Perry Rhodan 3209: Das Siegel des Großadministrators - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 3209: Das Siegel des Großadministrators E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Diese Fragmente zu finden und wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Während er dazu in der fernen Galaxis Morschaztas unterwegs ist, geht es allem Anschein nach in der Milchstraße politisch ruhig zu. Als ein neues Volk die galaktische Bühne betritt, gewinnt ein Artefakt an Bedeutung: DAS SIEGEL DES GROSSADMINISTRATORS ...

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Nr. 3209

Das Siegel des Großadministrators

Zwei Agenten auf Luna – sie jagen einen Saboteur

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Anwerbung

2. Verfolgung

3. Besprechungen, Besprechungen

4. Vergangenheit 1

5. Gollokais Welt

6. Zwei neue Fleischsäcke

7. Im Kabinett

8. Zufall oder Manipulation?

9. Nachbesprechung

10. Vergangenheit 2

11. Immer einen Notfallplan parat

12. Manipulationen

13. Vorgeplänkel

14. Ein Spaziergang

15. Liebkind und Pasch

16. Taeb und Gollokai

17. Vergangenheit 3

Fanszene

Leserkontaktseite

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Diese Fragmente zu finden und wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Während er dazu in der fernen Galaxis Morschaztas unterwegs ist, geht es allem Anschein nach in der Milchstraße politisch ruhig zu. Als ein neues Volk die galaktische Bühne betritt, gewinnt ein Artefakt an Bedeutung: DAS SIEGEL DES GROSSADMINISTRATORS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Seq – Der Yaqana muss neuen Lebensmut finden.

Sascha Liebkind – Er wünscht sich in die Bedeutungslosigkeit zurück.

Suyemi Taeb – Die Agentin erfährt vom Siegel des Großadministrators.

Nording Gollokai

1.

Anwerbung

»Schasch.«

»Bezpalky.«

Sie blickten einander an. Für einige Sekunden war sie wieder da, die alte Vertrautheit. Ein Zusammenspiel von Zuneigung, Wärme, Freude und, zugegebenermaßen, Begierde.

Der Moment verging, die Wirklichkeit holte Sascha Liebkind ein. Er blickte auf die Admiralin Satou Bezpalky. Seine Vorgesetzte, die gefühlte hundert Rangstufen über ihm stand und für die Verteidigung des Solsystems verantwortlich war.

»Ich vermute, dass es sich nicht um einen privaten Anruf handelt?«, fragte Liebkind.

»Nein.« Die Admiralin räusperte sich. »Wir ... ich ... brauche deine Hilfe.«

»Diese Worte habe ich allerdings noch nie aus deinem Mund gehört.« Liebkind konnte nicht anders. Er musste diese kleine Spitze setzen und auf einen der Gründe hinweisen, warum ihre gemeinsame Zeit nur so kurz gewesen war.

»Willst du schon wieder damit anfangen?«

»Verzeih. Du hast recht, es war unfair von mir. Also: Wobei kann ich helfen? Ich bin bloß ein einfacher Soldat, der auf einer Station jenseits des TERRANOVA-Schirms sitzt und in den Tiefen seiner Nase bohrt, weil es sonst nichts zu tun gibt.«

»Damit sind wir beim Thema, Schasch.«

»Du meinst meine Nase? Ja, mir gefällt sie auch sehr gut.«

Die Admiralin verzog das Gesicht, als würde sie sich über seine Worte ärgern, zeigte aber auch dieses bezaubernde Stirnrunzeln. Sie hatte sein loses Mundwerk stets gemocht.

»Du bist Soldat, Schasch. Darauf möchte ich hinaus. Du hast dich damals aus der Verantwortung gestohlen und dich auf diese Einsiedlerstation versetzen lassen. Gegen meinen Willen. Gegen den Willen all deiner Vorgesetzten.«

»Du weißt sehr gut, warum.« Weil ich dich niemals wiedersehen wollte. Ich hatte Angst, zugrunde zu gehen, nachdem unsere Beziehung geendet hatte. Ich durfte keine Minute länger in deiner Nähe bleiben.

