Perry Rhodan 3191: Im Chaofaktenhort - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 3191: Im Chaofaktenhort E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Mit an Bord ist Anzu Gotjian, die Transmitterspezialistin, Mutantin und Heldin wider Willen. Drei der fünf Quintarchen sind mittlerweile gestorben, der vierte, Farbaud, ist im Gewahrsam der Galaktiker. Nun greift Addanc, der Taucher, als letzter amtierender Quintarch nach der Macht und den tödlichen Möglichkeiten FENERIKS: Diese findet er IM CHAOFAKTENHORT ...

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Nr. 3191

Im Chaofaktenhort

Im Kampf um die Zukunft der Milchstraße – ein erbittertes Duell beginnt

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Vorgeplänkel

2. Unruhepause

3. Die Schale

4. Unterwegs

5. In der GNATOK

6. Im Schatten des Portals

7. Gondelfahrt

8. Der Chaofaktenhort

9. Begegnung mit Addanc

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Munuam-Sänfte

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Mit an Bord ist Anzu Gotjian, die Transmitterspezialistin, Mutantin und Heldin wider Willen.

Drei der fünf Quintarchen sind mittlerweile gestorben, der vierte, Farbaud, ist im Gewahrsam der Galaktiker. Nun greift Addanc, der Taucher, als letzter amtierender Quintarch nach der Macht und den tödlichen Möglichkeiten FENERIKS: Diese findet er IM CHAOFAKTENHORT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Addanc, der Taucher – Der Quintarch betritt den Chaofaktenhort.

Reginald Bull – Der Quintarchenanwärter stellt sich Addancs Plänen in den Weg.

Mieke Meideina – Reginald Bulls Begleiterin betritt neues Terrain.

Ruuman

1.

Vorgeplänkel

Ich war schon in schlimmeren Situationen, ganz gewiss. Aber ich denke, dass meine derzeitige Lage in den Top Fünf meiner »Es ist ganz schön kompliziert«-Liste einzureihen ist.

Ich sitze in einem Roten Stern, also einem der Schiffe, die man auch Chaos-Baken nennt, und verfolge, wie der Chaoporter FENERIK in einem leicht schlingernden Kurs entlang einer hypergravitativen Trasse auf die Yodor-Sphäre zustürzt. FENERIK bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwas mehr als 900 Lichtjahren pro Tag, nachdem er eine Ladung Anti-PEW aufgenommen hat. Bis zur Ankunft bei der Yodor-Sphäre bleiben bei diesem Tempo zwölf Tage.

Und dann?

Dann droht mächtiges Unheil. Etwas, wofür kein Präzedenzfall bekannt ist.

Ich wäre in meiner Bestimmung der Lage gerne präziser. Ich verfüge zwar über viele Informationen, aber nicht über die entscheidenden. In FENERIK weiß man nicht, was die Yodor-Sphäre eigentlich ist und wie sie funktioniert. Ihr Gefahrenpotenzial ist unbekannt, also können sich die Bewohner, die Benutzer und die Reisenden des Chaoporters nicht auf die Kollision vorbereiten.

Immerhin hat diese Kollision mit der LEUCHTKRAFT erhebliche Auswirkungen auf den Chaoporter selbst gehabt. Er ist nicht nur nicht vollkommen einsatztauglich, sondern höchst ... nennen wir es: instabil. Unkontrollierbar. Was wird mit ihm und dem galaktischen Umfeld geschehen, wenn er auf ein vermeintlich hochkomplexes, aber noch nicht funktionstüchtiges Werkzeug der Kosmokraten trifft? Zumal der Chaoporter in einem schlechteren Zustand ist als jemals zuvor. In Sziento-Phase Eins – nur ein einziger Quintarch, Addanc, befindet sich in FENERIK. Er allein kann versuchen, ein Unglück abzuwenden. Aber wird er allein genügen – und wird er es überhaupt tun?

In zwölf Tagen drohen apokalyptische Zustände. Ich muss meine Phantasie zügeln. Vor meinem inneren Auge laufen immer wieder Filme ab, die das Zusammentreffen von Kosmokraten- und Chaotarchentechnik zeigen. Dies würde das Ende von Millionen Sonnen in der Eastside bedeuten, vielleicht sogar den Untergang der Milchstraße.

