Perry Rhodan 3211: Hüter der Schönheit - Verena Themsen - E-Book

Perry Rhodan 3211: Hüter der Schönheit E-Book

Verena Themsen

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Diese Fragmente zu finden und wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Er erkundet dafür die Galaxis Morschaztas und begegnet dort dem HÜTER DER SCHÖNHEIT ...

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Nr. 3211

Hüter der Schönheit

Die Ewige Ganja hält Hof – ihr Diener tilgt alles Unvollkommene

Verena Themsen

Robert Corvus

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Verheißung

1. Empfangen

2. Der letzte Zufall

3. Schleim

4. Landung

5. Stadtplanung

6. Begegnungen

7. Erscheinung

8. Freiheit

9. Besonderheit

10. Aufmerksamkeit

11. Infiltration

12. Störung

13. Mahnung

14. Präzision

15. Palast

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung PANOPTES-Sonde

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Diese Fragmente zu finden und wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Er erkundet dafür die Galaxis Morschaztas und begegnet dort dem HÜTER DER SCHÖNHEIT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Antanas Lato – Der Hyperphysiker und Dimensiologe geht in den Einsatz.

Ralmon – Ein Junge erstaunt einen Hyperphysiker.

Riltenak – Der Erhöhte fühlt sich erniedrigt.

Wayschnand – Der Obligatorische Mentor verzweifelt vollkommen.

Poziosch

Prolog

Verheißung

O ihr unverdient Glückseligen!

Jauchzet!

Frohlocket!

Die Ewige Ganja hat das Patschonsystem auserwählt, um es mit ihrem Besuch zu erleuchten.

Präpariert eure Planeten, Monde, Städte, Plätze und Häuser!

Ein jeder optimiere sein Gewand, seinen Körper, seinen Verstand, sein Sinnen und Trachten!

Die Ewige Ganja beehrt euch. Bald wird sie unter euch wandeln.

Macht euch bereit!

1.

Empfangen

»Oh.« Vergeblich versuchte Alissin-Lar, das geistige Nachbild des eben Gesehenen wegzublinzeln, und bestärkte ihre Einschätzung noch einmal. »Huh. Puh!«

»Wie eloquent du heute daherkommst«, amüsierte sich Norma-Jean Bosch.

Die Stimme riss die leitende Schiffsingenieurin der AURA in ihre Umgebung zurück. Ihre Konsole hatte sie vorhin in den Ruhezustand geschaltet, was den Blick auf die anderen Stationen und das Hauptholo in der Mitte der Zentrale freigegeben hatte. Nun, da die aufgefangene Hyperfunkbotschaft abgespielt war, zeigte es wieder die weitere stellare Umgebung.

Alissin seufzte tief, schwenkte ihren Kontursessel in Richtung des Platzes der Zweiten Pilotin und senkte die Lider ein wenig. »Für einen kurzen Moment, holde Sternenpfadnerin, war deine Schönheit in meinem Innersten durch das Strahlen einer Nova überlagert. Aber jetzt sehe ich wieder klar und sehne mich nur noch nach deinem warmen Licht, denn jenes heiße Glühen würde mich wie einen Partikelstrom im Impulsantriebsstrahl vergehen lassen.«

Bosch prustete, dass die Parrlamaks in ihrem kurz geschnittenen violetten Haar zitternde Leuchtspuren hinterließen. Alissin kam es vor, als wuselten die winzigen Tierchen irritiert umher, ehe sie erneut zur Ruhe kamen und kunstvolle Akzente im Haar ihrer Trägerin setzten. Die feingliedrigen Hände der Pilotin in den Holokontrollen zuckten derweil keinen Augenblick. Ungestört von den Vorgängen in ihrem Innern setzte die AURA in der Übersichtsprojektion ihren Unterlichtflug am Rand der Galaxis Gruelfin fort. Bald würde Bosch die nächste Linearetappe einleiten.

