Perry Rhodan 3164: Lloyd und das Chaofaktum - Michael Marcus Thurner - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3164: Lloyd und das Chaofaktum E-Book und Hörbuch

Michael Marcus-Thurner

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Was das genau bedeutet, weiß noch keiner. Die Völker der Galaxis beschließen unter dem Druck der Gefahr und der Erkenntnis ihrer eigenen Bedürfnisse, sich enger zusammenzuschließen. Perry Rhodan und Atlan gelingt es mit einem riskanten Bluff, den Quintarchen Farbaud von der RAS TSCHUBAI zu vertreiben. Kurz darauf kommt es zu einem beispiellosen Ereignis. In dessen Zentrum stehen LLOYD UND DAS CHAOFAKTUM ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:4 Std. 6 min

Veröffentlichungsjahr: 2022

Sprecher:Renier Baaken

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 3164

Lloyd und das Chaofaktum

Aktivatorträger in tiefer Vergangenheit – sie kämpfen gegen die Sendboten des Quintarchen

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Davor und danach

1. Arkons Glanz

2. Reisepläne

3. Das Thozhymsystem

4. Auf der Eiswelt

5. Der Weg zum Artefakt

6. Die Eiskathedrale

7. Der Vhasyr

8. Der Kampf um alles

9. Finale

10. Anfang

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu.

Was das genau bedeutet, weiß noch keiner. Die Völker der Galaxis beschließen unter dem Druck der Gefahr und der Erkenntnis ihrer eigenen Bedürfnisse, sich enger zusammenzuschließen. Perry Rhodan und Atlan gelingt es mit einem riskanten Bluff, den Quintarchen Farbaud von der RAS TSCHUBAI zu vertreiben. Kurz darauf kommt es zu einem beispiellosen Ereignis. In dessen Zentrum stehen LLOYD UND DAS CHAOFAKTUM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Fellmer Lloyd – Der Telepath hält sich gerne an Grenzen.

Yvoa von Katranat – Die Akonin nascht gerne.

Julian Tifflor – Der Terraner sucht ein Artefakt.

Ortha da Zeazem – Die Arkonidin misstraut dem Vereinten Imperium.

Ghalyb

Davor und danach

Farbaud hockte in Dunkelheit. Sie umgab ihn und umschloss ihn. Sie war alles, was zählte in diesen Sekunden – oder Stunden – der Kontemplation.

Schritte näherten sich. Sie tönten auf kaltem Boden und hallten laut.

Farbaud richtete seine Blicke auf das Wesen, das in schummriges Licht getaucht war und die Wärme der Dunkelheit schmerzhaft deutlich zerriss.

»Ghalyb, es ist nicht der richtige Zeitpunkt für ein Zusammentreffen.«

»Du selbst hast mich herbestellt, Farbaud.«

»Aber nicht jetzt. Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt, um ...« Er winkte ab. »Es tut nichts zur Sache, was ich möchte, nicht wahr? Wir alle sind Teil eines Spiels, auf dessen Regeln wir kaum Einfluss haben.«

»Wenn du es sagst, Farbaud. Du bist der im Glanz.«

Der andere blieb stehen, wenige Schritte von ihm entfernt.

»Ja, der bin ich.« Farbaud kam aus seiner Hocke hoch. »Ich habe eine Weisung für dich, Ghalyb: Nutz das Chaofaktum und geh in die Vergangenheit. Dort bringst du in Erfahrung, was wir wissen müssen. Und wenn nötig, änderst du einiges.«

»Du willst das wirklich, Farbaud?«

»Ich habe dich nicht herbestellt, um meine Anweisung zu diskutieren.« Er stampfte mit einem Fuß auf. Die Dunkelheit, die ihn umgab, verlor ein klein wenig von ihrer Macht. »Gehorche und tu, was ich dir auftrage!«

Ghalyb neigte den Kopf ein wenig. »Selbstverständlich, der im Glanz. Ich erledige, was notwendig ist. Das Chaofaktum ist bereit.«

Der andere wandte sich ohne Gruß ab und verließ den Raum. Das Licht, das ihn umgab, wurde weniger und verschwand schließlich ganz.

Die Dunkelheit FENERIKS hatte Farbaud wieder. Er versenkte sich darin und beschloss, für eine Weile alles zu vergessen, was mit Perry Rhodan und dessen Gefolgsleuten zusammenhing.