»Also schön: Ja, ich weiß es. Und es tut mir leid, dass es gekommen ist, wie es gekommen ist. Das ist eine Privatsache zwischen dir und mir. Heute aber möchte ich dich um einen Gefallen bitten.«

»Und wenn ich dir diesen Gefallen nicht erfülle, wirst du mir einen Befehl erteilen, richtig? Damit du erreichst, was du willst. Wie immer.«

»Nein, Schasch. Es würde mir leidtun, aber ich werde dich nicht zwingen. Auch wenn ich es kraft meines Amtes könnte. Aber ich will dich für diesen Job haben und ich möchte, dass du ihn freiwillig annimmst. Weil du nun mal einer der Besten bist.«

»Ich soll in meine alte Rolle zurückschlüpfen? Du weißt, dass ich geschworen habe, das nie mehr zu tun?«

»Du bleibst also bei deiner Entscheidung? Obwohl ich dich bitte, mir zu helfen?«

Liebkind musterte seine ehemalige Freundin, Partnerin, Geliebte. Die Frau, die so knallhart und butterweich zugleich sein konnte.

Was war sie in diesen Sekunden? Log sie ihn an? Wollte sie ihn locken oder verführen, ihn ausnützen wie so oft zuvor? Oder meinte sie es schlichtweg ernst mit ihren Worten?

Verdammt, Bezpalky! Du weißt ganz genau, dass ich dir selbst jetzt nicht widerstehen kann.

Immerhin gelang es ihm, diese Worte nicht laut auszusprechen.

»Also schön, Admiralin. Ich mache es. Unter einer Bedingung.«

»Und die wäre?«

»Ein Abendessen. Wir beide allein. In Terrania im nobelsten Restaurant oder in der miesesten Kantine eines heruntergekommenen Händlerraumers – das ist mir einerlei.«

»Was erhoffst du dir davon, Schasch?«

»Ich weiß es nicht, Bezpalky.« Ich will dich einfach noch mal wiedersehen. Ein einziges Mal dich riechen, dir zuhören, dich ansehen, deine Nähe spüren.

»Das wird dir nicht guttun, Schasch.«

»Lass das meine Sorge sein. – Nun?«

»Einverstanden.«

Liebkind unterdrückte seine Freude, so gut es ging. Am liebsten wäre er von seinem Platz aufgesprungen und durch die Gänge der kleinen Station getanzt. »Dann sind wir uns einig. Und nun sag mir, worum es eigentlich geht.«

»Du weißt, dass Terra und die Flotte nicht immer hundertprozentig auf einer Linie liegen, wenn es um die Sicherheit des Solsystems geht.«

»Du redest von der Konkurrenz zum Terranischen Liga-Dienst, nicht wahr? Du traust ihm nach wie vor nicht über den Weg.«

»Sagen wir mal so: Es gibt da eine Entwicklung, die mich ein wenig irritiert. Du hast von der Sache im Solaren Haus gehört?«

»Beiläufig.«

»Es scheint dabei um eine größere Sache zu gehen. Aurelia Bina, die Chefin des TLD, ist nicht sonderlich mitteilungsbedürftig, was die Details dieser Angelegenheit angeht. Deshalb werde ich darauf bestehen, dass jemand die Agenten des Liga-Dienstes ... unterstützt. Jemand, dem ich bedingungslos vertraue.«

»Darf ich das als Kompliment verstehen?«

»Was deine professionelle Kompetenz angeht, habe ich niemals an dir gezweifelt, Schasch.«

»Also schön. Worum geht es also?«

»Ich lasse dir ein Dossier mit all den bekannten Details zu den Geschehnissen zukommen. Aber ich fasse dir mal kurz den Bericht der TLD-Agentin zusammen, mit der du in den nächsten Tagen zusammenarbeiten wirst ...«

Satou Bezpalky schloss die Augen, wie sie es immer tat, wenn sie sich besonders konzentrierte, und begann zu erzählen.

»Ich habe dir diese Informationen offiziell nie gegeben, sie sind noch gesperrt. Die Trivid-Nachrichtendienste reichen derzeit eine deutlich entschärfte Version der Geschehnisse weiter. Vor allem deshalb, weil es noch so viele Rätsel und Unbekannte gibt, die der TLD nicht so recht einordnen kann. Entsprechend vorsichtig ist Bina bei dem, was sie an die Öffentlichkeit im Solsystem weitergibt.«

»Ich verstehe.«

2.

