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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das daher kaum etwas bekannt ist. Als Atlan sich auf dem Weg dorthin befindet, begegnet er einer Kastellanin, die ihn mehreren Prüfungen unterzieht. Die dritte führt ihn auf DIE METHANWELT ...
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Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Nr. 3146
Die Methanwelt
Auf dem Weg zum Sextadim-Park – Atlan steht vor seiner letzten Prüfung
Michael Marcus Thurner
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Die Eroberung der Kapsel
2. Auf zu neuen Welten
3. Ein schwieriges Gegenüber
4. Landung
5. Erste Hindernisse
6. Roboter. Roboter?
7. Die Zuflucht
8. Ab sofort ist alles einfacher
9. Der lebende Markgast
10. Im Sextadim-Park
11. Das Geschenk
Journal
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.
Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.
Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan.
In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das daher kaum etwas bekannt ist. Als Atlan sich auf dem Weg dorthin befindet, begegnet er einer Kastellanin, die ihn mehreren Prüfungen unterzieht. Die dritte führt ihn auf DIE METHANWELT ...
Atlan – Den Arkoniden erwarten Gefahren und ein unerwarteter Lohn.
Verind Nott – Die Kastellanin ist zu Zugeständnissen bereit.
Deena von Prasior – Der Akonin geht die Luft aus.
Skrul
1.
Die Eroberung der Kapsel
»Warum?«, fragte Deena von Prasior und trat von der Tafel zurück, an der sie gemeinsam den Triumph über den Zielvater Armonentesh gefeiert hatten. Das Siegesfest, das Vui zu Ehren veranstaltet worden war.
»Weil uns Verind Nott gelenkt und manipuliert hat, seit wir mit ihr zusammengetroffen sind«, antwortete Atlan. Es würde keine weiteren Prüfungen durch die Kastellanin geben. Nicht mit ihm, nicht an ihm. »Das hat ein Ende.«
Die neuen Anführer des Nomadenraumers UNGEZÄHLTE STERNE, Bo Hann und Torren Steippe, blieben ruhig. Sie hatten in einem Klima des Verrats und der Täuschung gelebt. Für sie war Atlans Tat nur eine weitere Episode in einem Leben, das von vielen Härten geprägt war.
Atlan achtete nicht weiter auf seine Kampfgefährten. Er trat zu Verind Nott. Sie lag verkrümmt auf dem Boden, ihre langen Beine zitterten kaum wahrnehmbar. Die stachelförmigen und dennoch weichen Glieder ihres Symbionten Xaxa, den die Kastellanin um den Hals gewunden hatte, waren eingerollt.
Der Narkosepfeil steckte im Körper des Nesselwesens und tat seine Wirkung. Er transportierte das Gift weiter an seine symbiontische Partnerin. Atlan hatte das Wesen als Schwachstelle Notts identifiziert – und zugeschlagen.
Als Verind Nott auf ihren rot-blauen Schutzanzug verzichtet hatte, war die Gelegenheit da gewesen, sie auszuschalten. Die Kastellanin und ihr Symbiont würden zwei Stunden oder länger bewusstlos bleiben.
Du gehst von einem arkonidischen Metabolismus aus, mäkelte der Extrasinn. Es könnte sehr wohl sein, dass sie sich bereits nach zehn Minuten vom Lähmungsgift und den Elektroschocks erholt hat.
Mag aber auch sein, dass sie vier Tage lang nicht zu sich kommt, entgegnete Atlan in Gedanken. Ich arbeite mit Werten, anhand derer ich mich orientieren kann. Außerdem kann ich die beiden jederzeit ein weiteres Mal betäuben. Er kümmerte sich nicht weiter um den Extrasinn. Sie mussten rasch handeln.
Die Zeit war gekommen, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Sie waren während der vergangenen Stunden und Tage an Verind Notts Gängelband geführt worden. Das akzeptierte Atlan nicht länger.
