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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das bisher kaum etwas bekannt ist. Als Atlan dorthin eingeladen wird, findet er sich unverhofft IM EWIGEN KRIEG ...
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Nr. 3144
Im ewigen Krieg
Zwischen den Fronten – eine unerwartete Begegnung
Susan Schwartz
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Odard tan Antappon: Ganz weit draußen
2. Atlan: Zwischenstopp erwünscht
3. Atlan: Etappenziel
4. Atlan: Die Figuren
5. Odard tan Antappon: Dinner-Überraschung
6. Odard tan Antappon: Unbekannt abgestrahlt
7. Odard tan Antappon: Auf dem Schlachtfeld
8. Atlan: In den Untergrund
9. Atlan: Zurück in der Einöde
10. Odard tan Antappon: Wo bin ich?
11. Atlan: Fortschritt und Rückschlag
12. Odard tan Antappon: Rückkehr
13. Atlan: Angriff
14. Odard tan Antappon: Wer ist nun gefangen?
15. Odard tan Antappon: Endlich Kontakt
16. Atlan: Warten
Report
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.
Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.
Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan.
In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das bisher kaum etwas bekannt ist. Als Atlan dorthin eingeladen wird, findet er sich unverhofft IM EWIGEN KRIEG ...
Atlan – Der Zellaktivatorträger schlägt einen Zwischenstopp vor.
Deena von Prasior und Skrul – Zwei Wissenschaftler begleiten den Unsterblichen.
Odard tan Antappon
1.
Odard tan Antappon: Ganz weit draußen
»Guten Morgen, Kommandant«, säuselte es aus dem auf milde Modulation eingestellten internen Empfang.
In der ersten Stunde nach dem Erwachen ertrug ich nur Sanftheit. Kein Grund zu hetzen, ein Tag war wie der andere. Bis vor Kurzem zumindest.
Nicht schon so früh, dachte ich wehmütig. Ich bin doch gerade erst aufgestanden und hatte nicht einmal mein Morgenmahl.
Ein sehr wichtiger Punkt auf meiner Tagesordnung. Wenn nicht der wichtigste. Anders war es unmöglich, jeden immer gleichen und eintönigen Tag mit ausreichender Energie und Motivation zu überstehen.
»Was gibt's?«, erwiderte ich kurz angebunden.
»Um noch einmal auf den neuen Dienstplan bei der Zapfanlage einzugehen ...«
»Nicht nötig!«, unterbrach ich ungehalten. »Das ist meine Kompetenz. Deine ist es, dafür zu sorgen, dass die Anlage funktioniert – und herauszufinden, wie sie funktioniert. So werden wir es halten – jeder macht seine Arbeit, von der er am meisten versteht.«
»Dennoch sollten wir ...«
»Reich eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein, wenn du mit meinem Führungsstil unzufrieden bist!«
»Sehr witzig!«
Mein täglicher Quälgeist ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Unsere häufigen gegenseitigen Versuche, die Reizschwelle des anderen zu testen, nutzten sich mit der Zeit ab. »Bei der Gelegenheit möchte ich auf das technische Problem an der ...«
»Diese Meldung habe ich bereits erhalten«, ließ ich ihn wieder nicht ausreden.
Es gab eine Nerv-Skala von null bis hundert für die gesammelten Einmischungen des Tages. Diese hatte soeben den Wert 168 erreicht, und das noch vor dem Frühstück. Das war eine reife Leistung, selbst für diese Nervensäge.
Angu von Zamzegh meinte es nicht böse, dessen war ich mir selbstverständlich bewusst. Persönliche Differenzen hin oder her, ich respektierte jeden, der etwas von seiner Arbeit verstand und sich kompetent zeigte. Und mein ewiger Diskussionspartner dachte sehr viel nach, um nicht zu sagen: permanent. Dem Charakter nach war er einer, der sich um alles kümmern wollte, darüber im Stillen brütete und dann von anderen verlangte, zur Tat zu schreiten. Ein Theoretiker, kein Praktiker, schon gar kein Pragmatiker. Vor allem aber war er ein unnachgiebiger Pedant und musste immer alles ganz genau haben, wogegen ich es eher gelassen anging und manches nicht gar so wichtig nahm. Weil es nicht wichtig war.
