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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Eines soll sich in der Galaxis Morschaztas befinden. Diese aber ist unzugänglich, und ihre Herrscher – Cappins aus dem Volk der Panjasen – reagieren feindselig auf die Fremden aus der Milchstraße. Ein terranisches Raumschiff ist in diesem Umfeld getarnt unterwegs, um Informationen zu sammeln. Es ist DIE FAHRT DER AURA...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Nr. 3205
Die Fahrt der AURA
Vorstoß ins Reich der Panjasen – es ist ein Paradies mit dunklen Seiten
Susan Schwartz
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1. Vergangenheit: Ein neuer Job und die Folgen
2. Gegenwart: Die Handelskonferenz
3. Nächtlicher Besuch
4. Aufmarsch der Garde
5. Auf dem Feld
6. Der Angriff
7. Nicht aufzuhalten
Epilog
Fanszene
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Eines soll sich in der Galaxis Morschaztas befinden. Diese aber ist unzugänglich, und ihre Herrscher – Cappins aus dem Volk der Panjasen – reagieren feindselig auf die Fremden aus der Milchstraße. Ein terranisches Raumschiff ist in diesem Umfeld getarnt unterwegs, um Informationen zu sammeln. Es ist DIE FAHRT DER AURA ...
Ephin – Der Galaktiker offenbart sich den Unterdrückten.
Antanas Lato – Der Sonderling bleibt nicht nur aus eigenem Willen abgesondert.
Razugesch – Der Herrscher herrscht nach außen nur eingeschränkt.
Ashtige – Die Gärtnerin erntet unverhofft das Unvorstellbare.
Pschai
Prolog
RA, dort draußen
Irgendwo in Gruelfin, abseits jeglicher Bedeutung im kosmischen wie politischen Sinn, gab es einen planetenlosen Roten Riesen, der sich aufs Sterben vorbereitete.
In seinem Ortungsschutz versteckte sich ein seltsames Gebilde, wie es die Bewohner dieser Galaxis sicherlich noch nie erblickt hatten. Und wenn sie es wüssten, würde ihre Begehrlichkeit kaum eine Grenze kennen.
Es war nicht besonders groß, nur etwa 20 Meter lang und in der Mitte um die acht Meter im Durchmesser. Ein weiß schimmernder Tropfen, dem erst ab einer gewissen Distanz anzusehen war, welche schweren Schäden er vor Kurzem hatte hinnehmen müssen.
Allerdings war der Zustand bei Weitem nicht mehr so besorgniserregend wie nach dem Moment, als die Kastellan-Kapsel RA in den vollen Beschuss nicht nur eines panjasischen Raumers geraten war. Die Selbstreparatur lief auf Hochtouren, und viele der kleineren Kerben und Risse waren bereits beseitigt.
Wie hatte es dazu kommen können, obwohl die RA über einen hervorragenden Tarnmodus verfügte, eine Kombination aus Deflektorschirm und hochwertiger Laurin-Antiortung?
Die Nähe war es, und sie war durch die Falle entstanden, in die das Tropfenschiff gelockt worden war.
Der Terraner Antanas Lato war allein an Bord gewesen, als er den Hilferuf eines Beibootes unter Feindbeschuss erhalten hatte. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, das wusste auch Lato und wollte sich das zunutze machen, um Verbündete zu gewinnen.
Erst im sprichwörtlich letzten Moment erkannte er, dass es sich um einen Hinterhalt handelte. Das scheinbar Unmögliche war dabei eingetreten: Die RA wurde durch den massiven Angriff der Panjasen nahezu manövrierunfähig geschossen, der Antrieb war so schwer beschädigt, dass an Flucht nicht mehr zu denken war. Lato hatte einen Notruf abgesetzt ...
... und nun war er hier.