»Ihr könnt hier auf unsere Suchflotte warten«, sagte Atlan in Richtung von Odard tan Antappon, Skrul und Deena von Prasior. »Wir konnten die THETA DA ARIGA kontaktieren. Unsere Freunde werden bald an der UNGEZÄHLTE STERNE andocken. Bis dahin wird man uns gewiss in Ruhe lassen. Alternativ dazu ...«
»Ach? Die Raumpfeife hat Ideen?« Skrul beugte seinen dürren Körper weit nach vorne, in Atlans Richtung. Er hatte den Angriff auf Verind Nott beobachtet, ohne mit der Wimper zu zucken.
»... werden wir aktiv, indem wir in Verind Notts Sextadim-Kapsel vordringen.«
»Um was genau dort zu tun?«
»Um die Möglichkeiten des Schiffs auszuloten und zu nutzen. Willst du dich weiterhin von der Kastellanin herumschubsen lassen? – Ich habe die Möglichkeit geschaffen, selbstständige Entscheidungen zu treffen. Ich werde diese Möglichkeit nutzen. Wie steht es mit euch?«
Atlan war sich nicht sicher, ob er Skrul überhaupt mit dabeihaben wollte, wenn es gegen die YDUA ging, das Schiff Verind Notts. Der Arkonide war hochnäsig und abschätzig gegenüber den meisten Menschen, aber er besaß unbestreitbare Kompetenzen auf dem Gebiet der Hyperraum- und der Transitionstechnik.
»Du brauchst mich«, behauptete der spindeldürre Arkonide, »also komme ich mit.«
Deena von Prasior gab ihm ebenfalls ihre Zustimmung. Ihr anfängliches Entsetzen über Atlans Tat wich Pragmatismus. Atlan war nicht unglücklich darüber, dass ihn die aparte Akonin begleitete.
Odard tan Antappon hingegen trat einen Schritt zurück und stellte sich zu Bo Hann. »Ich warte auf die DA ARIGA«, verkündete er mit fester Stimme. »Es gibt auf dem Nomadenschiff Aufräumarbeiten zu erledigen. Ich möchte die Zeit nutzen, um mehr über die hiesigen Mechanismen zu erfahren.«
Atlan verstand den schwergewichtigen Kommandanten des Etappenhofs GHUDRU-GHURVA.
Ebenso wie Angu von Zamzegh hatte er während der beiden Prüfungen etwas erlebt, das ihn verändert hatte: Angu würde ohnehin bei den Nomaden bleiben, und Odard hatte versprochen, die Dschokuru zu unterstützen. Dieses Versprechen würde er einhalten und alsbald zu diesem Volk zurückkehren wollen. Es gab seinem Leben ein neues Ziel, denn als Kommandant des Etappenhofs war er zwar überaus geeignet, hatte sich dort aber seit jeher abgeschoben gefühlt. Atlan gönnte ihm die neue Perspektive.
Für Atlan selbst aber ging es um ein neues und zudem hochriskantes Unternehmen. Um die Eroberung des Raumschiffs der Kastellanin.
»Einverstanden.« Atlan nickte. »Du lieferst an Bord der DA ARIGA einen ausführlichen Bericht ab?«
»Selbstverständlich.«
Atlan beugte sich erneut zu Verind Nott hinab. Nichts deutete darauf hin, dass die Kastellanin bald wieder zu sich kommen würde. Anschließend widmete er sich seinem eigenen Schutzanzug. Er war alt, aber robust und hatte Atlan während der letzten Stunden gute Dienste geleistet. Er stammte aus den Beständen des Nomadenschiffs und war zu Atlans Bedauern gängigen terranischen oder arkonidischen Raumanzügen deutlich unterlegen.
Er straffte seinen Körper. Die Ausrüstung war nicht das Ausschlaggebende. Wollte er in die YDUA gelangen, brauchte er Entschlossenheit, Grips und Intuition.