Für mich war es schwierig, jemanden, der solchermaßen übereifrig war, zu bremsen. Ich war der Kommandant, ich würde vermutlich auf diesem Posten bleiben, bis ich verschimmelt war, und ich musste jeden ertragen können, egal wie skurril, extrovertiert oder eigenbrötlerisch er sein mochte. Das war meine Pflicht. Die Wissenschaftler machten ihre Arbeit, und ich hatte dafür zu sorgen, dass sie das ungestört tun konnten.
Aber wer genau sollte uns eigentlich stören? Wir befanden uns, Zentrumsnähe hin oder her, weit weg von allem, was man einen »Brennpunkt« nennen konnte. Wir verrichteten unseren Dienst auf einem kleinen Ausweichhof, der abgesehen von seiner Redundanz keine weitere Bedeutung hatte. Jeder Tag war für uns gleich, wir hatten – abgesehen von unseren persönlichen Freizeit-Holoprogrammen und Patrouillenflügen – keine Abwechslung. Wir kannten jedermanns Lebensgeschichte auswendig. Also jene, die wir in der vollrobotischen Bar den anderen erzählten, was sich nicht unbedingt mit den tatsächlichen Fakten deckte.
Darüber wusste ich Bescheid, aber es störte mich nicht, denn ich gab freiwillig keineswegs alles preis oder erzählte ungeschönt aus meinem Leben.
Nahezu jeder in meiner Mannschaft, ob nun Akone oder Cheborparner in diesem Gemeinschaftsprojekt, war auf unsere Station »straf«versetzt worden, aus den verschiedensten Gründen. Selbstredend bezeichnete man es offiziell niemals so, derartige Disziplinarstrafen waren schließlich längst abgeschafft. Man sagte uns, dass nun einmal jemand hier Dienst verrichten müsse, und dass stets jeder Betroffene klage, weshalb es ausgerechnet ihn treffe, daher finde eine Verlosung für die Fünf-Jahres-Schicht statt.
Lachhaft! Bei mir beispielsweise stand gar keine Frist im Vertrag, und anhand der Mitarbeiterdaten war klar erkennbar, dass jeder Einzelne von uns mehrfach in irgendeiner Weise unangenehm aufgefallen war, sodass er auf einen wissenschaftlichen Außenposten am Rande der Karriere abgeschoben wurde.
»... ich diesen Vorschlag umsetzen?«
Ich blinzelte. Gut, dass ich nicht auf Sichtkontakt geschaltet hatte. Machte ich morgens aus nachvollziehbaren Gründen nie.
»Wie bitte?«
Mir wurde bewusst, dass ich so sehr in eigene Gedanken abgeschweift war, dass ich kein einziges Wort mehr mitbekommen hatte. Kein Verlust, da ich ohnehin nicht daran dachte, den außerhalb seines Bereichs liegenden Vorschlägen eines Spezialisten für Transmittertechnik und Zapfanlagen in irgendeiner Weise zu folgen. Damit würde ich nur meine Techniker und Ingenieure kränken, die nicht minder kompetent waren wie vorgenannter Wissenschaftler. Wir mochten strafversetzt sein, aber nicht, weil wir keine Ahnung von unserem Fachgebiet hatten, sondern weil wir uns nicht so verhielten, wie man es von uns erwartete. Dennoch wurde er es nie müde, die Kommunikation mit mir zu suchen. Egal, wie oft ich es ihm klarmachte, jedes Mal führte das zu einer ausufernden Diskussion.
»Du hast mir nicht zugehört!«, kam es trotz der weichen Modulation empört aus dem Akustikfeld.