*
Antanas Lato galt in der Milchstraße als der führende Wissenschaftler in Hyperphysik und Dimensiologie, ein wahres Genie, das besser mit Maschinen als mit organischen Wesen zurechtkam. Entsprechend fühlte er sich für die RA verantwortlich, denn er gab sich einen Teil der Schuld, dass die Kapsel, die eigentlich dem unsterblichen Arkoniden Atlan da Gonozal gehörte, beinahe zerstört worden wäre.
Hätte er es verhindern können, wenn er sich besser im Umgang mit anderen ausgekannt hätte?
Nein, gewiss nicht. Seine strategische Überlegung war richtig gewesen. Selbst der Bordrechner RA hatte ihm darin zugestimmt.
Aber war das der einzige Grund für seine Entscheidung gewesen?
Vielleicht nicht. Es mochte sein, dass die langjährigen Therapiesitzungen doch Früchte getragen hatten, ihn menschlicher zu machen.
Selbstverständlich war Lato sich dessen bewusst, dass man nicht tatenlos dem Untergang eines anderen zusah, der um Hilfe bat. Die Chancen für die Echtheit des verzweifelten Rufes lagen seinen damaligen Informationen zufolge bei 50 Prozent. Deshalb bereute er seine Entscheidung nicht. Er mochte im Umgang mit anderen unbeholfen und linkisch sein, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er nicht die Grundanlagen für Hilfsbereitschaft und Fürsorge in sich trug.
Lato würde es nicht nur deshalb wieder tun, das bereute er nicht.
Der Vorwurf, den er sich machte, bestand darin, nicht früher gemerkt zu haben, dass es eine Falle gewesen war. Auf einmal waren es die RA und er gewesen, die sich in der Notlage befanden.
Die Wahrscheinlichkeit, daraus gerettet zu werden, hatte bei deutlich unter 50 Prozent gelegen. Genau gesagt, bei drei Prozent, um rechtzeitig die Eintrittsgeschwindigkeit für die Flucht in den Linearraum zu erreichen. Jedoch bedeutete alles, was über null Prozent lag, eine Chance, die genutzt werden konnte und musste. Vor allem, wenn es eine dem Feind nicht bekannte Unterstützung in der Nähe gab.
Lato hatte um Hilfe gefunkt, und sie war gekommen – direkter als gedacht.
Der Galaktische Kastellan Alschoran – der sich genau wie Perry Rhodan unerkannt und heimlich im Habitat der sich in der Nähe befindlichen MAGELLAN aufhielt – hatte mittels seiner Paragabe der Semi-Pedotransferierung Latos Körper übernommen und in höchster Eile das Notwendige getan.
Die Chancen stiegen sprunghaft, jedoch waren die Aussichten keineswegs rosig, dass die Flucht in den Linearraum unter dem fortgesetzten Beschuss trotzdem gelingen könnte. Alschoran konnte es immerhin bewerkstelligen, den Transtachi-Antrieb, den für kurze Strecken und Notsprünge gedachten Transitionsantrieb, so mit Energie zu versorgen, dass die Übertrittsgeschwindigkeit erreicht werden konnte. Aber ob das rechtzeitig gelang?
Und dann griff das Glück zu, das vielleicht der Ansicht war, sowohl die Kapsel als auch der darin befindliche Wissenschaftler würden noch gebraucht.
Es kam unerwartet die lange vermisste AURA zur Unterstützung hinzu!
Die Übertrittsgeschwindigkeit war zu dem Zeitpunkt fast erreicht. Nun zeigte sich die wahre Besonderheit des Transtachi-Antriebs. Bei der Rematerialisation war eine frei wählbare Raumorientierung mit einem genau definierten Bewegungsvektor möglich.
Um das unter diesen Umständen zu schaffen, benötigte Alschoran nicht nur seine ungeheuer schnellen Reflexe, sondern auch die Kybertronik-Haube, die ihn unmittelbar mit der RA verband. Dank des Zusammenspiels wurde die Kapsel unverzüglich in den Hangar der sich in beschleunigender Bewegung befindlichen AURA befördert.
