Perry Rhodan 3235: Mann in blauen Flammen - Michael Marcus Thurner - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3235: Mann in blauen Flammen E-Book und Hörbuch

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. In der Milchstraße macht derweil der geheimnisvolle Club der Lichtträger von sich reden, dessen Botschaft aber trotz spektakulärer und teils terroristischer Aktionen nach wie vor nebulös ist. Und nun erscheint zudem ein MANN IN BLAUEN FLAMMEN ...

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Zeit:3 Std. 34 min

Veröffentlichungsjahr: 2023

Sprecher:Stefan Krombach

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Nr. 3235

Mann in blauen Flammen

Er träumt von der Macht – und er gefährdet Terrania

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Kleidermacher

2. Die Therapeutin

3. Vurguzz-Erinnerungen

4. Viaduct mirabilis

5. In den Katakomben

6. Persönlichkeitsentwicklung

7. Erwachen im Frühling

8. Stationsleben

9. Starker Auftritt

10. Trainingstage

11. Entführungen

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung ARGUS-Sonden

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. In der Milchstraße macht derweil der geheimnisvolle Club der Lichtträger von sich reden, dessen Botschaft aber trotz spektakulärer und teils terroristischer Aktionen nach wie vor nebulös ist. Und nun erscheint zudem ein MANN IN BLAUEN FLAMMEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Cascard Holonder – Der Resident möchte nicht an seiner Kunst gemessen werden.

Cordt Pahr – Ein Hyperphysiker heuert bei der USO an.

Suyemi Taeb – Die TLD-Agentin zweifelt an ihrer Aufgabe.

Bo Ingwersen

1.

Der Kleidermacher

Er presste sich eng gegen die Wand und blickte vorsichtig um die Ecke. Ängstlich, verzweifelt.

Er meinte, das Sirren einer Verfolgungssonde zu hören. Dieses hässliche Geräusch einer hinterlistigen Maschine, die einen Spaß daran hatte, ihm nachzufliegen und in die Fänge seines Gegners zu treiben.

Er hatte bislang nicht gewusst, was Angst war. Nun spürte er sie am ganzen Körper. Die metallverstärkten Knochen zitterten, die ins Gesicht integrierten Verhübschungskiemen flatterten unruhig im sachten Wind. Und selbst der Herzverstärker, den er sich vor einigen Jahren hatte einbauen lassen, gelangte an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit.

Bitte! Lasst mich in Ruhe!, wollte der Kleidermacher rufen. Doch das durfte er nicht. Die Verfolgungssonden hätten ihn augenblicklich identifiziert und unbarmherzig an seine Feinde verraten.

Sollte er sich doch an NATHAN wenden? An die allwissende, omnipräsente Positronik, die scheinbar die gesamte Erde eingewebt hatte und die einen von der Wiege bis zum Grabe begleitete?

»NATHAN?«, flüsterte er. Und noch einmal: »NATHAN?«

Keine Antwort.

Natürlich nicht. Er befand sich im Lochabouille, in einem der schmutzigen Viertel Terranias, in dem NATHANS Befugnisse auf Wunsch der Bevölkerung drastisch eingeschränkt waren. Die Positronik war zwar theoretisch omnipräsent, aber praktisch nicht überall. Was für ein Zwiespalt ...

Er hörte erneut jenes hohe Pfeifen, das ihn während der letzten beiden Stunden stets verfolgt hatte. Die Sonden hatten ihn erneut aufgespürt.

Also setzte sich der Kleidermacher in Bewegung. Stolperte von einem Straßenzug zum nächsten, vorbei an den wenigen Passanten, die um drei Uhr morgens unterwegs waren. Einen wollte er ansprechen und um Hilfe bitten, doch der schüttelte bloß seine Hand ab und ging ungerührt weiter. Im Lochabouille war sich jeder selbst der Nächste. Die Freiheit, von NATHAN weitgehend unbelästigt zu bleiben, hatte einen Preis.