Und einen gut funktionierenden Extrasinn, meldete sich eine bekannte Stimme in seinem Kopf.
Atlan nickte. Ja. Der Logiksektor war wie eine Waffe. Er hatte ihm unzählige Male geholfen, Situationen zu seinen Gunsten zu drehen. Hoffentlich auch diesmal.
*
»Ihr kennt eure Rollen?«, fragte Atlan zum wiederholten Mal.
»Im Gegensatz zu der Akonin habe ich bereits von Anfang an verstanden, was ich zu tun habe«, sagte Skrul und bleckte freudlos die Zähne.
Deena nahm die Bemerkung hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Atlan kannte sie mittlerweile gut genug. Wenn Skrul am wenigsten damit rechnete, würde sie ihm seine Beleidigungen und Häme in gleicher Münze heimzahlen. Die Akonin wusste sich zu wehren.
Konzentrier dich!
Atlan nahm sich die Mahnung des Extrasinns zu Herzen. Er musste fokussiert bleiben. Die ... Szene, die sie für YDUA vorbereitet hatten, musste perfekt gespielt werden. Eine Aufzeichnung oder virtuelle Täuschung kam nicht infrage. Das Raumschiff würde eine solche Bild- und Tonsequenz zweifellos durchschauen.
»Auf Position!«, befahl Atlan leise, betrachtete ein letztes Mal die Kastellanin, beugte sich zu ihr hinab – und ritzte ihr mit einem Vibromesser die Hose und dann die Haut am Oberschenkel auf.
Blut quoll aus der oberflächlichen Wunde und färbte das Oberflächenmaterial ihres Schutzanzugs allmählich dunkel.
Hatte er zu tief geschnitten? Pumpte das Blut zu rasch, zu kräftig?
Nein, beruhigte ihn der Extrasinn. Es ist alles so, wie du es wolltest. Eine harmlose Wunde, die sich mit einem Heilgel oder einem Schutzfilmspray schließen lässt.
»Es geht los«, sagte Atlan zu Deena von Prasior und Skrul. »Drei, zwei, eins ... los!«
Er feuerte im Thermomodus auf das geschlossene Schott hinter ihm. Das Metall glühte. Gleich darauf waren Gepolter und Gefluche zu hören. Die Leute der UNGEZÄHLTE STERNE unter der Führung von Bo Hann spielten ihre Rolle als gewaltbereite Rebellen – und hatten offenbar Spaß daran.
Atlan aktivierte Verind Notts Funkgerät und achtete dabei, darauf dem Symbionten Xaxa nicht zu nahe zu kommen.
»Wir werden angegriffen, sind auf dem Rückzug!«, rief er bemüht laut ins Mikrofon. »Verind ist verletzt. Wir benötigen Unterstützung. Die Kastellanin benötigt Unterstützung. YDUA – ich muss deinen Aufenthaltsort wissen. Gib mir die Koordinaten, damit wir so rasch wie möglich zu dir gelangen! Unsere Flugaggregate funktionieren allesamt nicht, wir kommen nur schleppend voran und können uns der Feinde nicht länger erwehren.«
Die YDUA – Atlan wusste dank seiner guten Verbindungen ins Solsystem durchaus bereits einiges über die Kastellane – meldete sich mit kaum merklicher Verzögerung. »Ich brauche präzisere Angaben«, sagte die Sextatronik. »Was ist geschehen, wie schwer ist die Kastellanin verletzt? Warum funktionieren eure Flugaggregate nicht? Warum konnte sich Verind Nott nicht selbst verteidigen?«
Atlan gab einen versteckten Wink. Skrul reagierte und feuerte erneut auf das Schott, um sich gleich darauf fallen zu lassen. Die – vermeintlichen – Verfolger schossen ebenfalls. Sie trafen knapp oberhalb des Kopfs seines Begleiters. Ein zweiter Thermoschuss ging halbmeterweit an Deena vorbei und setzte ein altes Gesprächsterminal in Brand.
