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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Während der Nachforschungen zum ersten Fragment stößt er auf ein Transportmedium, das wie geschaffen dafür scheint, ihn auch in ferne Regionen des Kosmos und zu anderen Fragmentrefugien zu bringen. Und so beschreitet er DIE STRASSE NACH KONDOR ...
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Nr. 3230
Die Straße nach Kondor
Der Terraner auf großer Fahrt – 200 Millionen Lichtjahre von zu Hause entfernt
Susan Schwartz
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1. Perry Rhodan
2. Antanas Lato
3. Shema Ghessow
4. Zeitverläufe und eine Dusche
5. Stahlwelt
6. Die Oproschinen
7. Zurück
8. Oproschheim
9. Eis
10. Erquickende Langeweile
11. Crossd
12. Abschied von der Stahlwelt
Epilog
Journal
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Während der Nachforschungen zum ersten Fragment stößt er auf ein Transportmedium, das wie geschaffen dafür scheint, ihn auch in ferne Regionen des Kosmos und zu anderen Fragmentrefugien zu bringen. Und so beschreitet er DIE STRASSE NACH KONDOR ...
Perry Rhodan – Der Unsterbliche begegnet seinem Sohn.
Shema Ghessow – Die Mutantin begegnet ihrem Bruder.
Antanas Lato
Prolog
7. September 2069 NGZ. Ein Tag, der in die Annalen der Geschichte eingehen würde. Entweder im Guten, falls sie Erfolg hatten, oder im Schlechten, falls sie scheiterten.
Die RA flog in das Ferne Tor von Cazzam ein.
Die Eisenkugel, die in der Zentrale schwebte, leuchtete grell auf.
Das Konversen-Relais aktivierte sich!
Perry Rhodan, Antanas Lato und Shema Ghessow fühlten sich von Finsternis umschäumt.
Die große Reise begann.
1.
Perry Rhodan
Ich befinde mich in einem Operationsraum.
Wie ist das möglich?, frage ich mich. Und: Woher weiß ich, dass es ein OP ist?
Die zweite Frage lässt sich leicht beantworten.
Seit ich mich erinnern kann, strahlen OP-Säle diese ganz bestimmte Sterilität aus, diese Nüchternheit und Kahlheit, mit all den Maschinen, der Liege, den kalten Lichtern. Als ich aufwuchs, sehr fern von dieser Zeit und doch schon »Moderne« genannt, muteten die Gerätschaften aus gegenwärtiger Sicht barbarisch an, mit Skalpellen, Bohrern, Sägen und so vielen mehr an Folterwerkzeuge erinnernde mechanische Hilfsmittel. Minimalinvasive Eingriffe, Laser, Scanner ... all das kannte man damals nicht. Ebenso wenig Medoroboter, Vitaltanks und vieles, was wir im Laufe der Jahrtausende hinzugewonnen haben.
Aber was immer gleich bleiben wird, ist diese Sterilität, die Nüchternheit und Kälte.
Selbst wenn der Raum metallisch-rot ist, so wie dieser hier.
Dass ich das erkenne, erklärt aber nicht, wieso ich an diesem Ort bin. Und wie ich hingekommen bin.
Und ... wo dieser Ort ist.
Ich bin nicht der Patient, das immerhin steht fest. Ich bin Beobachter ... nein. Ich bin nicht freiwillig hier. Ich soll das ... sehen?
Das verstehe ich nicht. Warum?
Ich sehe mich um, doch da ist niemand, mit dem ich sprechen kann, der mich hergebracht hat. Das Überwachungssystem gibt keinen Alarm. Man weiß also, dass ich anwesend bin – oder nimmt mich nicht wahr.
Hängt meine Anwesenheit damit zusammen, wer ich bin?
Ich überlege kurz, horche in mich. Ich bin Perry Rhodan. Ich weiß meinen Namen. Ich fühle, dass auch mein Inneres zu dem Namen gehört. Aber ich kann mich nicht erinnern, welche Mission ich gerade habe. Wohin ich unterwegs gewesen bin. Was zuletzt geschehen ist.
Auf einmal bin ich hier, und vorher war ich ... nicht. Das ist irritierend ...
Es fällt mir schwer, klare Gedanken zu fassen und Erinnerungen hervorzurufen. Nur das Elementare ist da.
