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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befindet sich in der Kondor-Galaxis, wo sich Perry Rhodan aufhält. Er versichert sich der Hilfe der Piraten von Kondor und begibt sich auf Spurensuche. Dazu nutzt er DIE LIST DES ADMINISTRATORS ...
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Nr. 3253
Die List des Administrators
Angriff der Baccunarchie – der Terraner entdeckt ein Geheimnis
Susan Schwartz
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Baccunenraumer ORR
2. SHAMMADIN: Perry Rhodan
3. Baccunifizierung
4. Poquandar träumt
5. Bei der Gravokuppel
6. Perry Rhodan
7. Befreiung
8. Bei den Arberati
9. Zum Todeswasser
10. In der Gravokuppel
11. In die Tiefe
12. Nicht von dieser Welt
13. Ein neuer Plan
14. Telpeccs neue Lektion
15. Das nächste Ziel
Fanszene
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.
Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befindet sich in der Kondor-Galaxis, wo sich Perry Rhodan aufhält. Er versichert sich der Hilfe der Piraten von Kondor und begibt sich auf Spurensuche.
Dazu nutzt er DIE LIST DES ADMINISTRATORS ...
Perry Rhodan – Der Terraner muss tief tauchen.
Shema Ghessow – Für die Mutantin gibt es kaum Hindernisse.
Telpecc – Ein Baccune wünscht sich andere Zeiten.
Ussner – Der Offensberater hat einen schwierigen Fall zu lösen.
Poquandar
1.
Baccunenraumer ORR
Ich bin Telpecc, Kommandant des baccunischen Flaggschiffs ORR. Zu meinem Verband gehören insgesamt fünfundzwanzig Raumer.
Ich habe den Auftrag, das Abobademsystem zu erobern.
Denn die vierjährige Eroberungsphase der Baccunarchie hat begonnen.
Nach weit über vierhundert Jahren.
Kann mir bitte jemand, irgendwer dort draußen, verraten, wieso ausgerechnet ich ein Kriegskommandant geworden bin?
*
»Kommandant Telpecc? Bitte öffne deine Tür. Ich bin's, Ussner, dein Offensberater. Wir müssen uns unbedingt über die Strategie unterhalten. Und ich kann deine Fragen beantworten. Kurz gesagt: Ich kann dir helfen.«
»Geh weg!«
»Das kann ich nicht, und das weißt du. Deine und meine Aufgaben sind klar definiert.«
»Deine Aufgabe mag definiert sein. Ich verstehe meine auch. Aber ich bin dafür nicht geeignet.«
»Lass uns darüber sprechen, weshalb du das doch bist.«
»Ich bin es nicht!«
»Ich kann dir helfen.«
»Du wiederholst dich.«
»Weil es so ist.«
»Geh weg!«
»Du wiederholst dich ebenfalls. Nein.«
Schweigen.
Dann von drinnen: »Und nun?«
»Ich bleibe hier stehen, bis du öffnest, Kommandant. Ich werde mich nicht wegrühren. Ich werde dich nicht zwingen, mich hereinzulassen, denn das steht mir nicht zu. Ebenso wenig, dem obersten Flottenkommando Meldung zu geben. Ich habe keine Befehls- oder Entscheidungsbefugnis, ich bin nicht mehr als ein Ratgeber, der dazu verdammt ist, seine Aufgabe zu erfüllen, koste es, was es wolle, selbst wenn ich hier verdurste.«
»Du bist sehr geschickt, Psychologe.«
»Es ist die Wahrheit, und das weißt du. Du hast mein Profil gelesen und weißt ebenso, dass alles, was wir besprechen, unter uns bleibt. Ich bin deine Vertrauensperson, und ich werde dich mit meinem Verstand unterstützen. Jedoch wird dies hier nicht mehr lange unter uns bleiben, wenn du dich fortgesetzt allem verweigerst und unsere Flotte ihrer Aufgabe nicht nachkommt, und zwar unverzüglich.«
Erneutes Schweigen.
Schließlich glitt die Tür zur Seite.