1.

Arkons Glanz

»Willkommen!«

Julian Tifflor ging mit steifen Schritten auf Reginald Bull zu. Fellmer Lloyd merkte ihm dennoch die Freude an, seinem alten Freund wieder zu begegnen. Tifflors Augen glänzten, und er deutete jenes verwegene Grinsen an, das selbst Arkonidinnen entzückte.

Die beiden alten Freunde reichten einander formell die Hand, zögerten kurz und pfiffen schließlich auf alle Etikette. Sie umarmten sich.

Lloyd wartete geduldig, bis er an der Reihe war. Er bekam von Tifflor einen kräftigen Händedruck. Mehr hatte der Marschall des Vereinten Imperiums nicht für ihn übrig. Sie respektierten einander, sie waren Teil des inneren Zirkels rings um Perry Rhodan und hatten bereits dreimal Zellduschen zur Verlängerung ihrer Lebensfrist erhalten. Aber sie waren keine Freunde im engeren Sinne.

Lloyd blieb ohnehin am liebsten auf Distanz. Seine Gabe als Telepath brachte es mit sich, dass er mit viel zu vielen Menschen viel zu viele intime Geheimnisse teilte.

»Wie war die Reise, Vizegroßadministrator?«, fragte Tifflor Bull.

»Hören Sie mir bloß mit diesen verdammten Titeln auf!« Bull schüttelte den Kopf. »Mag sein, dass sie einen gewissen Zweck erfüllen und im offiziellen Rahmen des Imperiums nötig sind. Aber ich bin froh, wenn ich meine Titel nach getaner Arbeit ablegen und zu Bully werden kann.«

Tifflor sah bedeutungsschwer nach oben. Zum samtenen, karmesinroten Baldachin aus langem Naturhaar, der von einer Luftbrise gestreichelt wurde und Wellen schlug. Er behielt den Blick bloß für einige Augenblicke bei, aber Lloyd verstand sofort. Bull ebenfalls.

Sie wurden abgehört. Selbst im Vorhof der Terranischen Vertretung auf Arkon II wurden sie beäugt, belauscht und ihr Verhalten analysiert. So war es nun mal auf den Tiga Ranton, den drei Heimatplaneten der Arkoniden.

Bull nickte. »Natürlich«, sagte er leise. »Wenn man derartige Freunde hat, braucht man sich vor seinen Feinden nicht zu fürchten.«

»Lassen Sie uns das Wiedersehen begießen«, schlug Tifflor vor und bedeutete ihnen, ins Innere der Repräsentanz zu treten. Lloyd hörte sich routinemäßig mithilfe seiner besonderen Sinne um. Er bekam den üblichen Brei aus profanen und meist langweiligen Gedanken vermittelt. Es erforderte Konzentration, das Unwichtige in den Hintergrund zu schieben und nach dem zu suchen, das bedeutend sein konnte.

... was für ein Fraß das heute Mittag wieder war ...

... Reginald Bull ist noch kleiner, als ich geglaubt hätte. Der reicht mir ja gerade mal bis zum Bauchnabel ...

... der andere untersetzte Kerl ist Fellmer Lloyd. Ein Gedankenspürhund. Ich darf bloß nicht daran denken, dass ich mit Gerfle geschlafen habe, ausgerechnet mit der Frau meines besten Freundes ...

... wenn ich Tifflor anrede, mache ich Bull aktiv auf mich aufmerksam. Er wird sich später an mich erinnern, das macht einen guten Fuß bei der Karriereplanung ...

... bloß nicht an Gerfle denken, bloß nicht ...

... seit vierzehn Stunden stehe ich mir am Eingang die Beine in den Boden. Ich hätte niemals im außerplanetarischen Dienst anheuern sollen ...

... Gerfle. Gerfle. Gerfle ...

Banalitäten. Wie immer drehte sich fast alles um Essen, Sex und Karriere. 99 Prozent aller Gedanken waren Ausschussware. Sie zeigten Lloyd seit nunmehr über 150 Jahren, wie einfach Menschen – und andere Lebewesen – doch gestrickt waren.