Ganz sicher aber hat mein derzeitiger Auftrag nichts mit Medizin oder ähnlichen Wissenschaften zu tun. Deswegen weiß ich nicht, was meine Anwesenheit erforderlich machen soll.
*
Da liegt jemand auf der Liege, die gerade eben noch leer gewesen ist. Habe ich etwas verpasst? Diese Sprünge von nichts zu etwas verwirren mich zusehends. Und doch kann ich den Vorgängen folgen, als wäre alles ganz normal.
Man ist dabei, die Operation vorzubereiten.
Und jetzt ... jetzt wird mir eiskalt.
*
Fünf haben den Raum betreten, ohne dass ich es mitbekommen habe. Ich sehe nicht einmal eine Tür.
Sie sind alle nur knapp eineinhalb Meter groß und entstammen demselben Volk, denn sie tragen einen Lamellenpanzer, der bei jeder Bewegung knirschende und knackende Geräusche von sich gibt. Individuell allerdings unterscheiden sie sich stark, was nicht von Geburt so ist, sondern zahlreiche Operationen bewirkt haben. Zusätzliche Extremitäten, zusätzliche Sinnesorgane. Einige von ihnen sind mit graugrünen bis roten Wucherungen und Tumoren übersät, dazu kaum verheilten Wunden, aus denen die Geschwüre herausgeschnitten worden sind.
Ich fühle Übelkeit in mir aufsteigen. Ich weiß, wer das ist. Sie nennen sich Kolonnen-Anatome, aus der Terminalen Kolonne TRAITOR.
Und ich muss nicht zu dem OP-Tisch gehen, um zu wissen, wer darauf liegt.
Es ist mein Sohn.
*
Meine Beine setzen sich in Bewegung auf die Liege zu, ohne dass ich es will. Zwei der fünf Anatomen wenden sich mir zu.
»Oh, du bist hier«, sagt der eine. Er hat einen dritten Arm aus der Brust ragen, der soeben ein Laserskalpell ausfährt.
»Das ist gut«, sagt der andere und grinst schief. Seine Zähne sind braun und morsch.
Alle Kolonnen-Anatomen passen nicht zu der Sterilität eines OP-Raums. Ihre Geschwüre verschorfen und nässen, die Hände sehen ungepflegt aus, sie tragen keinerlei Schutz.
Der erste fährt fort: »Wir möchten gerne deinen Rat einholen.« Er dreht sich zur Seite und weist auf eine zweite Liege, die aus dem Nichts materialisiert scheint. Direkt neben dem OP-Tisch mit meinem Sohn, den ich nicht sehen kann, weil er von den anderen Anatomen verdeckt wird.
»Wir sind uns uneins, wen wir als zweite Hälfte für den neuen Dualen Kapitän nehmen sollen.«
Auf der Liege erscheint ein Mor'Daer, ein großes Wesen von humanoider Form, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Sein nach vorn gewölbter, spitz zulaufender Schlangenkopf ist stark behaart.
»Den hatten wir schon, und Wiederholungen gefallen mir nicht«, lehnt der zweite Anatom mit vehementem Armwedeln ab.
»Das könnt ihr nicht tun«, flüstere ich rau. Ich habe keine Kraft für laute Töne. »Das ist schon über siebenhundert Jahre her.«
Ich will mich an den Anatomen vorbeischieben, doch ich pralle gegen eine durchsichtige Wand.
»Vorsicht, Vorsicht, wir haben keine Zeit für eine Not-Operation, wenn du dich verletzt!«, sagt der erste Anatom. »Wir haben einen sehr straffen Zeitplan. Deshalb hilf uns bei der Entscheidung!«
»Und was die Zeit betrifft«, sagt der zweite, »du weißt doch, die bedeutet uns nichts. Und wir fangen neu an, jetzt und hier, mit deiner Hilfe. Vielen Dank auch dafür.«
In schneller Folge erscheinen andere Wesen auf der Liege, die mir vertraut vorkommen, obwohl ich ihnen nie begegnet bin. Bis ich daraufkomme, dass sie aus den verschiedensten Völkern zusammengesetzt sind. Ein Jülziish gekreuzt mit einem Topsider, ein Unither, der Elemente der Asporcos enthielt ... es sind Chimären, die auf grauenhafte Weise neu zusammengesetzt worden sind. Hinzu kommen Arachnoiden und Insektoide, die Vorschläge wollen kein Ende nehmen.