Die einzige Bedingung bestand darin, dass die Schutzschirme für den Moment des Sprungs desaktiviert waren. Was das Vertrauen der Kommandantin der AURA, die diese Technik nicht kannte, herausforderte – und sie hatte richtig entschieden.
Lato bedauerte immer noch, dass er von all dem nichts mitbekommen hatte, da sein Bewusstsein während der Übernahme ausgeschaltet gewesen war. Ihm blieben nur aus zweiter Hand die anschließende Erzählung des Gegenübers – wie der Bordrechner der Kastellanraumer allgemein bezeichnet wurde – und die Aufnahmen, nachdem er wieder zu sich gekommen war.
Auf diese Weise hatte sich nicht nur die glückliche Fügung der Rettung ergeben, sondern auch das bis dahin unbekannte Schicksal der AURA hatte sich endlich geklärt. Der 250 Meter lange und 90 Meter durchmessende Spezialraumer der MAGELLAN, der in typisch cappinscher Ei-Form angelegt war, hatte sich zum Zeitpunkt der feindlichen Übernahme des Ultratenders auf einem Erkundungsflug befunden und war dadurch frei und unentdeckt geblieben.
Über ihre Abenteuer hatte Lato nichts weiter erfahren, was vermutlich daran lag, dass er keinen Kontakt zur Mannschaft gesucht hatte, sondern in der RA geblieben war. Aus den wenigen Gesprächen, die er mit der Kommandantin führte, wusste er nur so viel, dass die AURA aktiv gewesen war und sich intensiv über die aktuellen Verhältnisse in jeglicher Richtung – Politik, Kultur, Völker, Sprachen – kundig gemacht und schon einige Einsätze in Bezug auf den Handel gewagt hatte.
Nicht zuletzt, um sich eine Tarnidentität zuzulegen und kein Misstrauen zu erwecken. In jeder Galaxis waren Händler stets auf dem neuesten Stand mit Informationen, auch geheimen, und geschwätzig. Vor allem, wenn man sie zu dem einen oder anderen Pangalaktischen Donnergurgler einlud.
Diese wenigen Auskünfte genügten Lato, um sich ein Bild zu machen. Im Gegenzug hatte er die Besatzung über alle aktuellen Entwicklungen informiert, nicht sehr wortreich, aber er ließ dabei nichts aus. Und dabei wollte er es belassen, er musste sich um die RA kümmern. Die AURA brauchte ihn nicht.
*
»RA, geht die Selbstreparatur weiterhin zufriedenstellend voran?«, erkundigte sich Lato.
Er würde sich natürlich selbst vom aktuellen Fortgang überzeugen, doch er wollte zuerst die Befindlichkeit des Gegenübers in Erfahrung bringen. Eine Sextatronik unterschied sich erheblich von den üblichen Positroniken, selbst von ANANSI, der Semitronik der RAS TSCHUBAI.
»Es gibt keinerlei Komplikationen«, lautete die Antwort.
»Gut.«
Antanas Lato lehnte sich bequem in den Kontursessel zurück und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Steuerpult, das halbkreisförmig vor ihm in jede gewünschte Position gebracht werden konnte.
Kurz dachte er an die AURA. Wo sie wohl stecken mochte? War sie in Gefahr? Wahrscheinlich machte gerade das der Besatzung sogar Spaß.
Was Lato betraf, so war sein Bedarf an Abenteuern vorerst gedeckt. Er war Theoretiker und am liebsten von Holos voller Zahlenkolonnen umgeben, im Austausch mit einer Positronik oder – wie in diesem Fall – einer hoch entwickelten Sextatronik.
Insofern hatte er nichts dagegen gehabt, dass die AURA ihn zu dem Roten Riesen transportiert hatte, um die RA in Sicherheit zu schaffen. Unter keinen Umständen durfte die Kapsel den Panjasen in die Hände fallen. An einem verlassenen Ort wie diesem, an dem sich nicht einmal in weniger als einem Lichtjahr Entfernung Händlerrouten im Leerraum kreuzten, war die Prognose äußerst zufriedenstellend, dass niemand das reparaturbedürftige Kastellanschiff im Ortungsschutz der sterbenden Sonne entdecken würde.
