Perry Rhodan 3108: Kampf der Psi-Giganten - Leo Lukas - E-Book

Perry Rhodan 3108: Kampf der Psi-Giganten E-Book

Leo Lukas

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das 6. Jahrtausend nach Christus, genauer das Jahr 5658. Das entspricht dem Jahr 2071 NGZ nach der galaxisweit gültigen Zeitrechnung. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan die Menschheit zu den Sternen führte und sie seither durch ihre wechselvolle Geschichte begleitet. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Terraner, Arkoniden, Gataser, Haluter, Posbis und all die anderen Sternenvölker stehen gemeinsam für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, womöglich umso stärker, seit ES, die ordnende Superintelligenz dieser kosmischen Region, verschwunden ist. Als die Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in unmittelbarer galaktischer Nähe ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, entsendet sie mit der RAS TSCHUBAI das größte Fernraumschiff der Liga, um den Sachverhalt zu klären. Denn es heißt, von FENERIK gehe eine ungeheure Gefahr für die Milchstraße aus. Perry Rhodan leitet als Allianz-Kommissar die Mission, die ihn bis in die Andromeda vorgelagerte Kleingalaxis Cassiopeia führt. Schon früh stößt er auf Hinweise, die das Gerücht bestätigen: FENERIK ist in Cassiopeia und dort auf unterschiedliche Weise höchst aktiv. Um die terranisch-tefrodische Geheimsiedlung Troja zu unterstützen, kommt es zum KAMPF DER PSI-GIGANTEN ...

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Nr. 3108

Kampf der Psi-Giganten

Mutanten an vorderster Front – mit Gucky gegen die Geheimwaffe

Leo Lukas

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Einer von Hunderttausend

1. Rache ist nicht alles

2. Die doppelte Bedrohung

3. Die Warnungen des Barden

4. Rettet das Mobile!

Rückblende: Der Goldjunge und das Biest

5. Die Erstürmung

6. Die Erweckung

7. Die Konfrontation

8. An mehreren Fronten

Epilog: Zugeständnisse

Leseprobe PR-Wega 1 – Michael Marcus Thurner – Im Licht der blauen Sonne

Vorwort

1.

2. Zwei Tage zuvor

3.

Gespannt darauf, wie es weitergeht?

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

In der Milchstraße schreibt man das 6. Jahrtausend nach Christus, genauer das Jahr 5658. Das entspricht dem Jahr 2071 NGZ nach der galaxisweit gültigen Zeitrechnung. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan die Menschheit zu den Sternen führte und sie seither durch ihre wechselvolle Geschichte begleitet. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen.

Terraner, Arkoniden, Gataser, Haluter, Posbis und all die anderen Sternenvölker stehen gemeinsam für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, womöglich umso stärker, seit ES, die ordnende Superintelligenz dieser kosmischen Region, verschwunden ist.

Als die Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in unmittelbarer galaktischer Nähe ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, entsendet sie mit der RAS TSCHUBAI das größte Fernraumschiff der Liga, um den Sachverhalt zu klären. Denn es heißt, von FENERIK gehe eine ungeheure Gefahr für die Milchstraße aus.

Perry Rhodan leitet als Allianz-Kommissar die Mission, die ihn bis in die Andromeda vorgelagerte Kleingalaxis Cassiopeia führt. Schon früh stößt er auf Hinweise, die das Gerücht bestätigen: FENERIK ist in Cassiopeia und dort auf unterschiedliche Weise höchst aktiv. Um die terranisch-tefrodische Geheimsiedlung Troja zu unterstützen, kommt es zum KAMPF DER PSI-GIGANTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Damar Feyerlant – Der junge Terraner hat ein besonderes Verhältnis zu Biopositroniken.

Shema Ghessow – Die hochtalentierte Mutantin lässt sich ungern etwas aufzwingen.

Khsanap – Der Parajäger sieht die Chance, sich für erlittene Schmach zu rächen.

Gucky – Der Ilt trifft auf einen mehr als ebenbürtigen Gegner.