»Keiner!«, rufe ich schließlich, endlich finde ich meine Stimme wieder. »Hört auf damit!«
»Oh, aber eine Entscheidung muss getroffen werden«, bedauert der zweite Anatom. »Wir werden sie beide in der Mitte durchsägen und zusammensetzen, das kennst du ja schon. Das wird unser Meisterwerk, der beste Duale Kapitän, den es je gab!«
Ich trete gegen die gläserne Wand, die nachgibt und zurückschwingt, mit einem singenden Geräusch, als wollte sie mich auslachen. Ich hämmere mit meinen Fäusten dagegen, natürlich ebenso vergeblich. Ich schaue mich um, will einen anderen Weg suchen, doch da ist keiner, es gibt nur diesen OP-Raum.
Das ist nicht real.
Es kann nicht real sein.
Was ist mit mir geschehen?
*
»Es ist nicht real«, sage ich mir vor wie ein Mantra, in der Hoffnung, aus diesem Albtraum entkommen zu können, wenn sich mein Bewusstsein vehement zur Wehr setzt. »Ich muss erwachen. Jetzt.«
»Du träumst nicht.« Der zweite Anatom kichert und spuckt einen Zahn aus. »Es ist alles wahr. Du wirst es gleich wahrhaben. Komm näher!«
Die Wand rückt ein Stück weiter, und ich folge ihr.
Der Blick auf die erste OP-Liege wird freigegeben.
»Mike«, flüstere ich und spüre, wie meine Knie nachgeben. Ich presse meine Hände an die gläserne Wand und rutsche ein Stück daran hinunter, bis ich mich gefangen habe. Taumelnd richte ich mich wieder auf.
»Mike!«, schreie ich verzweifelt.
*
Die eine Hälfte von ihm trägt die Roi-Danton-Kluft eines Stutzers aus dem 18. Jahrhundert Alter Zeitrechnung. Eine halbe Lockenperücke, ein halber roter Gehrock, ein halbes Rüschenhemd, ein Bein in enger weißer Hose mit Schnallenschuh. Die andere Hälfte trägt den halben martialischen Anzug der Mor'Daer.
»Er ist doch längst geteilt!«, rufe ich. »Was wollt ihr noch mehr?«
Da bemerke ich, dass mein Sohn bei Bewusstsein ist. Er ist von Fesselfeldern gehalten, die ihn daran hindern, sich aufzurichten, aber er kann den Kopf und die Arme bewegen.
Er wendet mir sein Gesicht zu, das nicht geteilt ist, sondern ganz Mike, mit diesen tiefdunkelblauen Augen, die für ein langes Leben zu viel gesehen und gelitten haben. Unter der halben Perücke und dem halben Helm lugen rotblonde Locken hervor.
Langsam streckt er seine Hand nach mir aus. »Dad ...«, höre ich ihn flüstern, und mir bricht fast das Herz.
Ich habe ihn zu oft verloren. Ein weiteres Mal verkrafte ich nicht.
»Wir wollen ihn ganz und perfekt machen«, erklärt mir der erste Anatom. »Diesmal wird nichts schiefgehen, diesmal verwenden wir keinen Klon.«
»Er ist perfekt, wie er ist«, widerspreche ich. »Er ist ein Mensch, und er ist frei. Lasst ihn gehen!«
»Ach, und was im Gegenzug? Bietest du dich an?«, höhnt der zweite Anatom.
»Das will ich. Ich bin sein Vater.«
»Dich wollen wir aber nicht. Sein Erbgut ist viel interessanter für uns, damit lässt sich viel mehr bauen. Und wir haben die Kompatibilität bereits getestet, sie ist ausgezeichnet.«
Illustration: Swen Papenbrock
»Ich habe ...«
»Du bist langweilig«, schmettert der erste Anatom mich ab. »Du eignest dich nicht im Mindesten zum Dualen Kapitän.«
»Dad ...«, wiederholt Mike.
Ich strecke die Hand aus, pralle gegen die Wand. »Lasst mich ihn wenigstens berühren!«, brülle ich.
»Das kann ich erledigen«, sagt der zweite Anatom und geht zur Liege.