Ich denke erneut über meine »Es ist ganz schön kompliziert«-Liste nach und reihe die derzeitige Lage in meine Top Drei ein.

*

Ich habe einen hochmodernen und effektiven Schutzanzug zur Verfügung gestellt bekommen. Er wurde mir von Ash'sharal auf den Leib geschneidert. Er erfüllt in etwa die Funktionen eines modernen SERUNS und mag in einigen Bereichen sogar besser ausgestaltet sein als ein Schutzanzug terranischer Fertigung.

Ich fliege also in einem nagelneuen Kleidungsstück in den Tod, hurra!

Und ich habe Gesellschaft an Bord des Roten Sterns. Die Terranerin Mieke Meideina hilft tatkräftig mit, das Schiff zu steuern. Sie gibt meine Anweisungen an die Ash'sharal weiter. Da sie in einer Art Symbiose mit einem der Schneckenabkömmlinge lebt, kann sie meine Befehle in die nonverbale Sprache der Ash'sharal übersetzen. Auch interpretiert sie deren Gedanken und Ansichten. Die Gastropoden gehören zu einer der sonderbarsten Spezies, die ich jemals kennengelernt habe. Höchstens die Nakken könnten sie schlagen ...

»Ich möchte mit Zebuchor sprechen«, sage ich zu Meideina.

»Schon wieder? Wir hatten erst vor einer Stunde Kontakt.«

»Ja, schon wieder. Es kann sich in der Zwischenzeit viel geändert haben.«

Meideina betrachtet mich zweifelnd und tut dann, was ich von ihr verlange. Sie bewegt sich, sie gestikuliert, sie zieht Grimassen. Die Kommunikation mit einer Ash'sharal bleibt rätselhaft.

Nach wenigen Sekunden baut sich vor mir eine Holoprojektion auf. Anfänglich wird sie von symbolischen Darstellungen dominiert, bald erscheint das Abbild eines Munuam: ein vage menschenähnliches Wesen, dessen Kopf von den sogenannten Schulterfäden fächerförmig umkränzt wird.

Zwei große Linsenaugen glubschen mich an. »Du störst«, sagt Zebuchor unfreundlich.

»Wobei?«

»Es gibt viel zu tun für einen Flottenkommandanten«, sagt Zebuchor. »Trikuben, Gharsenraumer und Scherbenschiffe der Arynnen müssen koordiniert werden. Mittlerweile unterstehen mir mehr als dreißigtausend Schiffe, und immer noch kommen neue hinzu.«

»Es werden weiterhin Schiffe aus der Kluft entlassen?«

»Du hast Augen, Terraner, und du hast eine kompetente Schiffsbesatzung. Um diese Frage beantwortet zu bekommen, ist es nicht notwendig, mich zu kontaktieren. Was willst du also wirklich, Reginald Bull?«

»Ich bin ein künftiger Quintarch. Ich darf fragen, was und wen ich möchte.«

»Die Betonung liegt auf künftig. Ich bin nicht verpflichtet, mit jemandem dieses Status zu sprechen.«

»Du wirst es aber dennoch tun.« Ich rede rasch weiter, bevor mir der Munuam ins Wort fallen kann. »Was gibt es Neues aufseiten der Lemurischen Allianz?«

»Deren Flottenverbände wachsen ebenfalls an. Es handelt sich hauptsächlich um terranische und tefrodische Einheiten.«

»... und damit um technisch bestausgestattete Schiffe mit hoch motivierten Besatzungsmitgliedern. Ich vermute, dass sie weiterhin von Liga-Admiral Cascard Holonder angeführt werden? Und vermutlich stehen ihm einige Hundert Posbi-Einheiten zur Verfügung?«

»Warum stellst du Fragen, wenn du ohnedies alles zu wissen glaubst?«

»Weil ich Gewissheit brauche, verdammt!« Ich zügle meinen Ärger und fahre etwas ruhiger fort: »Ich will nicht, dass die Lage eskaliert. Das ist nicht in FENERIKS Sinn.«

»Wir sind bereit für den Kampf. Wir werden alle Gegner des Chaoporters vernichten, wenn es denn sein soll. Das ist eine unserer Aufgaben.«

»Das ist lediglich deine Auslegung. Es geht um den Schutz FENERIKS.«

»Natürlich, aber ...«

»Erzähl mir mehr über das Flottenaufgebot der Milchstraßenvölker!«

Zebuchor, der von den Angehörigen seines Volkes der Unerbittliche genannt wird, lässt die Schulterfäden abrupt fallen. Ein Zeichen mühsam unterdrückten Zornes.