Warum hatte er sich hierhertreiben lassen? Warum hatte er nicht besser aufgepasst und war in einem Stadtviertel geblieben, in dem er Hilfe erhalten hätte?

Weil er in seiner Panik gemeint hatte, im Lochabouille bessere Chancen zu haben, den Verfolgern zu entkommen.

Wenn er bloß wüsste, wer sie in Wirklichkeit waren! Er hätte mit ihnen verhandeln können, sie um Gnade anbetteln können. Er wäre auf die Knie gefallen und hätte die Füße seiner Verfolger geküsst, bloß um in Ruhe gelassen zu werden.

»Wir haben dich bald, Kleidermacher!«, hörte er jemanden in unmittelbarer Nähe wispern.

»Lass mich in Ruhe!«, schrie er und wirbelte mit den Armen umher, um sich zu schützen. »Ich habe nichts getan!«

Er entdeckte eine kugelrunde Sonde. Sie umflirrte ihn, hielt sich aber meist in seinem Blickfeld auf.

Die Sonde gab sich durch das Blinken eines winzigen roten Lämpchens besser zu erkennen. Andernfalls hätte er sie kaum wahrgenommen.

»Natürlich hast du etwas getan. Etwas, das manche Terraner als sehr, sehr böse empfinden würden.«

Die Sonde beschleunigte abrupt, raste auf ihn zu, traf ihn an der Wange.

Der Schmerz war gar nicht mal so schlimm.

Erst als er Flüssigkeit über den Kiefer hinabtropfen fühlte und ihm bewusst wurde, dass die Sonde durch seinen Mundraum hindurchgerast war, dass sie Haut und Zähne zermahlen hatte, fühlte er den Schmerz kommen. Er spuckte einige Kiementeilchen und Knochenreste aus.

Seine Knie wollten einknicken, die Metallverstärkungen darin ließen es nicht zu. Ihnen war es zu verdanken, dass er noch nicht tot war. Sie hatten ihn gezwungen weiterzulaufen, immer weiter. Auch in diesem Moment hielten sie ihn aufrecht und sorgten unbarmherzig dafür, dass er in Bewegung blieb. Dass er seinen müden, alten Körper weiterquälte, auf das nächste Gebäude im Lochabouille zu.

Der Fassade des Rundbaus wirkte schäbig und ungepflegt. Seltsam, dass ihm solche Dinge selbst jetzt noch auffielen, da es um sein Leben ging. Aber Ästhetik war nun mal alles, worum er sich zeit seines Lebens gekümmert hatte.

Der Kleidermacher warf sich gegen das Eingangstor, hieb mit den Fäusten dagegen. Er schrie und flehte um Einlass.

Die Stimme eines Robotpförtners erklang, ein Holo tauchte unmittelbar neben ihm auf: »Das ist Sachbeschädigung«, sagte der Roboter. »Verschwinde von hier.«

»Ich brauche Hilfe! Siehst du denn nicht, dass ...«

»Verschwinde!«

Eine scheinbare Blitzentladung ging von der verchromten Eingangstür aus. Sie fuhr in seine Hand und kroch von dort hoch bis zum Schultergelenk. Sein Arm fiel haltlos nach unten, jegliche Körperspannung ging durch die Paralysewirkung verloren.

»Niemand wird dir helfen«, hörte der Kleidermacher die Stimme der Spionagesonde. Sie hatte sich erneut auf einen Meter an ihn angenähert. Das rote Blinken wirkte unheimlicher als zuvor, denn es hingen Fleisch- und Hautfetzen an dem Fluggerät.

Er konnte nicht mehr. Sein Widerstandsgeist erlosch.

Er hatte nichts Böses getan. Hatte bloß helfen und etwas gegen die herrschenden Zustände machen wollen. Denn er war nicht damit einverstanden, dass in Terrania und auf ganz Terra so weitergemacht wurde wie bisher. Diese schreckliche Nähe zur Superintelligenz ES war gefährlich. Die Menschen mussten ihren eigenen Weg gehen und durften sich nicht von irgendeinem übergeordneten Lebewesen dirigieren lassen.