*
Telpecc stand in der Mitte seiner Unterkunft, das vordere Zugbein angespannt, als wollte er jeden Augenblick vorspringen. Die beiden hinteren Stemmbeine hingegen waren fest verankert. Ein deutlich erkennbarer Konflikt, ein chaotischer Wechsel der Emotionen – für Ussner völlig nachvollziehbar.
Deswegen war er hergekommen, das war seine Aufgabe, für die er als Psychologe eine Zusatzausbildung erhalten hatte. Allerdings im Schnellkursverfahren, sodass er keineswegs frei von allen Zweifeln war oder davon überzeugt, Telpecc tatsächlich helfen zu können.
Genau wie Telpecc hatte er keinerlei Erfahrung: Es war sein erster Einsatz und somit eine gewaltige Herausforderung. Ussner hatte auf gesicherter Frequenz, die nur für Offensberater zur Verfügung stand, mit anderen gesprochen, bevor er sich auf den Weg zu Telpeccs Unterkunft gemacht hatte, in der sich der Kommandant seit Stunden verbarrikadierte.
Es gab wohl frisch gekürte Kommandanten, die leichter damit umgehen konnten, andere mussten in ihrem Eifer sogar gebremst werden, nicht gleich alles zu bombardieren, was nach Ziel aussah, ob nun Freund oder Feind.
Es war für alle Berater wichtig, sich untereinander auszutauschen und gegenseitig Ratschläge zu geben, da keiner zuvor auf diesem Gebiet gearbeitet hatte und die Lehreinheiten nur das Gröbste vermittelten. Ausführliche Unterlagen waren nach vierhundert Jahren veraltet, sodass aufwendige Datensätze gar nicht erst angelegt wurden.
Der oberste Leitsatz, den jeder Offensberater als Erstes lernte, lautete: »Sei dein Lehrer!«
Sehr hilfreich! Und nicht beruhigend für einen Psychologen, der eigentlich andere beruhigen sollte.
Die Kommunikationsfrequenz existierte nicht offiziell und war schwierig zu finden, versteckt zwischen den abschließenden Prüfungsfragen. Sie war abgeschirmt und entsprach dem aktuellen technischen Standard. Man durfte nicht über sie sprechen, und das tat garantiert auch keiner – dafür waren sie alle zu dankbar, nicht völlig alleingelassen zu sein und gleichzeitig offen miteinander sprechen zu können, ohne dass Vorgesetzte mithörten.
Ussner hatte den mit Abstand schwierigsten Fall erwischt, das stand nach dem Austausch außer Frage.
Nun denn, damit würde er sich einen guten Status bei den anderen erarbeiten und inoffiziell Berühmtheit erringen, wenn er das Problem lösen und seine Strategie den anderen weiterleiten konnte.
»Scheint so, als hätte ich keine Wahl, oder?«, sagte der Kommandant. Er klang nicht nervös, sondern verärgert. Seine überlangen Arme, die am Ellbogengelenk eingeklappt waren und als zusätzliche Beine dienen konnten, hingen herab und schlenkerten leicht.
»Ich freue mich, dass du mir Einlass gewährt hast und mit mir sprechen willst.« Ussner antwortete völlig neutral und unverbindlich, trat in die Unterkunft, und die Tür glitt hinter ihm zu.
»Ich habe nur darüber nachgedacht, was ich letztlich mit meinem Verhalten erreichen kann«, sinnierte Telpecc. »Ich bin auf diesem Schiff eingesperrt, ob nun in der kleinen Kabine oder in der Zentrale. Keine Chance, eine Rettungskapsel zu erreichen und mich abzusetzen – und, falls mir das gelänge, irgendeine Deckung zu erreichen, bevor ich abgeschossen werde.«
Das hatte er gut erkannt.
Für Ussner hätte es eine Katastrophe bedeutet, gleich am ersten Tag zu scheitern. Wahrscheinlich hätte man ihn unverzüglich hinterher in den Weltraum geschickt, ohne Anzug.