Khosen

Seit Jahrtausenden hält sich der Begriff ›Mutanten‹ hartnäckig als Synonym für parapsychisch begabte Individuen und verdrängt dabei oftmals eindeutigere Begriffe wie Psionten, Esper, Psi- oder Parabegabte oder die auf Individuen ebenso wie auf ganze Völker anwendbare Bezeichnung als parapsychisch begabt.

Diese Dominanz des Mutantenbegriffs ist allein deswegen falsch, weil längst nicht alle Psi-Talente auf genetische Mutationen zurückgehen. Genauer ausgedrückt: nicht auf solche, die relativ spontan innerhalb einer Generation erfolgten.

Dies war zwar bei einem Großteil der Gründungsmitglieder des ersten terranischen Mutantenkorps der Fall, überwiegend Japaner, die kurz nach den Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki geboren wurden. Aber später traf Perry Rhodan auf in ihrer Gesamtheit psionisch aktive Völker wie etwa die Baálols, deren Angehörige sich zu einem Parablock zusammenschließen und so ihre Fähigkeiten potenzieren können, und etliche andere mehr.

Für die Spezialeinheit, die nicht zuletzt auf Betreiben Guckys in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung formiert wurde, wählte man deshalb die neutralere Bezeichnung »Parakorps.«

(Enzyklopädia Terranica, aus den Datenspeichern der RAS TSCHUBAI)

Schlimm ist der Zwang,

doch es gibt keinen Zwang,

unter Zwang zu leben.

(Epikur von Samos, ca. 300 AZ)

Prolog

Einer von Hunderttausend

2061 NGZ

Als Kind fürchtete ich mich oft.

In erster Linie vor den älteren Jungen und Mädchen der Nachbarschaft. Sie waren laut und grob und machten sich einen Spaß daraus, Schwächere zu piesacken.

Mich nahmen sie besonders gerne aufs Korn. Ich war ein geradezu ideales Ziel für ihre Streiche und Sticheleien.

Das lag zum einen daran, dass ich ein Spätentwickler war, kleinwüchsig und unsicher. Zum anderen, weil sie herausgefunden hatten, dass ich Unrecht schwer ertrug, auch wenn es nicht mir persönlich zugefügt wurde; dass ich starkes Mitleid für jene empfand, die ebenfalls Opfer des ständigen Drangsalierens wurden.

»Schau her, Feyerlant!«, riefen sie. »Wir tunken deine Freundin tief in den Schnee. Das gefällt ihr nicht. Dabei reiben wir ihr doch die Tränen vom Gesicht, zusammen mit dem billigen Lippenstift! Aber sie zeigt keine Dankbarkeit. Ist sie nicht arm? Willst du ihr denn nicht helfen?«

Ich ballte die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten, presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts.

Was hätte ich tun sollen? Sie waren in der Überzahl und kosteten ihre Macht gnadenlos aus.

»Oje, oje«, höhnten sie weiter. »Deine Freundin hofft so sehr, dass du als ihr Retter, als ihr Ritter in strahlender Rüstung auftrittst. Aber du stehst bloß da und guckst belämmert! Egal, Damarlein, du bist so oder so als Nächster an der Reihe.«

Sie hielten Wort, jedes Mal. Wenn ich hinterher, mit etlichen blauen Flecken und Abschürfungen, in mein Elternhaus gehumpelt kam, seufzte die Mutter nur und verarztete mich wortlos.

Mich zu beklagen, hatte der Vater mir abgewöhnt. »Du musst lernen, dich selbst zu behaupten«, war seine Rede. »Kinder können nun mal grausam sein. Würden wir uns für dich in die Bresche werfen, wärst du danach erst recht unten durch. Das Leben ist hart, schon gar auf Poltumno.«

Ich war und bin ihm nicht böse deswegen.

Er hatte ja recht. Die Bewohner einer Eiswelt halten nun einmal große Stücke darauf, dass sie widrigsten Umständen trotzen, seit vielen Generationen.

*

Zu meinem Pech fürchtete ich mich auch vor den zwei Sachen, mit denen Ionnikun, meine grundsätzlich herzensgute und liebenswürdige, ein Jahr ältere Cousine, sich und mich zu trösten versuchte. Als da waren: technische Kleingeräte sowie psi-begabte Idole.

