Perry Rhodan 3271: Nieuw Amsterdam - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 3271: Nieuw Amsterdam E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Die Superintelligenz ist in Fragmente zerfallen, die sich in sogenannten Refugien verbergen. Manche dieser Rückzugsorte befinden sich in weit entfernten Galaxien. Eines dieser Refugien befand sich in der Kondor-Galaxis, wurde offenbar aber bereits geborgen – oder entführt. Perry Rhodan folgt dem schwarzen Raumschiff TEZEMDIA bis zu seinen Auftraggebern. Er landet allerdings in NIEUW AMSTERDAM ...

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 3271

Nieuw Amsterdam

Der Terraner im Reich der Mitte – er sucht einen Hyperphysiker

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Jäger

2. Der Privatjournalist

3. Die Jagd beginnt

4. Zurück in Manchester

5. Jäger müssen Geduld haben

6. Im Knast

7. Jagdfieber

8. Die Universität Aller Freien Künste

9. Jagdtrieb

10. Auf dem Weg zurück

11. Der Jäger versagt

12. Sektoren der Polyrealität

13. Ospan Jesbolat

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Panjasisches Tauchboot

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Die Superintelligenz ist in Fragmente zerfallen, die sich in sogenannten Refugien verbergen. Manche dieser Rückzugsorte befinden sich in weit entfernten Galaxien. Eines dieser Refugien befand sich in der Kondor-Galaxis, wurde offenbar aber bereits geborgen – oder entführt. Perry Rhodan folgt dem schwarzen Raumschiff TEZEMDIA bis zu seinen Auftraggebern. Er landet allerdings in NIEUW AMSTERDAM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Unsterbliche verdingt sich als Schreiberling.

Antanas Lato – Der Wissenschaftler verkriecht sich.

Ono Wolkenfahrt – Der Zwergandroide unterwandert die LEUCHTKRAFT.

Ospan Jesbolat – Ein Gefangener wird befreit.

Der Jäger

Soynte Abil: Dies ist der 89. Zug im neuen Spiel. Du hast Unmengen von Metach verbraucht, aber den Irrläufer noch nicht gezogen. Warum hast du darauf verzichtet?

Vetris-Molaud: Weil weder Zeit noch Gelegenheit dafür waren. Und weil es Regeln gibt, die besagen, dass er erst nach dem 111. Zug eingesetzt werden darf.

Soynte Abil: Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden. Die letzte Partie haben wir nach anderen taktischen Gesichtspunkten gespielt, alle kommenden werden ebenso eine veränderte Struktur haben. Das ist nun mal das Geheimnis des Sota-Spiels. Du solltest deine Chancen nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Vetris-Molaud: Lass mich gefälligst meine eigenen Züge machen!

Soynte Abil: Dann wirst du verlieren.

Vetris-Molaud: Das habe ich bisher nie.

Soynte Abil: Aber du wirst auch nicht siegen. Hast du unser letztes Spiel vergessen?

Vetris-Molaud: Keineswegs. Aber ich kann daraus lernen.

Soynte Abil: Ich wünsche es dir.

1.

Der Jäger

Er erwachte. Und wusste augenblicklich, was er zu tun hatte. Noch war die Spur indifferent. Aber er würde ihr folgen, getrieben von einem Instinkt, der tief in ihm verankert war. Er wusste, dass er nicht scheitern konnte.

2.

Der Privatjournalist

Der Wecker wieherte, laut und schrill.

Perry Rhodan tastete benommen nach dem Druckknopf, verfehlte ihn mehrmals und fühlte endlich das kühle Metall. Müde presste er den Stift in die Versenkung und versuchte, sich aufzurichten.

Es wollte nicht gelingen. Er hatte eine lange Nacht hinter sich, und sein Schädel brummte gehörig. Die Kerle von der Westküste hatten einige Flaschen Maotai-Schnaps bei sich gehabt und Wert darauf gelegt, dass er eine davon gemeinsam mit ihnen leerte.

