Perry Rhodan 3236: Der schwarze Garten - Michael Marcus Thurner - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3236: Der schwarze Garten E-Book und Hörbuch

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

"Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. In der Milchstraße macht derweil der geheimnisvolle Club der Lichtträger von sich reden, dessen Botschaft aber trotz spektakulärer und teils terroristischer Aktionen nach wie vor nebulös ist. Die Lichtträger entführen eine Dienerin von ES – ihr Quartier ist DER SCHWARZE GARTEN ...

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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Zeit:4 Std. 0 min

Veröffentlichungsjahr: 2023

Sprecher:Renier Baaken

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Nr. 3236

Der schwarze Garten

Gucky auf Rettungsmission – im Kampf gegen die Lichtträger

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Kollateralschaden

2. Misstrauen

3. Ethik und Moral

4. Vorbereitungen

5. Erste Unterhaltung

6. Der Fluchtversuch

7. Widerstandskraft

8. Zweite Unterhaltung

9. Roter Hering

10. Träume und Überlegungen

11. Dritte Unterhaltung

12. In der GLÜHKETTE

13. Zusammengehörigkeit

14. Vierte Unterhaltung

15. Vereinigung und Abschied

16. Auf zum Chateau

17. Die Flucht der Mrynjade

18. Die Irritation

19. Hinterher

20. Der Tod und danach

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. In der Milchstraße macht derweil der geheimnisvolle Club der Lichtträger von sich reden, dessen Botschaft aber trotz spektakulärer und teils terroristischer Aktionen nach wie vor nebulös ist. Die Lichtträger entführen eine Dienerin von ES – ihr Quartier ist DER SCHWARZE GARTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Cordt Pahr – Der Wissenschaftler eignet sich ein porleytisches Erbe an.

Hruam – Die Sachwalterin von ES bleibt sich selbst treu.

Suyemi Taeb – Die Agentin überwindet den Tod und zerbricht fast daran.

Gucky – Der Ilt gibt seiner Einsatzpartnerin neuen Lebensmut.

Quefia Ghosham und Bo Ingwersen

1.

Kollateralschaden

Flüchtige Eindrücke.

Vorbeihuschende Gestalten.

Verzerrte Geräusche.

Erschütterungen, die ihren Körper zu durchdringen schienen.

Im Gegensatz dazu stand der völlig klare Blick auf einen Tropfen traniger Flüssigkeit, der im Zeitlupentempo zu Boden plumpste, unmittelbar neben Suyemi Taebs Kopf.

Sie lag also auf dem Boden. Ohne zu wissen, warum.

Sie fühlte ein Brennen und Ziehen in ihrem Körper, das immer schwächer wurde, aber zu keiner Erleichterung führte. Ganz im Gegenteil: Sie hatte das Gefühl, als würde Leben aus ihr gesogen werden.

Und letztlich war da das Abrutschen in eine alles verschlingende Dunkelheit.

Sie hörte Worte, die an ihr Ohr drangen und nur wenig Sinn ergaben. Taeb meinte zu verstehen, dass sie gefälligst hierbleiben und ja nicht aufgeben sollte, sie hätte noch so vieles vor sich.

Lächerlich.

Sie hatte bereits so viel hinter sich gebracht, dass es eigentlich keine Rolle mehr spielte, was vor ihr lag. Also konnte sie genauso gut ein letztes Mal kräftig durchatmen und sich anschließend dem Abrutschen hingeben.

»Dass du es ja nicht wagst, davonzulaufen!«, hörte sie eine Stimme, leicht verzerrt, aber gut erkennbar.

Aurelia Bina. Ihr Sargnagel.

Nein, eigentlich im Gegenteil. Denn ausgerechnet die Posmi wollte verhindern, dass sie sich dem angenehmen, heimeligen, verlockenden Tod hingab.

»Hast du mich verstanden? Ich dulde nicht, dass du stirbst!«

»Ist schon gut. Ich bleibe«, wollte Suyemi Taeb sagen, doch ihre Stimme versagte.