»Fass ihn nicht an!« Meine Stimme überschlägt sich fast.
»Wie wär's, wenn du uns endlich sagst, wen wir als zweite Hälfte verwenden sollen? Ach ja, und noch etwas: Sollen wir die rechte behalten, oder die linke? Wir bauen nur einen, was bedeutet, die jeweils anderen beiden Hälften werden recycelt. Zwei Entscheidungen, und bitte schnell. Unser Zeitplan muss eingehalten werden, aber das sagte ich bereits.« Der erste Anatom geht ebenfalls zur Liege.
Mikes Blicke sind flehend auf mich gerichtet.
Ich kann nicht. Ich kann es nicht tun. Nichts von alledem, nichts, worum mein Sohn mich bittet. Ich bin völlig hilflos. Mir bleibt kein Ausweg.
Der zweite Anatom macht seine Ankündigung mit der Berührung wahr. Er streckt seine schrundige Klaue aus und streicht Mike, meinem Mike, liebevoll über die Stirn. »Wir haben noch so viel mit dir vor, Sohn.«
Dann ...
*
Rhodans eigener Schrei weckte ihn auf.
Schweißüberströmt kam er hoch, seine Beine zitterten, ebenso seine Finger, als er sich die verklebten Haare aus der Stirn strich. Er brauchte mehrere Minuten, um zu sich zu kommen, und ebenso viel Zeit benötigte sein Zellaktivator, um seinen rasenden Puls herunterzufahren und den Adrenalinpegel zu regulieren.
Noch länger brauchte er, um sich umsehen zu können. Aufzustehen war weiterhin keine Option. Er fühlte sich unendlich schwach, als wäre er wochenlang reglos ans Bett gefesselt gewesen. Schon die aufrechte Sitzhaltung kostete ihn viel Kraft.
Allmählich ließ die Desorientierung nach. Er erkannte, dass er auf einer der drei Pneumoliegen in der Wohnebene unterhalb der Zentrale saß, und erinnerte sich, dass er zuletzt von schäumender Finsternis umgeben gewesen war. Wahrscheinlich hatte er das Bewusstsein verloren und war an Ort und Stelle, wo er zuletzt gestanden hatte, gestürzt.
Irgendwie war er dann nach unten auf diese Liege verfrachtet worden. Vielleicht hatte das Gegenüber Atlans Dagor-Trainingsroboter dafür eingesetzt.
War er so lange weggetreten gewesen? Und wie war er ernährt worden?
Er vergaß diesen Gedanken gleich wieder, denn das Entsetzen schüttelte ihn, als er sich an seinen Albtraum erinnerte, von dem er nun wusste, dass er tatsächlich einer gewesen war – einerseits beruhigend und erleichternd, weil es nicht real gewesen war, andererseits verstand er nicht, wie es dazu gekommen sein konnte. Nur allzu deutlich sah er immer noch Michael Rhodans Gesicht vor sich, seinen Sohn, den er seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte.
Allmählich klärte sich Rhodans Blick, und er erkannte zwei weitere Liegen neben sich. Antanas Lato und Shema Ghessow, die sich mit ihm auf die große Reise begeben hatten und noch schliefen. Und ebenso beschützt worden waren wie er.
Und die, das konnte er deutlich erkennen, ebenfalls von Albträumen gequält wurden wie er. Latos Gesicht war verzerrt, Ghessow wälzte sich hin und her, ab und zu öffnete sich ihr Mund wie zu einem lautlosen Schrei.
Ein unbestimmtes Gefühl vermittelte Rhodan, dass er nicht versuchen sollte, sie zu wecken. Sie würden von sich aus erwachen, so wie er.
»Gegenüber, wo sind wir?«, fragte er die Sextatronik der RA und erschrak über den rauen Klang seiner Stimme. Als habe er schon sehr lange nicht mehr geredet.