»Verbrecher«, sagte Rhodan heiser und wiederholte das Wort etwas leiser: »Verbrecher.«

Es nützte nichts. Er musste auf die Beine kommen. Auch wenn sich die Augen nicht öffnen ließen.

Der Wecker wieherte erneut.

Ich kann es nicht mehr hören. Und es sind immer noch über vier Monate, bis das Jahr des Pferdes endet.

Der Arretierungsstift hatte sich gelöst, so wie an jedem Morgen, an dem er es nicht schaffte, augenblicklich hochzukommen und unter die Dusche zu springen.

Rhodan wälzte sich zur Seite und ignorierte die Teufel in seinem Kopf. Irgendwie schaffte er es, den Oberkörper hochzustützen und die Beine auf den Boden zu bringen. Endlich ließen sich die Augen öffnen, irgendwie.

Nachdem er die Dusche erreicht und den ersten Schritt ins Innere des winzigen, steingetäfelten Raums getan hatte, verstummte der Wecker. Der Steuermechanismus in den kleinen Einheiten seiner Zinskaserne funktionierte besser als alles andere: Ein Verschlafen wurde nicht geduldet. Hätte er es gewagt, das zweite Wiehern des Weckers zu ignorieren, wäre der Hausmeister hochgeeilt gekommen, hätte die Tür mithilfe seines Reserveschlüssels geöffnet, hätte ihn wach gerüttelt und Rhodan eine Verwarnung verpasst, die sich gewaschen hatte.

Er drehte das Wasser auf und wartete geduldig, bis ein dünner, schwacher Strahl die Kopfhaut benetzte. Er war bloß lauwarm, wie fast immer, aber er erfrischte.

Zwei Minuten blieb er so stehen. So, wie es von ihm erwartet wurde. Körperpflege war ein wichtiger Teil jenes Plans, den Ban Lin kraft ihres politischen Amtes als Oberste Tianzi den Bewohnern Amerikas übergestülpt hatte.

Rhodan fühlte sich ein wenig besser, nachdem er sich abgetrocknet hatte. Das Hämmern in seinem Kopf war zum schwachen Klopfen geworden, das er mit einer Tasse grünen Kaffchás bekämpfen würde.

Die Qualität des Pulver-Heißgetränks war zweifelhaft. Die besten Ernten aus Zhejiang verblieben in China, während die amerikanische Kolonie großteils mit minderwertiger Ausschussware beliefert wurde.

Aber so war es nun mal als Untertan in einer chinesischen Kolonie. Man hatte sich anzupassen und den Vorgaben der Obersten Tianzi zu gehorchen. Oder zumindest so zu tun.

Die Kaffchá-Maschine röchelte leise vor sich hin und spuckte schließlich grünbraunen Sud in Rhodans Lieblingstasse. Er nippte daran und seufzte leise. Nun, immerhin würde das Gebräu seinen Magen wärmen.

Das Telefon klingelte.

Rhodan überlegte, ob er rangehen sollte, und entschied sich letztlich dafür. Er hatte während der vergangenen Monate zu viele Minuspunkte bei den Redaktionswächtern der NAT gesammelt. Er musste vorsichtig bleiben und sich anpassen, so sehr ihn diese dauerhaften Kontrollen auch nervten.

»Na, wenn das nicht der herzallerliebste Perry ist«, hörte er eine sattsam bekannte Stimme, noch bevor er ein Wort sagen konnte. »Jener Privatjournalist mit freier Lizenz, der mich wieder mal sitzen gelassen hat. Bereits das dritte Mal in diesem Monat.«

»Thora!«, brachte er mühsam hervor. »Was für eine Freude, dich zu hören.«

»Ach ja?«

Diese Stimme! Selbst während er unter einem gehörigen Kater litt und kaum einen klaren Gedanken zu fassen vermochte, wurde er von einer Woge warmer Gefühle überschwemmt.

»Wolltest du dich gestern Abend nicht bei mir melden?«, fragte sie sanft.