Verfolgung

Suyemi Taeb kämpfte mit aller Kraft gegen die Angst an. Eine mentale Welle schwappte über sie hinweg und vermittelte das Gefühl des Ertrinkens. Des Untergangs in einem See voll schwerer, schwermütiger Gedanken, die ihr jegliche Hoffnung auf eine Rückkehr in die Realität nahmen.

Du wirst dich nicht unterkriegen lassen.

Eine Stimme, vage bekannt. Nicht hörbar. Irgendwo in ihrem Hinterkopf zu Hause. Ein Kobold, der mal da war und Taeb nervte, mal tage- oder gar wochenlang verschwunden blieb.

Der Extrasinn. Teil ihres arkonidischen Erbes.

Selten zuvor war sie derart froh gewesen, ihn mit an Bord zu haben, denn er redete mit ihr. Er unterstützte sie beim Kampf gegen die Angstwelle. Er war der Fels der Logik in der Brandung und sorgte dafür, dass sie wieder auftauchen konnte. Dass sie in die Realität zurückkehrte.

*

Taeb kam mühsam auf die Beine. Noch drehte sich alles rings um sie, noch war sie schwach. Aber sie musste Bruno Boukarina hinterher. Er war vor ihren Augen verschwunden. Vermutlich hatte er etwas gestohlen. Aus den Kellerarchiven des Solaren Hauses. Und ebenso vermutlich hatte er etwas mit diesen Angstattacken zu tun. Er hatte sie forciert und damit die Voraussetzungen für den Diebstahl geschaffen. Wie das geschehen war, scherte sie vorerst nicht. Sie würde Boukarina folgen, ihn dingfest machen und zu den Geschehnissen befragen.

Du machst zuerst ein paar Dagorübungen, um deine Mitte wiederzufinden, empfahl der Extrasinn. Was du jetzt an Zeit investierst, wird dir später zugutekommen.

Taeb gehorchte. Atemübungen, eine rasche Selbstreflektion, einige Dehnungsschritte. Ein paar Prinzipien des Dagor-Zhy verinnerlichen, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte.

Der psychische Druck war nach wie vor da und setzte ihr zu. Aber Taeb schaffte es, sich dagegen zu wehren.

Sie setzte sich langsam in Bewegung, sobald sie sich bereit dazu fühlte. Auf die beiden TARAS zu, die sie in einer Entfernung von etwa 50 Meter erwarteten. Sie hatten Bruno Boukarina entkommen lassen. Weil sie, Taeb, den Kampfrobotern keinen Befehl erteilt hatte.

Oder?

»Statusbericht!«, befahl sie den Kampfrobotern. »Die letzten fünf Minuten. Was ist geschehen, wen habt ihr gesehen, welche Anweisungen hattet ihr?«

Einer der beiden TARAS ergriff das Wort. »Der Befehl lautete, hier auf Agentin Suyemi Taeb zu warten und auf ungewöhnliche Vorgänge zu achten.«

»Und?«

»Seitdem warten wir. Es ist nichts geschehen, was wir als ungewöhnlich erachtet hätten.«

»Es kam niemand aus dem Kellerarchiv hoch?«

»Negativ«, antwortete der Roboter. »Es ist alles in Ordnung. Niemand war hier.«

»Ihr habt nichts von den Vorgängen im Gastgarten des Solaren Hauses mitbekommen?«

»Negativ. Es ist alles in Ordnung.«

»Wer bin ich?«

»Ich ... weiß es nicht.« Der Roboter ließ seine Arme sinken. Sein kegelstumpfförmiger Körper sank langsam zu Boden. »Es ist nicht alles in Ordnung«, sagte er.

»Ihr leidet unter Fremdbeeinflussung«, sagte Taeb. »Ihr stellt euch augenblicklich außer Dienst und lasst euch von der Hauptpositronik des Solaren Hauses untersuchen. Nein, Kommando zurück! Ihr unterstellt euch Aurelia Bina. Erklärt euer Problem. Sie wird sich um euch kümmern.«

Bina. Sie hatte die Chefin des TLD völlig vergessen.