*

Sie wurde angehoben und auf eine Antigravplattform gelegt. Wichtigtuer in aseptischen Gewändern umflatterten sie, darunter der spitzköpfige Ara, an dessen Namen sie sich nicht mehr erinnerte. Kurz geriet ein aufgeblähter Schweberoboter in ihr Blickfeld, der Flüssigkeit in ihren Körper pumpte. Ein anderer, dessen tonnenförmiger Leib sich rasend schnell drehte, mischte weiteres Blut aus pulverförmigem Granulat und heller Flüssigkeit zusammen. Sie schien das Blut so rasch zu verlieren, wie es ihr zugeführt wurde.

»Ich hoffe, ihr wisst, dass ich A negativ brauche?«, wollte Taeb sagen, brachte aber bloß ein Blubbern hervor.

Sie verstand die Worte der Wesen rings um sie nicht, aber die Stimmen klangen besorgt. Immer wieder wurden ihr traurige Blicke zugeworfen, manchmal sah sie ein Stirnrunzeln oder ein Kopfschütteln.

Immer wieder tauchte Aurelia Bina neben ihr auf. Wenn die Mediker etwas sagen wollten, ließ sie sie nicht zu Wort kommen.

Taeb meinte, ihre schneidende Stimme sagen hören: »... dulde nicht, dass sie stirbt. Ich habe es Suyemi verboten. Dasselbe gilt für euch, ihr Kurpfuscher. Unter keinen Umständen ist das ihr letzter Einsatz. Sie wird alt und grau und glücklich werden, und ihr werdet dafür sorgen ...«

Taebs Verständnis für die Dinge setzte aus, und als sie wieder zu sich kam, hatte sich die Umgebung verändert. Lichter huschten an ihr vorüber, dann war sie dem Licht der Sonne ausgeliefert. Man steckte sie in einen Gleiter, er wackelte ein wenig, ihr Magen hob sich, und die Andruckabsorber hatten mächtig viel zu tun, um die Beschleunigungswerte auszugleichen.

Es ging ihr also schlecht. Vermutlich würde sie die nächsten paar Wochen oder gar Monate in einem Heilbad verbringen müssen. Womöglich mussten Innereien extra für sie herangezüchtet und an ihren Körper angepasst werden. Sie würde für eine Weile keinen Dienst machen können.

Aber vielleicht besuchte sie dieser dumme Kerl, wie hieß er noch mal? Sascha? Sascha Liebkind?

Landung, ein Rumpeln, wiederum Tageslicht. Weitere Mediker, weitere Roboter. Wieder vermengten sich die Eindrücke zu einer Melange. Erst, als man links und rechts von ihrem Gesicht Zwingen anbrachte und ihr eine Art Keil in den Mund stopfte, kam sie wieder zu sich und konnte ihre Sinneswahrnehmungen voneinander unterscheiden.

Und immer noch war die TLD-Chefin bei ihr. Mit dem Erscheinungsbild einer kleinen, aber quicklebendigen Blondine, in deren Augen sich Sorge spiegelte.

Falsch: der Anschein von Sorge.

»Du weißt, was du mir versprochen hast, Suyemi. Du wirst unter keinen Umständen sterben.«

Ein Mediker drängte Bina beiseite. Ein Epsaler, der die Gleichgültigkeit eines Rinderschlächters zeigte. Ein Roboter reichte ihm ein Etwas, das auf dem ersten Blick wie ein langer, knöcherner und beweglicher Wurm von Armeslänge wirkte.

Der Schlächter begutachtete den Wurm und nickte. Seine Blicke trafen auf jene Taebs.

»Du wirst schlafen, Suyemi«, sagte er. »Wenn du wieder erwachst und alles geklappt hat, trägst du ein neues und voll funktionsfähiges Rückgrat in dir.«

»Es wird auf jeden Fall funktionieren!«, fuhr Bina dazwischen.