Sein Gesichtsfeld veränderte sich langsam. Der Kleidermacher begriff: Er kippte vornüber. Er war schrecklich müde.

Warum wurde er bestraft? Was hatte er getan? Er hatte die Wünsche seiner Auftraggeber peinlich genau befolgt.

»Du hast dich täuschen lassen, alter Mann«, sagte er mit nuschelnder Stimme zu sich selbst. »Der Club der Lichtträger hat dich ausgenutzt. Deine besonderen Fähigkeiten eingesetzt. Und jetzt lässt man dich fallen.«

»Du irrst dich«, hörte er eine Stimme aus der Spionsonde dringen. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor. »Ich bedauere dein Schicksal zutiefst. Aber wir sind in unseren Planungen an einem Punkt angelangt, an dem wir uns keinen Fehler leisten dürfen. Und weißt du, was? Dich, Kleidermacher, am Leben zu lassen, wäre ein schwerer Fehler. Denn du könntest uns verraten. Auch wenn du an unseren Idealen festhältst, besteht doch die Gefahr, dass du's dir anders überlegst und jemanden vom TLD informierst.«

»Warum sollte ich das tun?« Er atmete stoßweise. Der Schmerz in seinem Gesicht machte sich immer stärker bemerkbar.

»Weil du wankelmütig bist. Wir haben dein Vorleben analysiert und festgestellt, dass du immer wieder deine Meinung änderst. So, wie du unzählige Operationen an deinem Körper hast vornehmen lassen und nie damit zufrieden warst.«

Der Kleidermacher wollte lachen, es gelang ihm jedoch nicht. Ein Schwall Blut drang aus dem Mund.

»Es tut mir wirklich, wirklich leid«, sagte die Stimme, die er kannte, aber nicht zuordnen konnte.

Nein, falsch! Er wusste, wer hier mit ihm redete! Es war ...

»Gute Nacht, Kleidermacher.«

Die Spionsonde tauchte vor seinem Kopf auf, sirrte aufgeregt umher. Um plötzlich zu beschleunigen und auf ihn zuzurasen, auf Höhe seiner Stirn.

2.

Die Therapeutin

Das Frühjahr begann mild. NATHANS allgemeine Vorhersagen wichen mitunter ein wenig von dem ab, was die Positronik für den jeweiligen Tag definiert hatte. Vermutlich machte sie sich einen Spaß daraus, die Wetterkontrolle wieder etwas stärker dem Chaos zu überlassen, damit es wieder dem ähnlicher wurde, wie es Meteorologen in präastronautischer Zeit gekannt hatten.

Cascard Holonder grinste. Ja, NATHAN zeigte ab und zu so etwas wie Humor. Die Positronik liebte es, die Menschen innerhalb eines gewissen Rahmens zu überraschen. Er stellte diese Entwicklung bewusst erst seit einem halben Jahr fest, seit NATHAN sich der großen Untersuchung hatte unterziehen müssen.

Holonder schüttelte diese Gedanken ab. Er beschäftigte sich ohnedies an fast sieben Tagen in der Woche mit seinen Agenden. Aber an diesem Frühlingstag, so hatte er sich fest vorgenommen, würde er sich vergnügen.

Nun ja. Fast. Denn auch beim Konzert würde er Hände schütteln und Small Talk reden müssen. Eine schmeichelnde Bemerkung da, ein Kompliment dort, ein paar freundliche Worte in Richtung eines beliebigen Politikers, der diese ganz gewiss auf seine Weise auslegen würde ...

