Perry Rhodan 3010: Willkommen auf Gongolis - Susan Schwartz - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3010: Willkommen auf Gongolis E-Book und Hörbuch

Susan Schwartz

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Beschreibung

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen. Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten. Perry Rhodan begibt sich umgehend auf die Suche nach Informationen und Verbündeten, wobei seine größte Hoffnung auf seinem alten Freund Reginald Bull ruht, der angeblich als amtierender Regierungschef der überlebenden Menschen fungiert. Doch ein solches Treffen ist schwierig zu bewerkstelligen, wie sich herausstellt. Nun heißt es: WILLKOMMEN AUF GONGOLIS ...

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Seitenzahl: 188

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Zeit:3 Std. 28 min

Sprecher:Tom Jacobs

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Nr. 3010

Willkommen auf Gongolis

Ein Habitat in der Milchstraße – es wird zum Ort für ein Wiedersehen

Susan Schwartz

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Eine Lektion in Französisch und Vertrauen

2. Ein Spielchen in Ehren

3. Einreisemodalitäten

4. Erstes Vorantasten

5. Eine Chance?

6. Ein Wandkrabbler in Nöten

7. Das Treffen

8. Du bist dabei

9. Neuer Versuch eines Treffens

10. Übereinkunft

11. Befreiung

12. Neuer Termin

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Perry Rhodan begibt sich umgehend auf die Suche nach Informationen und Verbündeten, wobei seine größte Hoffnung auf seinem alten Freund Reginald Bull ruht, der angeblich als amtierender Regierungschef der überlebenden Menschen fungiert. Doch ein solches Treffen ist schwierig zu bewerkstelligen, wie sich herausstellt. Nun heißt es: WILLKOMMEN AUF GONGOLIS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Sholotow »Tenga« Affatenga – Der Siganese muss abrüsten.

Perry Rhodan – Der Terraner muss Maske machen.

Ragnu Sholter – Der Spieler muss sich der Wahrheit stellen.

Lanko Wor – Der ehemalige Gefangene betritt ein freies Habitat.

Donn Yaradua

1.

Eine Lektion in Französisch und Vertrauen

Über der Zentrale der BJO BREISKOLL lag eine tosende Stille, während sich das Schiff langsam dem Agnisystem näherte.

Sholotow »Tenga« Affatenga war die Widersprüchlichkeit des Begriffs durchaus bewusst. Das änderte jedoch nichts daran, dass er die Ruhe als ohrenbetäubend empfand.

Oberstleutnant Muntu Ninasoma saß zurückgelehnt in seinem Kommandantensessel, die Beine ausgestreckt, ein altertümlich aussehendes Buch in der Hand, als würde er lesen. Tenga nahm es ihm keine Sekunde lang ab. Vermutlich lugte er über den Buchrand hinweg und starrte auf den Hologlobus wie der Rest der Zentralebesatzung.

Neben dem Kommandanten stand Perry Rhodan. Die Arme hielt er hinter dem Rücken verschränkt. Seine Enkelin Farye Sepheroa-Rhodan lehnte etwas abseits auf Höhe des Ortungsoffiziers Terzio Adamato an der Wand. Offenbar versuchte sie, einen entspannten Eindruck zu vermitteln, ihre unruhigen Finger ruinierten die Fassade jedoch.

Das Holo zeigte in einer Mischung aus normaloptischen Aufnahmen, Ortungsergebnissen sowie Symbolen- und Zahlenkolonnen das Ziel der BJO und ihrer Crew.

Tengas Ansicht nach lautete die bedeutsame Frage: Flogen sie zu einem Treffen mit zwei Agenten des NDE – oder geradewegs in einen Hinterhalt?

Dass diese Gefahr bestand, sollte jedem an Bord klar sein. Tenga jedenfalls erkannte sie.