Taeb versuchte, die Bedeutung dieser Worte zu verstehen, doch sie scheiterte. Sie war unendlich müde. Diesmal, so verstand sie, erlaubte man ihr zu schlafen. Um sie zu ... zu reparieren.

*

Sie erwachte von einem Schrei. Es dauerte einige Sekunden, bis sie verstand, dass sie selbst es war, die so laut brüllte.

Ein Roboter kam herbei, unmittelbar gefolgt von Aurelia Bina. Die Chefin des TLD schaffte es tatsächlich, müde und verhärmt dreinzublicken. Unter ihren Augen hingen dunkle Ringe. Als ob sie ein Mensch wäre und sich die vergangenen Stunden – oder Tage? – in der Nähe von Taebs Krankenbett aufgehalten hätte.

Immerhin. Taeb konnte sich bereits wieder über die Posmi ärgern, also musste es ihr besser gehen.

In ihrem Kopf existierte eine Art Echo. Jeder ihrer Gedanken wurden gespiegelt. Sie hatte diese sonderbare Wahrnehmung schon einige Male gespürt. Es war der Extrasinn, der in einer Art Dämmerschlaf festhing. Vermutlich hatte er sich in einen sicheren Winkel ihres Denkvermögens zurückgezogen, als sie verletzt worden war.

Taeb konzentrierte sich auf den Auslöser des Schmerzes. Sie konnte ihn nicht genau lokalisieren. Ihr gesamter Körper brannte, als stünde er in Flammen.

»Na also«, sagte Bina und noch einmal, wie zur Bestätigung: »Na also.«

Taeb ließ sich einen Becher zum Mund führen und trank gierig. Nur zu gerne wollte sie diese einfache Handbewegung selbst ausführen, aber sie fand nicht die Kraft dazu. Tonnenschwere Gewichte lagen auf ihren Armen, auf ihren Beinen, dem Becken, selbst auf dem Hals. Er fühlte sich rau an, und jeder Schluck bereitete Schmerzen.

»Also schön«, krächzte sie und bedeutete dem Medoroboter, sie mit der Chefin des Terranischen Liga-Dienstes allein zu lassen. »Klär mich auf, was geschehen ist. Wie steht's um mich?«

»Woran erinnerst du dich als Letztes?«

»Ich wurde während des Kampfes gegen diesen blau schimmernden Menschen getroffen und durch die Luft geschleudert. Er schnappte sich Hruam und verschwand mit ihr. Wir verhinderten, dass er auch noch Xenia Biefang mit sich zerren konnte.«

»Richtig.« Die Posmi setzte sich sachte auf Taebs Krankenliege. »Cordt Pahr wurde vertrieben.«

»Das ist also sein Name? Was wissen wir über ihn?«

Bina lächelte. »Kaum von den Toten erwacht und schon wieder an der Arbeit, hm?«

»Bin ... bin ich denn noch TLD-Agentin oder ...«

... oder ein Krüppel, der sich niemals mehr wird bewegen können?, setzte sie ihren Gedanken stumm fort. Werde ich eine lebenslange Rente erhalten, in irgendein Rehazentrum auf einem der Saturnmonde abgeschoben werden, um dort ein-, zweimal im Monat Besuch von dir erhalten? Bis ich mich dazu durchringen kann, in eines der Sterbezentren zu gehen und das Notwendige zu tun?

Die Posmi betrachtete sie ernst. »Monkey lieferte uns wertvolle Hinweise. Cordt Pahr trat vor einigen Jahren in Erscheinung, als er den USO-Asteroiden Geidnerd vernichtete. Mehrere Agenten starben dabei. Er selbst wurde ebenfalls von der USO ausgebildet und galt als hervorragender Hyperphysiker. Monkey bezeichnete Pahr als einen der größten Fehler, die er jemals begangen habe.«

»Das ist ein bemerkenswertes Eingeständnis für den Oxtorner.«

»Finde ich auch.« Bina nickte. »Weiter im Text: Der Name Bo Ingwersen tauchte im Zusammenhang mit Cordt Pahr auf. Ingwersen hat ihn vermutlich umgedreht und für seine Zwecke verpflichtet. Ich bin mir sicher, dass er einer der Hintermänner des Clubs der Lichtträger ist.«

»Wir kommen ihnen also näher.« Taeb fühlte grimmige Freude.