Eine kleine, geplante Explosion ließ ein Bodenrohr zerbersten. Die Wucht des Aufbruchs wirbelte Gegenstände durch die Luft. Sie schossen wie Schrapnelle umher, bohrten sich da und dort in die Wände, sorgen für weiteres Chaos. Wasserdampf reduzierte die Bildqualität jener Übertragung, die Atlan mithilfe seines Armbandkoms gestartet hatte.
»Oberschenkelverletzung bei Verind Nott«, beantwortete er hastig eine der Fragen YDUAS und ließ die Kamera seines Anzugs über die Kastellanin schwenken. »Warum sie auf ihren üblichen Schutzanzug verzichtet und sich damit in unnötige Gefahr begeben hat, weißt du besser als ich. Um diese Frage können wir uns später kümmern. Du willst deine Besitzerin lebend bergen, nicht wahr? Also hilf uns, sie zu dir zu bringen! Ich sende dir ein Identifikationssignal, damit du weißt, wo wir uns aufhalten. Es ist kurz, darf von unseren Verfolgern nicht geortet werden ...«
Illustration: Swen Papenbrock
Atlan brach ab. Ihre Verfolger traten ein weiteres Mal in Aktion. Für seinen Geschmack zielten sie zu präzise. Ein Rebell feuerte knapp an ihm vorbei. Er meinte, die Hitze des Strahls zu spüren, trotz seines Schutzanzugs.
Er sendete das vorbereitete Signal an die YDUA und fuhr fort: »Wir wurden von Widerständlern überrascht. Armonentesh hatte mehr Freunde an Bord des Nomadenschiffs, als wir glaubten. Sie sind hinter uns her ...«
Ein Teil des Bodens brach vor ihnen weg, sehr zu Atlans Überraschung. Dieser Teil des Schauspiels war definitiv nicht geplant gewesen!
Er packte die Kastellanin und setzte über die Lücke hinweg, hin zum völlig zerstörten Schott, quetschte sich an den Trümmern vorbei. Das Gewicht der fast zwei Meter großen Verind Nott lastete schwer auf ihm. Atlans Anzug neutralisierte nur einen Teil des Zusatzgewichts.
Ein weiterer Schuss: Eine hässliche Feuerwalze flutete den schmalen Gang und fegte über sie hinweg. Atlan wandte sich um. Skrul gab Rückendeckung, er schoss immer wieder in Richtung der vorgeblichen Verfolger. Deena blieb einige Schritte hinter ihm.
»Ich brauche ein Richtsignal!«, forderte Atlan ein weiteres Mal. Er musste sich nicht sonderlich anstrengen, um beunruhigt zu klingen. Bo Hann und ihre Leute hatten größten Spaß, ihn unter Druck zu setzen.
»Standortdaten übermittelt«, meldete sich YDUA.
Atlan erhielt einen Hinweis von der Positronik seines Anzugs und öffnete die Datei mit einem zweifachen Zwinkern. Sie wurde in sein Blickfeld projiziert. Irritierend deutlich, so, dass er für einige Zehntelsekunden die Orientierung verlor. Rasch fasste er sich wieder und stolperte weiter, dem Ende des langen Ganges entgegen.
Sie hatten noch etwa 200 Meter Weg vor sich. Durch einen Maschinensaal, mehrere Räume mit Gerümpel, ein aufgelassenes Wohnhabitat, ein weiteres Schrottlager. Dann zwei Decks hoch. Die YDUA stand in einer vergleichsweise winzigen Parknische an der Peripherie, kaum groß genug, um das 20 Meter große tropfenförmige Schiff aufzunehmen.