Zumal eine Zeit der politischen Narretei angebrochen war. Überall auf Terra meldeten sich Agitatoren zu Wort, die die Unsicherheit der Menschen nach der Anschlagsserie in Terrania City vor einem halben Jahr zum Anlass nahmen, selbst nach mehr Macht zu greifen. Sie adaptierten die Ziele des Clubs der Lichtträger und ergänzten sie mit eigenen. Sie verdrehten Wahrheiten und schufen eigene, neue. Sie spielten mit der Unsicherheit der Bewohner des Planeten.

»Alles schon mal da gewesen«, hatte Homer G. Adams bei einem seiner spärlichen Besuche in der Solaren Residenz behauptet und hinzugefügt: »Ich kann mich an mindestens hundert derartige Episoden erinnern, Cascard. Jedes Mal, wenn sich die Menschen unsicher fühlen, nehmen sie bei Gruppierungen Zuflucht, die mehr Autorität versprechen.«

»Und was soll ich dagegen tun?«, hatte Holonder gefragt.

»Auf keinen Fall auf derselben Welle mitschwimmen. Bleib der, der du bist. Lass dich nicht in Schlammschlachten reinziehen und arbeite für die Bürger der Liga mit allem, was du hast. Das mag zwar nicht gleich gewürdigt werden, Cascard. Aber deine Regierung leistet gute Arbeit. Du leistest gute Arbeit. Man wird das à la longue würdigen. Vertrau mir.«

Oh ja, das tat er. Adams war ihm nach wie vor ein guter Berater. Für eine Weile hatte es so gewirkt, als würden seine Entführung und Folterung in Sub-Terrania etwas in Adams zerbrechen lassen. Aber er hatte sich erholt, physisch wie psychisch. War er vor vier Monaten noch gebückt und mit kleinen Schritten dahergeschlurft und hatte dabei ein schreckliches Bild abgegeben, so wirkte er seit einigen Wochen wieder voll Tatendrang. Man munkelte, eine Frau hätte großen Anteil daran, doch Holonder hatte sich nicht weiter um dieses Gerücht gekümmert.

Er schüttelte den Kopf und blickte erstaunt an sich hinab. Er hatte wieder mal wahllos vor sich hin gekritzelt, während er durch den kleinen Gyula-Schuch-Park mit seinen vielen Platanen spaziert war. Die mehrtausendjährigen Bäume hatten, wie durch ein Wunder, all die Katastrophen und Kriege auf Terra seit ihrer Pflanzung im 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung überlebt. Unter ihren weit ausladenden Kronen herrschte ein angenehmes Licht, das noch nicht durch große Blätter gefiltert wurde und sich auf sonderbare Art und Weise auf Holonders Zeichnung ausgewirkt hatte.

Illustration: Swen Papenbrock

Die Kritzelei drehte sich wie immer um Dinge, die in seinem Unterbewusstsein geschahen. Er hielt sie in abstrakter Weise fest, ohne Einfluss darauf nehmen zu können. So auch diesmal. Das Bild zeigte eine Art Baumgeist, der von einem Schwarzen Loch verschlungen und dessen markanter Körper verwirbelt wurde. Borke löste sich ab und zerbröselte ...

»Wir sollten nicht den gesamten Weg zur Tonhalle Shonaar zu Fuß zurücklegen«, krächzte Aveto.

»Ich stimme meinem Sicherheitspartner zu«, meinte Seta gestelzt. »Ungern, aber doch.«

»Lasst mir doch die Freude.« Holonder seufzte. »Ich setze schon Fettpölsterchen am Hintern an von den vielen Sitzungen in der Residenz.«

»Deine Biowerte werden regelmäßig überprüft, Resident.« Aveto hüpfte an seine Seite. »Der Fettanteil deines Körpers liegt seit zwei Jahren beständig zwischen zehn und zwölf Prozent.«

Er mochte es ganz und gar nicht, von seinen Posbi-Begleitern zurechtgewiesen zu werden. Die beiden jeweils einen Meter großen Vogelgeschöpfe mit dem markanten Kopfgefieder hatten sich zwar als hervorragende Leibwächter erwiesen, nervten aber auch manchmal mit ihrer Rechthaberei.