»Nun, da Perry Rhodan eingetroffen ist, gibt es viel für uns zu tun. Wir müssen aktiv werden, und das bedeutet nicht immer hundertprozentige Sicherheit für dich und die RA. Ich hoffe, das macht dir nichts aus?« Kommandantin Madison Starblanket hatte ihre Verabschiedung mit einer Frage geschlossen.
Antanas Lato wusste von den Therapien her, was rhetorische Fragen bedeuteten – verlorene Worte um eine beschlossene Sache. Seine Weigerung hätte an der Entscheidung nichts geändert. Aber das war eben typisch menschlich: Immer musste etwas gesagt werden, selbst wenn es nichts zu sagen gab. Gewiss, Blanket hatte sich versichern wollen, dass Lato Vernunft walten ließ und die Notwendigkeit einsah, ihn allein zurückzulassen.
Sie hatte nur leider nicht verstanden, dass er anders war als die anderen und Zweifel längst zum Ausdruck gebracht hätte. Ihre Frage hatte lediglich ihrer eigenen Beruhigung gedient.
Lass Höflichkeit walten! Öffne dich! Die Unterweisungen und Ratschläge der Therapeuten waren tief in ihm verankert.
Mit dieser Situation konnte er umgehen, er erlebte sie nicht zum ersten Mal.
Deswegen hatte er gewusst, was er zu sagen hatte, und hatte ruhig geantwortet: »Unter den gegebenen Umständen ist das die beste Entscheidung mit der größtmöglichen Aussicht auf Erfolg.«
Illustration: Dirk Schulz
Sie hatte ihn mit jenem Blick bedacht, den sie alle bekamen, wenn sie ihn für seltsam hielten. Auch daran war Lato gewöhnt, er wusste um seine Defizite. Bis zu einem gewissen Grad war er bereit, einen Ausgleich zu schaffen, um den gegenseitigen Umgang zu erleichtern. Aber nur soweit er sich dabei wohlfühlte. Sich verstellen konnte und würde er niemals.
Lato war sogar froh, nicht Teil der Besatzung zu sein; das entsprach überhaupt nicht dem, was er als seine Aufgabe ansah. Er wäre ein Fremdkörper gewesen, und vermutlich hätte niemand etwas mit ihm anzufangen gewusst.
»Pass auf dich auf!«, hatte ihn die Kommandantin entlassen.
Bald darauf hatte die RA die vorgesehene Parkposition erreicht. Vor dem gigantischen roten Flammenmeer war sie allein schon durch ihre geringe Größe absolut unsichtbar.
Die AURA war verschwunden, und er war allein.
Wenn man es genau nahm, war Antanas Lato damit der einsamste Terraner in dem einzigen Raumschiff seiner Art in der fernen Galaxis Gruelfin, beschützt von einem nicht minder einsamen Roten Riesen.
Zufrieden lächelte er.
Das passt.
*
Viele Lichtjahre entfernt: Palast des Hapkar in Rokusch
»Musst du wirklich schon aufstehen?« Eine attraktive grünhaarige junge Frau rekelte sich in den dick gepolsterten Satinkissen und zog die Bettdecke gerade so weit herunter, dass zu erahnen war, was sich darunter verbarg.
Razugesch blieb unerbittlich, während der Robotdiener ihm in den Morgenmantel half. »Der Tag ist längst angebrochen, mein Herz, und ich habe viel zu tun.«
»Ist das wichtiger als ich?« Sie zog einen Schmollmund.
»Staatsgeschäfte sind noch ungeduldiger als du. Was man eben so erledigen muss als Hapkar.« Und nicht zu vergessen seine Aufp... Beraterin, die gewiss schon ungehalten wartete.