Atlan hörte wieder Schüsse hinter sich, gefolgt von einem Fluch Skruls, den er seit Jahrtausenden nicht mehr gehört hatte. Der Mann vom Haus, dessen Hintergrund mindestens so zweifelhaft wie sein Geschmack hinsichtlich der von ihm getragenen Perücken war, zeigte sich ebenso überrascht wie er von der Heftigkeit der Attacken von Bo Hann und ihren Gefährten.
Atlan schoss das Schott vor sich entzwei und stürmte durch das Loch. Zähe Fäden heiß glühenden Metalls tropften auf den Anzug und verhärteten dort. Seine Knie brannten von der körperlichen Belastung, seine Lungen schmerzten.
Er wandte sich um und feuerte ebenfalls, knapp über die Köpfe der Verfolger hinweg. Eine Stahlplasttraverse löste sich aus der Decke und krachte zu Boden, Staub wirbelte auf. Wasser kam fontänenartig aus einem geplatzten Rohr und vermengte sich mit traniger Flüssigkeit, die den Boden flutete.
Deena hetzte an Atlan vorbei, Skrul ebenso. Das Gesicht des Arkoniden hatte sich dunkel verfärbt. Er war derartige Belastungen nicht gewohnt.
Die Verfolger hielten inne, wohl von Staub und Wassernebel behindert. Atlan feuerte in den schlierig-öligen Sud, der den Boden bedeckte. Dieser entzündete sich schlagartig und bildete einen meterdicken Feuerwall, der für die Verfolger trotz ihrer Schutzanzüge nicht leicht zu überwinden sein würde.
Weiter.
Durch einen fast leer geräumten Saal, durch einen Raum mit verrosteten Spinden. Käferförmige Tierchen wuselten durcheinander, klebten sich an den Wänden fest und sponnen sich blitzschnell in wollähnlicher Masse ein, die rasch verhärtete. Eindrücke und Blitzlichter einer Flucht, die eigentlich gar keine war.
Zwei Stockwerke nach oben. Über Notleitern, die tatsächlich mit der Hand herabgekurbelt werden mussten und die sie unnötig aufhielten. Atlan konnte die Verfolger hören, sie kamen erneut näher.
»Du zuerst!«, befahl er Deena. »Gib uns von oben Feuerschutz!«
Die Akonin gehorchte, ohne zu zögern. Sobald sie durch eine Luke ins obere Deck geschlüpft war, warf sie sich auf den Boden und schob den Oberkörper durch das Loch. Ihr Waffenarm ruckte hin und her, auf der Suche nach den Bewohnern der UNGEZÄHLTE STERNE.
»Jetzt die adelige Raumpfeife!«, sagte Skrul und winkte Atlan, die mit Flugrost bedeckte Metallleiter hochzuklettern.
Der Arkonide zögerte nicht und stieg auf die unterste Sprosse. Stück für Stück arbeitete er sich hoch. Verind Nott wurde schwerer und schwerer auf seinen Schultern. Er hörte weitere Strahlschüsse.
Oberhalb von ihm legte Deena ein Sperrfeuer, das die Verfolger zwang, sich zurückzuziehen.
Atlan mobilisierte letzte Energien. Er kletterte zu der Akonin hoch, legte die Kastellanin ab und unterstützte Deena bei ihrer Waffenarbeit. Sekunden später kroch Skrul durch die Luke.
»Weg von hier!«, befahl er und deutete auf das Loch im Boden. »Sie werden die Luke aufsprengen. Es sind einige Roboter dazugestoßen.«
Ächzend lud sich Atlan Verind Nott ein weiteres Mal auf die Schultern; seine Knie zitterten. Dieses Fluchtmanöver war derart überzeugend, dass selbst er daran glaubte, dass es sich um einen Kampf auf Leben und Tod handelte.
20 Meter ging es durch einen Raum, der mit Gerümpel gefüllt war. Eine weitere Leiter hoch. Hinter ihnen ertönten Explosionen, dann ein gewaltiger Krach, der jedes weitere Geräusch übertönte. Irgendwo brach ein windschiefes Warenregal in sich zusammen. Mehrere faustgroße Roboter flitzten umher, kamen rasch näher.
