Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt. Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, ist Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte auf der Suche nach einem anderen Fragment. Dabei gerät er in die geheimnisvolle Stadt Allerorten – und befreit Shinae, Reginald Bulls Tochter, aus den Fängen der Schattengarde. Sie ist das Mädchen mit den STERNENAUGEN ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Nr. 3283
Sternenaugen
Sie lebt in der Stadt Allerorten – eine Frau erkennt ihre Bestimmung
Susan Schwartz
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Guckys Memoiren
2. Auf neuesten Stand gebracht
3. Ich, Shinae, Teil 1
4. Anderland
5. Ich, Shinae, Teil 2
6. In der Ödnis
7. Zum Fragment
8. Das Erwachen
9. Das neue Haus
10. Anabranch
11. Amboriand
Leserkontaktseite
Glossar
Risszeichnung Zitadelle der Cunuur
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.
Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt.
Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, ist Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte auf der Suche nach einem anderen Fragment. Dabei gerät er in die geheimnisvolle Stadt Allerorten – und befreit Shinae, Reginald Bulls Tochter, aus den Fängen der Schattengarde. Sie ist das Mädchen mit den STERNENAUGEN ...
Gucky – Der Ilt begegnet einer Nichte, die längst erwachsen ist.
Bouner Haad – Der Haluter fällt der Schattengarde zum Opfer.
Shinae Bull-Zindher
1.
Guckys Memoiren
22. Juli 2098 NGZ
Dass ich tatsächlich mal die Stadt Allerorten besuchen würde, von der Bully mir so viel vorgeschwärmt hatte, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.
Wobei es eigentlich nur konsequent ist, dass sich das ES-Fragment in Allerorten befinden soll – also, eigentlich im Anderland, das liegt außerhalb der Stadt. Es passt zu dem Ort insgesamt und vor allem zwei berühmten menschlichen Bewohnerinnen: Toio Zindher, Bullys Frau, und Shinae Bull-Zindher, die Tochter der beiden.
Das war die größte Überraschung – dass die beiden Frauen nach über 500 Jahren noch leben! Aber in Pha Gashapar, wie die Bewohner ihre über viele Galaxien verteilte Stadt nennen, ist eben alles möglich und nichts vorhersehbar.
So wie die Brückenwächter nicht jeden ins Anderland lassen. Außerdem benötigt man für den Übergang auch noch paramental begabte Brückengänger – so wie Shinae.
Bouner Haad und ich haben sie soeben aus den Klauen der Schattengarde gerettet. Endlich!
Und vor allem in letzter Minute. Wir alle – die Schattengarde ebenso wie wir – sind auf Shinae angewiesen, denn der Brückengänger Ghous-2-Appnu, der Bouner Haad und mich ins Anderland gebracht hat, ist tot. Getötet vom Para-Parasiten Danou Shinshid!
Die Situation könnte kaum verfahrener sein.
Was wohl aus Adjunkt Rapach geworden sein mag? Hat Danou Shinshid sich seiner entledigt? Er arbeitet gegenwärtig mit Adjunkt Protoch zusammen, der ebenfalls dem vrochonischen Hilfsvolk im Auftrag Kmossens, des in den Schatten, entstammt. Rapach bin ich demnach los und kann meinen Schwur, ihn zur Strecke zu bringen, nicht mehr wahr machen. Das wäre nicht weiter schlimm, hätte ich es stattdessen nicht mit Protoch zu tun, der um keinen Deut besser ist. Die beiden verachtenswerten Subjekte sind echte Brüder im Geiste.
Was Danou Shinshid betrifft, muss ich meine ursprüngliche Meinung über ihn revidieren. Er ist keineswegs so plump und schlichten Gemüts, wie ich dachte, kein reiner Befehlsempfänger. Er will das, was er tut, er weiß, was er tut und ist nicht beeinflusst, sondern ein echter Schattengardist durch und durch. Genau wie die beiden Adjunkte, aber als Thourine ist er ein Verräter an seinem Volk und im Grunde an ganz Lundmark. Und allem voran ist er ein gewissenloser Mörder, wie seine aktuelle Untat beweist, und was mich immer noch schockt, obwohl ich es seit Goroldoa besser wissen müsste.
Shinshid ist ein raffiniertes Aas. Nicht nur, dass er an Paragaben partizipieren kann, er kann sie auch noch für eine gewisse Weile speichern und anwenden. Zum Beispiel teleportieren, wenn ich gar nicht in der Nähe bin.
Und er wird immer stärker.
*
Ich würde das keinem gegenüber zugeben, aber ich bin ausgelaugt, erschöpft und müde. Nicht nur, dass ich meine Paragaben über Gebühr beanspruche, Shinshid saugt mir wie ein gefräßiger Mentalvampir auch noch alles an Energie ab, sobald ich ihm nahe genug bin.