Gewiss, Rhodan hatte Kondayk-A1 und Cyprian Okri vor gut zwei Wochen nach anfänglichen Missverständnissen dabei geholfen, von einer Ausweglosen Straße – einem Gefängnis der Cairaner – zu entfliehen. Damit war er seinem alten Freund Reginald Bull zumindest indirekt nahe gekommen.

Gewiss, die beiden Agenten hatten zugesagt, ein Treffen mit Bull zu arrangieren oder ihm zumindest eine Botschaft zu schicken.

Der NDE – der Nachrichtendienst Ephelegon – zählte nach bisherigen Erkenntnissen nicht zu den engsten Freunden der Cairaner und stand in der Nachfolge des Liga-Dienstes, musste also sowohl aus Gründen der Tradition als auch gemäß der alten Der-Feind-meines-Feindes-Regel als Verbündeter gelten.

Trotzdem ...

Was wusste Rhodan, was wusste der Rest der Besatzung, was wusste Tenga tatsächlich über diesen Geheimdienst? Was sie aus den abgehörten Hyperfunksprüchen und -nachrichten erfahren hatten, widersprach sich fast immer, konnte also ohne Absicherung nie als verlässlich gelten. Und was Kondayk-A1 und Okri selbst erzählt hatten, war im besten Fall subjektiv eingefärbt – und im schlimmsten Fall schlicht gelogen.

Mit anderen Worten: Jeder an Bord hoffte auf ein Treffen mit Bull, hoffte auf Antworten, was in den letzten fünfhundert Jahren in der Milchstraße geschehen war und weshalb man Terra nur mehr als Mythos ansah. Zugleich fürchtete jeder, dass es so einfach nicht werden würde.

Denn wann war es jemals einfach gewesen?

Vielleicht – aber nur vielleicht – irrte sich Tenga, und er war der Einzige, der dem Rendezvous im All mit gemischten Gefühlen entgegensah. Er fasste nur langsam Vertrauen zu anderen, so viel Selbstkritik musste sein. Aber lieber witterte er eine Falle zu viel als eine zu wenig.

Noch zeigte das Holo ein unspektakuläres System aus zwei unspektakulären roten Sonne und vier noch unspektakuläreren unbelebten Gasriesen, die sie umkreisten. Kein ortbares Raumschiff, weder vom NDE noch von den Cairanern. Das musste jedoch nichts heißen, schließlich näherte sich auch die BJO BREISKOLL im Schutz des Paros-Schattenschirms, war also so gut wie unsichtbar und nicht zu orten.

Oder besser gesagt: Sie war es gewesen, gemessen am technologischen Stand der Milchstraße vor fünfhundert Jahren, in der alten Zeit vor dem unfreiwilligen Zeitsprung. Wer wusste schon, ob das im Jahr 2045 Neuer Galaktischer Zeitrechnung weiterhin galt? Vielleicht hatte sich die Technik so sehr verbessert, dass an Bord feindlicher Schiffe gerade ein Warnsignal ertönte und auf einen Raumer hinwies, der erfolglos versuchte, sich zu tarnen.

Auch dazu wäre eine Auskunft von Reginald Bull höchst willkommen, wie zu tausend anderen Punkten.

In regelmäßigen Intervallen sendete die BJO ein Signal auf der selten benutzten Funkfrequenz in Richtung des Agnisystems, die Rhodan mit Okri und Kondayk-A1 vereinbart hatte. Eine Wir-sind-da-Nachricht, die hoffentlich nur die Agenten empfingen.

Ein leises Räuspern erklang, verwehte und überließ der Stille erneut die Herrschaft über die Zentrale. Wenn Tenga sich nicht irrte, hatte es Donn Yaradua von sich gegeben, der zwei, drei Schritte neben Farye stand, offenbar ebenfalls gefangen vom Anblick des Holos und von der Furcht, was es jeden Moment zeigen konnte.

Tenga hasste die Stille. Sie ließ ihn allein mit seinen Gedanken.