Ionnikun liebte ihre von einem silbernen Unterhaltungsroboter gesteuerte Spielarena. Darin ließ sie begeistert Püppchen, die historischen Gestalten nachgebildet waren, gegeneinander antreten.

»Hier kommt der regierende Champion, Ribald Corello«, kommentierte sie im Stil eines Sportreporters. »Das Publikum jubelt ihm enthusiastisch zu. Aber sein Herausforderer ist kein geringerer als Iwan Iwanowitsch Goratschin, der gefürchtete Doppelkopf-Mutant! Wird er seine Zünder-Waffe einsetzen können, bevor Corello ihn unters Joch der Hypnosuggestion zwingt?«

Gerne hätte ich mich von ihrer Freude an der harmlosen Simulation anstecken lassen. Aber ich konnte beim besten Willen nicht.

Ionnikun bot mir an, beispielsweise die Zwillingsschwestern Mila und Nadja Vandemaar gegen den urbösen Boyt Margor ins Feld zu führen, mitsamt der Vitalorterin Toio Zindher und Satafar, dem Gestaltwandler. Sogar Gucky, den absoluten Supertrumpf, hätte sie mir zusätzlich abgetreten.

Aber mir graute vor den Fähigkeiten des Struktursehens, des Motivlenkens, erst recht vor der geballten Macht aus Telepathie, Telekinese und Teleportation, die der legendäre Mausbiber in sich vereinte. Diese und alle anderen Parakräfte faszinierten mich immens. Zugleich erschienen sie mir unheimlich, abstoßend widernatürlich; viel zu gefährlich für die Person, die darüber verfügte, wie auch für diejenigen, auf die sie angewendet wurden.

Das mag seltsam klingen, angesichts der seit Jahrhunderten dokumentierten Tatsache, dass gerade mein Heimatplanet immer wieder Mutanten hervorbrachte; zwar jeweils nur eine Handvoll pro Generation, aber weit mehr als im galaktischen Durchschnitt. Woran das lag, hatte mir bislang niemand so erklären können, dass ich es verstanden hätte.

Die meisten Mutationen waren nicht meldepflichtig, weil unauffällig, wertlos oder sogar schädlich; bei uns Terranern und Tefrodern ebenso wie bei Poltumnos Ureinwohnern, den Uphas. Andererseits hätten die Cairaner wohl kaum auf diesem ansonsten unwichtigen Planeten eine ausgedehnte Niederlassung errichtet, wenn sie der parapsychischen Anomalie nicht erhebliche Bedeutung zugemessen hätten.

Ich hingegen wollte davon nichts wissen.

Manchmal verfolgten mich Ionnikuns Schwärmereien bis in den Schlaf, und ich träumte vom Mausbiber Gucky, von der Metabio-Gruppiererin Irmina Kotschistowa oder dem Teleporter Ras Tschubai. Dann erwachte ich schweißgebadet, am ganzen Leib zitternd, und fand oft die ganze Nacht keine Ruhe mehr.

*

Außerdem hegte ich, solange ich mich zurückerinnern konnte, eine Abneigung gegen jedwede positronische Technologie, so simpel und kindgerecht auch die Bedienungsoberfläche eingerichtet war. Dererlei mochte ich einfach nicht. Mich ekelte förmlich davor.

Lieber spielte ich Fußball. Oder andere Mannschaftssportarten wie Hockey, Friskee, Fang-den-Hasen und so weiter, stets vollkommen naturbelassen, ohne irgendwelche Prallfelder, ohne antigravitatorisch veränderte Zonen und sonstigen technischen Schnickschnack.

Dabei fühlte ich mich wohl. Dabei blühte ich auf.

Meine Eltern duldeten nicht bloß, dass ich mich Freizeitbeschäftigungen widmete, die nur von Randgruppen betrieben wurden, sondern gaben vor, sich mit mir zu freuen. Freilich durchschaute ich ihre wohlwollenden Lügen und wusste, dass sie sich um meine Zukunft sorgten.

Die Frage, »Was soll einmal aus dir werden, Damar?«, stellten sie mir nie direkt. Aber sie stand viele Jahre lang im Raum.

*

Alles änderte sich von einem Tag auf den anderen, als mein Vater starb.