»Mitnichten. Bo Ingwersen ist ein Tarnname. Dieser Terraner, der angeblich ein Firmenkonglomerat im Bereich Waffentechnologie und Sicherheitsaspekte betrieb, vor allem vom Planeten Last Hope aus, ist bloß eine falsche Identität.

Du wirst es nicht glauben, aber wir finden nichts über ihn. Nirgendwo. Es existiert zwar ein präzises und ausgefeiltes Portfolio von persönlichen und firmentechnischen Informationen, die aber allesamt erfunden sind und durch die Positroniken der Milchstraße schwirren.

Ingwersen schaffte es, sich durch die Sterneninsel zu lavieren und das Vertrauen vieler Mächtiger zu erschwindeln, ohne jemals als Geschäftsmann in Erscheinung getreten zu sein. Er war stets nur anwesend, hörte zu, sammelte Meinungen, tauchte wieder ab und einige Monate oder Jahre später an anderer Stelle erneut auf.«

»Ein Phantom also.«

»Richtig.«

»Ich muss an den Ylanten Pasch denken. Wer weiß, ob er da nicht seine Finger mit im Spiel hatte. Er hat enorm viel dazu beigetragen, dass sich die Lichtträger unbemerkt entwickeln konnten, und hat Einfluss auf NATHAN genommen.«

»Mag sein.«

Sie schwiegen. Bis es aus Bina herausplatzte: »Also schön. Frag mich.«

»Was meinst du?«

Illustration: Swen Papenbrock

»Das weißt du ganz genau. Du möchtest wissen, wie dein Gesundheitszustand wirklich ist und ob du das Krankenbett bald wieder verlassen kannst.«

»Nun ja ...« Nein. Ich will diese Frage nicht stellen. Ich fürchte mich davor, mehr als vor allem anderen.

»Kannst du deinen Körper spüren?«

»Es kribbelt. Überall. Anfangs glaubte ich, dass ich gelähmt wäre. Aber ich kann mich selbst fühlen. Ich hoffe, dass das ein gutes Zeichen ist.«

»Es sind künstliche Rezeptoren, Suyemi.«

Taeb brauchte eine Weile, um den Sinn dieser wenigen Worte zu erfassen. »Ich erinnere mich, gesehen zu haben, dass man mir ein neues Rückgrat einpflanzen wollte. Kurz, bevor ich endgültig weggetreten bin.« Sie schluckte. »Aber es kommt alles wieder in Ordnung, oder?«

»Die Mediker sind zuversichtlich.« Bina erhob sich und ging unruhig durch das Krankenzimmer. »Du wirst leben, Suyemi. Aber niemand weiß, ob und mit welchen Einschränkungen. Dein Schutzschirm ist, unmittelbar bevor du von der Wucht einer Explosion hochgeschleudert wurdest, zusammengebrochen. Es waren mindestens zehn Gravos, mit denen du gegen die Kante eines terkonitverstärkten Tisches geschleudert wurdest. Um es offen auszusprechen: Dein Körper wurde praktisch entzweigeschnitten. Die Mediker wissen eigentlich nicht, wie du das überleben konntest.«

»Ich weiß es.« Taeb erinnerte sich an Bina. Sie war die ganze Zeit neben ihr gewesen, hatte ihr zugeredet, hatte ihre Willenskraft herausgefordert. Und nun, anstatt den Pflichten ihres Amtes nachzukommen, saß die TLD-Chefin an ihrem Krankenbett und plauderte mit ihr.

»Hilf mir hoch!«, verlangte Taeb.