»Zurück zu unserer Bitte, Resident: Lass uns die nächsten Kilometer im Schutz der Deflektoren zurücklegen. Du hast dich lange genug öffentlich gezeigt. Du weißt, dass NATHAN nach wie vor von großen Gefahren für alle Entscheidungsträger auf Terra ausgeht.«

»Jaja, schon gut«, brummelte Holonder und wollte den in seinen breiten Gürtel integrierten Deflektorschirm zuschalten, als ein Passant auf ihn zukam.

Augenblicklich schob sich Aveto zwischen ihn und den klein gewachsenen Mann. Der zeigte Anzeichen von Respekt, vielleicht auch Angst, näherte sich aber dennoch.

»Ich ... ich wollte wissen, ob du's wirklich bist«, sagte er. Sein Gesicht lief rot an.

»Ich denke, ich bin es, ja«, sagte Holonder und schmunzelte.

»Dann, nun ja, ich finde, dass du deine Arbeit richtig gut machst«, sagte der Mann.

»Danke.«

»... und ich wollte fragen, ob ich vielleicht deine Zeichnung haben könnte? Eine Freundin von mir hätte liebend gerne ein ... ein Holonderianum.«

»Dir ist bewusst, dass meine Bilder keinen Wert besitzen? Ich sollte mich beherrschen und weniger herumkritzeln, dann wären sie rar, und ich könnte durch den Verkauf reich werden.«

Sein Gegenüber lachte pflichtbewusst über Holonders müden Witz. »Ich weiß. Es sind dennoch nicht allzu viele im Umlauf. Die meisten landen im Museum. Und ich, nun ja, diese Freundin, sie würde sich sehr freuen über eine Aufmerksamkeit ...«

Holonder reichte das Stück Folie weiter. »Wie heißt sie denn?«

»Mireille.«

»Und du bist ...?«

»Branco.«

»Hör gut zu, Branco: Mireille wird sich hoffentlich freuen. Nicht über die Zeichnung, sondern über die nette Geste. Dass du dich daran erinnert hast, was ihr wichtig ist und was ihr gefällt. Es hat dich viel Überwindung gekostet, mich darum zu bitten, nicht wahr?«

»Ja, also, eigentlich schon.«

»Denk daran, während du mit Mireille sprichst. Dass du all deinen Mut zusammengenommen hast, um mich anzureden. Genau diesen Mut wirst du dann auch aufwenden, um ihr zu sagen, was du empfindest.«

»Das ... das ist aber viel schlimmer, als dich um einen Gefallen zu bitten!«

»Richte Mireille schöne Grüße von mir aus. Ich glaube, dass sie eine nette Frau ist und stolz drauf sein kann, einen Freund wie dich zu haben. Wirst du ihr das sagen?«

»Ja. Nein. Unter Umständen ...«

»Du schaffst das, Branco. Und jetzt verzeih, bitte. Ich habe heute einige wichtige Dinge zu erledigen.« Er nickte dem so langweilig und unscheinbar wirkenden Mann zu und aktivierte den Deflektorschirm. Branco zuckte leicht zusammen, verstand aber dann die Zusammenhänge und winkte in die falsche Richtung. Dorthin, wo Cascard Holonder vor einigen Sekunden noch gestanden hatte.

»Warum hast du das getan?«, fragte Aveto, während sie mithilfe des Antigravs über die Wipfel der Platanen hinwegschwebten. »Ich muss dich bitten, bei Fremden vorsichtiger zu sein. Es hätte sich genauso gut um einen Verrückten oder um ein Mitglied des Clubs der Lichtträger handeln können.«

»Sind wir denn schon so weit, dass ich mich aus Angst vor Gefahr mit niemandem mehr unterhalten darf? Terra steht für Individualismus, für Selbstständigkeit, für freien Willen. Die terranische Residentin entwickelt hier in Terrania diesen Gedanken fortwährend weiter, ebenso wie ich in der gesamten Liga. Das sind Dinge, auf die wir stolz sein und die wir den Bewohnern vermitteln sollten.«