Sein Tod kam plötzlich, vollkommen unerwartet für uns alle. Grzegorz stand in der Blüte seiner Jahre. Er war fit wie der sprichwörtliche Raumanzugstiefel, ein hoch angesehenes Mitglied der Gesellschaft, gerade erst wiedergewählt in den Stadtrat von Yalder. Zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörte nicht nur die Vertretung der terranischen Minderheit, sondern auch das Bauwesen.

Nach wie vor lebte fast die gesamte, rund eine Million zählende Bevölkerung von Poltumno in der einzigen Großstadt des Planeten. Sie erstreckte sich über Dutzende Quadratkilometer. Die durchsichtige Kuppel, die Yalder überspannte, ließ das Licht der roten Zwergsonne Utcho passieren. Die strenge Kälte hingegen hielt sie fern.

Bis zu minus 60 Grad Celsius herrschten an der Oberfläche. Allerdings zerschnitten viele Kilometer tiefe, teils zu einem labyrinthisch anmutenden Netzwerk verbundene Schluchten die Eiswüste.

Ganz unten, an deren Grund, war es angenehm warm. Dort gab es Geysire, Bäche und Flüsse, sogar kleine Seen, und eine erstaunlich üppige Vegetation. Neben den Dörfern der Uphas siedelten in diesen Enklaven auch einige tefrodische Familien.

Die cairanische Kolonie war ebenfalls in einer solchen Schlucht angelegt worden, nebst einem Raumhafen an der Oberfläche. Bei ihrem Abzug, ein paar Jahre vor meiner Geburt, hatten die Cairaner nicht viel mehr zurückgelassen als die nackten Fundamente.

Fundamente, auf die man zugreifen konnte ohne die anderswo nötigen Erdbewegungsarbeiten ...

Entsprechende Pläne wurden bald gewälzt und im Laufe der Jahre konkretisiert. Zumal der allgemeine Aufschwung in der Milchstraße, die wieder einmal eine längere Phase des Friedens und der Prosperität erlebte, sich bis ins Utchosystem auswirkte.

Die Stimmen mehrten sich, dass Poltumno in absehbarer Zukunft ein zweites tefro-terranisches Zentrum benötigen würde. Und wo sollte man das errichten, wenn nicht an dieser günstigen Stelle?

Am Morgen meines zwölften Geburtstags verabschiedete sich Gregorz von uns, weil ihn seine Pflichten zum Ort der ehemaligen Cairanerstadt führten. »In ein paar Stunden bin ich wieder daheim«, versprach er gut gelaunt, »spätestens am Abend. Und dann feiern wir eine Party für Damar, die sich gewaschen hat!«

Er küsste meine Mutter, bestieg den Prallfeldgleiter – und kehrte nicht mehr zurück.

Bis heute sind die Umstände seines Todes ungeklärt.

Illustration: Swen Papenbrock

Außer Zweifel steht, dass das Fluggerät an einer Eiswand zerschellte. Nur spärliche Überreste konnten geborgen werden. Jede Rettung wäre zu spät gekommen.

Die Untersuchungskommission schloss menschliches Versagen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Mein Vater war ein guter Pilot und gewiss nicht lebensmüde. Der Fehler lag also wohl beim biopositronischen Bordrechner.

Eigentlich waren die Systeme solcher Zivilgleiter mehrfach redundant gegen Aussetzer abgesichert. Schließlich zog man die Extrembedingungen der Ökosphäre von Poltumno ins Kalkül, ebenso wie potenzielle, noch unerforschte parapsychische Phänomene. Freilich funktionierte Technik nie und nirgends mit absoluter, hundertprozentiger Sicherheit.

Was immer den Unfall verursacht hatte, an jenem Abend fragte ich nicht danach.

Ich saß vor meiner Geburtstagstorte. Das Messer, mit dem ich sie anschneiden sollte, und das Feuerzeug, um die zwölf Kerzen zu entzünden, lagen vor mir auf dem Tisch. Da kam, aus heiterem, hellrötlichem Himmel die Nachricht, dass mein Vater, Grzegorz Feyerlant, tödlich verunglückt war.

Meine Mutter und ich sahen einander an, stumm.