Im Kommandositz räusperte sich Uto Sheboygan, der Erste Offizier der AURA. Mit der typischen grollenden Stimme, die den stämmigen Umweltangepassten vom Planeten Epsal zu eigen war, sagte er: »Wenn das die Ewige Ganja selbst war, verstehe ich, warum sie ihr Reich so fest in der Hand hat. Jemand, der selbst in einer holografischen Funkbotschaft dermaßen ... präsent und beeindruckend ist, möchte ich nicht leibhaftig als Gegenspieler begegnen. Aber abgesehen davon – Captain, was denkst du?« Er sah zu der Frau hoch, die neben ihm stand.

Captain Madison Starblanket, die Kommandantin der AURA, spielte gedankenverloren mit der Projektionsbrille in ihrer Hand. Eigentlich hatte sie das Kommando gerade an Sheboygan übergeben, um sich ein wenig auszuruhen, doch sie hatte sich die zufällig aufgefangene Hyperfunkbotschaft aus Morschaztas noch ansehen wollen. Aus der Ruhe würde wohl vorerst nichts mehr werden.

»Ich denke, wir sollten uns dieses System einmal anschauen, das die Ewige Ganja beehren will.« Starblanket setzte die Brille auf und gestikulierte, womit sie Daten aufrief, die ihr direkt in die Sehebene projiziert wurden. »Hm. Keinerlei Angaben zu einem Patschonsystem in der Zentraldatenbank. Haben wir Koordinaten im Navigationsrechner?«

Bosch bewegte ihre Finger und schüttelte den Kopf. »Bislang nicht. Scheint nicht sonderlich bedeutend zu sein. Oder es ist hochgeheim.«

Alissin aktivierte bereits ihre eigenen Kontrollen. »Laut Echoverfolgung ging der Funkspruch von Morschaztas über das hiesige Relaisnetz direkt in Richtung der Staubbereiche. Um eine genauere Spur zu bekommen, müssten wir dort hinfliegen.«

»Das wäre fast genau die Gegenrichtung zu unserer Route«, bemerkte Bosch.

Starblanket warf ihr Paar langer schwarzer Flechtzöpfe zurück. »Trotzdem. Unser Ziel ist Erkundung. Eine solche Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Bosch, programmiere die nächste Etappe so dicht an die Staubzone heran, wie es nötig ist, um ein genaueres Ziel zu erhalten. Wir wollen in der Staubsuppe keinen Suchflug veranstalten müssen.«

»Verstanden«, sagte Bosch. Ihre schlanken Finger begannen wieder den eleganten Tanz, der Alissin so faszinierte.

»Einsatztarnung, Kommandantin?«, fragte Sheboygan.

»VEEPAND XXXIII. Gib Harrisot Bescheid, dass er wieder in seine Paraderolle schlüpfen darf. Sicherlich ist der Hof der Ewigen Ganja an Murupor interessiert. Womöglich schleust sie uns sogar höchstpersönlich nach Morschaztas ein. – Alissin?«

Die Ingenieurin sah fragend zur Kommandantin. »Hm?«

»Bereite eine Panoptes für den Einsatz vor und check sicherheitshalber all unsere Tarnfunktionen. Und machst du auf dem Weg zum Hangar bitte einen Abstecher zu unserem Gast und prüfst die Lage dort?«

»Muss ich?«

Starblankets schmales, mit einer angedeuteten Seitenneigung des Kopfes gepaartes Lächeln trieb Alissa umgehend in die Senkrechte. »Verstanden. Bin unterwegs.«

Sie mochte kein Fan von Antanas Lato sein, aber der Kommandantin kam man besser nicht quer, so entspannt die Bordatmosphäre im Allgemeinen war. Unter der Chamäleonschicht war und blieb die AURA ein militärisches Aufklärungsschiff.