Es machte mir nichts aus, nichts mehr von seinem Gerede mitbekommen zu haben – aber es ärgerte mich, dass es Angu aufgefallen war. So etwas durfte einem Kommandanten nicht passieren. Sich keine Blöße zu geben war Gesetz Nummer Drei meiner reichlich kurzen Liste des Kommandantenverhaltens.
»Selbstverständlich habe ich das!«, betonte ich. »Meine Leute arbeiten längst daran, und ich rede ihnen nicht hinein.« Den Satz hatte ich in den Dunst hinein gesagt, er passte zu annähernd hundert Prozent auf die meisten Begründungen meiner Ablehnung – so auch gewiss diesmal.
»Na schön, wenn wir alle in die Luft fliegen, kann ich wenigstens mal ›ich habe es ja gesagt‹ loswerden.«
»Das ist immerhin dein Leitspruch«, beendete ich die Verbindung und machte mich bereit für den neuen Tag im Jammertal. Hoffentlich klappte es wenigstens mit einem ruhigen Frühstück.
*
Zu Beginn meiner Dienstzeit hatte ich meine Mahlzeiten immer allein eingenommen, denn ich war kein besonders geselliger Akone. Schon bald stellte ich allerdings fest, dass ich mich damit von der gesamten Besatzung isolierte und keine Ahnung hatte, was auf »meinem« Etappentransmitterhof zwischen den offiziellen Einsatzplänen vorging. Nicht nur was die Instandhaltung und Forschung betraf, sondern auch Kontakte zwischen den Besuchern der unterschiedlichen Völker. Es gab wie überall Reibereien, Intrigen, Animositäten, dazu emotionale Herzensangelegenheiten, und als Schlichter per Funktion musste ich über alles gut Bescheid wissen und die charakterlichen Eigenschaften der Individuen wenigstens einigermaßen einschätzen können.
Deshalb hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, mein Frühstück in der großen Gemeinschaftsmesse zu mir zu nehmen, die eine einzige Gerüchteküche war, in der sich stets etwas aufschnappen ließ. So blieb ich auf dem Laufenden über ziemlich vieles, was mir sonst entgangen wäre.
Momentan ging es hauptsächlich um eine unerklärliche und beunruhigende Veränderung, wegen der ich eine Meldung abgeschickt hatte. Bisher drohte keine Gefahr, aber so lax ich manches anging, für die Sicherheit meiner Station galt das nicht. Wir mochten an abgelegener Stelle vor uns hin arbeiten, aber das bedeutete nicht, dass die Arbeit unserer Wissenschaftler unwichtig wäre. Eine solche Begebenheit konnte nicht einfach intern geklärt werden, darin waren Angu und ich uns ausnahmsweise einmal einig. Hoffentlich konnte uns jemand Antworten liefern – was ganz banal bedeutete, dass jemand meinen Bericht interessant genug finden musste, um ihn zur Priorität eins zu erklären. Jemand, den ich nicht zwangsläufig kannte – und umgekehrt. Angu war ohnehin fasziniert, weswegen er keinen Zweifel daran hegte, dass mir eine aufsehenerregende Meldung gelungen sein würde, aber ich hatte vorsichtshalber ein paar zusätzliche Sicherheitswarnungen eingebaut.
In der Messe angekommen, belud ich mein Tablett – beim Frühstück sollte man nicht sparen, schließlich stand ein ganzer langer Arbeitstag bevor – und suchte mir einen Tisch, von dem aus ich einen guten Überblick behielt. Prompt kam mein »ewiger Diskussionspartner« hinzu. Es war nicht schwierig, mich abzupassen, denn er kannte meine Gewohnheiten sehr gut.
Angu von Zamzegh war knapp 30 Jahre älter als ich, sah aber gut 20 Jahre jünger aus. Kein Wunder, er hatte auch keine Kummerfalten und grauen Haare auf diesem Posten bekommen, weil er in seinem Element war und ich nicht. Wir waren fast gleich groß, aber im krassen Gegensatz zu mir war er stets schlank geblieben, er war der sehnige Ausdauertyp, wie man so schön sagte.