Wir weinten nicht. Nicht gleich. Zu stark, zu grell war der Schock. Zu ... unfassbar.

Niemand aß von der Torte. Irgendwann später wurde sie entsorgt; mitsamt der Kerzen, deren Dochte unberührt geblieben waren.

Das Geschenkpaket, das mein Vater für mich vorgesehen hatte, öffnete ich erst am Tag danach. Es enthielt eine biopositronische Konsole mit diversen Spielen. Außerdem war sie dafür geeignet, meine sportlichen Leistungen aufzuzeichnen, zu analysieren und einen punktgenau auf mich abgestimmten Trainingsplan zu erstellen.

Ich hasste das Ding, sobald ich es in Händen hielt. Am liebsten hätte ich es zu Boden geworfen und mit den Füßen zerstampft.

Meine gute Erziehung hielt mich zurück. Und, dass ich das Andenken an meinen Vater nicht in den Schmutz ziehen wollte.

Stattdessen richtete ich all meinen Schmerz, all meinen Zorn auf das Gerät. Insgeheim verfluchte ich es.

Bis es – mir antwortete.

Primitiv, harmlos, unschuldig, fast entschuldigend.

Aber auch seltsam vertraut, erschreckend klar.

*

Der Eindruck verflog so schnell wieder, dass ich zur Überzeugung kam, ihn mir bloß eingebildet zu haben.

Zwar hatte mich das Erlebnis im Innersten berührt. Aber es wurde überdeckt von den zaghaften, schwachen Versuchen, die meine Mutter und ich unternahmen, uns gegenseitig zu trösten.

Nichts half.

Die darauffolgenden Tage waren damit ausgefüllt, eine Trauerfeier und ein symbolisches Begräbnis zu organisieren. Wir mussten Kondolenzen entgegennehmen, hatten Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Wenigstens die Bürokratie lenkte uns ab; ein bisschen; nicht ausreichend.

Eine Woche danach schickte mich meine Mutter weg. »Deine Cousine Ionnikun geht zum Markt am Butubá-See, um einige Werbegeschenke und sonstigen Krimskrams einzutauschen, wofür wir keine Verwendung mehr haben. Begleite sie. Vielleicht kommst du dabei auf andere Gedanken.«

Ich gehorchte widerspruchlos. Alles war besser, als zu Hause zu hocken und die Grausamkeit des Schicksals zu beklagen.

Von Yalder aus ließ sich über eine schlauchartige Verbindung eine Dependance der Hauptstadt erreichen. Sie lag in einer der tiefsten und wärmsten Schluchten, am Ufer eines lang gezogenen, eisfreien Sees. Dichte Nebelschwaden waberten ständig von der Wasseroberfläche empor.

Wichtigster Bestandteil der Butubá-Filiale war das Marktgelände auf der ungefähr dreieckigen Halbinsel. Um die Peripherie des weitläufigen Umschlagplatzes scharten sich zahlreiche tefrodische Häuser, gedrungen wirkende Klötze, offenkundig dazu geschaffen, den Unbilden der harten, lebensfeindlichen Natur zu trotzen.

Dennoch wohnte dem Ambiente eine gewisse raue Schönheit inne. Das Licht der roten Sonne spiegelte sich in den Außenverkleidungen der Gebäude und konkurrierte mit den Reflexionen auf den fast senkrechten Eiswänden des Canyons.

Manchmal wurde das Glitzern so grell, dass ich blinzeln oder für einige Sekunden die Augen schließen musste. Dann formten sich die Nachbilder auf meiner Netzhaut zu merkwürdigen Mustern und beinahe schriftartigen Symbolen.

Diesen Effekt kannte ich seit frühester Kindheit. Nun erschien er mir stärker als gewohnt, was ich meiner aus dem Gleichgewicht gebrachten Gefühlslage zuschrieb.

Auf dem Markt von Butubá tauschten Tefroder, Terraner und Uphas seit Urzeiten landwirtschaftliche und handwerkliche Produkte. Die Stände der Humanoiden ruhten auf erhöhten Podesten, denn die Ureinwohner des Planeten waren um einiges größer als wir.