Sag, Tenga, führst du deshalb so häufig Selbstgespräche? Um mit der äußeren Stimme die innere zu übertönen?

Er seufzte. Genau solche Gedanken meinte er, und sie kamen ungebeten.

Vor einigen Wochen hatte ihn Osmund Solemani, einer seiner besten Freunde an Bord, gefragt, was er durch den Zeitsprung verloren habe. An den Wortlaut seiner Antwort konnte sich Tenga nicht mehr erinnern, doch sinngemäß hatte er gesagt, dass ein Abenteurerleben wie seines keine engen familiären Bindungen erlaube. Seine Eltern waren zwar in der alten Zeit zurückgeblieben, jedoch weder Frau noch Kinder.

Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit, und dennoch nicht ganz vollständig. Denn er hatte durchaus jemanden verloren; nicht durch den Zeitsprung, sondern weit davor. Trotzdem machte das den Verlust oder die unerfüllbare Sehnsucht nicht weniger schmerzhaft.

Noch genau erinnerte er sich an ihre Stimme, an ihre Augen, an ihren Geruch. Vor allem an ihren Geruch.

Bisher hatte er es nicht einmal übers Herz gebracht, seinen besten Freunden Winston Duke und Osmund Solemani davon zu erzählen. Er wollte nicht darüber sprechen. Mit niemandem. Nicht einmal mit sich selbst.

Aber weshalb dachte er dann nach dem Zeitsprung so oft darüber nach? Hätte er sie in der Vergangenheit zurückgelassen, wäre sie inzwischen genauso tot, wie sie es tatsächlich war.

Gab es in dem Fundus kluger Sätze, die sein Vater so häufig bemüht hatte, nicht auch einen Spruch für diese Situation? Ach ja: Lass die Vergangenheit ruhen. Ein Mann, der nur nach hinten blickt, stolpert auf dem Weg nach vorne.

»Ortung!«, sagte Terzio Adamato.

Das Wort riss Tenga aus den Gedanken. Am liebsten hätte er den Kameraden hinter dem Schaltpult der Funk- und Ortungsabteilung dafür umarmt, was in der Zentrale eines Raumschiffs allerdings wohl unangemessen war. Ganz davon abgesehen, dass er sich mit seinem Siganesen-Gardemaß von exakt 22,03 Zentimeter bei dem normal gewachsenen Terraner schwertun würde.

Muntu Ninasoma klappte sein Buch zu, legte es bedächtig neben sich auf die Konsole und befahl in ruhigem Tonfall: »Details!«

Das Holo zoomte auf die Doppelsonne, aus deren Ortungsschutz sich ein imposantes Schiff schob: ein eintausendzweihundert Meter durchmessender Kugelraumer der DANTON-Klasse, an dessen unterem Pol ein scheibenförmiger Container von fünfhundert Meter Durchmesser und dreihundert Meter Dicke angedockt war. Darunter hing ein weiterer Container, kleiner, aber immer noch gewaltig.

»Die TREU & GLAUBEN«, sprach Rhodan aus, was jeder sah. »Das Schiff von Kondayk-A1.«

»Weitere Ortungssignale?«, fragte Muntu Ninasoma.

»Negativ«, antwortete Adamato.

»Zeigen wir uns«, entschied der Kommandant. »Paros-Schattenschirm aus!«

Zehn Sekunden lang hielt jeder den Atem an. Die BJO BREISKOLL kehrte zurück in die sicht- und ortbare Realität. Keine Flotte der Cairaner tauchte plötzlich auf, keine anderen Raumer, nichts. Alles blieb ruhig.

Ein gutes Zeichen, nicht wahr, Tenga?

»Anruf von der TREU & GLAUBEN«, meldete Terzio Adamato.

»Annehmen!«, sagte Rhodan.