Sie schlenderten einen römisch-dorisch anmutenden Säulengang entlang und betraten das Vestibül der Repräsentanz. Architekt und Baumeister des Gebäudes hatten sich bemüht, dem Prunk arkonidischer Häuser etwas entgegenzusetzen und dafür pompöse Architekturbeispiele der terranischen Geschichte zitiert.

Sie schwiegen, während sie einen Treppenabsatz hochstiegen, mehrere leicht bewaffnete Soldaten passierten und schließlich in einen Büroraum gelangten, der vergleichsweise kühl wirkte.

Tifflor entspannte sich sichtlich, wie Lloyd bemerkte. »Hier funktionieren die Abhörsicherungen optimal«, sagte der Marschall des Vereinten Imperiums. Er winkte Bull und ihm, auf bequemen Couchsesseln Platz zu nehmen.

»Ich hatte schon befürchtet«, sagte Bull, »dass unser Verhältnis zu den Arkoniden nach wie vor angespannt ist. Aber sind Ihre Vorkehrungen wirklich begründet, Julian?«

»Wir überprüfen unsere Arbeits- und Aufenthaltsräume allein routinemäßig jeden zweiten Tag.« Tifflor ließ sich von einem Arbeitsroboter bernsteinfarbene Flüssigkeit einschenken und bedeutete dem Maschinenwesen, zwei weitere Gläser zu füllen. »Sie sind höchst einfallsreich, unsere arkonidischen Freunde. Wir fanden Wanzen in unter den Tischen geklebten terranischen Kaugummis. Kleine Silberfischchen in den Sanitäranlagen, die Richtmikrofone umgeschnallt hatten. Sender in Lebensmitteln, die von unseren Angestellten verzehrt wurden und sich in der Leber ablagerten.«

»Widerlich!« Bull schüttelte den Kopf und nippte an seinem Getränk.

Seine Miene hellte sich auf. Lloyd verstand, warum. Der Whisky, den Tifflor auffuhr, schmeckte aromatisch und torfig, mit einer leichten, kaum spürbaren Salznote. Vermutlich stammte er von einer der schottischen Inseln.

»Es ist ein Spiel.« Tifflor grinste. »Wie Sie wissen, sind zehn Prozent der terranischen Belegschaft ebenfalls in ... Außeneinsätzen tätig. Manchmal wünschte ich mir, es wären mehr. Seitdem Atlan vor gut zwei Monaten als Imperator zurückgetreten ist, hat sich auf Arkon einiges geändert.«

»Gibt es offene Feindseligkeiten gegen Sie und die Mitarbeiter?«, fragte Lloyd.

»Sie haben die Bulletins gelesen, die ich verfasst und nach Terra geschickt habe?«

»Selbstverständlich. Und natürlich auch das, was zwischen den Zeilen zu lesen war. Deshalb hat Mercant mich gebeten, Bull zu begleiten.« Lloyd nickte in Richtung des Vizegroßadministrators. »Aber mir geht es nicht um all die diplomatischen Streitigkeiten oder Spannungen an und für sich. Ich möchte wissen, wie es sich auf den arkonidischen Welten anfühlt. Glauben Sie, dass Terraner und Arkoniden zusammenwachsen können? Oder sind die Ressentiments zu groß?«

»Offen gestanden: Ich weiß es nicht.« Tifflor nahm einen weiteren Schluck Whisky. »Das Vereinte Imperium mit Arkoniden und Terranern als den tragenden Säulen ist eine großartige Idee. Aber wir dürfen weder die politische Stimmung auf den terranischen Welten außer Acht lassen, noch die in den wichtigen arkonidischen Khasurn. Viele der Herrschaftshäuser haben kein Interesse an Politik und geben sich viel lieber ihrer Dekadenz, ihren Spielen, ihren internen Rangeleien hin. Es gibt sehr wohl Figuren auf dem hiesigen politischen Parkett, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Denkt daran, dass die Arkoniden mehrere Zehntausend Jahre Zeit hatten, um sich im Intrigenspiel zu perfektionieren!«

Bully nickte, trank den Whisky in einem Zug aus und füllte sich selbst nach. »Irgendwie hatten wir uns das alles viel leichter vorgestellt, als wir begannen, ins Weltall hinauszugreifen. Damals, mit der Installation der Dritten Macht. Du meine Güte! So kompliziert, wie es heute ist zwischen Arkoniden, Akonen, Posbis, Topsidern und all den anderen Völkern – schlimmer kann es nun wirklich nicht mehr werden.«