Uphas maßen im Schnitt etwa zweieinhalb Meter. Sie waren aus einer giraffenähnlichen Art hervorgegangen, hatten dunkelblaue Haut, zwei schlanke Beine und einen lang gestreckten, biegsamen Hals. Darauf saß ein bohnenförmiger Kopf mit faustgroßen, zumeist braunen Augen.

Bis auf wenige Ausnahmen trugen sie Kombinationen, die denen unseres Militärs nachempfunden waren. Untereinander verständigten sie sich mit hohen, piepsigen Stimmen, die sie ohne technische Hilfsmittel um ein bis zwei Oktaven absenkten, wenn sie mit Tefrodern kommunizierten.

An ihren Kiosken boten die Uphas überwiegend verschiedene Obst- und Gemüsesorten sowie Gewürze feil. Die allermeisten Waren befanden sich in Stasis-Frischhaltebehältern, aus Rücksicht auf den fein ausgeprägten tefrodischen Geruchssinn. Unsere nahen Verwandten sind diesbezüglich immerhin ungleich empfindlicher als wir Terraner.

Dennoch stach mir, sobald meine Cousine und ich auf den zentralen Platz eingebogen waren, eine Vielfalt olfaktorischer Reize in die Nase. Nicht alle zu Pyramiden aufgestapelten Tüten waren vollkommen luftdicht verschweißt. Außerdem gab es ringsum Imbissbuden beider Völker, und die Absaugvorrichtungen, die unangenehm intensive Ausdünstungen dämpfen sollten, funktionierten nicht überall perfekt.

Ionnikun lockerte die Thermohaube, unter der knallrote Haarspitzen hervorlugten, und steuerte eine niedrige, kreisrunde Plattform an. Deren makellos glatte weiße Oberfläche ließ auf cairanischen Ursprung schließen.

Tatsächlich hatten sich früher auch die Cairaner am Marktgeschehen beteiligt. Aber das war vor meiner Geburt gewesen.

Einige unserer Historiker behaupteten, die Goldhäutigen hätten auf Poltumno gezielt das harmonische Zusammenleben mehrerer Völker auf einer unwirtlichen Welt gefördert. Unser Planet sollte als eine Art Versuchslabor oder Vorzeigeprojekt dienen, wenn nicht gar als Keimzelle der Harmonie, die irgendwann einmal die gesamte Milchstraße hätte umfassen sollen.

Wir Jungen spotteten über diese rückwärtsgewandten, mental verkalkten Leute und die politische Gruppierung, der sie angehörten. Ihre Abgeordneten wurden nicht müde zu lamentieren, dass »früher, unter den Cairanern, alles besser gewesen« wäre.

Jedenfalls fand auch ohne sie ein freundschaftlicher Austausch zwischen uns und den Uphas statt. Ionnikun suchte eine freie Stelle, entfaltete ein Alufolienlaken und breitete darauf die mitgebrachten Gegenstände aus.

Schon bald scharten sich Interessierte um die Plattform, und ein fröhliches Feilschen begann.

*

Eine Weile lenkten mich die exotischen Düfte und das bunte Treiben von meinen Zukunftssorgen und der Trauer um den Vater ab.

Unseren Trödel wurden wir schneller los, als ich mitzählen konnte. Ionnikun tauschte dafür so viele Zitrusfrüchte, Beeren, Wurzeln und Salate ein, dass ich in Gedanken bereits fürchtete, für den Heimweg einen Antigravschlitten mieten zu müssen.

»Habt ihr vielleicht so etwas wie das da?«, fragte eine Upha, schriller gieksend als ein Lemurer-Abkömmling im Stimmbruch.

Sie hielt meiner Cousine ein technisches Gerät hin. Es handelte sich um eine Spielkonsole, ähnlich wie das letzte Geschenk meines Vaters, jedoch ein älteres, leistungsschwächeres Modell. »Das Ding tut's nicht mehr richtig. Sehr blöd, ich war nämlich schon ganz nah am Highscore dran!«

»Es ist nicht kaputt«, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung, nachdem ich einen kurzen Blick darauf geworfen hatte. »Bloß die Batterie schwächelt.«

»Woran willst du das erkennen?« Die jugendliche Upha pendelte zweifelnd den blauen Kopf auf dem gut einen halben Meter langen Hals hin und her. »Ich habe es doch gar nicht eingeschaltet!«

»Aber die Mikropositronik ist auf Stand-by, und darum kann ich ... kann ich ...«

»Was?«

Ja, was? Mir war auf einmal, als hätte mich ein Blitz getroffen.