»Cascard Holonder sitzt an Bord der THORA«, sagte er. »Er befehligt die Schiffe der Liga. Die tefrodischen Einheiten werden von der DIENBACER angeführt. Kommandantin ist Admiralin ...«

»Admiralin Laia Atturmen. Ich weiß. Weiter.«

»Mittlerweile sind Schiffe der Kristallrepublik unter dem Zweisonnenträger Keon'athor Mayec Peragum hinzugekommen. Er fliegt mit der TRANTAGOSSA, einem Kriegskelch der GAUMAROL-Klasse. Weiterhin zählen wir zehntausend Einheiten der Herrlichkeit von Gatas. Sie verhalten sich passiver als die Schiffe der anderen Milchstraßenvölker. Der Verband bezeichnet sich als Schirmer der Herrlichkeit, sein Kommandant heißt Suy Veyed.«

»Sobald alle Einheiten versammelt sind, dürften wir es mit gut und gerne zwanzigtausend Einheiten zu tun haben, die sich FENERIK entgegenstellen.«

»Und?«

»Das ergibt insgesamt fünfzigtausend Schiffe, die sich gegenüberstehen, einander umkreisen und einander provozieren. Es genügt ein Funke, um eine Explosion herbeizuführen.«

»Wir sind es gewohnt, mit derartigen Situationen umzugehen.«

Überheblichkeit ist stets ein schlechter Ratgeber. Zebuchor mag ein ausgezeichneter Kommandant sein, aber er strahlt nicht die Souveränität eines Atlan aus. Er glaubt, die Allmacht eines Chaoporters hinter sich zu wissen.

»Gibt es von der Yodor-Sphäre etwas Neues?«, frage ich.

»Unseren Informationen nach haben sich zweitausend Kobraschiffe der Yodoren versammelt. Sie fliegen Patrouille. Die Kommandantin Arym Immittag sitzt an Bord des Äonenraumers RAUTNO und bleibt unzugänglich, auch für die Galaktiker.« Drei der Schulterfäden richten sich auf, wohl, um das Gefühl der Ratlosigkeit zu dokumentieren. »Für diese Informationen gibt es keine Gewähr. Sie stammen von großteils unzuverlässigen Mittelsleuten.«

»Von Spionen FENERIKS, nicht wahr?«

Zebuchor antwortet nicht.

»Achte darauf, dass sich deine Leute zurückhalten. Ihr dürft euch nicht provozieren lassen.«

»Ich informiere dich über die Vorgänge rings um FENERIK, Reginald Bull. Aber du wirst mir nicht vorschreiben, was ich zu tun habe. Ich wiederhole: Du bist noch kein Quintarch. Und jetzt stör mich nicht länger!« Das Holo fällt in sich zusammen.

Ich schiebe meinen Ärger über die Schroffheit des Munuam beiseite. Man misstraut mir. Solange ich meine Position als Quintarch nicht angetreten habe, behandelt man mich mit widerwilligem Respekt.

»In einer Stunde verbindest du mich erneut mit ihm«, sage ich zu Meideina. »Wir müssen stets im Bilde über den aktuellen Stand sein.«

»Du machst dir Zebuchor zum Feind, Reginald.«

»Das ist mir wurscht. Außerdem bin nicht ich derjenige, der provoziert.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Es wäre für ihn ein Leichtes, mir alle Daten zur Verfügung zu stellen. Aber wir sind nicht ins Informationsnetz von FENERIKS Streitmacht integriert. Also stelle ich mir die Frage: Warum nicht? Was hat Zebuchor zu verbergen?«

*

Leider reichen die Mittel der Chaos-Bake nicht aus, um mir selbst einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Ich bin auf Fremdauswertungen angewiesen. Kein Wunder angesichts von mehreren Milliarden Entscheidungen und Veränderungen im großen Tanz der Flotten, die rings um FENERIK in jeder Millisekunde geschehen.

»Mag sein, dass sich dort ein Brandherd entwickelt, der sich weit ausbreiten könnte.« Meideina deutet auf ein Holo.

Auf einen Wink hin vergrößert sich das Bild. Mir ist, als würde ich in einen Raumsektor mit ungewöhnlicher Raumschiffsdichte gezogen werden.