»Eure Stasis während des Transports durch die Sextadim-Konverse ist beendet.«
»Das heißt, wir fliegen nicht mehr?«
»Ja.«
»Und was genau meintest du mit Stasis? Ich habe geträumt, wie kann ...«
RA gab ein Räuspern von sich, das an Atlan in spöttischer Stimmung erinnerte. »Es ist vorläufig ein Hilfsbegriff. Eure Körper befanden sich in einem stasisähnlichen Zustand, der keinerlei Stoffwechsel zuließ, aber dem Zugriff der Zeit ausgesetzt blieb. Auch eure Gehirne zeigten messbare Aktivität. – Soweit ich es beurteilen kann. Ich habe ... Erinnerungslücken.«
Rhodan blinzelte verwirrt. »Du hast Erinnerungslücken?«
»Ich möchte nicht darüber reden.«
Das Gegenüber der RA verweigerte ihm die Zusammenarbeit, wie er sie von im Grunde allen anderen Rechengehirnen gewohnt war. Als wäre er ihm nicht sympathisch oder zumindest nicht vertrauenswürdig.
Hätte Atlan seine Kastellankapsel mal lieber DIVA genannt ..., dachte Rhodan, und unternahm einen neuen Kommunikationsversuch. »Du hast davon gesprochen, dass unsere Körper dem Zugriff der Zeit ausgesetzt gewesen seien?«
»Ich arbeite derzeit an der Analyse. Es besteht aktuell keine Gefährdung und demzufolge kein Grund zur Sorge oder Nachfrage.«
»Also schön ... Da zumindest ich nun wieder aktiv bin, könntest du mir wenigstens eine andere Frage beantworten?«
»Sicher. Stell sie!«
»Sind wir am Ziel?«
»Die Berechnungen laufen noch.«
Rhodan schloss kurz die Augen. Nicht aufregen.
Er stemmte die Arme auf die Liege und drehte sich langsam, bis die Beine über den Rand baumelten. Wenn das Gegenüber derart auswich, hatte es, so interpretierte er, keine Ahnung, wo sie waren und was genau innerhalb der Konverse geschehen war. Sie waren angekommen, aber an einem unbestimmten Ort.
»Kannst du die nähere Umgebung orten?«
»Ich kann Auskunft darüber erteilen, worauf wir gelandet sind.«
»Dann tu das freundlicherweise.« Rhodan blieb geduldig. Das Gegenüber vertraute Atlan und Lato, aber nicht ihm. Also ließ es sich erst mal bitten.
»Wir sind auf einem Planeten, der mit einer meterdicken Stahlkruste überzogen ist.«
»Gibt es Informationen über das System?«
»Es ist eine Dunkelwelt. Wir befinden uns im Leerraum.«
Rhodan beschlich das Gefühl, dass sie das eigentliche Ziel nicht erreicht hatten.
»Gegenüber, hat es eine Unterbrechung der Reise gegeben?«
»Die Berechnungen laufen.«
Ausweichen. Nur nicht konkret werden. Es wurde Zeit, dass Lato erwachte.
2.
Antanas Lato
Die Ebene ist so weit, dass ich von Horizont zu Horizont blicken kann, wenn ich mich drehe, 360 Grad im Umkreis. Sie hat keine natürlichen Erhebungen. Glatt wie ein Teller und weiß wie Schnee umgibt sie mich,
Ich hinterlasse keine Fußabdrücke, und es staubt nicht. Dennoch scheint der Boden nicht aus Stein oder Metall zu sein. Woraus er besteht, vermag ich nicht zu sagen. Ich bin Hyperphysiker und Dimensiologe, kein Geologe.
Ich gehe direkt auf die einzige nicht natürliche Erhebung dieser schneeweißen Umgebung zu.
Warum ich das tue, weiß ich nicht.
Ich weiß weder, wie noch warum ich an diesen Ort gekommen bin. Dennoch erscheint es mir nicht unnatürlich. Es ist so, wie es sein soll.
Als Dimensiologe ist das für mich nichts Außergewöhnliches, schließlich können wir höhere Dimensionen berechnen, aber nicht real ertasten oder wahrnehmen. Dazu sind wir als Menschen, zu denen ich gehöre, geistig zu beschränkt, denn wir sind dreidimensional.
Aber ich kann hervorragend mit einer Sextatronik kommunizieren und mich immer besser in sie einfühlen. Meine Gespräche mit dem Gegenüber der RA, auch unsere Rätselspiele, haben mich sehr viel weitergeführt, als ich es je für möglich gehalten hätte. Dennoch sind mir Grenzen auferlegt, denn ich verfüge nicht über eine entsprechende Parabegabung wie etwa Shema Ghessow, die in der Lage ist, höhere Dimensionen wahrzunehmen – sogar in sie einzutauchen. Eintauchen, ja, das würde ich auch gerne. Die höheren Dimensionen sehen, ertasten, vielleicht sogar hören.