»Das geht nicht. Du wurdest fixiert. Du liegst bis zum Hals in einer Art Rüstung, die mit Heil-Gel gefüllt ist. Jegliche Bewegung ist für die nächsten paar Stunden verboten. Unzählige Pflegeroboter arbeiten im Inneren der Rüstung nach wie vor an dir. Sie flicken dich zusammen, sie schneiden nekrotisches Gewebe weg und verpflanzen neues. Vor allem aber kümmern sie sich um die neuronalen Verbindungen.«

Taeb hasste ihre Chefin aus ganzem Herzen. Sie wollte diese Worte nicht hören. Bina hätte ihr sagen sollen, dass alles wieder in Ordnung käme und sie bald wieder auf den Beinen wäre.

»Wie sind meine Aussichten?«

»Das hängt von dir ab.«

»Das bedeutet?«

»Wenn der Genesungsprozess normal verläuft, wirst du in einigen Wochen wieder selbstständig gehen können. Aber du wirst dich daran gewöhnen müssen, ein Exoskelett zu tragen. Es wird dir ausreichend Bewegungsfreiheit ermöglichen.«

»Werden Schädigungen zurückbleiben?«

»Das weiß man nie. Solche Sachen solltest du mit den Medikern besprechen.«

Beide legten eine Pause ein. Bina wirkte mit einem Mal geistesabwesend. Vermutlich griff sie auf ihre internen Speicher zurück, gab Anweisungen über Funk oder war per Holoübertragung bei einer Besprechung zugeschaltet.

Taeb hatte Angst, weitere Fragen zu stellen. Und dennoch ...

»Warum bist du hier, Aurelia?«

»Warum möchtest du das wissen?«

»Es muss einen Grund geben, warum du während der Operation und während meines Heilschlafs in meiner Nähe geblieben bist.«

»Du weißt ganz genau, dass ich den Großteil meiner Arbeit standortunabhängig erledigen kann.«

»Du weichst aus, Aurelia.«

Die Posmi nickte mit merklicher Verzögerung. »Du hast recht. Ich weiche aus. Weil du mir immens auf den Nerv gehst, Suyemi. Weil ich mich um dich sorge und ich nichts gegen diese Sorge tun kann. Diese verdammte Emotionalisierung, der ich mich manchmal aussetze, lässt die Wesenswerdung in mir wuchern wie ein fauliges Geschwür. Ich weiß nicht mehr, ob ich meine Angst um dich simuliere oder wirklich empfinde. Ich spüre Veränderungen, ohne sie richtig festmachen oder mich dagegen wehren zu können.«

»Ist es nicht das, was du wolltest?«

Bina lachte kurz auf. »Siehst du? Ich weiß gar nicht mehr, ob ich es wollte oder nicht. Diese Frage wird überdeckt von den emotionalen Veränderungen in mir.«

»Also schön. Du magst mich und machst dir Sorgen um mich.«

»Das hast du gesagt. Ich würde es niemals öffentlich zugeben. Zumal ich der Objektivität verpflichtet bin. Eine TLD-Agentin ist für mich so gut wie jede andere.«

»An deiner Begabung zur Lüge musst du noch ein wenig arbeiten. Nicht einmal ich kaufe dir diese Worte ab.«

»Du nervst, Suyemi.«

»Du ebenfalls, Aurelia. Dann sind wir uns ausnahmsweise mal einig. Aber lass uns über die Lichtträger reden.«

»Du bist rekonvaleszent. Du wirst schön brav liegen bleiben und dich erholen ...«

»Mein Körper ist ein klein wenig lädiert, wie es aussieht. Aber meinem Geist geht es recht gut. Oder behaupten die Mediker etwa, dass da auch etwas durcheinandergeraten ist?«

»Es könnte zu posttraumatischen Aussetzern kommen ...«

»Unsinn! Wozu habe ich den Extrasinn? Er wird sich um mich kümmern und mich stabilisieren. Also: Ich möchte die Unterlagen zu Bo Ingwersen. Dazu einen sprachgesteuerten Arbeitsplatz, einen Holoprojektor und eine Prioritätsschaltung sowie Befugnisse, die es mir erlauben, jeden Bewohner des Solsystems zu kontaktieren und zu befragen.«

»Abgelehnt.«

»Lassen wir die Spielchen, Aurelia! Du bist hier, weil du möchtest, dass ich so rasch wie möglich wieder arbeite.«

Zumindest hoffe ich das.