Taeb betrachtete ihr Armband. Sie hatte während ihrer ... Bewusstlosigkeit mehrere Nachrichten erhalten.

Sie aktivierte den TLD-Funk. »Aurelia?«

Taeb musste ungewöhnlich lange warten, mindestens eine Sekunde, bis sich die Posmi bei ihr meldete.

»Boukarina ist entkommen, nicht wahr?«

Typisch. Das war ihre erste Frage. Nicht, ob es Taeb gut ging und wie sie es geschafft hatte, trotz dieser sonderbaren Schmerzstrahlung aktiv zu bleiben.

»Ja. Ich folge ihm. Allerdings habe ich nur wenige Anhaltspunkte. Was hat er getan, um ...«

»Erkläre ich dir später, Suyemi. Ich bin mit der Positronik des Solaren Hauses verbunden. Sie wurde von Störstrahlungen irritiert, war aber in der Lage, Boukarinas weitere Spur innerhalb des Hauses zu verfolgen. Du bekommst die Informationen jetzt und folgst dem Mann. Außerdem erhältst du sämtliche Befugnisse als Einsatzleiterin bei der Jagd nach ihm.

NATHAN wird soeben verständigt. Ich will, dass du Boukarina stellst. Wir brauchen ihn lebend. Wir müssen wissen, was er angerichtet und warum er es getan hat. Dies war kein einfacher, spontaner Diebstahl, es war von langer Hand geplant. Bina Ende.«

Illustration: Swen Papenbrock

Ein Monolog mit konzentrierten Fakten und Anweisungen. Zwischenfragen waren Taeb nicht gestattet.

Sie unterdrückte ihren Ärger und konzentrierte sich auf die Aufgabe. Ein leises Signal ertönte, Taeb aktivierte das Holo ihres Armbands. Eine Schemadarstellung des Solaren Hauses erschien. Mehrere rot markierte Vektoren zeigten, welche Wege Boukarina genommen hatte. Sie waren mehrmals unterbrochen, offenbar dort, wo der Kosmopsychologe nicht von der Positronik des Gebäudes erfasst worden war.

Er hatte das Solare Haus durch Tor C verlassen. Durch einen Lieferantenausgang in ihrer Nähe. Gesichert durch mindestens einen TLD-Mitarbeiter und einen Roboter, mutmaßlich einen TARA.

Taeb machte sich auf den Weg. Mit langen Laufschritten folgte sie Boukarinas Spur und ging in Gedanken ihre Möglichkeiten durch. Sie trug den Großteil ihrer Standardausrüstung am Körper. Darüber hinaus musste sie die bestmöglichen Voraussetzungen für eine Verfolgung des Verdächtigen schaffen.

Sie erteilte via Funk einen Befehl, der an alle Dienststellen des Terranischen Liga-Dienstes im Großraum Terrania erging.

Tor C war unbewacht, wie erwartet. Eine Frau in Zivil lag am Boden, schwitzend, die Augen weit geöffnet und halb ohnmächtig. Die Schmerz- und Panikstrahlung ließ allmählich nach, aber es hatte die TLD-Agentin schlimm erwischt. Ihr Begleitroboter, ein Daniel-Modell, stand mit gesenktem Kopf da, als wäre er in einem Dämmerschlaf versunken.

Gleichmäßiger Regen erzeugte ein ruhiges Geräuschmuster. Taeb zog sich den Jackenkragen so hoch wie möglich, um sich zu schützen.

Sie sah sich um. Wohin war Boukarina geflohen? Links standen einige Transportgleiter, allesamt gegen Diebstahl geschützt, wie winzige blinkende Holos bewiesen. Geradeaus begann ein länglicher Grünstreifen, auf dem eine Herde von Przewalski-Pferden in der Dunkelheit vor sich hin döste. Unmittelbar neben ihnen war eine Strecke für Antigravscooter abgesteckt. Rötliche Streckenbegrenzungen waren vage zu erkennen. In der Ferne nahm Taeb die Positionslichter zweier Flitzer war. Sie entfernten sich.