Der Hologlobus blendete neben dem Schiff einen unscheinbaren Terraner ein. Hager, nein: dürr, grauhaarig, harmlos. Cyprian Okri, Buchhalter des erfolgreichen, charismatischen Händlers Kondayk-A1 – zumindest offiziell. Tatsächlich hatte Rhodan ihn als agil, fit und keineswegs so hinfällig und alt beschrieben, wie sein Äußeres glauben machte. Genauso wenig war er in Wirklichkeit der Untergebene des barnitischen Kaufmanns, sondern als Kopf des Agentenpaars dessen Vorgesetzter.

Tenga wünschte sich, er wäre bei dem Abenteuer auf der Ausweglosen Straße dabei gewesen und hätte sich selbst ein Bild von den NDE-Agenten im Einsatz machen können. Er verließ sich ungern auf die Einschätzung Dritter, selbst wenn dieser Dritte Perry Rhodan hieß.

»Ihr seid pünktlich«, sagte Okri mit verblüffend dumpfem Bass.

»Überrascht dich das?«, fragte Rhodan. »Mein alter Freund Reginald Bull wartet seit fast fünfhundert Jahren auf ein Wiedersehen. Das hoffe ich wenigstens. Jede weitere Minute ist eine zu viel.«

Rhodan lächelte. Freundlich, offen, gewinnend, wie es seine Art war.

Tenga fragte sich, wie es in seinem Inneren aussah. Immerhin stand er kurz davor, Bulls Antwort zu erhalten. Stimmte dieser einem Treffen zu? Hielt er sich gar an Bord der TREU & GLAUBEN auf? Oder erwies er sich als übervorsichtig? Schließlich war Perry Rhodan aus seiner Sicht eine sehr lange Zeit verschwunden gewesen. Wer garantierte ihm, es wirklich mit seinem ältesten Freund zu tun zu haben?

Allerdings galt das anders herum genauso. Handelte es sich bei dem Residenten der Liga Freier Galaktiker im Ephelegonsystem tatsächlich um Reginald Bull oder nur um jemanden, der sich dieses Namens bediente? Und wäre selbst der echte Bull noch derjenige, den Rhodan beinahe sein Leben lang kannte? Beide zählten dank ihres Zellaktivators zu den relativ Unsterblichen – mit dem Unterschied, dass der von Bull seit einiger Zeit chaotarchisch geprägt war und nicht mehr von den ordnenden Kräften wie jener Rhodans. Vereinfacht gesagt: Ginge es nur nach der Prägung der Aktivatoren, stünden die alten Freunde auf unterschiedlichen Seiten. Glücklicherweise ging es nicht nur danach.

Oder?

Vor dem Zeitsprung der RAS TSCHUBAI hatte Bull bereits einige Jahrzehnte mit der neuen Prägung verbracht, ohne dass sich Auswirkungen gezeigt hätten. Aber gemessen an den Tausenden von Jahren, die Rhodan und Bull bereits lebten, war das eine kurze Zeit.

Nun waren für Reginald Bull weitere fünfhundert gelebte Jahre hinzugekommen. Wer mochte sagen, wie er sich in dieser Spanne verändert hatte?

Sollte sich die Besatzung der BJO BREISKOLL dieses Misstrauen leisten? Durfte sie es, wenn sie endlich mehr herausfinden wollte?

Falls Rhodan all diese Überlegungen beschäftigten, ließ er es sich nicht anmerken. Sein Lächeln blieb unerschütterlich.

Okri lächelte zurück. »Nun, ein wenig wird euer Treffen warten müssen.«

»Er ist nicht bei euch an Bord?«, fragte Rhodan.