»Das stimmt so nicht ...«

»Oh doch. Erspar uns bitte beiden dieses peinliche Ja-nein-vielleicht-Spiel. Wir haben viel zu tun, nicht wahr?«

Ja. Sie hatten viel zu tun. Taeb wollte den Mann in den blauen Flammen fangen und ihn so rasch wie möglich zur Verantwortung ziehen.

»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte Bina und durchbrach damit ihre Gedanken.

»Und zwar?«

»Besuch. Ich habe ihm Feuer unterm Hintern gemacht und dafür gesorgt, dass er so rasch wie möglich nach Terrania versetzt wurde.«

Eine Tür öffnete sich leise zischend; jemand trat mit zaghaften Schritten in ihr eingeschränktes Gesichtsfeld.

»Deine Chefin ist eine böse, grausame Hexe, wusstest du das?«, fragte Sascha Liebkind mit schiefem Grinsen und ohne auf Aurelia Binas Anwesenheit zu achten.

»Böse und grausig ist sie. Richtig.« Ihre Stimme stockte, ihre Sicht verschwamm. Sie war nicht mal in der Lage, ihren Arm zu heben, um die Tränen aus ihren Augen zu wischen. Sie kamen, ohne dass Taeb etwas dagegen unternehmen konnte.

2.

Misstrauen

Cordt Pahr genoss die Stille im Chateau. Seit der Rückkehr von seinem Einsatz hatte er sich kaum gerührt, hatte nur stumpf gegen die Wand gestarrt und versucht, die Geschehnisse in den Katakomben unterhalb des IEME aus seinen Gedanken zu verdrängen.

Es wollte nicht gelingen.

Die Kardec-Rüstung hatte sich im Einsatz bestens bewährt. Pahr aber hatte einen Fehler nach dem anderen begangen. Er hatte sich selbst in eine Unterhaltung mit seinen Gegnern verwickelt, hatte sich auf die TARAS in seiner Begleitung verlassen und dazu auch noch den ertrusischen Feind sträflich unterschätzt.

Quefia Ghosham betrat grußlos den Raum. Sie ließ sich ihm gegenüber auf einem Sofa nieder und legte die langen Beine auf den Glassittisch zwischen ihnen.

»Du siehst nicht gut aus«, sagte sie mit ihrer dunklen, kalten Stimme. »Was bedrückt dich?«

»Ich hätte meine Aufgabe gerne besser erledigt. Ich konnte weder Xenia Biefang mitnehmen noch den Gürtel der Fledermausfrau.«

»Ja. Du hast viele Fehler begangen.«

»Wenn du gekommen bist, um mich mit diesen Worten zu trösten, ist es dir nicht gelungen.«

»Ich sage es, wie es ist. Bo und ich haben mehr von diesem Angriff aufs IEME erwartet. Aber immerhin – wir haben Hruam. Sie war die wichtigste Zielperson.«

»Wie geht es ihr?«

»Wir testen soeben Übersetzungsprogramme, um ihre nonverbale Sprache verstehen zu lernen. Ich bin sicher, sie versteht Interkosmo und könnte es irgendwie sprechen, aber sie verweigert sich dem. Zumindest scheint sie gesund zu sein, wenn auch ein wenig schwach. Die Entführung ist ihr aufs Gemüt geschlagen.«

»Was erwartet ihr eigentlich von ihr?«

»Das weißt du ganz genau, Cordt: Sie soll uns alles erzählen, was sie über die Superintelligenz ES weiß und was sie mit ihr verbindet.«

»Das sind doch bloß Schlagworte, Quefia.«

»Weil du nicht mehr zu wissen brauchst. Bo möchte dich nicht tiefer in Dinge reinziehen, die dich nichts angehen.«

Ich bin ein Werkzeug, machte sich Pahr bewusst. Ein hoch spezialisiertes und mächtiges zwar, aber immer noch ein Werkzeug, das Ingwersen dann benutzt, wenn er es braucht. Außerdem scheint er mir zu misstrauen, während er Quefia in all seine Gedanken, Pläne und Geheimnisse einweiht.