Rechts von Taeb wurden Warencontainer von Funktionsrobotern entladen. Zu ihrem Bedauern war kein einsatzbereiter Posbi in ihrer Nähe zu sehen, mit dem sie sich hätte unterhalten können.

Die Gleiter, meinte ihr Extrasinn. Sieh genauer hin!

Taeb zählte sieben Gleiter.

Es waren vorher acht. Ein Parkplatz ist noch nicht völlig nass vom Regen.

Sie ärgerte sich kurz, dass sie nicht selbst auf diese einfache Lösung gekommen war, konzentrierte sich aber gleich wieder auf das, was vor ihr lag.

Sie aktivierte den Funk. Eine spezielle Verbindung zu einem der wichtigsten Rechnergehirne Terras. »NATHAN, ich benötige Bewegungsmuster aller Gleiter, die sich in den vergangenen drei Minuten aus der Nähe des Solaren Hauses vom Boden gelöst haben«, verlangte sie. »Gesucht wird Bruno Boukarina ...«

»Ich weiß Bescheid«, unterbrach sie die Baritonstimme NATHANS. »Aurelia Bina hat mich informiert. Meinen Aufzeichnungen zufolge gab es keinen registrierten Gleiterflug in diesem Zeitraum.«

»Und unregistrierte? Eine Unregelmäßigkeit im Leitsystem? Ein gestohlenes Fahrzeug, dessen Kennungen changieren?«

»Es gab in der letzten Stunde einen einzigen Fall mit einem unangemeldeten Gleiter, der deine Kriterien erfüllt. Jugendliche aus einem Vorort, die sich mit einem gestohlenen Luxusgefährt einen Spaß machten. Etwa vierzig Kilometer vom Solaren Haus entfernt.«

»Wir brauchen Kontrollen an Verkehrsknotenpunkten, NATHAN. Eine doppelte Überprüfung aller Kennungen. Jedem Verdacht muss nachgegangen werden. Gleiter, die aus den üblichen Leitsystemen ausscheren oder Auffälligkeiten im Flugverhalten zeigen. Boukarina wird nach einem Weg aus der Stadt suchen und womöglich mit Handsteuerung fliegen. – Du überprüfst alle Transmitterstrecken?«

»Selbstverständlich. Das war die erste Anweisung, die Aurelia Bina mir gegeben hat.«

»Sehr gut. Ich möchte über auch nur den geringsten Hinweis zu Boukarinas Verbleib informiert werden.«

»Natürlich.«

»Taeb Ende.« Sie gab einen Befehl an eine nahegelegene Leitstelle des TLD und wartete auf die Bestätigung. Der Regen ließ allmählich nach. Womöglich griff NATHAN in die Wettersteuerung ein, um sich selbst die Arbeit zu erleichtern.

Müde und dennoch mit geschärften Sinnen sah sie sich um. Die Jagd nach Boukarina machte etwas mit ihr. Taeb fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.

Was hast du vor?, fragte der Extrasinn.

»Du steckst in meinem Kopf, also weißt du es ganz genau«, sagte sie leise, wie sie es bei ihren Gesprächen mit dem Extrasinn immer tat, wenn niemand in der Nähe war.

Du gibst mal wieder deinen Emotionen und deinen Instinkten nach.

»Weil ich damit Erfolg habe.«

Ein Sirren ertönte, gleich darauf landete ein A-Scooter neben ihr. Ein frisiertes Modell, das mit einigen Besonderheiten aufwarten konnte, wie Taeb wusste. Sie mochte diese Dinger, sie waren vor etwa zehn Jahren wieder in Mode gekommen und hielten sich seitdem im Stadtbild. Taeb war mit Scootern das eine oder andere Mal auf einer Schnitzelflugrallye unterwegs gewesen.

Gegen meinen Willen und obwohl sie illegal sind.

»Du bist immer gegen alles, was Spaß macht.« Taeb setzte sich den beigebrachten Helm auf und ließ sich auf dem A-Scooter nieder. Sie überprüfte rasch die Funktionstüchtigkeit, bevor sie sich aus dem Leitsystem der Stadt löste und auf den Weg machte. Vorbei an den Przewalski-Pferden, die abgesteckte Antigravstrecke entlang.