Thora war liebevoll, grausam, arrogant, anschmiegsam, leidenschaftlich, bösartig und noch vieles mehr. Kurzum: die perfekte Frau für ihn. Jederzeit konnte sich das Kätzchen, als das sie sich manchmal gab, in ein wildes Raubtier verwandeln und über ihn herfallen.

»Ich wollte«, sagte er. »Leider sind mir einige Sinos vom Gelben Kontinent über den Weg gelaufen. Ehemalige Kollegen. Du weißt, wie es ist: Sie haben darauf bestanden, dass ich mit ihnen das Wiedersehen feiere. Man kann nicht Nein sagen ...«

»Man kann natürlich Nein sagen, nur Perry Rhodan ist nicht dazu in der Lage.«

»Thora, bitte! Tai-Tiang, Lao Lin-To und Mao-Tsen sind wichtige Informanten vom Gelben Kontinent. Es gibt leider zu wenig gute Leute in China. Ich muss mit dem vorliebnehmen, was ich bekomme. Tai-Tiang und Konsorten erzählten mir unter der Hand von wichtigen politischen Strömungen und Entwicklungen auf dem Mutterkontinent unseres glorreichen Imperiums.«

»... und weil zufällig eine Flasche Maotai in der Nähe war, hat man diese während der hochpolitischen Unterhaltung köpfen müssen. Richtig?«

»Woher weißt du ... Ich meine: Das ist wieder mal eine fiese Unterstellung. Warum glaubst du mir nicht, wenn ich dir etwas sage?«

Du meine Güte! Er war der schlechteste Lügner der Welt. Er meinte zuhören zu können, wie sich die Gewitterzellen über seinem Kopf zusammenschoben. Gleich würde ein Donnerwetter auf ihn niederfahren, das sich gewaschen hatte.

Zu seiner Überraschung blieb Thora ruhig. Thora Zoltral, die Einwanderin aus Europa mit vermutlich ungarischen Vorfahren, bekannt für ihr unbändiges Temperament und ihre spitze Zunge...

»Wie kann ich's wiedergutmachen?«, hörte sich Rhodan fragen. »Es tut mir wirklich leid.«

»Entschuldigungen habe ich schon zu viele von dir gehört, Perry. Ich habe keine Lust mehr auf Spielchen.«

»Keine Spielchen, Thora. Ich ... ich schwöre dir, dass ich's ernst meine. Hör zu: Ich habe am Vormittag eine Redaktionssitzung. Anschließend kümmere ich mich um eine Angelegenheit, an der ich schon seit Wochen dran bin.«

»Und?«

»Ich nehme dich mit. Das ist, was du immer schon haben wolltest, nicht wahr? In meine Welt eintauchen, sie an meiner Seite kennenlernen. Erfahren, wie das so ist, wenn man den Kehrseiten der Macht in Berührung kommt.«

Rhodan hörte ein leises Knacksen in der Leitung und mahnte sich, mit seinen Worten vorsichtiger zu sein. Er wurde immer wieder mal abgehört. Er genoss einen Ruf als Privatjournalist, der sich nicht verbiegen ließ – und das wurde nicht überall gerne gesehen.

»Das ist deine letzte Chance, Perry. Wenn du's diesmal verhaust, ist es endgültig aus mit uns beiden.«

»Komm um elf Uhr zum Eingang der NAT-Pagode. Dann sollte die Morgenkonferenz zu Ende sein. Wir trinken einen Kaffchá, und ich erkläre dir, woran ich gerade arbeite.«

»Wenn du mich reinlegst, kratze ich dir die Augen aus, Perry. Das schwöre ich dir.«

»Ich spiele mit offenen Karten. Ich ... liebe dich.«

Er hörte, wie Thora am anderen Ende der Leitung leise zischend den Atem einsog. Er verstand ihre Reaktion, denn er war von seinen Worten ebenso überrascht.

Ich. Liebe. Dich.

So etwas hatte er noch zu keiner Frau gesagt.

