Er fühlte Berührungen von Mitspielern, die ihn abklopften. Er hörte das Geschrei der Masse. Sie brachte den Boden unter ihm zum Beben.

»Das ist die beste Simulation, die ich jemals erlebt habe«, sagte er leise. »Ich höre sogar mein eigenes Herzklopfen.«

»Großartig, nicht wahr?«

»Es ist sogar besser als die Realität.« Caltu stieg versuchsweise halbrechts hoch auf die sich langsam drehende Röhre. Er überwand die Dreißig-Grad-Grenze, die als allgemeiner Gradmesser für einen geschickten Stürmer galt. Wer es schaffte, dabei den Ball mit den Füßen unter Kontrolle zu behalten und gleichzeitig die beständigen Drehbewegungen des Zylindrions auszugleichen, geriet rasch in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Nun, Caltu fühlte sich auch jenseits der Vierzig-Grad-Grenze wohl.

Er meinte zu fühlen, wie er leicht wegrutschte. Wie es stets geschah, wenn man zu hoch stieg und das Schuhwerk zu wenig Halt fand.

Caltu glitt hinab in die Waagrechte, nahm neuen Anlauf, behielt den Ball am Fuß und spielte ihn an einem verdutzt dreinblickenden Verteidiger oben vorbei.

»Angeber! Du verpulverst wie immer zu viel Energie zu Beginn des Spiels«, kritisierte Mabeschtur. »Diese dummen Aktionen kosten bloß Kraft.«

»Hör auf mit deinen Meckereien! Komm schon, lass uns loslegen!«

2.

Die Kämpferin

Kariabosch animierte die biolumineszierenden Glühwürmchen, ein klein wenig heller zu strahlen. Auf ihr Geheiß bewegten sie sich in Kopfhöhe. Sie begann mit der Körperpflege. Sie schrubbte und bürstete ihren Haarpelz mit der notwendigen Hingabe. So lange, bis er glänzte und diesen leichten Hellschimmer erhielt, den selbst die Touristen wahrnehmen konnten. Anschließend kümmerte sie sich ums Kopfhorn und die Fingerkrallen. Die Zehenkrallen kürzte sie ein wenig und kleckste silberfarbene Parfumfarbe drauf. Sie liebte diesen Geruch, der umso intensiver wurde, je heller die Umgebung war. Diesmal musste sie in der obersten Etage der Unterstadt einspringen, in einem Bereich mit schmerzhaft grellem Licht.

»Warum kann ich nicht mitkommen?«, quengelte Tariamsch und zog an Kariaboschs sorgfältig gepflegtem Beinhaar.

»Weil du zu jung bist und meine Chefin etwas dagegen hat, wenn fiepsende Kinder durchs Geschäft huschen. Sie meint, dass Touristen von lärmenden Bohrköpfen wie dir abgeschreckt werden. Und wenn die Touristen abgeschreckt werden, verdiene ich weniger. Alles klar?«

»Aber ich bin fast erwachsen! Ich schwöre dir, dass ich ganz still sein und im Raspelkäfig bleiben werde!«

»So wie beim letzten Mal? Als du nach zehn Minuten Löcher in die Wand bohren wolltest?«

»Aber da war ich klein und viel jünger!«

»Es ist gerade mal zwölf Tage her, Liebes.«

»Sag ich ja! Da war ich ganz, ganz jung.«

Kariabosch atmete tief durch. »Ich kann dich nicht mitnehmen, das weißt du ganz genau. Moly wird auf dich aufpassen und mit dir spielen.«

»Moly ist bloß ein blöder Blechhaufen.«

Moly ist alles, was ich mir leisten kann, dachte Kariabosch, behielt ihre Meinung aber für sich. Sie wollte ihre kleine Tochter nicht auf die prekären Verhältnisse hinweisen, in denen sie lebten. Das Sozialsystem Jespers funktionierte. Kariabosch hatte Arbeit, und es gab ausreichend Nahrung. Die winzige Wohnung befand sich zwar in einer schlecht beleumundeten Höhle, aber es hatte nie Probleme mit anderen Bewohnern gegeben.

Trotzdem wäre es schön, wenn mal Geld für einen kleinen Urlaub übrig bliebe. In einer der Mysterienhöhlen im Inneren Kamatans. Oder gar in einer der unterseeischen Kavernenbereiche ...

Kariabosch wusste, dass es in fünf Leben nicht dafür reichen würde, ein paar schöne Tage mit Tariamsch in den luxuriösen Unterwassersuiten zu verbringen.