»Dann lass uns über deine Aufgabe sprechen«, schlug er vor und wies auf die Sitzgelegenheiten, da der Kommandant sich nicht bemüßigt sah, ihn einzuladen.
Sie ließen sich auf den üblichen, für Dreibeiner geeigneten Hockern nieder. Das diente auch dem Gewichtsausgleich ihrer kleinen, sehr stämmigen Beine mit der muskulösen, asymmetrischen Statur, bei der die Schultern stets breiter als die jeweilige baccunische Körperlänge waren.
Die Erklärung für diese ungewöhnliche Erscheinung war zwar einfach, aber bedeutend, sobald eine Expansionsphase begann.
*
Als sie einander gegenübersaßen, war Telpecc nicht mehr zu halten. »Ussner, ich bin Verwaltungsfachmann und Logistiker. Als Kriegskommandant bin ich denkbar ungeeignet!«
»Im Gegenteil. Als Logistiker musst du über strategisches Denken verfügen, damit kein Chaos entsteht. Und als Verwaltungsfachmann verfügst du über notwendige Kenntnisse der Strukturen und Organisation.«
»Das prädestiniert mich nicht zum Befehlshaber.«
»Oh doch, aus zwei Gründen. Erstens, du musst dich mit Personen und Mitarbeitern auseinandersetzen, die permanent deine Logistik infrage stellen. Sie wollen Vorzugsbehandlung, andere Einsatzpläne ... ein ständiger Kampf um den richtigen Hocker. Das reicht nicht ganz für Autorität, aber zweitens: Dafür hast du schließlich deine Schulung erhalten, nicht wahr?«
Die beiden außen liegenden Daumen der rechten sechsfingrigen Hand drückten sich aneinander. »Aber sicher, ein jahrelanges Studium!« Die Stimme troff vor Sarkasmus.
»Wenige intensive Wochen, wie bei mir.« Ussner hob zur Beruhigung die offene Hand mit vier gestreckten Fingern und zwei eingeklappten Daumen. »Die letzte Phase liegt über vierhundert Jahre zurück. Es gibt niemanden mehr mit Erfahrung, und die Zeiten haben sich ebenfalls geändert.«
»Warum haben sie sich dann nicht zum dauerhaften Frieden geändert?«, rief Telpecc erbost. »Denkst du, ich bin der Einzige, der danach fragt und das oberste Kommando aufgefordert hat, darüber nachzudenken?«
»Diese Gedanken hat jeder, der in die Eroberungsphase gerät und sein Leben von Grund auf ändern muss.« Ussner blieb geduldig, er hatte alle Antworten parat. »Wir sind nun ein Volk des Krieges, so wie die Vorfahren vor über vierhundert Jahren, und so, wie es die Generation in der nächsten Phase sein wird. Niemand von uns wünscht es sich, ausgerechnet selbst davon betroffen zu sein. Aber andererseits haben wir nun die Gelegenheit, stolz darauf zu sein, was die Baccunarchie leistet, und ihr aktiv zu dienen. Wir werden unser Sternenreich erweitern und etwas für die Nachwelt erschaffen, auf dem sie aufbauen kann! Glorreiche Zeiten erwarten uns!«
Hastig hob er die zweite Hand. »Ich weiß, dass du erneut nach dem Warum fragen willst, dabei kennst du die Antwort genau. Es ist ein biochemisch veranlasstes, kulturell überformtes und politisch funktionalisiertes Phänomen. Das ist es, was uns einzigartig unter all den anderen Völkern macht, und zur wahren Macht unter den Dominanten Vier.«
»Ja, sie fürchten uns«, murmelte Telpecc. »Ich verfolge die Nachrichten.«
»Selbstverständlich fürchten sie uns, wenn wir in die Eroberungsphase treten, denn wir sind unbesiegbar.«
»Ich spüre es aber nicht in mir, verstehst du das nicht?«