»Elf Uhr«, wiederholte Thora mit gedankenverlorener Stimme. »Vor der NAT-Pagode. Einverstanden.«

Rhodan legte auf, nahm einen Schluck vom Kaffchá und fluchte. Natürlich war das Gebräu kalt geworden. »Daran ist ganz allein sie schuld, diese Teufelin«, sagte er leise. »Erst zwingt sie mich, diese drei Worte zu sagen, und dann verdirbt sie mir auch noch den Kaffchá.«

*

Die Weltnachrichten des 20. Oktobers 1978 waren schlecht wie immer. In den Ruinen Europas kam es zu Ausschreitungen der einfachen Menschen gegen schwache Übergangsregierungen. Im Bereich der russischen Einflusssphäre in den Sahara- und Atlasstaaten erreichten die sozialen Missstände ein neues Hoch. Die Aktienmärkte in Hongkong, Schanghai, Kuala Lumpur sowie Ulan Bator gaben immer weiter nach.

Rhodan blätterte rasch zum Aufmacher auf der ersten Seite seiner Zeitung zurück und überflog die dürftigen Informationen, die zum bereits vor geraumer Zeit angekündigten Gipfeltreffen zwischen den beiden wichtigsten Menschen der Erde freigegeben worden waren: Ban Lin, die Oberste Tianzi Amerikas, würde den Tianzi von China treffen. Die amerikanische Tochter des Himmels und der chinesische Sohn das Himmels würden einander nach mehr als zehn Jahren zum ersten Mal leibhaftig wiedersehen.

Die Spannungen zwischen dem Mutterland und der ehemaligen Kaiserlichen Kolonie hatten in jüngster Zeit zugenommen. Natürlich ging es um Handel und Wirtschaft, um Einfluss, um Geld und die Gier der meisten Protagonisten in diesem ewigen Spiel um einen Platz an der Sonne.

Die Handelsverschränkungen beider Weltmächte waren eigentlich eng. Aber das hinderte manchen Entscheidungsträger nicht, immer wieder mal zu zündeln.

Rhodan legte die Zeitung beiseite, schlüpfte in die Schuhe, setzte seinen Hut auf und hastete die Treppen hinab. Miss Dorksteiger, die Frau mit den geheimnisvollen Narben im Gesicht, begegnete ihm im zweiten Stock. Sie grüßte stumm und ohne ihn anzusehen. Sie hielt ein Wissenschaftsjournal in der Hand, das sie offenbar soeben aus ihrem Briefkasten geholt hatte. Aus dem Erdgeschoss hörte er Mory Abros schrille Stimme. Sie war wie so oft damit beschäftigt, ihre beiden Bälger, Suzan und Michael, zu bändigen und zur Schule zu schaffen.

Illustration: Swen Papenbrock

Er musste lächeln. Das Haus war voll mit mehr oder weniger alleinstehenden Frauen. Zudem mit solchen, die die sonderbarsten Namen trugen. Orana, Ascari, Mondra oder Eritrea ... Allesamt schienen sie einen Narren an ihm gefressen zu haben.

Das brachte wohl sein Beruf mit sich. Privatjournalist klang abenteuerlich und nach vielen interessanten Begegnungen. In Wirklichkeit jedoch war Rhodans Tag mit langweiliger Recherchearbeit, mit dem Stöbern in miefigen Archiven und Unterhaltungen mit langweiligen Menschen ausgefüllt. Hatte er seine Nachforschungen erledigt und war der Meinung, dass er eine interessante Geschichte zu erzählen hatte, saß er in einem kleinen Kämmerlein in der NAT-Pagode und brachte seine Gedanken im Zweifinger-Adlersuchsystem auf seiner alten, heiß geliebten Reiseschreibmaschine zu Papier.

Anschließend ging es darum, die Story dem Boss seines Hauptarbeitgebers Nieuwe Amsterdamser Tribune zu verkaufen. An Jura Jameson, diesen cholerischen Zeitungsmacher, der Rhodan abgrundtief verachtete, aber zumindest seine Geschichten schätzte.