»Bedaure, nein.«

»Ich habe auch nicht damit gerechnet. Reginald neigt zwar zur Impulsivität, aber nicht zur Unvorsichtigkeit. Na ja, höchstens ab und zu.« Dieses Lächeln! Wie festgemauert und doch aufrichtig. »Was schlägt er stattdessen vor?«

»Er will sich mit dir treffen, aber nicht im Ephelegonsystem.«

»Sondern?«

»Auf neutralem Gelände, das zu keinem Sternenstaat gehört, dem Habitat Gongolis.«

»Wie kommen wir dorthin?«

»Ihr – also die BJO BREISKOLL – gar nicht. Kondayk-A1 und ich bringen dich und ein kleines Team deiner Wahl hin. Euer Schiff wäre zu auffällig. Die Leute des Habitats sind nicht dumm. Und selbst auf dem eigentlich neutralen, als sicher geltenden Habitat muss man mit Agenten des Cairanischen Panarchivs rechnen. Es würde mich nicht wundern, wenn inzwischen sämtliche CP-Leute nach dir Ausschau halten. Gongolis ist aber immerhin so autark, dass wir dort nicht mit cairanischen Mentaltastern rechnen müssen.«

Rhodan zögerte keinen Augenblick. »Einverstanden.«

Tenga fragte sich, wie oft Rhodan wegen seiner Eigenschaft als Sofortumschalter in kritische Situationen geraten war, anstatt ihnen zu entkommen.

»Ausgezeichnet. Ich hole euch mit einem Beiboot ab. Dann besprechen wir alles Weitere.«

*

Während die BJO BREISKOLL hinter ihnen zurückblieb, wuchs die TREU & GLAUBEN immer größer im Cockpitfenster auf.

Das Beiboot, mit dem Cyprian Okri sie auf das angebliche Handelsschiff übersetzte, bot Raum für vier Personen. Neben Okri, der zwar auf dem Pilotensessel saß, die Steuerung aber dem Autopiloten überließ, hatte Perry Rhodan Platz genommen. Dahinter, in einer zweiten Sitzreihe, beugte sich Donn Yaradua leicht zur Seite, vermutlich um zwischen den Vorderleuten hindurch einen ungehinderten Blick aus dem Cockpit genießen zu können.

Tenga hockte auf der Rückenlehne des vierten Sessels. Auf der Sitzfläche lag die SCHOTE, Tengas Miniaturgleiter, der mit seinen 58 Zentimeter Länge links und rechts knapp überstand.

Dass Rhodan ihn in das kleine Einsatzteam berufen hatte, erschien Tenga folgerichtig. Wie hätte er auf einen Maximaldestruktor und den fähigsten Saboteur der Flotte verzichten können? Talente, die bei einem schlichten Treffen mit Reginald Bull unnötig waren, die aber durchaus hilfreich werden konnten, falls etwas schiefging. Außerdem machten viele den Fehler, geringe Körpergröße mit Harmlosigkeit gleichzusetzen.

Und Donn Yaradua? Auch diese Auswahl konnte Tenga nachvollziehen, wenngleich er Rhodans Gründe dafür nur vermutete. Donn war ein Mutant, ein Metabolist mit der Fähigkeit, auf biochemische Prozesse von Lebewesen zuzugreifen und sie nötigenfalls zu manipulieren. Somit war es ihm hoffentlich am ehesten möglich zu erkennen, ob Reginald Bull wirklich die Person war, die zu sein er behauptete.

»Interessantes Schiff«, sagte Tenga mit Blick auf die TREU & GLAUBEN, um die Stille zu vertreiben.

»Das ist es«, erwiderte Okri. »Wir fliegen den größeren Container an. Dort residiert Kondayk-A1.«

»Er residiert?«

»Wir müssen den Schein wahren. Ein skrupelloser, eigensüchtiger, schillernder Händler, wie er zu sein vorgibt, würde sich nicht mit einer kleinen Kabine begnügen. Gelegentlich feiert er dort Feste nach erfolgreichen Vertragsabschlüssen. Ich gönne ihm die Momente, in denen er so tun kann, als wäre ich sein Untergebener.«

Tenga schmunzelte. Okris Art gefiel ihm. Vielleicht sollte er sein Misstrauen ihm gegenüber tatsächlich allmählich ablegen. Er beschloss, Okri vorerst als sympathisch unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs einzuschätzen. »Verstehe. Und was befindet sich in dem kleineren Container?«

»Das Kaufhaus. Unsere Besucher finden dort so ziemlich alles, was sie sich wünschen. Von Kleidung über Technik bis hin zu Schmuck, von Gemälden über Sportausrüstung bis zu Einrichtungsgegenständen.«

»Ihr lasst Besucher auf euer Schiff?«, hakte Donn Yaradua nach.