»Nein, es ruht. Weil du niemals zuvor aktiv geworden bist, Kommandant Telpecc. Die Disposition zum Krieg ist eine den Baccunen vor Jahrtausenden auferlegte genetisch-kulturelle Struktur. Wir nennen es ...«
»... das nicht ausschlagbare Erbe, ich weiß. Meine erste Unterrichtseinheit, kaum dass ich alt genug dafür war.«
»Wie auch die meine. Ich konnte gerade mal sprechen.«
Telpecc schloss und öffnete die Hand. »Und nun sind wir hier.«
Ussner machte eine bestätigende Kopfbewegung. »Als Kinder haben wir das Dogma gelernt, ohne weiter darüber nachzudenken. Nie hätten wir gedacht, dass es ausgerechnet uns treffen würde. Aber tatsächlich spielt das keine Rolle.«
Er hielt die Hand mit der Fläche nach unten gegen Telpecc, vier Finger eingeklappt, die beiden Daumen zeigten auf den Kommandanten. »Es ist in uns. Jeder Baccune – ohne Ausnahme! – trägt das Erbe in sich. Und du und ich, wir sind wegen der Fähigkeiten, die man in uns bei den Auswahlprüfungen erkannt hat, auserwählt worden, die Soldaten anzuführen, Schiffe zu befehligen und, in meinem Fall, zu beraten. Du hast eine Machtstellung erhalten, und nicht weniger als fünfundzwanzig Raumschiffe, deren Mannschaften bereit sind, alles zu geben, unterstehen deinem Kommando. Du hast dich als Kommandant qualifiziert – also sei einer!«
»Und was ist mit meinen Zweifeln?«, blieb Telpecc hartnäckig.
»Nutze sie! Sie helfen dir, umsichtig und verstandesbewusst zu handeln«, antwortete Ussner. »Du musst Erfahrungen sammeln – aber das trifft auf jeden an Bord zu, ohne Ausnahme, und ebenso auf den restlichen vierundzwanzig Schiffen. Es ist deine Pflicht, deine Zweifel still mit dir zu tragen und sie, wenn überhaupt, nur mit mir zu teilen.
Illustration: Swen Papenbrock
Es ist deine Pflicht, deinen Platz in der Zentrale einzunehmen und all diesen Anfängern zu sagen, was sie zu tun haben. Es ist deine Pflicht, deine erste Mission zur vollen Zufriedenheit zu erledigen, im Dienst der Baccunarchie, möge sie ewig bestehen und unser nicht ausschlagbares Erbe weitertragen. Möge die Baccunarchie wachsen und gedeihen und unser Kriegszug von Erfolg gekrönt sein.«
Ein sonderbarer Glanz trat in Telpeccs orangefarbene Augen. »Darf ich einiges davon in meiner Antrittsrede verwenden?«
Ussner lachte. »Ich bitte darum! Ich hatte nicht wenig Mühe, das zu formulieren.«
2.
SHAMMADIN: Perry Rhodan
Wir gerieten mitten in eine Raumschlacht.
Eine Partei erkannte ich sofort: Baccunische Krallenraumer. Der Name kam nicht von ungefähr: Die Schiffe ähnelten über tausend Meter langen Eiern, deren dickeres Ende in Flugrichtung wies und von acht krallenartig beweglichen Türmen markiert wurde. Angedockte oder sie umschwirrende tropfenförmige Beiboote komplettierten das Bild. Die Krallenraumer griffen einen Verband kleinerer zylinderförmiger Schiffe an, die nicht länger als dreihundert Meter waren.
Hunderte verglühender Teile zerstörter Raumer trieben zwischen den sich heftig befeuernden und scheinbar wild umherkreuzenden Kontrahenten dahin, etliche Hundert Rettungskapseln waren irgendwohin unterwegs. Viele gerieten ins Kreuzfeuer und vergingen in einem kurzen Lichtpunkt.
»Kennt ihr die?«, fragte ich Kommandantin Anmananda und wies auf die Zylinder.