»Womit wir beim Thema wären.« Tifflor lächelte. »Ich muss Sie auf Ihre Auftritte am arkonidischen Hof vorbereiten, Bully.«

»Ich weiß längst alles, was wichtig ist.« Bully winkte ab. »Wer wie genannt werden muss, wen ich wie einen Gleichberechtigten und wen ich von oben herab behandeln sollte, wessen Frau ich die Hand küssen darf und wessen nicht ...«

»Was Sie zu wissen glauben, sind bloß die Grundzüge der arkonidischen Etikette, Freund. Glauben Sie mir – auf Sie wartet die Hölle. Die arkonidische Hölle. Und die ist sogar deutlich komplizierter aufgebaut als das spanische Hofprotokoll vor tausend Jahren.«

Bully murmelte einen Fluch zwischen weiteren Schlucken vom Whisky, den Lloyd noch nicht gekannt hatte. Obwohl ich eigentlich alle Flüche des Universums schon mal in irgendwelchen Gedanken gelesen haben sollte ...

Illustration: Dirk Schulz

Tifflor richtete sich auf und bot Lloyd eine Zigarette an. Der nahm sie dankbar entgegen.

Zu Bull sagte Tifflor: »Der arkonidische Hof ist voll mit Tretminen. Wir müssen größte Vorsicht walten lassen, wollen wir das Verhältnis zwischen Arkon und Terra nicht weiter verschlechtern. Ich bitte Sie, Bull: Hören Sie auf mich!

Verinnerlichen Sie die Regeln, die ich Ihnen in den nächsten beiden Tagen beibringen werde. Ich habe über sechzig Jahre Erfahrung im Umgang mit unseren ... Freunden. Am achten März, also in drei Tagen, sind wir zu einem Willkommensbankett bei Miru da Minterol eingeladen. Die alte Dame wird Ihnen auf den Zahn fühlen. Sie ist eine der schlimmsten Intrigantinnen auf Arkon II.«

»Miru da Minterol ist die Tante des kurzzeitigen Interims-Imperators, nicht wahr?«, fragte Lloyd. Er hatte sich im Vorfeld mit den wichtigsten Protagonisten an Arkons Hof auseinandergesetzt.

»Richtig. Sie hasst Atlan, und sie verabscheut die Terraner. Aber das Schöne ist: Wenn Sie persönlich bei ihr gut ankommen, stehen Ihnen alle Türen offen.«

»Wie groß sind meine Chancen dafür?«

»Sie liegen bei etwa einem Prozent, schätze ich.« Tifflor grinste. »Sie müssen ganz, ganz lieb zu ihr sein. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie ist eine hochbetagte Dame, selbst für arkonidische Begriffe. Und sie liebt es, von jüngeren Männern geschmeichelt und hofiert zu werden.«

Bully raufte sich das ohnedies widerborstige Haar. »Ich will zurück nach Hause!«, rief er in gespielter Verzweiflung.

»Es sind ja bloß ein paar Monate, Bull. Um auf Arkon für guten Wind für die Sache des Vereinten Imperiums zu sorgen. Dass die höchsten terranischen Würdenträger eine Zeit lang im Herzen des arkonidischen Herrschaftsgebiets verbringen, war eine der Grundbedingungen für das Zustandekommen der Allianz zwischen unseren Völkern.«

»Ich weiß, Tifflor, ich weiß. Ich kenne das Vertragswerk nur zu gut, welches Atlan und Perry ausverhandelt haben. Aber, um mich zu wiederholen: Warum muss alles immer so kompliziert sein? Was kommt als Nächstes? Dass es noch weitere Wesenheiten wie ES gibt?«

Bully und Tifflor lachten augenblicklich drauflos, Lloyd fiel ein. Allein die Vorstellung, dass es etwas Vergleichbares wie den Unsterblichen gab, war widersinnig.

*

Auf der Erde, unendlich weit entfernt, ging der 8. März des Jahres 2115 zu Ende. Bully, Tifflor und er, Fellmer Lloyd, hatten es mit einer fremden Zeitrechnung auf einer fremden Welt zu tun, auf der man eine fremde Sprache verwendete.