*

Alissin-Lar schwebte durch die weitgehend leeren und reinweißen Räume der RA nach oben. Die Sextadim-Kapsel bot nicht viel Platz, der Großteil der Einrichtung bestand daher aus einer Art feldstabilisiertem, in der RA integriertem Faltmobiliar, das verschwand, wenn man es nicht brauchte. Die einzige, etwas konsternierende Ausnahme war ein großes rundes Bett, das laut Lato der Eigner Atlan hatte an Bord bringen lassen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber Atlan hat schließlich einen Ruf zu verteidigen ...

Die gesamte Kapsel maß bei 20 Metern Höhe nur maximal acht Meter am Bauch der aufrechten Tropfenform. Bedachte man, dass der für die Besatzung verfügbare Innenraum zudem durch die verbauten Aggregate und Kontrollen für Antrieb, Lebenserhaltung, künstliche Gravitation, Sensorik und Verteidigung eingeschränkt war und dann noch der Platz für dieses Monstrum von einer Liegestatt wegfiel, mussten die Tage der Reise von der Milchstraße nach Gruelfin für die sechs Besatzungsmitglieder ein recht beengtes Leben bedeutet haben.

Als Alissin beim Passieren eines Decksbodens ein paar Füße und den Sockel eines Kontursessels sah, wusste sie, dass sie die Zentrale erreicht hatte. Kurzzeitig verschwanden Füße und Sessel hinter einem Steuerpult, dann kam der Rest des Mannes in ihr Blickfeld. Er schien völlig in die Kontrollen des Pultes versunken.

Antanas Lato war äußerlich nicht sonderlich bemerkenswert, sah man von seiner asketischen Dürrheit ab. Alissin hatte den Verdacht, dass er beim Essen zu sehr mit dem alphabetischen Sortieren der Beilagen beschäftigt war, um seinem Körper genug Nahrung zuzuführen. 1,90 Meter Körperlänge lag noch im terranischen Erwartungsbereich, das schwarze Kraushaar trug Lato kurz und verzichtete darauf, das spitze Kinn unter seinem ovalen Gesicht mit einem Bart zu bedecken.

Seine ebenfalls schwarzen Augen wirkten meist, als blickten sie in eine Ferne, die außer ihm keiner sehen konnte. In dieser Hinsicht erinnerte er Alissin an die Bordkatze, die sie auf der VERA LUNA dabeigehabt hatten ... oder war es die WEGETEL XI gewesen? Egal. Vielleicht fixierte er vor dem inneren Auge immer irgendwelche Fakten in den höheren Dimensionen des Hyperraums, dessen Studium er sich verschrieben hatte. Äußerst erfolgreich, wie die Bordingenieurin sich beim Durchsehen seiner Titel und Preise hatte eingestehen müssen.

»RA, was für eine Tageszeit haben wir?«, fragte der Hyperphysiker und Dimensiologe unvermittelt.

»Nach Bordzeit der AURA ist es der frühe Mittag des 7. Juli 2096 Neuer Galaktischer Zeitrechnung«, antwortete die Sextatronik der RA mit einer angenehm modulierten Stimme mittlerer Tonlage.

»Ah, gut. Also, äh ... guten Tag, schätze ich?« Antanas blickte fragend auf.

»Guten Tag«, erwiderte Alissin den unbeholfenen Gruß. »Danke, dass du mich gleich eingelassen hast. Kommandantin Starblanket schickt mich mit einem Update. Persönlich.«

Lato schob das in einem Halbkreis um den Kommandosessel bewegliche Steuerpult beiseite und faltete die Hände in seinem Schoß. »Welche Handlungsweise folgert sie aus der, ähm, über modulierte höherdimensionale Wellen empfangenen Informationseinheit?«

Alissin kratzte sich am Hinterkopf. Sie hätte sich denken können, dass die RA den Hyperfunkspruch ebenfalls aufgefangen hatte und Lato sich gemeinsam mit der Sextatronik Gedanken gemacht hatte. »Sie denkt, dass wir uns den Besuch der Ewigen Ganja in einem Sonnensystem außerhalb von Morschaztas nicht entgehen lassen dürfen.«

»Da sind mein Gegenüber und ich mit ihr einer Meinung.«

»Gegenüber?« Alissin war es gewohnt, dass Lato nicht immer die richtigen Worte fand, aber dieses Mal war sie ratlos, was er meinen mochte.