»Angu. Du möchtest das Gespräch fortsetzen?«, fragte ich und schloss einen langen, kaum zu überhörenden Seufzer an, während ich mich dem belebenden Kandaka widmete, ohne den ich kaum in der Lage war, in den Tag zu starten. Schwarz, mit einem violetten Schimmer auf der Oberfläche, der Dampf duftete nach Süßkanden, was ihm den Namen eingebracht hatte.
»Ich wollte ein neues Thema anschneiden, Odard.« Er setzte sich ungebeten, mit einem Becher Kandaka in der Hand. Wenigstens eine Gemeinsamkeit, die wir hatten. Aber das war nicht ungewöhnlich, denn selbst die Cheborparner liebten diese Köstlichkeit. Ich war kurz versucht, ihm zuzuprosten, während er fortfuhr. »Da ist ein dr...«
Zum wiederholten Mal an diesem Morgen konnte er nicht ausreden, und ich hielt rechtzeitig in meiner Bewegung inne.
Die Durchsage ließ uns augenblicklich hochfahren.
»Kommandant Odard tan Antappon wird sofort in die Zentrale gebeten. Die arkonidische THETA VON ARIGA mit Atlan da Gonozal an Bord hat sich angemeldet! Sie ist bereits im Anflug!«
2.
Atlan: Zwischenstopp erwünscht
Wir waren erst wenige Stunden zuvor Richtung Yodor-Sphäre aufgebrochen und hatten M 13 noch gar nicht verlassen – da rief ich Voryad Dämmerwärts auf seinem Reiferaumer BROVAYD an.
Der Yodore lotste uns zu seiner Enklave, an seinem Kobraschiff waren in mehreren Modulen jene Anlagen angedockt, die auf dem neuen Arkon III installiert gewesen waren. Sie hatten dessen reibungslosen Transport zu seinem neuen Ziel verhindert und uns gezwungen, nach dem verschollen gegangenen Planeten zu suchen.
Arkon III war inzwischen von dem Yodoren freigegeben worden und nun auf dem endgültigen Transfer zu seinem Bestimmungsort, als Ersatz für den zerstörten dritten Kreisbahnplaneten meines Heimatsystems, der das Tiga Ranton wieder heilen, wieder vollständig machen würde.
Diese Hürde war genommen, aber es gab noch eine weitere, wie ich wenige Millitontas zuvor erfahren hatte.
Willst du nicht lieber der Reihe nach erzählen?, stichelte mein Extrasinn.
Du hörst mir wohl gerne zu, erwiderte ich.
*
Ich bat Deena von Prasior zu einer Besprechung zu mir. Die junge Akonin gehörte jener Generation an, die sich bewusst von jeglichem Standesdünkel distanzierte und versuchte, nur in Kompetenzkategorien zu denken – was, wie bei fast allen Absolutsetzungen, stör- und fehleranfällig ist.
Das änderte nichts an ihrer adligen Herkunft, weshalb mein Begleiter Skrul sie ungebrochen leidenschaftlich verabscheute wie alles Adlige.
Im Grunde, teilte mein Extrasinn mir mit, verabscheut er schlichtweg jeden außer sich selbst. Und selbst da bin ich mir nicht so sicher.
Deena bildete das pure Gegenteil zu dem sehr hochgewachsenen, dürren Spezialisten. Sie war tatkräftig, energiegeladen und teamfähig. Eine begeisterte Forscherin, die jedes Geheimnis ergründen wollte, ohne dabei verbissen zu sein.
Während der Suche nach Arkon III hatte sie mir einmal beiläufig mitgeteilt, dass das Verschwinden des Planeten nicht die einzige Anomalie sei, die den Akonen Rätsel aufgebe. Wir hatten das aufgrund der Ereignisse nicht weiter vertiefen können, doch nun kam ich darauf zurück.
Ich hatte das keineswegs vergessen und wollte nun Genaueres darüber erfahren. Möglicherweise spielte es eine Rolle auf unserem Weg zur Yodor-Sphäre – wenn nicht sogar dort.