Die Arkoniden mochten Terranern ähneln – und doch waren sie ganz anders.

Der Khasurn, in dem Miru da Minterol sie empfing, war kleiner und kompakter als die anderen, die sie während der Anreise entlang des mäandernden Flusses Lithaiir im Nordosten des Kontinents Laktranor gesehen hatten.

Kleiner und kompakter, stellte Lloyd in Gedanken fest. Das bedeutet nicht unbedingt, dass da Minterol über weniger Macht verfügt als andere Häuser des arkonidischen Hochadels. Nach allem, was wir wissen, ist Miru sehr wohl ein wichtiger Bestandteil der Herrschaftskaste. Sie zeigt es bloß nicht so offensichtlich her.

Der Gleiter landete auf dem Dach des Gebäudes. Die kreisförmige Fläche war an den Rändern von hoch aufragenden Gladil-Bäumen umgeben, die den Blick über das Land einschränkten. Nur der Fluss Lithaiir war zu sehen, silbrig glänzend im Licht der untergehenden Sonne.

Zwei unbewaffnete Roboter näherten sich. Bully, Tifflor und Lloyd mussten ihre Einladungen herzeigen. Ganz gewiss wurden sie zudem abgetastet und durchleuchtet. Es war ein Standardprozedere, das arkonidische Gäste auf Terra ebenfalls durchlaufen mussten.

Weitere Gäste dockten mit ihren Prunkgleitern an. Hochgewachsene Arkonidinnen mit sorgfältig hochtoupierten, weißen Haaren entstiegen den Fahrzeugen, begleitet von ihren ebenso schlanken Männern, deren Köpfe meist von kleinen Robotern umschwirrt wurden.

Sie straften die Terraner mit Verachtung, würdigten sie kaum eines Blicks.

»Es ist eine Mixtur aus Abscheu und Scheu«, sagte Tifflor leise. »Sie wissen nicht so recht, was sie mit uns anfangen sollen. Wir gelten nach wie vor als ehemalige Kolonisten und Emporkömmlinge. Aus arkonidischer Sicht ist das richtig. Sie beherrschen M 13 seit Jahrzehntausenden und haben ihren Einfluss auf viele Welten außerhalb ihres eigentlichen Siedlungsbereichs ausgedehnt. Sie kennen kaum etwas anderes als Erfolg.«

»Umso mehr schmerzt es sie, dass ausgerechnet wir Terraner ihnen diesen Erfolg streitig machen. Nachdem wir sie im letzten Jahrhundert gepiesackt haben.«

Sie wurden von Robotdienern an den Rand des Antigravlifts gebeten. Die arkonidischen Gäste blieben zurück. Es war ihnen anzumerken, dass sie die Reise nach unten nicht gemeinsam mit ihnen antreten wollten.

Lloyd lauschte. Er erwischte Gedanken livrierter Diener. Sie entstammten meist Kolonialvölkern. Nirgendwo erfasste er etwas Alarmierendes.

Er tat einen Schritt nach vorne ins Leere und vertraute sich dem Antigrav an. Bully und Tifflor folgten ihm. Sie schwebten seitlich versetzt in die Tiefe, vorbei an Wohn- und Arbeitsbereichen, die meist gläsern verkleidet waren und eine gute Einsicht in das Privatleben einer arkonidischen Adligen boten.

Er sah Verspieltheit, Prunk und Dekadenz. Unermesslichen Reichtum, der wie selbstverständlich zur Schau gestellt wurde. Immer im Blickfeld blieb ein Bach, dessen Wasser über unzählige Fälle und Katarakte in die Tiefe geleitet wurde. Die Wasserfäden glitzerten bunt, als würden sie Brillanten, Saphire, arkonidische Minantite und andere wertvolle Edelsteine mit sich transportieren.

Das konnte nicht sein.

Oder?

Konnte es sein?

Lloyd fiel es schwer, sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Er entdeckte einen Garten mit elegant dahinstaksenden Wanp-Laufvögeln, die zu den seltensten Tieren Arkons gehörten und wegen ihrer anmutigen Gestalt und dem regenbogenfarbigen Gefieder in unzähligen Gedichten sowie Erzählungen verewigt worden waren.