»Nie zuvor gesehen, aber wir haben auch noch nie so weit entfernt operiert«, antwortete die Pertsuma. »Langsam frage ich mich aber, ob die Baccunen verrückt sind.«
Ich verstand, was sie meinte. Die Baccunen hätten die Fremdraumer in einem Handstreich erledigen und den Schlachtensieg in weniger als einer Viertelstunde für sich verbuchen können. Aber sie taten es nicht! Stattdessen zogen sie sich zurück. Ein Krallenraumer nach dem anderen verschwand aus dem Normalraum. Zurück blieb eine ziellos umhertreibende Restflotte an Zylinderschiffen.
Der Hyperfunk schwirrte vor panischen Rufen. Die Bitte um Rettung, um Koordination, um Lagebesprechung. Mehrere geraffte Sprüche wurden abgeschickt, die wir mühelos abfangen konnten; sie verfügten nicht einmal über grundlegende Schutzvorkehrungen. Als wollten sie, dass jeder ihre Rufe hörte, nicht nur das Heimatsystem.
Eine Warnung an alle.
Wir erfuhren, dass die kleine Flotte nach ihrer Patrouillen-Routine auf dem Weg in die Heimat gewesen war, als die Baccunen aus dem Nichts und ohne vorherige Anrufung auftauchten und sofort den Vernichtungsangriff starteten. Die ersten Zylinderraumer vergingen in den ersten drei Minuten, bis der Rest der Flotte die Waffensysteme justiert hatte und einen Gegenangriff starten konnte.
Gleichzeitig wurden Versuche unternommen, Kontakt zu den Krallenraumern herzustellen, doch vergeblich.
Die Zylinder konnten sich nicht zurückziehen, sie waren nicht schnell und wendig genug. Also versuchten die Besatzungen, so viele Rettungskapseln wie möglich abzusetzen, in der Hoffnung, dass sie übersehen wurden, genug Distanz gewannen und später wieder eingesammelt werden konnten.
Die Verluste waren immens hoch. Man schickte auf allen Frequenzen die Nachricht, dass man sich ergeben würde, doch die Baccunen ignorierten das und feuerten weiter.
Und dann – verschwanden sie.
Nun würde man einsammeln, wer überlebt hatte, havarierte Schiffe zurücklassen und ins Heimatsystem zurückkehren. In der Hoffnung, dass dort nicht schon der Hauptangriff stattfand. Denn es stand außer Frage, dass die Baccunarchie ihren Angriff auf den gesamten Raumsektor ausweiten würde, um ihn sich einzuverleiben.
*
Shema Ghessow trat an meine Seite. »Sollten wir denen nicht helfen?«
Anmananda hatte ihre leise gestellte Frage gehört. »Die kommen zurecht«, lehnte sie ab, und zwar in einem Tonfall, der keine Diskussion zuließ. Nicht einmal für mich – in diesem Fall. »Es haben viele überlebt, um die anderen einzusammeln, und es sind noch genug Schiffe insoweit intakt, dass sie es bis nach Hause schaffen. Hier gibt es für uns nichts zu holen, also werden wir unseren Weg fortsetzen.«
Sie wandte sich mir zu. »Du wirst sicherlich eine Besprechung anberaumen, Administrator?«
Ich nickte.
*
Es war eine gefährliche Gratwanderung für mich. Ich hatte mich nach harten Prüfungen an die Spitze der Piraten gekämpft und führte sie nun an – unter dem von mir selbst gewählten und traditionell mit mir verbundenen Titel »Administrator«.
Ich hatte zwar die Befehlsgewalt, aber das bedeutete noch lange nicht, dass man mir uneingeschränkt vertraute und mich machen ließ, was ich wollte. Die Hyperflusspiraten lebten wie alle Piraten davon, »Geschäfte« auf unlautere Weise zu machen, bei höchstmöglichem Profit. Also hatte ich als Oberster entsprechende Beute ausfindig zu machen und heranzuschaffen.
Ich hatte gut gekämpft und mir Respekt sowie Loyalität erworben, als ich nicht nur gefangene Piraten nach missglücktem Beutezug beim Hyperflusshafen Tallumadd befreite, sondern dazu mit einem Schatz an Transparen zurückkehrte – aber selbst das hatte seine Grenzen.