Deena sagte sofort zu und kam nur kurze Zeit später in meine private Unterkunft, wo sie sich, ohne lange zu fragen, von der Automatik eine Pastete und ein buntes, sprudelndes Getränk holte. »Entschuldige, aber wenn ich verhungere, nutze ich dir gar nichts«, rechtfertigte sie sich und nahm in einem Sessel Platz.
»Tu dir keinen Zwang an«, sagte ich lächelnd. Sie war entzückend. So ... jung.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte sie kauend.
»Ich wollte dich bitten, noch einmal über diese weitere Anomalie zu sprechen ... du hast von einem Etappentransmitter gesprochen, in dem ...«
»... vor einigen Wochen unerwartet Artefakte aufgetaucht sind, genau«, setzte sie fort. »Figuren, deren Alter auf über zwölftausend Jahre geschätzt wird.«
Unwillkürlich überlief mich diesmal ein Schauer. Bei der ersten Erwähnung war ich zu abgelenkt gewesen, da wir auf dem wiederentdeckten Arkon III gewesen waren und zum ersten Mal den Yodoren begegnet waren.
12.000 Jahre. Damals hatten in der Milchstraße die Methankriege getobt.
Das große Trauma der Arkoniden, bemerkte mein Extrasinn.
Ja, daran erinnerte ich mich gut. Ich war auf dem Höhepunkt der insgesamt 5000 Jahre dauernden heißen und kalten Phasen der Kriege dabei gewesen. Mein Vater Gonozal VII. war damals der wenig beneidenswerte Imperator gewesen, der die entflammten Schlachten führen musste. Die Wende zu unseren Gunsten trat erst ein, als ich die Pläne der Konverterkanone aus dem damaligen Larsafsystem nach Arkon brachte.
Wenn Arkoniden ihren Kindern Schauergeschichten erzählen, greifen sie oft auf Elemente dieses Kriegsszenarios zurück.
»Du sagtest, es seien Figuren?«, fragte ich. »Also keine Waffen?«
»Wie gesagt, ich weiß selbst nicht mehr, da ich nicht vor Ort war«, antwortete Deena. »Aber genau deswegen haben die dort stationierten Akonen um Unterstützung gebeten. Sie wissen nicht, woher diese Artefakte kommen, sie sind lediglich dort gelandet. Zufall?«
»Es gibt keine Zufälle, und am allerwenigsten dann, wenn ein zu transportierender Planet auf geheimnisvolle Weise verschwindet und dann wieder auftaucht und an anderer Stelle aus dem Nichts weitere seltsame Artefakte erscheinen«, erwiderte ich.
»Denkst du, die Yodoren haben damit zu tun?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht anzunehmen. Aber es könnte sein, dass sie mit hineingezogen werden.«
»Ja, natürlich. Nach meiner Kenntnis konnte nicht festgestellt werden, woher die Figuren kamen – und vor allem wegen ihres hohen Alters ergeben sich viele Fragen. Und natürlich auch über den Sinn ihrer Existenz, was sie darstellen – und vom wem und warum sie geschickt wurden. Es könnte sich um eine temporale Verirrung handeln, um einen Transmitterunfall, es gibt viele Möglichkeiten.«
»Zuvorderst sollten wir die Möglichkeit des absichtsvollen Transfers im Auge behalten.«
Das können wir nicht auf sich beruhen lassen oder auf später verschieben, stellte mein Extrasinn fest.
Dem stimmte ich zu, insofern der lokale Standort des Etappentransmitterhofs von Relevanz war.
»Wo befindet sich diese Station genau?«, wollte ich wissen. Darüber hatten wir damals nicht mehr gesprochen, weil die Yodoren unsere Aufmerksamkeit erforderten.
Deena aktivierte ein Holo, machte ein paar Eingaben und zeigte mir dort sowohl unseren Standort als auch unser Ziel.