»Selbstverständlich. Wie gesagt: Wir müssen den Schein wahren. Wann immer wir in der Nähe eines Etappenhofs oder Planeten in Stellung gehen, öffnen wir unsere Pforten für die Konsumlust. Aber seid unbesorgt, im Augenblick befindet sich nur die Besatzung an Bord.«

»Gibt es im Sortiment des Kaufhauses Pralinen?«, erkundigte sich Tenga.

»Worum handelt es sich bei diesem Habitat Gongolis?«, fragte Rhodan, ehe Okri antworten konnte. »Wir kennen zwar den Namen, aber weitere Informationen wären durchaus hilfreich.«

Tenga seufzte in sich hinein. Manchmal hatte Rhodan, der große Terraner, einfach kein Gespür für die wirklich wichtigen Angelegenheiten.

»Darüber werdet ihr im Briefing alles erfahren, was ihr wissen müsst«, sagte der NDE-Agent. »Kurz gefasst: eine bewegliche Stadt im All.«

Eine Schleuse öffnete sich im größeren Container der TREU & GLAUBEN, und das Beiboot flog in einen Hangar.

Plötzlich fröstelte Tenga. Er verspürte ein leichtes Unbehagen, das er sich nicht erklären konnte. Die Nervosität vor einem Einsatz? Nein, er war schließlich Profi. Die Sorge vor dem, was Bull ihnen erzählen würde, wenn sie ihn endlich trafen?

Er schob das Gefühl zur Seite. Besser nicht darauf achten. Und vor allem: Perry nichts davon erzählen. Er kommt noch auf die Idee und schickt mich zurück!

Das Beiboot landete auf einer Parkfläche. Die Ausstiegsluke glitt auf.

Die Passagiere machten sich bereit auszusteigen, da sagte Cyprian Okri: »Natürlich führt das Kaufhaus Pralinen. Ich lasse eine Auswahl bereitstellen.«

Tenga hob innerlich den Vorbehalt des Widerrufs auf und änderte seine Einschätzung in prima Kerl. Was nicht bedeutete, dass er ihm vollständig vertraute.

*

Die TREU & GLAUBEN war drei Tage unterwegs, bis sie Gongolis erreichte. Ob die Flugzeit wegen der Entfernung zum Habitat so lange dauerte oder ob Reginald Bull den 12. Oktober 2045 NGZ als Termin für das Treffen festgelegt hatte und der Handelsraumer die Spanne bis dorthin mit Bummelei überbrücken musste, wusste Tenga nicht.

Sie verbrachten die Zeit mit vielen Gesprächen, die ihnen zwar mehr Details über die aktuelle Situation in der Milchstraße einbrachten, aber kaum neue Erkenntnisse bescherten. Immer wieder wurde klar, wie widersprüchlich alle Informationen waren und dass selbst Quellen, die man eigentlich als verlässlich einstufen würde, dies keineswegs immer waren. Insbesondere die Frage, wie es so weit hatte kommen können, blieb leider unbeantwortet. Entweder wussten die NDE-Agenten selbst nichts darüber – was Tenga vermutete, schließlich waren sie Kinder der Gegenwart und hatten die Ära der Erde nicht miterlebt –, oder Bull hatte sich diesen Teil selbst vorbehalten.