Er warf einen fast sehnsuchtsvollen Blick zum Steuerpult. »Die Sextatronik. Alschoran hat mir erzählt, dass die ... also, diese Leute, die diese Sextadim-Kapseln normalerweise bekommen ...«

»Die Kastellane.«

»... die jeweilige Sextatronik als ihr Gegenüber bezeichnen. Was ich nachvollziehen kann. Hat man die richtige Vertrautheit mit ihr erlangt, ist sie wie ein Spiegel des eigenen Selbst, der einem hilft, die Gedanken zu schärfen und schneller zu Schlüssen zu kommen.«

»Und du hast diese Vertrautheit, obwohl das hier Atlans Sextadim-Kapsel ist?«

Alissin hätte schwören mögen, dass der Teint des Wissenschaftlers an den Wangen etwas dunkler wurde. »Nun, äh, sie und ich teilen eine Ähnlichkeit des Denkens, für die man wahrscheinlich vertrauter mit höherdimensional-komplexen Systemen sein muss, als es ein Laie selbst von so langer Lebenserfahrung wie Atlan jemals sein kann. Na ja, es sei denn, er entscheidet sich irgendwann dazu, sein Hyperphysikstudium aufzufrischen und noch Dimensiologie zu studieren.«

Alissin blinzelte das vor ihrem geistigen Auge entstehende Bild des gut aussehenden und lebenserfahrenen Arkoniden zwischen lauter jungen Studierenden weg und sagte: »Wir werden jedenfalls in den Einsatz gehen. Die aktuelle Etappe bringt uns dicht an den Staubgürtel heran, in dem dieses Patschonsystem liegen muss. Dort könnten wir dich ausschleusen, falls die RA noch Zeit braucht. Wir wollen sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen, wenn sie ohnehin nicht helfend eingreifen kann. Ihre Reparatur geht vor.«

Illustration: Swen Papenbrock

»Die RA ist in vielerlei Hinsicht bereits wieder voll funktionsfähig. Ihre fein im höherdimensionalen Raum durchgestimmte Sensorik könnte eine wertvolle Ergänzung sein, selbst wenn wir im Hangar bleiben. Bis auf den Hochgeschwindigkeitsflug sind alle Funktionalitäten im Bereich der, hm, translatorisch aktiven Elemente wiederhergestellt.«

»Die Triebwerke funktionieren also, bis auf den Dakkar-Booster?«, hakte Alissin sicherheitshalber nach.

»Genau.«

»Der wird ja höchstens auf dem Heimflug in die Milchstraße gebraucht. Innerhalb Gruelfins reicht der normale Modus des Bi-Librationszonen-Antriebs völlig, solange wir uns nicht gerade mit diesen hochgezüchteten Panjasenraumern anlegen. Was wir nicht vorhaben.«

»Gut. Auch bei der Schirmtechnik ist nämlich bislang nur der niederwertige Bereich funktionsbereit, und die Waffen haben wir minimal priorisiert, da ich mit ihnen ohnehin nicht viel anfangen kann. – Ist damit der Zweck deines Besuchs erfüllt?«

»Ich denke schon. Falls Captain Starblanket noch Fragen hat, wird sie sich wieder per Funk direkt bei dir melden. Du kannst natürlich zu uns in die Zentrale kommen, dann bist du direkt am Geschehen dran.«

»Nein, ich bin hier am optimalen Platz.«

Die Antwort kam eine Spur zu hastig, als ob ihn der Gedanke ängstigte, die Sextadim-Kapsel zu verlassen.