Der Etappenhof lag nicht unbedingt auf dem Weg von M 13 zur Yodor-Sphäre, aber doch in der Nähe, im nordöstlichen äußeren Zentrumsring, 32.209 Lichtjahre von M 13 entfernt. Er war Teil der Verbindung von Galazin zur westlichen Milchstraße.
Die Yodor-Sphäre lag 47.883 Lichtjahre von Thantur-Lok und 18.527 Lichtjahre von dem Etappenhof entfernt.
Ich überschlug den Umweg in Gedanken. Beim maximal möglichen Überlichtfaktor von 16 Millionen benötigten wir nicht einmal einen Tag zu dem Zwischenziel. Flogen wir mit ressourcenschonenderen zehn Millionen, dauerte es knapp über einen Tag.
Das ist zu verschmerzen, meinte der Extrasinn.
Das denke ich auch.
Also rief ich Voryad Dämmerwärts an.
*
Im großen Holo, das über dem Tisch projiziert wurde, zeigte sich das Raumschiff des Yodoren, das in natura 1000 Meter in der Länge aufwies und etwa 100 Meter im Durchmesser. Das aufgerichtete S, dessen waagerecht zum Schiffskörper liegender »Kopf« die Kommandozentrale in einer 150 Meter langen Lanzenspitze bildete, erinnerte mich an eine drohende Schlange.
Durch die Verdickung am Ende des Kommandoteils sah ich eine Kobra vor mir wie die, mit der ich vor sehr langer Zeit auf Terra unliebsame Bekanntschaft geschlossen hatte. Ich lernte damals auf schmerzhafte Weise, dass ich zu vielem fähig, aber nicht zum Schlangenbeschwörer geeignet war. Ohne Zellaktivator hätte ich diese Episode nicht überlebt.
Und ergeben sich daraus irgendwelche Ressentiments gegen die Yodoren, oder weshalb gibst du dich einer unnützen Erinnerung hin?, meckerte mein Extrasinn.
Das kommt unweigerlich, wenn ich durch Schlüsselreize getriggert werde; schließlich wandere ich schon einen oder zwei Tage in diesem und anderen Universen umher.
Ich war kurzzeitig Gast auf der BROVAYD gewesen – ein Gefährt ohne Ecken und Kanten, auch im Inneren. In jeder Hinsicht hielten die spinnenähnlichen Wesen die Vergangenheit lebendig; in den Kommandosegmenten gab es immer noch tief gelegene Nesthöhlen, wie sie die Altvorderen benutzt hatten, und die nur über ein kompliziertes System gewundener Gänge erreichbar waren.
Die Raumschiffe der Yodoren unterteilten sich, wie ich mittlerweile wusste, in drei Typen: Voryad Dämmerwärts kommandierte einen »Reiferaumer«, der in seinem sogenannten Intermentum einhundert bis tausend Jahre alte Erinnerungen barg. Wer wollte, lagerte ein Bewusstseinselement aus, auf das alle anderen Besatzungsmitglieder Zugriff hatten. Ein Pilzgeflecht namens Pyondur, das annähernd 90 Prozent der Wände und Decken überzog, diente als Medium.
Voryad hatte mich freundlicherweise eingeladen, die Reise zur Enklave der Yodoren auf seinem Raumer zu unternehmen, aber ich hatte dankend abgelehnt und mich wieder auf die THETA DA ARIGA zurückgezogen. Wir wussten nicht, was uns unterwegs erwartete, womöglich mussten wir schnell reagieren, und da war es besser, wenn jeder an seinem Platz war. Kommandant Eshendor dom Khaal war ein kompetenter und verlässlicher Schiffsführer, aber in manchen Situationen war es besser, sich unmittelbar abzusprechen und gemeinsam vorzugehen.
So wie in diesem Moment.