Atlan feuerte und vernichtete zwei von ihnen. Er hatte keinerlei Skrupel, die Maschinen zu zerstrahlen. Bo Hann würde den Verlust verkraften, zumal sie sich materielle Unterstützung von der Besatzung der THETA DA ARIGA erhoffen durfte.
Geschafft.
Atlan wuchtete sich aus der letzten Bodenluke und sah sich um. Nur wenige Meter von ihm entfernt stand die YDUA. Aufrecht, wie ein balancierender Tropfen. Im trüben Licht einer Notbeleuchtung warf sie einen bloß kurzen Schatten. Die Außenhülle glänzte weißgelb.
»Notstart einleiten!«, rief Atlan über Funk. »Lass uns rein! Wir müssen augenblicklich verschwinden!«
Die YDUA reagierte nicht. Weder redete die Sextadim-Kapsel mit ihm, noch öffnete sie ihren metallenen Leib, um Atlan und seine Gefährten aufzunehmen.
»Hörst du mich nicht? Willst du, dass die Kastellanin gemeinsam mit uns stirbt?«
Erneutes Feuer. Eine Strahlenbahn drang durch die Bodenluke nach oben und zerstörte ein Stück Decke. Es platschte unmittelbar neben Skrul mit großer Wucht auf den Boden.
Das untere Ende der YDUA verschwand, gleißendes Licht fiel über Atlan. Endlich!
Er trat auf die Öffnung an der Schiffsbasis zu, fühlte sich unwiderstehlich gepackt und hochgehoben, empor zum breiteren Teil des Raumers. Hinter ihm schwebten Deena und Skrul.
Sie landeten in einem nüchtern eingerichteten Raum und traten links und rechts des antigravähnlichen Schachts auf festen Boden. Die Öffnung schloss sich.
Atlan legte Verind Nott sanft vor sich ab. Er bemühte sich, seinen Triumph zu verbergen. Sie hatten es ins Innere der YDUA geschafft. Es hatte Schweiß und Tränen gekostet, aber der kleine Bluff war gelungen.
2.
Auf zu neuen Welten
Versuch nicht, YDUA zu überreden!, riet der Extrasinn. Es wäre Verschwendung von Energie. Der Rechner hat dich durchschaut und wird sich auf keine Spielchen einlassen. Die Sextatronik könnte es dir negativ auslegen, wenn du mit deiner Scharade fortfährst. Spiel lieber die Trümpfe aus, die du noch hast.
Atlan trat rasch an Verind Nott und beugte sich zu ihr hinunter. Wollte YDUA ihn töten, musste das Schiffsgehirn riskieren, auch die Kastellanin zu verletzen. »Ich verlange eine Diskussion auf Augenhöhe. Sonst ...«
»Sonst? Willst du meiner Eignerin etwas antun? Glaubst du, schneller als ich reagieren zu können? – Nein, Arkonide. Du bist nicht dumm. Du wirst keinen Versuch unternehmen, Verind Nott zu schaden.«
»Du hast die ganze Zeit Bescheid gewusst, nicht wahr?« Atlan richtete sich wieder auf. Er wusste, wann er verloren hatte.
»Selbstverständlich. Eure Spielchen waren leicht zu durchschauen. Eine Stimmanalyse reichte. Eure Bewegungsmerkmale. Die Sicherheit beim Handeln. Ein gewisses Verzögern und Schüsse, die viel zu oft viel zu knapp am Ziel vorbeigingen.«
»Warum hast du mitgespielt?«
»Traust du einer Sextatronik keinen Humor zu? Außerdem war es die einfachste Möglichkeit, meine Eignerin in Sicherheit zu bringen. Ich ließ sie mir von euch bringen.«
»Ich verstehe.«
Damit wissen wir, woran wir sind. YDUA ist seiner Besitzerin zumindest gleichgestellt. In ihrem Intellekt, in ihrer Kombinationsgabe, womöglich auch in ihrer Kompetenz.