Gab seine Story zu wenig her, musste er sich an eine der anderen unabhängigen Zeitungen der Stadt halten, wo er sie für deutlich weniger Geld verkaufen und bis zum nächsten großen Artikel sparsam bleiben musste.

Rhodan eilte einer freien E-Rikscha hinterher und sprang auf die gut gefüllte Plattform auf. Die beiden Fahrer ächzten auf ihren Lastfahrrädern und verfluchten ihn auf Kanton-Chinesisch, ließen ihn aber mitfahren. Die Zeiten waren schlecht, auch für sie. Also akzeptierten sie einen neunten Fahrgast, der ihnen einige zusätzliche Dollars einbrachte.

Vorbei ging es an den alten, oftmals schlecht erhaltenen Ziegelgebäuden und den wenigen Hochhäusern nahe der 52nd Street. Da und dort waren zwar Pagoden entlang der Strecke zu sehen, aber die Stadt hatte sich ihre europäische Prägung erhalten. Zumal in den vergangenen Jahren vermehrt Auswanderer aus Deutschland, Frankreich, der Luxembourg-Triade, Groß-Italien und Kleinbritannien ankamen. Vor allem die Engländer entwickelten sich zur wahren Plage, nachdem sich die Schotten und die Waliser aus dem Staatenbund losgesagt hatten und – durchaus erfolgreich – eigene Wege beschritten.

Rhodan löste sich von der Plattform, schnippte einem der Fahrer einen Quarter zu und wechselte auf eine weitere Rikscha, die ihn entlang der Ostseite des Central Park Richtung Madison Square Garden brachte.

Er blickte auf die Uhr. Er war pünktlich, und das hatte er zweifellos dem Gewieher seines Weckers zu verdanken. Dennoch würde er froh sein, wenn das Jahr des Pferdes zu Ende ging und er einen neuen Wecker erhielt, der ihn mit dem »Määäh!« eines Schafs aus dem Schlaf holen würde.

Die Pagode des NAT kam in Sicht. Liebevoll und stolz gleichermaßen dachte Rhodan daran, dass sie das Zentrum der Stadt war. Sie gab den wahren Herzschlag von Nieuw Amsterdam vor. Dutzende Privatjournalisten wie er sorgten dafür, dass die Bevölkerung der Stadt mit ungefilterten und unabhängig recherchierten Nachrichten gefüttert wurde. Das Blatt wurde selbst an der Westküste gelesen. In dieser größenwahnsinnigen Stadt namens Gangkou City, die alles Land zwischen Los Angeles und San Francisco vereinnahmt und sich zu einem alles verschlingenden Moloch verwandelt hatte.

Um kein Geld der Welt wäre Rhodan an die Westküste gezogen. Dort war der Einfluss der Chinesen, die meist abfällig »Sinos« genannt wurden, deutlich größer als in Nieuw Amsterdam: die Überwachung dichter, der Staat präsenter, die Verachtung für die Angloamerikaner und die Latinos deutlich stärker spürbar.

Rhodan bezahlte ein zweites Mal und löste sich von der Rikscha. Sie hatte ihn bis auf hundert Meter an die Pagode der NAT herangebracht. Es waren nur wenige Schritte bis zu seinem Ziel.

Ein Straßenmusiker kreischte enthemmt vor sich hin, während sein Kollege den mitgebrachten Gettoblaster auf volle Lautstärke aufdrehte und am Boden die merkwürdigsten Verrenkungen vollführte, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Ein Blinder in verlotterter Lederjacke saß ein bisschen abseits. Er drückte seinem Hund einen dicken Schmatz auf die Nase. Rhodan war den beiden schon öfter begegnet. Jack, so hieß der Mann, hatte ihm einige Male wertvolle Informationen geliefert. Er war zwar blind, aber er besaß ein überaus scharfes Gehör.