Wobei »Dichte« ein sehr relativer Begriff ist. Wir reden von durchschnittlich drei Schiffen pro Kubik-Lichtsekunde, sageichmirselbst.

Die Rechner der Ash'sharal verarbeiten die Bilder und erleichtern mir die Orientierung. Es wirkt, als würden Bienen einander umschwirren. Bienen zweier feindlicher Schwärme. Zornig rasen sie umher, tauchen in den jeweiligen Hauptpulk des anderen Schwarmes, lösen sich wieder daraus, rasen mit irrwitzigem Tempo davon und nähern sich bald darauf wieder an.

Es gibt Provokateure auf beiden Seiten. Sie locken und verlocken. Sie wollen den jeweils anderen dazu bringen, die Nerven zu verlieren und anzugreifen. Es handelt sich um Trikuben der Munuam und um Walzenraumer der Mehandor.

Die Mehandor sind lediglich mit einem kleinen Flottenaufgebot vertreten. Ich kenne die Galaktischen Händler seit langer Zeit. Warum lassen sie sich überhaupt auf diese Provokationen ein?

Es geschieht etwas. Es wird sich im Nachhinein wohl kaum aufklären lassen, wer zuerst geschossen hat und warum. Fakt ist: Die Waffen sprechen. Jene mit Unterlichtgeschwindigkeit werden im Holo als rote Feuerlanzen dargestellt, jene mit Überlichtgeschwindigkeit als gelbe Explosionsblumen, die stets in der Nähe von Schiffen auftauchen.

Illustration: Dirk Schulz

»Sag Zebuchor Bescheid!«, weise ich Meideina an.

»Er ist bereits informiert. Er hält sich zurück und beobachtet.«

Natürlich. Der Zwischenfall ist zu klein und bloß auf einen winzigen Teil des Aufmarschgebiets zweier Flotten beschränkt. Das Terrain, das der Munuam im Auge behalten muss, verändert sich darüber hinaus stetig. Wir rasen dahin, entlang der hypergravitativen Trasse und damit auf die Yodor-Sphäre zu.

Ich muss eingreifen, muss etwas tun! Dort sterben ungezählte Lebewesen.

»Zwei Treffer«, meldet Meideina. »Drei Abschüsse. Alle aufseiten der Mehandor. Die Trikuben sind ihnen überlegen.«

Ich beobachte schweigend. Die Munuam isolieren einige Schiffe der Mehandor, um sie anschließend manövrierunfähig zu schießen. Der Bienenschwarm, der über die tödlicheren Stacheln verfügt und der aggressiver agiert, wird gewinnen.

Du musst etwas tun, Bully! Du musst dein ganzes Gewicht als künftiger Quintarch in die Waagschale werfen und dafür sorgen, dass sich die Munuam zurückziehen!

Ich mache nichts, und ich verachte mich dafür. Ich habe eine größere Aufgabe vor mir. Ich muss die ganz große Katastrophe verhindern und darf mir nicht die Chance verbauen, in die obersten Ränge FENERIKS vorzudringen. Ein falscher Satz von mir, und ich verliere diese Chance.

Es macht mich schier verrückt, untätig zu bleiben. Ich bin kein Atlan, der mithilfe seines Extrasinns abschätzen und bewerten kann, der Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt. Ich bin Reginald Bull, und ich will den Munuam ordentlich einen vor den Latz knallen.

»Neuankömmlinge«, sagt Meideina und deutet auf fünf Schiffe, die ins Innere der beiden Bienenschwärme vordringen.

Kugelraumer. OXTORNE-Schlachtkreuzer. Ultrakompakte Schiffe aus terranischer Fertigung.

Weitere Informationen trudeln ein. Angeführt wird der fünf Raumer zählende Kleinverband von einem Oberst namens Achill Maccao. Ich habe den Namen in Erinnerung, kann ihn aber nicht recht zuordnen. Maccao befehligt die DILJA MOWAK.

Der Oberst zieht die Aufmerksamkeit auf sein Schiff. Er lockt, er feuert, er zieht sich wieder zurück und stößt erneut vor, um die Trikuben der Munuam von den havarierten Mehandor-Walzen abzulenken.