»Du bist der Herrscher von Hapcischan! Gerade du kannst doch auch einmal ausschlafen!«
»Gerade ich muss diszipliniert sein.«
»Oder gehorsam gegenüber der panjasischen Aufsicht.«
Razugeschs Stirn legte sich in hauchfeine Falten. Das war ein sehr dünnes Seil, auf dem sie gerade tanzte.
Langsam drehte er sich zu seiner Geliebten um. »Diese Aufsicht garantiert dir ein friedliches und unbeschwertes Leben, ohne dass du aus eigener Kraft etwas dafür tun musst. So wie ich für unseren Wohlstand garantiere und dafür sorge, dass niemand über die Stränge schlägt. Niemand.« Er sprach milde tadelnd wie ein Vater zu seinem bockigen Kind.
Selbstverständlich hatte sie recht, aber ihm gegenüber duldete er solche Bemerkungen nicht. Nicht nur, dass er annahm, dass selbst sein Schlafzimmer Ohren hatte, wo sie nicht hingehörten, sondern weil er keine Wahl hatte und nicht in der Lage war, einen Konflikt in dieser Richtung auszutragen.
Es war ein zweischneidiges Schwert. Hapcischan war ein blühender, angenehm warmer und sehr fruchtbarer Planet, zum großen Teil naturbelassen. Die Zivilisation konzentrierte sich auf die Städte, in deren Umland Ackerbau stattfand sowie Fabriken, Produktionswerkstätten und dergleichen mehr errichtet waren. Urlaubsgebiete waren in den Naturzonen streng abgeriegelt, die luxuriösen Hotels schwebten darüber und gewährten den Zugang in die großzügigen Freizeit- und Erholungsanlagen per Transmitter.
Darüber hinaus sicherte eine ganz besondere Essenz den phänomenalen Reichtum des Planeten, der sämtlichen Bewohnern eine so großzügige Grundausstattung garantierte, dass niemand für seinen Lebensunterhalt bei nahezu luxuriösem Standard arbeiten musste. Die meisten beschäftigten sich dennoch nicht nur mit Wissenschaft oder Kultur, sondern übten genau die Tätigkeiten aus, die ihnen angenehm waren.
Der Hapkar hatte den Vorsitz der Zentralregierung in der Hauptstadt Rokusch auf dem Kontinent Nyischa inne. Razugesch bekleidete diese Position nun schon seit vierzig Jahren – es wurde auch nur alle zehn Jahre gewählt. Der Grund dafür lag darin, dass es keinerlei Konflikte gab, seit die Panjasen die Fäden in der Hand hielten. Dem Hapkar stand eine Mentorin des Großen Ganjats zur Seite, der wiederum eine Panjasische Garde unterstand, die einem Ratschlag notfalls mit militärischer Präsenz Nachdruck verlieh.
Da sich an den Gegebenheiten ohnehin nichts änderte, regierte der oder die jeweilige Hapkar meistens so lange durch Wiederwahl, bis er oder sie sich nicht mehr zur Verfügung stellte.
Razugesch sah den Moment für sich noch nicht gekommen, einfach abzutreten, denn unter seiner Regierung verlief alles reibungslos. Er war umsichtig und diplomatisch und in der Lage, aufkeimenden Widerstand einzudämmen, bevor er eskalierte. Das war in früherer Zeit durchaus anders gewesen, denn immer wieder gerieten Ganjasen, Takerer und auch andere Völker mit den Panjasen aneinander. Das erzwungene Regelwerk, die Diktatur des Schönen, wie er es bei sich nannte, ließ selbst den Sanftmütigsten irgendwann in Zorn geraten, wenn er fortgesetzt von oben herab als minderwertig behandelt und behördlich gegängelt wurde.
Als Jugendlicher war Razugesch ein Rebell gewesen, der sich anderen angeschlossen hatte, um die Panjasen von Hapcischan zu vertreiben. Keine Frage, dass das von Anfang an aussichtslos gewesen war, aber so schnell wollten Razugesch und die anderen das eben nicht einsehen.