»Das mag für Terraner gelten, die nicht auf der vermeintlichen Abschussliste der Lichtträger stehen.«

»Hört mir gut zu, ihr beiden: Ich muss die meiste Zeit meines Lebens in einem Elfenbeinturm verbringen. Ich möchte nicht in die Gefahr geraten, mich von den Bürgern der Liga völlig zu entfremden. Dieser verängstigte Mann, dem es ganz offensichtlich an Selbstbewusstsein mangelte, hatte ein wenig Zuspruch nötig. Vielleicht war es bloß eine nutzlose Geste von mir. Vielleicht aber habe ich heute mitgeholfen, dass er endlich den Mut fasst, sich vor der Frau zu öffnen, die er liebt und verehrt. Damit hätte ich heute mehr Positives bewirkt als bei all diesen fruchtlosen Besprechungen, in denen es um Vorschriften, Regelungen, Einschränkungen und weitere Vorschriften ging.«

»Du hättest ihn an einen Posbi-Verhaltenstherapeuten weitervermitteln können. Ich hätte zwei, drei großartige Spezialisten in meinen Gedächtnisspeichern abgelegt.«

»Wie romantisch.«

»Für Romantik ist im Leben eines Politikers kein Platz«, sagte Seta. »Wenn du uns nun folgen würdest? Wir haben einen Ausweichkurs berechnet, der zwar einen Umweg bedeutet, aber sicherer ist.«

Holonder sagte nichts weiter. Er wusste, dass es seine beiden Leibwächter gut meinten. An der Unterhaltung mit Branco zeigte sich, dass sie das komplexe Geflecht menschlicher Interaktionen zwar imitieren konnten, die Vielfalt der versteckten Botschaften aber nicht so recht verstanden. Sie imitierten Gefühle und taten dies mit einer gewissen Meisterschaft. Aber trotz des Bioanteils in ihrem Wesen waren sie kaum in der Lage zu verstehen, was er tat.

Ausweichroute.

Holonder sehnte sich nach dem einfachen Leben an Bord eines Raumschiffs zurück. Dort hatte seine Kompetenz an den terkonitverstärkten Wänden der Außenhülle geendet. Als Resident besaß er zwar bedeutend mehr Macht und konnte mehr bewirken. Aber es existierten keine räumlichen Grenzen. Falsch: Er selbst musste diese Grenzen für alle Mitglieder der Liga Freier Galaktiker abstecken. Es lag in seiner Verantwortung, was die Bewohner unzähliger Planeten und Lebenssphären tun und lassen durften.

»Was für ein Job ...«, fluchte er und sagte spontan: »Wir ändern unseren Zeitplan.«

»Wie bitte?« Setas buntes Gefieder bewegte sich unruhig, die Schnabelhälften klapperten aufgeregt gegeneinander.

»Wir fliegen zurück. Ich möchte ins Museum. Ich bin dem Direktor und seinen Mitarbeitern schon lange einen Besuch schuldig.«

»Aber der Zeitplan ...«

»Das Konzert beginnt erst in eineinhalb Stunden. Es ist mir nicht unrecht, wenn ich mir einen Teil des Small Talks vor Beginn der Vorstellung erspare.«

»Das ändert unser gesamtes Sicherheitskonzept, Cascard!«

»Ihr seid Posbis, verflixt noch mal! Es kostet euch zwei Sekunden, um einen neuen Plan zu entwerfen und nochmals eine halbe Minute, um ihn umzusetzen. Also los!«

Holonder orientierte sich. Die Platanen waren weit unter ihnen zurückgeblieben. Er bewegte sich in einem eigens für ihn freigegebenen Reisekorridor, der von mehreren unauffällig agierenden Gleiterbesatzungen abgesichert wurde.