Drei felsgroße Weltwal-Bezoare waren auf Amethystsockeln nahe zum Antigrav zur Schau gestellt. Lloyd kannte die Schwarzmarktpreise für die Bezoare; vermutlich hatten diese drei Brocken einen Wert, den die terranische Region Großbritannien in zehn Jahren erwirtschaftete.

Ein Diorama mit mehreren Hundert Quadratmetern sollte vermutlich an eine der mythologisch verbrämten Auseinandersetzungen der Ur-Arkoniden erinnern. Jede einzelne der menschengroßen Figuren war aus dem jadeähnlichen Dingdo-Gestein geschnitzt.

Ein terranischer Zuchtelefant, mit einer Schulterhöhe von unter zwei Metern, trötete laut und spritzte Wasser in ihre Richtung. Er hatte eine Khasurn-Ebene für sich allein, sah man von drei Zuchtgiraffen ab, die auf der anderen Seite des Runds Blätter von einem Baum zupften und lustvoll darauf herumkauten.

Der Export von terranischen Elefanten war strengstens verboten. Dennoch stellte Miru da Minterol die Tiere offen zur Schau. Sie zeigte sehr deutlich, was sie von Regeln und Konventionen hielt.

»Sobald ich nach Terra zurückkehre«, sagte Bully, dessen Gesicht an Farbe verloren hatte, »verlange ich von Perry eine Gehaltserhöhung.«

»Die Arkoniden zeigen nun mal gerne her, was sie besitzen.« Tifflor zuckte mit den Schultern. »Es ist ihr Weg zu demonstrieren, welchen Wert und welche Bedeutung ihr Imperium hat. Weil sie die politische Macht mit uns Terranern teilen müssen, ziehen sie sich auf das zurück, was sie besitzen: Geschichte.«

»Wir wissen nur zu gut, dass sie Probleme mit Dekadenz und gesellschaftlicher Rückentwicklung haben«, gab Bully zu bedenken. »Sie sind geistig erstarrt. Ich halte dieses ... dieses Freilichtmuseum für eine Perversion.«

Tifflor schnaufte belustigt. »Miru da Minterol ist zurückhaltend im Vergleich zu den Oberhäuptern anderer Khasurne. Bereiten Sie sich darauf vor, noch mehr Hochnäsigkeit, noch mehr Vermögen und noch mehr Ignoranz zu begegnen.«

Ein Diener, der dem Volk der Naats entstammte, winkte sie laut schnaufend aus dem Antigrav. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Den Ballsaal des Khasurns.

Eine Ebene, die im Vergleich zu allen anderen schlicht und bodenständig wirkte. Er zeigte – Natur.

Sie betraten Naturrasen. Ringsum hatten arkonidische Blumen ihre Kelche weit geöffnet und verströmten Duftnoten, die sich auf sonderbare Weise ergänzten.

»Arkonidische Herrschaftshäuser halten sich Blumenarrangeure«, erläuterte Tifflor leise. »Sie haben ähnliche Pflichten wie Parfumeure. Die Blumen und Sträucher müssen sich in Form, Aussehen und Geruch ergänzen. Müssen ein Ganzes ergeben. Einen Teppich, der so viele Sinne wie möglich anspricht ...«

»Tifflor, Darling!«

Eine vergleichsweise kleine Arkonidin kam auf sie zu, mit weit ausgestreckten Armen. »Man sagt doch Darling, nicht wahr?«

Tifflor hauchte der Frau mit dem üppigen Dekolleté und den dunkelblonden Haaren einen Kuss auf die ausgestreckte Rechte. »Unsere bezaubernde Gastgeberin, Miru da Minterol.«

»Und dieser kleine Mann ist also der Vizegroßadministrator?«

»Vizegroßadministrator des Vereinten Imperiums«, verbesserte Bully mit hochrotem Kopf und reichte der Arkonidin seine Hand.