»Also schön. Was wird in den nächsten Tagen passieren? Habt ihr eine weitere Aufgabe für mich oder kann ich mich um die Verfeinerung der Funktionsweise der Kardec-Rüstung kümmern?«

»Mach das. Du solltest aber auf Abruf zur Verfügung stehen. Man wird nach uns suchen. Auch wenn du den Terranischen Liga-Dienst schlecht hast aussehen lassen, müssen wir deren Agenten überaus ernst nehmen. Sie werden alles unternehmen, um unseren Aufenthaltsort rasch ausfindig zu machen und Hruam zu befreien.«

»Warum bleiben wir dann im Chateau und verschwinden nicht einfach von Terra? Bo könnte Hruam ja auch auf der OPHÜLS verhören, irgendwo weit weg von hier.«

»Du stellst sehr viele Fragen, Cordt.« Quefia erhob sich, trat auf ihn zu und streichelte seine Wange. Auf eine Weise, die sich kühl und teilnahmslos anfühlte, aber dennoch etwas in ihm auslöste. Etwas, das sich zwischen Gier und Hoffnung bewegte.

»Ich weiß, dass du Zweifel hast, Cordt. Wir werden über deine Fehler reden und auch darüber, was du richtig gemacht hast. Ich nehme mir Zeit für dich, versprochen. Aber in den nächsten Stunden müssen Bo und ich uns mit der Mrynjade unterhalten. Verstehst du das?«

Pahr fühlte einen leichten stechenden Schmerz hinter seinem Ohr. Quefia hatte ihn mit einem ihrer metallenen Fingernägel gestochen und ihm wohl ein beruhigendes Mittel aus der araischen Giftküche verabreicht. Er fühlte, wie seine Sorgen allmählich weniger wurden und er sich entspannte.

Durfte er ihr denn weiterhin vertrauen? Was, wenn er seine Aufgabe erfüllt hatte und nicht mehr gebraucht wurde? Würde sie ihn beseitigen?

Ja, würde sie.

Sie teilten Intimitäten. Aber das hatte für die Ara-Frau nur wenig Bedeutung. Sie stand unverrückbar an Bo Ingwersens Seite.

»Wir reden morgen weiter«, sagte Quefia und wandte sich ab.

3.

Ethik und Moral

»Wie geht es Cordt?«, fragte Bo Ingwersen, ohne von seinem Arbeitsplatz hochzusehen. Er betrachtete konzentriert die Serienbilder eines Gehirnscans.

»Es war so, wie du es sagtest, Bo: Er zweifelt. Und er beginnt sich zu fürchten. Er ist sich seiner Rolle nicht sicher. Er scheint zu glauben, dass wir ihn loswerden wollen, nachdem er seine Aufgabe fehlerhaft ausgeführt hat.«

»Du musst ihm diese Zweifel nehmen. Ich hasse es, Zeit und Energie in ein Projekt zu investieren, ohne viel Nutzen daraus ziehen zu können. Jahrelang haben wir darauf hingearbeitet, dass Cordt sich uns anschließt und er versteht, was wir anzubieten haben.«

»Wie gesagt: Er ist misstrauisch. Aber ich werde mich um ihn kümmern.«

»Gut. Danke.«

»Wie kommst du mit Hruam voran, Bo?«

»Ich habe getan, was ich tun konnte. Nun bist du dran. Ich vertraue auf deine Fähigkeiten, an ihren Geist heranzukommen.«

»Sie ist so völlig anders. Es wird ein hartes Stück Arbeit werden, sie für uns zu öffnen.«

»Dir stehen alle Mittel zur Verfügung.«