Dabei hatte ich das Gerät nicht mal berührt! Außerdem war ein elektrischer Schlag sowieso auszuschließen. Das gab der kleine Energiespeicher nicht mehr her.

»Du solltest unserer potenziellen Kundin keine falschen Hoffnungen machen«, raunte Ionnikun mir zu. »Mein kleiner Cousin«, sagte sie entschuldigend zu der Upha, »meint es nicht böse. Er ist nur manchmal etwas vorlaut.«

Ich fühlte mich zu Unrecht gescholten und wollte das nicht auf mir sitzen lassen. Deshalb konzentrierte ich mich stärker auf die Konsole ...

... und erlebte abermals, was ich später als Rapport oder Konnekt bezeichnen würde. Ich musste gar nicht genau hinsehen, zumindest nicht mit den Augen.

Vielmehr spürte ich, mit einer Art sechstem Sinn, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich ihn in mir trug, wie sich der primitive Apparat mir öffnete.

Zwischen der winzigen biologischen und der nicht sonderlich hoch entwickelten positronischen Komponente tat sich ein Spalt auf. Wie von selbst, ganz ohne bewusste Einwirkung meinerseits. Als würde mich das Gerät förmlich dazu einladen, über diese Schnittstelle mit ihm zu kommunizieren!

Ich erschrak sehr. Was geschah mit mir? Ums Haar wäre ich aufgesprungen und davongerannt.

Andererseits wollte ich mir vor Ionnikun keine Blöße geben. Schon gar nicht wollte ich meine Cousine in die missliche Lage bringen, mein ungebührliches Verhalten vor den Umstehenden rechtfertigen zu müssen.

Darum rang ich die Panik nieder und versuchte, kühlen Kopf zu bewahren. So schockierend der spontane Kontakt mit der Maschinenintelligenz war, faszinierte er mich mehr und mehr.

Schemenhaft, an manchen Stellen verschwommen, an anderen wieder erstaunlich deutlich, breitete sich das Innenleben der Konsole vor meinem geistigen Auge aus. Nicht wie eine Planzeichnung; eher als die Ahnung von Strömungen, von mehr oder weniger gefüllten Bassins und vielfach verzweigten Kanälen, von unterschiedlich weit geöffneten Schleusen und hie und da entstehenden Wirbeln, auch solchen, die den Fluss über Gebühr hemmten ...

»Eine Programmroutine steckt fest. Aufgrund einer Rückkopplungsschleife«, hörte ich mich sagen, heiser, mit fremder, mechanischer Stimme, als würden mir die Worte von außen eingegeben. »Dadurch wird weit mehr Energie abgesaugt als vorgesehen. Und verpufft. Und die Batterie leert sich im stupiden Bemühen, den Verlust auszugleichen.«

»Nun lass mal gut sein, Damar Feyerlant«, sagte Ionnikun. »Es reicht! Sieh doch, ich kriege eine Gänsehaut, wenn du so seltsam redest.« Anklagend streckte sie den Arm aus.

Sanft schob ich ihn beiseite. Ich hatte Feuer gefangen.

Wenn ich die Abläufe in der Konsole derart tiefgreifend zu lesen vermag, überlegte ich, kann ich sie womöglich auch beeinflussen?

Es erschien mir nicht schwer. Behutsam tastete ich mich vor. Ich befragte die Biopositronik, mit aller gebotenen Höflichkeit, und erhielt umgehend wortlose und doch klar verständliche Antworten.

Die Lösungen drängten sich nachgerade auf. Da war ein Schwellenwert minimal zu verändern, dort eine Durchflussgeschwindigkeit leicht nachzujustieren. Worauf an anderen Stellen Umleitungen erfolgen konnten.

Schon entspannten sich Barrieren. Versiegten störende Tümpel. Beruhigten sich die Verwirbelungen.