Rückzug in die Gebärmutter, schoss es Alissin durch den Kopf. Laut sagte sie: »Damit hast du sicher recht, denn vermutlich kann niemand von uns annähernd so gut mit der Sextatronik zusammenarbeiten wie du. Sollten wir also ihre Unterstützung benötigen, ist es wohl am besten, wenn du hier bist.«

Dieses Mal zögerte er vor der Antwort. »Ja, so ist es wohl. – Gibt es wissenswerte Einsatzparameter?«

»Wir werden wieder als die VEEPAND XXXIII, auftreten, das Prachtschiff der Pand-Sekture der Veejasen.« Sie hob leicht die Brauen. »Warum interessiert dich das?«

»Ist es nicht riskant, diese Tarnung zu benutzen? Immerhin seid ihr damit laut den Einsatzprotokollen letztes Mal durchaus verdächtig aufgefallen.«

»Du hast die Einsatzprotokolle durchgesehen?«

Erneut wurde seine Haut stellenweise etwas dunkler. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es meiner persönlichen Entwicklung förderlich sein könnte, wenn ich weitere Erfahrung mit Außeneinsätzen sammle. Ich wollte Captain Starblanket eine entsprechende Bitte schicken, aber nur, wenn die Gefahr überschaubar bleibt.«

Alissin zuckte die Achseln. »Wir haben schon ein paar Eigenarten der Panjasen kennengelernt. Dazu gehört, dass sie sich hüten, vertuschbare Niederlagen ehrlich zu melden. Das könnte ja schließlich ihrer Beurteilung schaden.«

»Ah, ich verstehe. Dann ... gibst du meine Bitte an die Kommandantin weiter, wenn du sie siehst?«

»Mache ich.«

2.

Der letzte Zufall

Mit seinem Summen versuchte Riltenak, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ob so etwas wie echte Trauer dabei war, vermochte er nicht zu sagen. Wie fühlte sich Trauer an?

Bedauern, ja, das spürte er. Aber weniger, weil sein Vater tot vor ihm lag. Dass sie es niemals geschafft hatten, eine Ebene gegenseitigen Verständnisses zu finden, hinterließ den Eindruck einer Leerstelle. Riltenak hatte das erstmals an seinem zehnten Geburtstag ausgesprochen, klar argumentierend wie ein Erwachsener, aber genutzt hatte das nichts. Zu unterschiedlich waren ihre Lebenswelten gewesen.

Riltenak betrachtete das mit Wachs und Puder hergerichtete Gesicht des Toten. Die schmale, lange Nase, die dünnen Brauen, die etwas mageren Wangen, der über der Lippe geschabte, am Kinn sorgfältig gekämmte Bart. Die Miene sah friedlich aus, aber auch abwesend.

Hatte sein Vater ebenso oft an den fernen Sohn gedacht, wie das umgekehrt der Fall gewesen war? Mit Zorn? Mit Bedauern? Mit Verwunderung?

Wahrscheinlich am ehesten mit Unverständnis. Riltenaks Vater hatte die Veränderung, die die Panjasen brachten, niemals begriffen.

Zwei Dutzend weitere Personen waren im kegelförmigen Raum versammelt: Angehörige, Freunde und Zufallsgäste, die von anderen Trauerfeiern hinzugekommen waren. Sie alle summten. Manche Töne verbanden sich zu Harmonien, andere wanderten auf eigenen Pfaden. Überrascht erkannte Riltenak, dass er sich gut mit Umjanila, seiner Schwester, ergänzte.

Lag das an ihr? Er versuchte, in dem Gesicht mit den aschfarben bemalten Lidern und Ohrmuscheln zu erkennen, ob sie ihr Summen bewusst dem seinen anpasste.

Umjanila blickte ihn offen an. Ihre Hände lagen auf den Schultern ihres Sohns Ralmon, der für seine zweieinhalb Jahre auffallend groß war. Das Kind war wohl der einzige Oschkore im Raum, der nicht mitsummte. Stumm sah Ralmon die Leiche seines Großvaters an, als versuchte er, zu verstehen, was der Tod war.