Ich ertappe mich dabei, mit Maccao mitzufiebern. Meine Finger bewegen sich, als würden sie über Tastaturfelder huschen. Ich flüstere Befehle an die Besatzung, ich formuliere meine Gedanken. Ich bin er, er ist ich.

Maccao macht seine Sache gut. Ich hätte ähnliche Manöver fliegen lassen, um Aufmerksamkeit zu binden und dadurch den Mehandor Gelegenheit zu geben, sich in Beiboote zu retten. Maccao scheint ein erfahrener Mann mit einer gewissen Raffinesse zu sein ...

Halt! Warum schickt er die Beiboote raus? Nicht zu diesem Zeitpunkt! Viel zu früh! Er hätte länger warten und sie fernab der zerstörten Walzen absetzen müssen. Maccao begeht einen Fehler!

»Wie bitte?«

Ich tauche in die Wirklichkeit zurück und merke, dass ich einen Teil meiner Gedanken laut ausgesprochen habe. Mieke Meideina blickt mich fragend an, ich zucke mit den Achseln. Ich habe keine Zeit für sie.

Die DILJA MOWAK zieht am meisten Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist viel zu nah an den Munuam-Verbänden, ebenso die ausgeschleusten Beiboote. Maccao riskiert viel zu viel.

Und dennoch wirken seine Gegner überrascht. Das Gedränge im Raumsektor ist beachtlich. Jedes Manöver, jeder Schuss muss genau bedacht werden, will man nicht eines der eigenen Schiffe in Gefahr bringen.

Das mag angesichts der Größenverhältnisse verwundern. Trikuben mit einer Längenausdehnung von etwa 4000 Metern sind nichts in einem Bereich, der in Millionen von Kubikkilometern gemessen wird. Wer aber schon einmal einen Bienenschwarm nahe des heimatlichen Nests beobachtet hat, weiß, wie sehr sich die Größenrelationen zu verschieben scheinen. Selbst Positroniken kommen mitunter an die Grenzen ihrer rechnerischen Leistungsfähigkeit, wenn sie Hunderte oder gar Tausende willkürlich umherrasende Schiffe in ihre taktischen Überlegungen einbeziehen müssen.

Maccao nützt diese ... Enge aus. Einige seiner Beiboote nähern sich den havarierten Mehandor-Schiffen. Manche lösen sich gleich wieder aus dem umkämpften Bereich, andere fliegen Ablenkungsmanöver. Nur zwei docken länger als einige Sekunden an den Wracks an.

Oder? Täusche ich mich? Verfügen die Beiboote über Paros-Schattenschirme, die sie quasi unsichtbar und für den Großteil der Muruam-Waffensysteme unantastbar machen? War das nicht bisher ausschließlich den ZALTERTEPE-Jets vorbehalten gewesen?

Ich möchte Maccao anfunken, wage es aber nicht. Der terranische Oberst muss diesen Kampf allein ausfechten – und er scheint auch keine Hilfe zu benötigen.

Seit zwei Minuten herrscht völliges Chaos im umkämpften Sektor.

Ringsum tut sich ... nichts. Hat Zebuchor die Auseinandersetzung nicht zur Kenntnis genommen? Interessiert er sich nicht dafür? Beobachtet er lediglich, um mehr über das taktische Spektrum der Galaktiker herauszufinden?

Oder ist er verblüfft angesichts der Impertinenz, mit der Maccao angreift?

Dumpfes Knacksen dringt aus einem Lautsprecher. Er wurde eigens für Meideina und mich installiert, denn die Ash'sharal sind nicht auf akustische Verständigung angewiesen. Sie können zwar hören, aber diese banale Sinneswahrnehmung interessiert sie nicht.

Nach einigen Sekunden verändern sich die Töne. Bald darauf übertönt eine Stimme jene Störgeräusche, die in einer wild geführten Auseinandersetzung unweigerlich entstehen.

Ich höre mehrere terranische Offiziere miteinander reden. Es sind bloß Bruchteile eines Hyperfunkgesprächs, und ganz gewiss sind sie nicht Teil des offiziellen Bordfunks. Sie sind eine, nun ja, akustische Nebenspur, die manchmal im Verkehr zwischen mehreren Schiffen geöffnet wird, um einen Feind zu verwirren. Um Selbstsicherheit zu dokumentieren oder Schwäche vorzugaukeln. Um falsche Spuren zu legen.