Tenga und Donn Yaradua lernten Kondayk-A1 und einige Besatzungsmitglieder kennen, darunter Doktor Spand, einen Ara, der mit seinem weißen Kittel und dem um den Nacken gelegten Stethoskop durchaus skurril wirkte. Rhodan stellte ihnen Giuna Linh und Lanko Wor vor, die er ebenfalls in der Ausweglosen Straße getroffen hatte. Nette Leute, das musste Tenga zugeben.

Nach und nach gelang es ihm, sein Misstrauen – oder, wie er es selbst lieber nannte, sein Sicherheitsbewusstsein – abzubauen. Dass er jeden Abend einen randvollen Teller mit Pralinen in seiner Kabine vorfand, hatte damit freilich nichts zu tun. Oder damit, dass sie so zurechtgeschnitten waren, dass selbst jemand seiner Größe sie unkompliziert wegnaschen konnte.

»Schließlich bist du unbestechlich«, sagte er zu sich selbst und kostete eine der Leckereien. Sie wies einen glänzenden, knallroten Überzug auf. In einer Geschmacksexplosion verteilten sich die Aromen nach akonischer Silbermandel und Jago-Beere in seinem Mund. Köstlich. »Eine letzte auf den Weg.«

Noch kauend verließ er seine Kabine und ließ sich vom Gravopak seines Spezial-SERUNS in den Konferenzraum tragen, in der die abschließende Einsatzbesprechung stattfand: eine prunkvolle Halle mit Kristalllüstern an der Decke und marmorierten Bodenfliesen. Etwas abseits stand ein schwarzer wuchtiger Holztisch mit geschwungenen Beinen, umgeben von samtgepolsterten Stühlen mit schmuckvollen Schnitzereien in den Lehnen. Die Klimaanlage bereicherte die Luft mit einem frischen, belebenden Duft. Leicht zitronig, mit einem Hauch von Minze, wenn sich Tenga nicht irrte.

O ja, Kondayk-A1 verstand es vorzüglich, den Schein des eigenwilligen Händlers zu wahren.

Der barnitische NDE-Agent und der Terraner Cyprian Okri saßen ebenso auf ihren Plätzen wie Perry Rhodan und Donn Yaradua. Es überraschte Tenga, dass auch Giuna Linh und Lanko Wor anwesend waren.

Tenga durchquerte die Halle und landete auf dem Tisch neben einer Schale süßer Köstlichkeiten. »Bin ich zu spät?«

»Nur eine Minute«, sagte Rhodan. »Wie es aussieht, bist du aufgehalten worden.« Er deutete auf seinen eigenen Mundwinkel.

Tenga verstand und wischte sich Reste der roten Pralinenumhüllung von den Lippen.

»Lasst uns beginnen.« Okri aktivierte das Holo, und über dem Tisch entstand das Abbild einer Raumstation. Sie erinnerte an zwei sich überkreuzende Hanteln mit Kugeln als Gewichten. »Das Habitat Gongolis besteht aus drei Schiffszellen der JUPITER-Klasse mit einem Durchmesser von zweitausendfünfhundert Metern ...«

Er deutete auf die vierte, geringfügig kleinere Kugel im Verbund.

»... und der Zelle eines arkonidischen GWALON-Raumers samt Kegelstumpf an der Unterseite. Wie ihr seht, ist sie elliptisch nach außen erweitert und bildet so ein Landefeld von vier Kilometer Durchmesser in der langen Achse und zwei Komma acht Kilometer in der kurzen. Dort werdet ihr landen. Ein Kreuz aus fünfhundert Meter durchmessenden Tunneln verbindet die vier Elemente.« Er lächelte. »Und damit hätten wir den langweiligen Datenteil auch schon hinter uns gebracht.«

»Wir werden landen?«, fragte Tenga. »Ihr kommt nicht mit?«

»Das sieht der Plan nicht vor. Dazu später mehr. Zunächst einige Worte darüber, was euch im Habitat erwartet. Der GWALON-Raumer heißt Gongolis-1 ...«