Aber nun bin ich auf dieser schneeweißen, unendlich scheinenden Ebene und gehe auf den Turm zu, und ich bin sicher, dies ist eine Erfahrung, die auf irgendeine Weise mit Dimensionen zu tun hat.
Der Turm ist eine gläserne Säule. Und obwohl ich ihn nicht kenne und nie zuvor erblickt habe, weiß ich, dass er 200 Meter hoch ist und 50 Meter durchmisst.
Eine Treppe wendelt sich in engen Spiralen um die Außenwand nach oben. Sie besteht aus Metall, die Stufen sind aus engmaschigem Gitter. Nur an der Außenseite gibt es ein Geländer, das wie eine Kordel in sich gewunden ist, teilweise mit Schnörkeln und Verzierungen.
Die Stufen sind breit genug, um zwei menschengroßen Passanten nebeneinander Platz zu bieten.
Und die gibt es zahlreich. Unentwegt, in einem nie versiegenden zweifachen Strom, gehen Insektoide nach oben und nach unten. Wie zwei endlose Spiralen.
Sie gehen aufrecht auf zwei Beinen und verfügen nur über zwei Arme. Ihre Hände haben je vier Finger und zwei Daumen. Große, schillernde Facettenaugen prägen den kugelförmigen Kopf. Der schmale Mund mit zwei schwarzen Mandibeln ist hornig. Der Kopfoberseite entspringen zwei lange, bewegliche Fühler. Der Körperpanzer glänzt in einem metallischen dunklen Gold.
Manche tragen keine Kleidung, andere sind in mehrlagige, farbenprächtige Gewänder gehüllt, von denen wiederum einige als Accessoires edelsteinverzierte prächtige Stäbe oder Szepter tragen.
Der auffälligste individuelle Unterschied besteht in ihrer Größe, zwischen eineinhalb und fast drei Metern. Die Hierarchie, ob Kleidung oder nicht, entscheidet sich nicht nach der Größe.
Je näher ich komme, desto besser kann ich erkennen, was sich in dem Inneren des gläsernen Turms befindet.
Er hat neun Etagen, und im Zentrum einer jeder steht aufrecht, die Spitze nach oben, in einer kleinen Mulde ein Ei, jedes drei Meter hoch und von dunkelblauer Farbe.
Bis auf das Ei in der höchsten Etage, das, wie ich von meiner Warte aus erkennen kann, himmelblau und transparent ist.
Das ist mein Ziel. Ich mische mich unter die von allen Seiten unablässig herbeiströmende Menge und beginne den Aufstieg.
Niemand beachtet mich, auch die Entgegenkommenden nicht. Sie gehen hinauf und hinunter, und ausnahmslos jeder von ihnen, selbst die Absteigenden – in dem Fall ein zweites Mal , betreten nacheinander die neun Stockwerke.
Ich betrete die erste Etage, halte mich immer am Rand und achte darauf, dass ich mit niemandem zusammenstoße. Vielleicht nehmen sie mich deswegen nicht als Eindringling wahr, weil ich unauffällig bin, denn die Insektoiden sind zu sehr auf ihren Pilgerweg, wie ich es bezeichnen möchte, fokussiert.
Ich betrachte das riesige eiförmige Gebilde – und erkenne, es ist eine Gruft.
Die Insektoiden gehen hinein, und jetzt kommt es. Sie bespucken das Ei, und nicht nur das. Sie führen Verrenkungen aus, öffnen die Gewänder, zeigen die Kehrseite, und sie stoßen zirpende, brummende, zischende, schnalzende Geräusche aus, die ich nur als Spott, Hohn, Verachtung interpretieren kann. Dabei bewegen sich die Fühler unablässig in zusätzlichen Gesten, die ich nicht verstehen kann, aber allzu freundlich erscheinen sie mir nicht, was ich aus den übrigen Gebärden schließe.
Ich habe zudem den Eindruck, dass sie dabei geradezu wetteifern und versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen, wer seinen Hass am besten ausdrücken kann. Es sieht bizarr aus, wie sie mit ruckartigen Bewegungen und Verrenkungen um das Ei wandern und anschließend die Etage wieder verlassen.