»Guten Morgen, Jill, guten Morgen, Jack«, sagte er. »Ist ein schöner Tag, nicht wahr?«

»Es riecht nach Regen«, sagte Jack, ohne Rhodans Gruß zu erwidern. »Regen ist schlecht fürs Geschäft. Und schlecht für meinen Hintern.«

»Hast du was für mich, Jack?«

»War nicht sonderlich viel los in den letzten Stunden. Der eine oder andere Mord in der Bronx, der eine oder andere Kampf zwischen Straßengangs. Man munkelt, dass eine große Ladung Speed im Hafen erwartet wird.«

»Rauschgift ist nicht gerade mein Thema. Sollte Clark vorbeikommen, rede mit ihm.«

»Flipper?« Jack schüttelte den Kopf. »Er mag ein Kollege von dir sein, aber ich traue ihm nicht über den Weg.«

»Na dann.« Rhodan schnippte eine Münze in Jacks Kappe, die der Blinde vor sich hingelegt hatte. »Ich würde mich gerne länger mit dir unterhalten, aber eine unglaublich spannende Redaktionssitzung wartet auf mich. Sollte dir noch etwas einfallen – ich bin hoffentlich in zwei Stunden wieder frei. Ach ja: Solltest du eine attraktive Weißhaarige sehen ...«

»Ich bin blind, Perry. Schon vergessen?«

Rhodan schoss das Blut ins Gesicht. »Verzeih. Ich wollte nicht ... Ich habe nicht nachgedacht ...«

»Schon gut. Was soll ich Thora Zoltral von dir ausrichten?«

»Du kennst sie?«

»Selbstverständlich. Sie hat dich bereits mehrmals hier abgeholt. Dezentes Parfum. Eine angenehme Stimme, die dir in die Hose kriecht. Weit ausholende Schritte. Leise, ruhig und beherrscht. Und das Temperament einer Atombombe kurz vor der Explosion.«

»Oh ja. Das ist sie.«

»Was soll ich ihr also von dir ausrichten, Perry? Mach schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Die Geschäfte warten.« Jack grinste und schüttelte sein Käppi, sodass die wenigen Dimes und Quarter gegeneinander klimperten.

»Sag ihr bitte, dass sie unbedingt auf mich warten soll. Es hängt von Jameson ab, wann ich aus dieser Redaktionssitzung rauskomme.«

»Erstaunlich.«

»Was meinst du, Jack?«

»Deine Stimme verändert sich, sobald du von Thora redest. Hat sich da etwa jemand verliebt?«

»Unsinn!«

»Natürlich, Perry. Natürlich. Darf ich dir noch eine Frage stellen?«

Rhodan blickte auf die Uhr. »Rasch, bitte!«

»Darf ich mein Glück bei Thora versuchen, sobald du's versaut hast?«

»Wie kommst du darauf, dass ich's mir mit ihr verderben werde?«

»Weil du das jedes Mal machst, Perry. Seit wir uns kennen, hast du es noch immer geschafft. Du bist sicherlich beliebt und aufmerksam und liebevoll zu deinen Eroberungen. Aber die Arbeit geht immer vor. Stimmt's?«

Rhodan wusste nicht, was er antworten sollte. Was er antworten wollte.

»Wir sehen uns um elf Uhr, Jack«, sagte er und drehte sich um.

»Da wäre noch etwas.«

»Können wir bitte die Sache mit Thora beiseitelassen, Jack?«

»Es geht um was anderes. Im Foyer der NAT-Pagode wartet ein Kerl auf dich, der mir sonderbar vorkommt. Er ist klein gewachsen und irgendwie anders.«

»Woher weißt du, dass er kleinwüchsig ist?«

»Seine Stimme kommt aus einer Höhe von etwa einszwanzig. Er riecht darüber hinaus ungewöhnlich. Und seine Stimme klingt fremdartig.«

»Sollte ich Angst haben vor einem Zwerg?«

»Glaube ich nicht. Aber er wirkte angespannt, als er fragte, wann du zur Arbeit kommen würdest.«

»Hast du einen Namen für mich?«

»Er nannte sich Ono. Ono Wolkenfahrt. Ungewöhnlich, nicht wahr?«

*