»Sehr originell.«

»... und wird auch die Stadt genannt. Hier und in den Tunneln leben fünfzigtausend Vollbürger und sechzigtausend Fristbürger des Habitats. Im Uhrzeigersinn folgen – nicht weniger originell – Gongolis-2, -3 und -4. Blumiger ausgedrückt: die Faktorei, die Komturei und das Magazin.«

Okri schilderte die Funktionen der einzelnen Zellen. So beherbergte die Faktorei insbesondere Basare, Casinos, Restaurants, aber auch Fabriken, Hydroponiken und andere Produktionsanlagen, wohingegen die Komturei in erster Linie der Verwaltung diente. Im Magazin befanden sich die Triebwerke, die HÜ-Schirmprojektoren, diverse Waffensysteme, Energiespeicher und einiges mehr.

Nach wenigen Minuten schwirrte Tenga der Kopf vor Informationen. Er betrachtete die Schale mit Pralinen und bemerkte, dass er sie zur Hälfte geleert hatte, ohne dass es ihm bewusst aufgefallen wäre.

»Keine Sorge«, sagte Rhodan. »Wir müssen uns das nicht alles merken. Cyprian und Kondayk-A1 stellen den Positroniken unserer Anzüge Dateien zur Verfügung, in denen wir die wichtigsten Informationen finden.«

Ach ja? Offenbar hatte er also bereits fleißig Pläne mit den Agenten geschmiedet.

»Die Verwaltung von Gongolis«, fuhr Okri fort, »teilt sich in verschiedene Zuständigkeitsbereiche auf, die sogenannten Logen, denen jeweils ein Concierge vorsteht. Mit ihnen werdet ihr wohl kaum zu tun bekommen. Bestenfalls mit Arpad Aaliyan aus der Loge für Fristbürger. Vielleicht auch, was ich allerdings für unwahrscheinlich halte, mit Non Jaffnapatam aus der Loge für Außenkontakte. Hausherr des Habitats ist Hôte Buatier Mulholland.«

Tenga runzelte die Stirn. »Was ist ein Oot?«

Rhodan schmunzelte. »Nicht Oot, sondern Hôte. H – O – T – E und ein kleines Dächlein auf dem O. Das Wort stammt ebenso wie ›Concierge‹ aus dem Französischen, einer alten terranischen Sprache. Woher stammt diese französische Anmutung?«

Okri schaute verwirrt und tauschte einen kurzen Blick mit Kondayk-A1. Als er von dort keine Unterstützung erhielt, sagte er: »Tut mir leid, das weiß ich nicht. Bisher war ich mir dessen nicht bewusst. Für mich stellten diese Begriffe einfach nur Worte dar. Kryptische Titel, Berufsbezeichnungen, etwas in der Art.«

»Verständlich. Das historische Frankreich liegt einige Tage vor eurer Zeit. Auffällig ist es dennoch. Zu auffällig, als dass es Zufall sein könnte.«

»Und was bedeutet Hôte nun?«, erkundigte sich Donn Yaradua.

»Gastgeber.«

»Wie dem auch sei«, nahm Okri seinen alten Faden wieder auf. »Das Habitat Gongolis bewegt sich an der Peripherie des Galaktischen Zentrums. Im Moment durchstreift es den Kugelsternhaufen Marala, auch als M 28 bekannt, 1559 Lichtjahre unterhalb der Milchstraßenhauptebene. Damit befindet es sich auf ähnlicher Höhe wie das Ephelegonsystem. Der Abstand zu Rudyn beträgt 2674 Lichtjahre.«

Illustration: Dirk Schulz

»Ich dachte der langweilige Datenteil wäre vorüber«, entfuhr es Tenga. Erschrocken sah er Rhodan an. »Entschuldige. Aber im Ernst, mich würde viel mehr interessieren, wie das Treffen mit Reginald Bull nun vonstattengehen soll.«