Sie hatte Positionslichter gesehen. Vielleicht war Boukarina mit einem Gleiter geflohen, vielleicht auch nicht. Sie hielt das Verschwinden des Gefährts für ein Ablenkungsmanöver. Der Kosmopsychologe hatte viel Hirnschmalz in seinen Überfall auf das Solare Haus investiert. Taeb wollte nicht glauben, dass er nach dem Verlassen des Gebäudes damit aufgehört hatte. Ihrer Meinung nach war er auf einem A-Scooter unterwegs.

Sorgen bereitete ihr allerdings, dass sie die Positionslichter von zwei Fahrzeugen gesehen hatte. Wenn ihre Annahme über die Fluchtstrecke Boukarinas richtig war, hatte er einen Helfer bei sich.

*

Taeb klammerte sich am Lenker fest, löste sich aus der vorgegebenen Streckenführung und stieg in die Höhe, um sich Übersicht zu verschaffen. Mit einem regulären A-Scooter wäre ihr das nicht möglich gewesen. Sie glaubte auch nicht, dass Boukarina einen der manipulierten Scooter flog und sich aus dem Leitnetz NATHANS lösen konnte. Damit wäre er augenblicklich aufgefallen in einem Verkehrsnetz, das nicht mehr als 50.000 dieser Flitzer registriert hatte. Ganz im Gegensatz zu fast 50 Millionen Gleitern im Großraum Terrania, die aufgrund ihrer Masse eine Verfolgung wesentlich erschwerten.

Sie sah sich aus einer Höhe von etwa 300 Metern um. Die Lichter der Großstadt bildeten ein schwer zu durchschauendes Muster. Die Solare Residenz war auch in den Nachtstunden der Glanzpunkt der Stadt und strahlend hell beleuchtet. Die Silhouetten anderer markanter Gebäude waren gut zu erkennen, doch der Großteil Terranias verkam zu einem Muster aus Lichterketten, einzelner Leuchtpünktchen und größeren Lichtflecken. Riesige Werbeholos, die mancherorts wie Feuerwerksraketen hochschossen und ihre Botschaften in bunten Explosionen weitergaben, verwirrten die Sinne zusätzlich.

Taeb klappte das Halbvisier herunter. »Alle Scooter-Strecken in einem Umkreis von vierzig Kilometern anzeigen!«, befahl sie der Kleinpositronik ihres Gefährts.

Rot markierte Wege erschienen vor ihren Augen. Sie schlängelten sich in großer Anzahl bis zum Horizont. Taeb zählte fünf Strecken, die vom Solaren Haus aus leicht erreichbar waren. Zwei davon führten ins Altai-Gebirge und darüber hinaus. In unwegsames Gebiet, das über all die Jahrtausende seit Gründung der Stadt Terrania City naturbelassen geblieben war.

»Einen davon hat Boukarina garantiert genommen«, sagte sie zu sich selbst. »Er hat alles sorgfältig geplant. Und er steht auf simple, aber geradlinige Arbeit.«

Woher weißt du das? Oder verlässt du dich wieder mal auf dein Gefühl?

»Er ist Kosmopsychologe. Er muss bei seiner Verständigungsarbeit alles auf simple Logik herunterbrechen und den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, um erfolgreich zu sein. So etwas wirkt sich auf den gesamten Wesenskern aus, ob Boukarina nun möchte oder nicht. Déformation professionnelle.«

Zwei Strecken. Welche davon sollte sie nehmen?

Taeb ging in der Darstellung auf einen größeren Maßstab. Ortschaften und kleine Städte im Hochgebirge des Altais wurden eingeblendet, darüber hinaus das Changai-Gebirge.

»Ulan Bator«, sagte sie schließlich. »Die Hauptstadt der Provinz Mongolei. Weitab vom Schuss, aber groß genug, um sich zu verstecken. Außerdem nicht unbedingt die gastfreundlichste Stadt Terras. Wenn Boukarina von der Erde flüchten möchte, wird er es von dort aus versuchen.«

Glaubst du, dass er das vorhat?