Maccaos Name fällt. Gleich darauf höre ich eine prägnante und befehlsgewohnte Stimme, die ich dem Oberst zuordne. Er fordert Gesprächsdisziplin und gibt Zahlencodes weiter, die von den Hörern augenblicklich bestätigt werden. Maccao meldet sich abrupt ab, für eine Weile herrscht wieder Ruhe.

»Das ist wieder mal typisch für den Alten«, sagt eine Frau. »Brillant, aber hochriskant.«

»Das ist nun mal sein Credo«, meint eine dünne Männerstimme. »Aber wir wollten es nun mal so, nicht wahr? Immer eine Pfeilspitze vom Tod entfernt.«

»Immer eine Pfeilspitze vom Tod entfernt«, kommt es wie ein Echo.

Was für ein sonderbarer Spruch – oder Kodex. Er scheint für die Besatzungen von Maccaos Schiffe eine Bedeutung zu haben.

Die Funkverbindung bricht ab, es wird still. Angespannt sehe ich zu, wie sich die Auseinandersetzung weiter entwickelt.

Maccao schafft es. Irgendwie. Durch Wagemut, vielleicht auch Verrücktheit. Nach 15 Minuten zieht er die Beiboote und die Mutterschiffe zurück. Eine Erfolgsmeldung macht die Runde, sie verbreitet sich über alle galaktischen Einheiten.

Wie hat Maccao es hinbekommen, die havarierten Walzenraumer der Mehandor in Blitzesschnelle zu evakuieren, ohne dass auch nur ein einziges Beiboot seiner eigenen Einheiten beschädigt wurde? Kein einziges der kleinen Schiffe war länger als zwei Minuten an den Wracks dran.

Auch die involvierten Trikubus-Einheiten haben keine Schäden davongetragen. All dieses Krachbumm war Theaterdonner, orchestriert von Oberst Achill Maccao und perfekt inszeniert von seinen Leuten. Er hat es irgendwie geschafft, auch mich als Beobachter vom eigentlich Wichtigen abzulenken.

Schließlich liefern die Ash'sharal die Lösung des Rätsels. Sie haben zusätzliche energetische Signaturen entdeckt, die von den eigentlichen Kampfspuren fast überdeckt worden waren. Diese Signaturen zeigten eine Menge Peaks, die mir bekannt vorkommen.

Ich verstehe, was vor sich gegangen ist.

»Er hat vollständig installierte Transmitter über den havarierten Mehandor-Raumern absetzen lassen. Vielleicht wurden sie auf positronisch gesteuerten Antigravplattformen ins Ziel gelenkt. Sie klinkten an Schleusen oder in Lücken der Wracks an und wurden aktiviert.«

»Ungesicherte Transmittertransporte während einer Raumschlacht?«, fragt Meideina ungläubig. »Unmöglich! Das Energieaufkommen ringsum ist viel zu hoch, die Transportfelder und die stabilisierenden Säulen können unmöglich mitten in fünfdimensionalem Schwerstfeuer eingesetzt werden.«

»Selbstverständlich geht das.« Meideina müsste das eigentlich wissen. »Transmittertechnik funktioniert selbst unter den widrigsten Bedingungen. Wir wenden sie bloß selten an, weil stets ein Restrisiko vorhanden ist.«

»Oberst Maccao hat also den Tod der Mehandor in Kauf genommen?«

»Ja. Allerdings hat er das Risiko weitgehend reduziert. Stets waren mehrere Beiboote in vergleichsweise geringer Nähe zu den Wracks. Die abgeworfenen Transmitter dürften die jeweils nächstgelegene Empfangsstation angemessen haben. In Blitzesschnelle konnte er so die Wartenden evakuieren.«

»Das ist völlig verrückt! All das Risiko! Maccao hat gewiss ein halbes Dutzend Vorschriften gebrochen. Und vermutlich wurden Kranke und Verletzte in den Walzen zurückgelassen.«

»Dennoch hat er es getan. Die Energiesignaturen sind eindeutig.«

2.

Unruhepause

Ich schlafe drei Stunden. Mehr als in den vergangenen Tagen im Schnitt.

Ich wache auf, gerädert und schlecht gelaunt. Als ich auch noch so etwas wie das Pendant der Ash'sharal zu einem terranischen Kaffee vorgesetzt bekomme, sinkt meine Stimmung weiter.