»Meinetwegen. Vereintes Imperium oder so. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Es hat hier und heute keine Bedeutung. Sie und Ihr Begleiter – ich vermute, es handelt sich um Ihren gedankenlesenden Beschützer, Fellmer Lloyd? – werden in diesen Räumlichkeiten kaum jemanden finden, der über eine Zusammenarbeit zwischen uns und Ihnen reden wird.«

»Und dennoch ist es vertraglich so abgestimmt. Arkoniden, Akonen und Terraner sind Partner.«

»Jaja. Langweilen Sie mich bitte nicht mit Ihren verqueren politischen Ansichten. Nicht auf meiner Veranstaltung. Einverstanden?«

Musik erklang. Eine Plattform senkte sich von oben herab, sie war mit gut 30 Mitgliedern eines Streich- und Zupforchesters besetzt. Sie spielten eine sanfte, aber auch etwas steif klingende Melodie.

»Der Vizegroßadministrator möchte Sie um den ersten Tanz bitten«, sagte Tifflor und schob Bully auf die Arkonidin zu. »Würden Sie ihm die Ehre erweisen?«

»Wenn's denn sein muss ... Was tut man nicht alles für die hohe Kunst der Diplomatie?« Miru da Minterol packte Bully an der Hand und zog ihn mit sich, energisch und ruppig.

»Das steht Bull niemals durch«, flüsterte Lloyd. »Bei allem Respekt: Sie wissen ganz genau, dass er auf dem Tanzparkett ein lahmendes Trampeltier mit Schwindelanfällen ist.«

»Er hat gestern eine Hypnoschulung bekommen. Außerdem macht es nichts, wenn er sich ein wenig ungeschickt anstellt. Da Minterol liebt es, sich überlegen zu fühlen. Und so forsch sie auch sein mag – sie ist weitaus offener als andere Mitglieder des arkonidischen Hofs. Sie ist Bullys Türöffnerin. Ich habe sie nicht umsonst für seinen ersten öffentlichen Auftritt ausgewählt.«

Lloyd hörte sich gedanklich um. Viele der Anwesenden waren nicht zu erreichen. Sie erzeugten mithilfe ihrer Extrasinne einen Monoschirm, der seine Tastimpulse nicht zu ihnen durchließ.

Immerhin bekam er einige Stimmungsbilder vermittelt. Misstrauen war das beherrschende Element der gedanklichen Melange. Auch Wut war zu finden, da und dort so etwas wie Bewunderung und Respekt für die Terraner.

»Haben Sie etwas von Atlan gehört?«, fragte Lloyd und zündete sich eine Zigarette an. »Sein Aufbruch von Arkon war sehr rasch, fast überstürzt.«

»Er ist als Imperator Gonozal VIII. zurückgetreten«, sagte Tifflor steif. »Es war seine alleinige Entscheidung. Es hatte nichts mit irgendwelchen politischen oder gesellschaftlichen Sachzwängen zu tun.«

»Seine Beliebtheitswerte waren in den letzten Jahren immer weiter gesunken ...«

»Es hat eines besonderen Kraftakts bedurft, um das Vereinte Imperium aus der Taufe zu heben. Ich habe aus nächster Nähe miterleben müssen, wie sich Atlan gegen Einflüsse von allen Seiten durchsetzen musste – und es geschafft hat. Nicht immer mit den saubersten Mitteln. Aber wir kennen unseren liebsten Arkoniden, nicht wahr? Wenn es die Lage erfordert, agiert er kühl und gegebenenfalls rücksichtslos.«

»Sie lenken ab, Julian. Wo befindet er sich derzeit? Selbst Mercant weiß nicht, wo sich Atlan herumtreibt.«

»Wir werden das erst erfahren, wenn er selbst dazu bereit ist.«

»Es geht um diese USO, nicht wahr?«

»Ja.« Tifflor nickte knapp. »Aber die United Stars Organisation ist bisher bloß ein Schlagwort. Eine Hülle, die mit Leben gefüllt werden muss. Atlan möchte eine strategisch agierende Gruppe ausgebildeter Agenten aufbauen, die überall dort eingreift, wo Konflikte vor sich hin köcheln. Es braucht eine geeignete Infrastruktur, eine Basis, Dependancen auf den wichtigsten Welten ... Es ist eine Aufgabe, die nur jemand mit Atlans Weitblick bewältigen kann.«

Lloyd drückte die Zigarette aus, ein Schweberoboter nahm den Stummel entgegen und verschluckte ihn. Mit einem Blick überzeugte er sich, dass Bull immer noch verzweifelt versuchte, den Rhythmus zu finden und der Gastgeberin des Fests nicht allzu oft auf die Füße zu treten.