Der Extrasinn versuchte, in der Niederlage zumindest ein klein wenig Gutes zu sehen. Er hatte nicht unrecht: Die Sextatronik war nach wie vor schwer einzuschätzen. Nun wussten sie um ihre Eigenständigkeit Bescheid.
»Wer hat Verind Nott verletzt, und was wurde ihr verabreicht?«, fragte YDUA.
»Sie hat eine Breitband-Narkose erhalten«, antwortete Atlan wahrheitsgemäß. »Das Gift ist via Xaxa in ihren Blutkreislauf geraten.«
»Der Symbiont also. Ich habe Verind mehrmals darauf hingewiesen, dass er ihre größte Schwachstelle ist, auch wenn er ihr in anderer Hinsicht hilft. – Tritt beiseite, Atlan. Ihr alle legt eure Waffen ab. Wir wollen schließlich nicht, dass ein Unglück geschieht, nicht wahr? Mehrere Waffen sind auf euch gerichtet. Ich würde es bedauern, drei kleine Staubhäuflein aus meinem Inneren absaugen zu müssen.«
Die Drohung war mit leichter Stimme ausgesprochen. Doch Atlan ahnte, dass YDUA keine Sekunde zögern würde, seine Eignerin zu schützen.
Er entsicherte seine Waffe und legte sie vorsichtig auf dem Boden ab. Deena und Skrul taten es ihm gleich.
»Danke. Du bist ein vernünftiger Mann, Arkonide. Meine Eignerin weiß das zu schätzen.«
Verind Nott wurde wie von Zauberhand angehoben. Sie schwebte aus dem Raum. Erst, als Atlan genauer hinsah, bemerkte er die dünnen Abgrenzungen einer energetischen Liege, auf der die Uxantin abtransportiert wurde.
»Wie geht es weiter?«, fragte Atlan.
»Ihr wartet. Meine Eignerin wird euer Verhalten beurteilen und entscheiden, was mit euch geschehen soll.« Die Sextatronik schwieg abrupt. Es war, als hätte sie den Raum verlassen. Er wirkte leer und unbeseelt.
»Es war alles umsonst«, sagte Skrul. »Der ach so erfahrene und taktisch versierte Atlan wurde von einem Rechner reingelegt wie eine einfache Raumpfeife.«
Atlan verzichtete auf eine Antwort. Er wollte dem Wissenschaftler keine Angriffsfläche bieten. Skrul wartete nur darauf, ein Wortgefecht starten zu können.
Er sah sich um. Es gab keinerlei Sitzgelegenheiten, der Raum war völlig nackt. Also ließ er sich auf dem Boden nieder, zog die Beine an und dachte nach. Auf ihn wartete eine schwierige Unterhaltung mit Verind Nott, dessen war er sicher. Er musste sich gut darauf vorbereiten.
Atlan achtete nicht weiter auf das Streitgespräch, das sich hinter ihm zwischen Deena und Skrul entspann. Er hielt stattdessen Zwiesprache mit seinem Extrasinn, der ihm als Sparringpartner für die bevorstehende Unterhaltung diente. Sein Verstand war eine scharfe Waffe, die er so gut wie möglich einsetzen wollte.
*
Verind Nott kehrte nach nicht einmal 20 Minuten zurück. Ihre türkisfarbenen Hautschuppen glänzten stärker als sonst, vermutlich ein Zeichen der Erholung.
Atlan kam rasch auf die Beine.
Die Uxantin trug wieder ihren blauen Schutzanzug mit weinroten Streifen und einer schildförmigen Einlassung in derselben Farbe auf der Brust. Xaxa war wie immer um ihren Hals gewickelt. Er bewegte sich träge, die Körperstacheln waren aufgerichtet.