Fortlaufende Niederlagen und zuletzt ein hoher Preis hatten Razugesch zum Umdenken gezwungen und so hatte er überraschend die Laufbahn des Diplomaten und Politikers eingeschlagen. Die überlebenden Kampfgefährten von einst verfluchten ihn als Verräter, aber er sah die einzige Chance darin, seinem Volk wirklich zu helfen, indem er sich als Vermittler betätigte.
Denn die Panjasen könnten auch ganz anders. Solange sie scharf auf das Murupor waren, blieben se zurückhaltend und verzichteten auf die exzessive Prädikatisierung, die sonst allenthalben vorgenommen wurde. Aber er war sich bewusst: Sobald sie keinen Vorteil in dieser »Beziehung« mehr sahen, würden sie gründlich zuschlagen.
Razugesch fiel es nicht immer leicht, verbindlich und vermittelnd zu sein. Aber der Frieden ging nun einmal vor seine persönlichen Befindlichkeiten, seinen Freiheitsdrang und seinen Stolz. Die Panjasen konnten nicht vertrieben werden.
Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Gerade die takerische Geschichte hatte gezeigt – und der Hapkar war Takerer –, dass nichts ewig währte und auch eine zweihunderttausendjährige Herrschaft ein Ende finden konnte.
Von ihrem Ende aber waren die Panjasen noch weit entfernt, und deshalb musste man sich notgedrungen arrangieren.
*
Razugesch machte sich auf den Weg ins Badegelass, wo er von dem dafür zuständigen Servo erwartet wurde. »Die Frau in meinem Bett«, sagte er. »Sie möchte gehen. Ohne Frühstück.«
So hielt er es stets, wenn sein Vergnügen in Ärger umschlug. Seine Gespielinnen kannten die Regeln, so war es sicherlich auch für die Grünhaarige nicht überraschend. Anfangs hatte er sich bei solchen Gelegenheiten persönlich verabschiedet, aber nach einigen unschönen Szenen hatte er fortan darauf verzichtet. Er hatte keine Zeit dafür und auch keine Energie. Sein Privatleben sollte ausschließlich der Erholung dienen, als Ausgleich für das Regierungsamt.
»Sie ist bereits gegangen, Herr«, antwortete der Servo. »Sie bedankt sich durch mich für die Zeit, die du ihr gewidmet hast.«
Na, immerhin. Sie hatte gemerkt, dass sie zu weit gegangen war. »Übermittle ihr meinen Dank und die besten Wünsche.«
*
Nach der körperlichen Wäsche, die Razugesch jeden Morgen wie eine Reinigungszeremonie gestaltete, erwartete ihn der Robotdiener mit einer Tasse heißem Birm; als hätte er geahnt, dass das bittersüße Getränk genau das Richtige war. Dazu reichte er auf einem Tablett Lembi, ein pikantes, nährstoff- und energiereiches Gebäck, das die meisten Bewohner von Hapcischan bevorzugt als erste kleine Mahlzeit des Tages verzehrten.
Sorgfältig wählte Razugesch seinen Anzug aus und kleidete sich in Ruhe an, prüfte den Sitz, ordnete die kurzen weißen Locken und straffte seine große, stattliche Gestalt. Ein harter Tag stand ihm bevor – welcher war das nicht? –, aber sicher ein wenig härter als sonst.
Er würde es den Panjasen nicht zu leicht machen, das war seine Art der Rebellion. Und da er auf dem gesamten Planeten äußerst beliebt war, würden sie es nicht wagen, ihn zum Rückzug zu zwingen. Sie hatten nichts in der Hand gegen ihn.
Als er ins Freie hinaustrat, auf den weit hinausragenden, geometrisch wie ein Tortenstück gestalteten Balkon, auf dem sein Minigleiter ihn erwartete, hielt er kurz inne.
»Bist du da?«, fragte er ins Nichts hinein, während er den morgendlichen Sonnenschein auf seinem Gesicht genoss.