Unter der spitz zulaufenden Decke drehte sich ein Mobile. Ein Kreis silbrig glänzender Sensorfelder lag darum. Sie setzten die Töne in kinetische Ausschläge um, die das Gebilde aus hauchdünnen Metallfolien bewegten. Die Wechselwirkungen der Impulse untereinander waren dermaßen komplex, dass auch Riltenak sie nicht vorausberechnen konnte, obwohl positronische Implantate seine Hirnleistung vervielfachten.

Die Folien zitterten an ihren Fäden. Bald wäre es so weit ...

Obwohl er sich seiner eigenen Gefühle unsicher war, hörte Riltenak aus dem Summen der Gemeinschaft Anerkennung heraus, die dem Leben seines Vaters galt. Er war ein respektierter Architekt gewesen, ein großartiger Improvisator, der jede Änderung eines Bauplans mit Gleichmut und Kreativität umgesetzt hatte.

Ralmon löste sich aus dem Griff seiner Mutter, um an den Steinblock zu treten, auf dem die Leiche lag. Er reichte dem Kind bis zum Kinn. Es umfasste die hart gemeißelte Kante, sah nach oben, hinauf zum Mobile, und summte.

Ralmon bemühte sich jedoch nicht um Harmonie. Im Gegenteil, sein Summen wurde nicht nur lauter, er öffnete den Mund und schrie. Ein helles Kreischen.

Eine Folie löste sich und flatterte durch die Luft.

Die silbernen Sensorfelder verloschen, der Summen der Gemeinschaft verstummte, und Ralmon wurde still.

Alle beobachteten die Lichtreflexe auf der sich um die Längsachse drehenden Folie, die in einer Spirale dem Boden entgegensank.

Umjanila fing sie auf. Es war offensichtlich schwierig, die Versiegelung zu lösen und die Folie aufzuklappen.

Riltenak half ihr.

Mit dem Öffnen der Faltung erschien ein Holo, das weißen Nebel über einem grünen Flirren zeigte. »Desintegrieren«, stellte Riltenak fest.

Die Leiche würde auf molekularer Ebene aufgelöst werden.

»Das Trisch hat gesprochen!«, rief Umjanila.

Helfer trugen die Leiche zum Desintegrationsschacht. Der Zufall hatte sie bestimmt, so, wie der Zufall dagegen entschieden hatte, den Toten zu verbrennen, ihn in der Wildnis zu verscharren oder den Fischen des Dorumm-Sees zum Fraß zu übergeben. Der Wind würde die winzigen Bestandteile, die von der Materie seines Vaters bleiben würden, verwirbeln, verteilen und an den unterschiedlichsten Orten wieder dem Stoffkreislauf des Planeten Oschkor hinzufügen.

Riltenak vermutete, dass das seinem Vater gefallen hätte. Auch in ihm breitete sich Zufriedenheit aus.

»Gehen wir aufs Dach!«, schlug Umjanila vor.

»Ja. Sicher.«

*

Am Ausgang des Raums drehten viele Trauergäste einen irisierenden Kreisel. Je nachdem, in welcher Stellung er verharrte, wanderten sie zu anderen Gemeinschaften innerhalb des Bestattungshauses ab oder blieben bei Riltenak, Umjanila und Ralmon. Einige Fremde schlossen sich ihnen an, aber insgesamt wurde ihre Gruppe auf dem Weg die Treppen hinauf kleiner.

Ralmon stolperte auf einer Stufe und fiel auf die Knie.

Es tat Riltenak schon beim Zusehen weh, aber in den braunen Augen des Jungen stand Verwirrung, kein Schmerz. Er rieb über seine Hose, während er seine Mutter ansah und fragend gluckste.

»Weiter nach oben!« Umjanila unterstützte ihre Ermunterung mit einer Geste. »Wir wollen Großvaters Rauch hinterherschauen.«