Ausruhen durfte ich mich nicht. Mein Amt galt nicht »auf ewig« und »uneingeschränkt«, sondern ich stand wie all meine Vorgänger permanent im Brennpunkt und konnte schneller abgesetzt werden, als ich den Rang erworben hatte. Nicht nur durch Herausforderung, sondern natürlich auch, indem jemand mich hinmeuchelte.
Wenigstens hatte ich mir ein wenig Freiraum geschaffen, indem ich mir weitere Leibwächter – oder besser gesagt, Aufpasser – vom Hals hielt. Das konnte ich überhaupt nicht brauchen – ich hatte genug Freunde um mich, auf die ich mich verlassen konnte. Shema und Antanas, und inzwischen auch Poquandar und, wie es aussah, auch den Sorgoren Vincoulon. Jeder auf seine Weise war ein hervorragender Kämpfer, sei es nun körperlich, mit besonderen Gaben oder einem schlauen Köpfchen.
Ich musste mir also etwas einfallen lassen, wo wir auf Beutezug gehen sollten, nachdem ich die Piraten überzeugt hatte, dass im Grenzgebiet der Baccunarchie derzeit gute Aussichten dafür bestünden. Die Baccunen fielen wie Heuschrecken über Systeme her, um ihr Hoheitsgebiet zu erweitern. Das bedeutete Chaos – und im Chaos ließen sich stets gute Geschäfte machen.
Dass ich in Wirklichkeit so nahe wie möglich an das Heimatsystem der Sorgoren gelangen wollte, band ich den Piraten nicht auf die Nasen oder Atemlamellen. Da ich nun Administrator war, nutzte ich die Möglichkeiten, die mir die SHAMMADIN bot.
Sie war ein phänomenales, großes Raumgefährt, als wären zwei Hufeisenschiffe der Khassu Than einander mit den offenen Enden gegenübergestellt. Verbunden wurden sie durch eine Art Hantel aus zwei kugelförmigen Tashzurenraumern und einer Röhre, sodass das Raumschiff entfernt an eine Gürtelschnalle erinnerte.
In unserer Begleitung befanden sich weiterhin die sechs miteinander verbundenen Kuben des Sternenhauses der Lipeka, zusammen mit der RA. Das war von der Optik her eine kleine Streitmacht, die keiner so schnell angreifen würde – und unsere Mission vielleicht endlich vorwärts brachte. Wir konnten in weiten Entfernungen manövrieren, ohne ständig auf andere oder unser Glück angewiesen zu sein. Wir hatten schon so viel Zeit verloren, also hatte ich zähneknirschend den Kompromiss mit meinen Prinzipien geschlossen, mich zum Anführer der Piraten zu machen und ihnen Beute zu verschaffen, während sie mich transportierten, wohin ich wollte, und mir zugleich Schutz boten.
Atlan würde sich totlachen, wenn er je davon erführe. Und noch so einige andere, allen voran Bully, von Gucky ganz zu schweigen.
Ich, der aufrechte, moralische, stets korrekte Perry – ein Pirat. Und um dem buchstäblich die Krone aufzusetzen: Anführer der am meisten gefürchteten Piraten einer Riesengalaxis. Tausend Fässer Rum!
*
Wir trafen uns in der Offiziersmesse. Mein Team war vollzählig mit dabei, dazu Kommandantin Anmananda und noch zwei neu ernannte Offiziere, die sich als »Leutnant Drech Arn'dt« und »Leutnant Erenda« vorstellten. Drech Arn'dt war ein insektoider Apucrate mit vollständig kahlem, fühlerlosem Kopf und ein Wesen mit großem Scharfblick, wie ich erfuhr. Erenda erkannte ich als Noiran.»Darf ich fragen, weshalb ihr anwesend seid?«, fragte ich mit scharfer Stimme. »Ich kann mich nicht erinnern, weitere Personen zu dieser Beratung geladen zu haben.«