Schon nach wenigen Augenblicken meldete sich Voryad. Der Arachnoide verteilte seine acht Gliedmaßen auf jeweils zwei Arm- und Beinpaare mit je vier Fingern und Zehen. Von der Größe her maß er nicht mehr als 1,70 Meter, seine Kleidung bestand aus bunten, farbenfrohen, metallisch schimmernden und knisternden Folien. Ob hinter der Farbgebung und Anordnung ein bestimmtes System steckte oder jeder sich so kleidete, wie er mochte, hatte ich nicht in Erfahrung bringen können.
Ich wusste lediglich, dass Voryad männlich war, wobei es äußerlich wohl keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab – und wenn sie in einer Gruppe auftraten, tat ich mich nach der kurzen Bekanntschaft noch schwer, sie abgesehen von den unterschiedlich farbigen Kopfhaaren voneinander zu unterscheiden.
Die vier Augen wirkten wie geschliffene Türkise, zwei davon waren frontal ausgerichtet, die anderen beiden an den Seiten, was dem Yodoren einen hervorragenden Blickwinkel ermöglichte. Der sichtbare Teil seines Körpers war von einem zarten Flaum bedeckt, der Kopf hingegen dicht behaart.
»Gibt es ein Problem?«, fragte Voryad ohne Umschweife oder begrüßende Einleitung. Er erwartete zu Recht keine belanglose Konversation.
»Nicht direkt«, antwortete ich und erläuterte ihm, was ich von Deena erfahren hatte.
»Also möchtest du dorthin und nachsehen, was es damit auf sich hat?«
»Es wäre kein allzu großer Umweg ... und bedeutet nur einen oder zwei Tage Verzögerung, mehr nicht.«
»Bei eurer Technologie würde ich – mit Verlaub – eher drei oder vier Tage ansetzen«, wandte Voryad ein. »Haben wir so viel Zeit?«
»Haben wir denn einen dringenden Termin?«, konterte ich ein wenig flapsig.
Seltsam – kam es mir nur so vor, oder hatte der Yodore es auf einmal eilig? Weshalb? Oder war er schlichtweg unflexibel und hatte es schwer, sich umgehend auf neue Situationen einzustellen? Dann würde er mit meinem Freund Perry Rhodan viel Freude haben, der ein Meister der schnellen Reaktion und Improvisation war – was uns alle oft aus äußerst prekären Situationen gerettet hatte.
Der weise alte Arkonide ist eben nicht mehr so schnell, stichelte mein Extrasinn, aber ich ging nicht darauf ein.
Voryad zögerte. »Ich wollte nur wissen, ob diese Angelegenheit wirklich von so großer Dringlichkeit ist, dass du keinen anderen schicken kannst.«
»Die Akonen haben um Unterstützung gebeten – und ich habe zufällig einige Spezialisten in meinem Team, und wir sind in der Nähe.« Allen voran Skrul. Wenn dieser sich schon durch seine sozial dysfunktionale Art als eine Zumutung erwies und sich für den Größten hielt – und das tat er –, sollte er getrost seinen Beitrag leisten. Er war zwar – anders als Deena – kein Spezialist für Transmittertechnik, aber ich wollte alle Seiten beleuchten, da man auf dem Etappenhof offenbar mit den eigenen Wissenschaftlern nicht weiterkam. Nicht zu vergessen Skruls hochleistungsfähiger Allzweckroboter Seyfurd.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust, eine Geste, die der Yodore bereits kannte und wusste, dass ich damit auf meine Ritteraura anspielte. Diese verschaffte mir in den Augen der Yodoren eine Autorität, der er sich zwar nicht blindlings unterwarf – so etwas sollte niemand tun! –, aber letztendlich nachgab.
»Ich würde dich nicht bitten, wenn ich es nicht für wichtig hielte«, setzte ich versöhnlich hinzu. »Ich habe durch mein langes Leben ein Gespür für ungewöhnliche Ereignisse entwickelt, die man nicht unbeachtet lassen kann. Da der Umweg nicht allzu groß ist, möchte ich das auch nicht verschieben, um keine Gelegenheit zu verpassen.«
»Das sehe ich ein«, stimmte Voryad zu. »Ich werde die Kursänderung durchgeben.«