Hinzu kommt, dass ich derzeit keinen Zellaktivator trage.
Den habe ich dem Breviaturenwächter, einer Haluterpuppe, als Pfand übergeben müssen, damit ich von Amboriand nach Allerorten gelangen konnte. Ich möchte nicht darüber sprechen, was das in mir ausgelöst hat und wie es noch wirkt – dennoch habe ich es ohne zu zögern getan. Ich habe nicht lange gehadert, sondern angenommen, eine andere Wahl hatte ich nicht, und die Zeit drängte.
Was zählt schon mein Leben gegen die Wiederherstellung von ES? Und: Ich vertraue der Superintelligenz. Sie hat so viel vorausgeplant, wir fallen aktuell von einer Überraschung in die nächste, also wird mein Überleben auch darin enthalten sein. Schließlich werde ich für die Rückführung des Fragments in die Milchstraße gebraucht. Für den Schutz, den Transport und so weiter.
Nein, Freunde, das war's noch nicht mit dem putzigen kleinen Lausbiber!
Und ich liege wohl nicht so falsch mit meinem Vertrauen. Ich bin nämlich noch nicht tot, obwohl ich mich hier schon seit sieben Tagen aufhalte. Denn ich trage einen Tanzschwarm, einen so genannten Thaotama, aus dem Anderland in mir. Der regeneriert meine Zellen fast so gut wie der Chip und kann mich, jedenfalls, wenn ich der Steinäugigen Duuta glaube, sogar Jahre am Leben erhalten, ehe er sich verbraucht hat.
Ich glaube trotzdem, dass meine Müdigkeit auch daher rührt, weil mein Körper nicht die gewohnten Impulse erhält. Es ist Lebenserhaltung durch Zellerneuerung, aber nicht auf dieselbe Weise.
Wie dem auch sei: Weitermachen lautet die Devise! Und wieder mit mehr Zuversicht, nun, da Shinae bei uns ist.
Wir befinden uns nach wie vor im Anderland, obwohl Ödnis passender wäre, denn es ist hier wirklich öööde. So was von.
2.
Auf neuesten Stand gebracht
Da saßen sie nun, der Mausbiber und die nach Jahren gar nicht mehr so junge Frau, einigermaßen geschützt in einer Senke, beide erschöpft, aber – momentan – bester Dinge.
Sie hatten einander wieder, nach einem halben Jahrtausend, und waren vorerst in Sicherheit. Ein paar Minuten Zeit, durchzuschnaufen, sich gegenseitig zu betrachten und darüber nachzudenken, was sie an gemeinsamen Erlebnissen verpasst hatten.
Shinae war nur 1,60 Meter groß und schlank, mit einem leicht runden, aber keineswegs puppenhaften Gesicht, umrahmt von kastanienbraunem, mit einem rötlichen Schimmer überzogenen Haar. Ihre Haut war heller als bei Tefrodern, wohl ihr terranisches Erbe. Der Blick ihrer strahlend blauen Augen, ebenfalls eine Mitgift ihres Vaters, ruhte auf Gucky, ihren Mund umspielte ein Lächeln, das er nicht so recht zu deuten vermochte. Einerseits verschmitzt, andererseits aber durchaus hintergründig.
Er hatte sie als kleines Mädchen gekannt, und nun saß eine erwachsene Frau vor ihm, die nicht älter als dreißig aussah und doch über fünfhundert Jahre alt war.
Wie das möglich war, wusste Gucky bereits: Genau wie er selbst und ihre Mutter Toio trug Shinae einen Thaotama in sich.
»Möhrenmaus?«
»Ich habe viele Fragen, Nichte.« Sie hatte es akzeptiert, dass er sie so bezeichnete, und für ihn fühlte es sich gut an. Familie.
»So wie ich.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Nun gut, du wahrscheinlich mehr als ich. Wir leben hier nicht so fern von allem, wie du vielleicht denkst.«
»Also weißt du, wo dein Vater derzeit ist?«
»Ich weiß, dass er Quintarch auf FENERIK wurde und mit dem Chaoporter die Milchstraße verließ. Wo er sich jetzt aufhält, habe ich bisher nicht erfahren.«
»Und wie stehst du dazu?«
»Hm. Es gibt viele Versionen darüber, wie es dazu gekommen ist, die Wahrheit mag irgendwo dazwischen liegen.« Sie hob eine Braue. »Wie stehst du denn dazu? Immerhin ist er dein liebster Freund, und du warst Jahrtausende mit ihm zusammen. Ich hingegen nur wenige Jahre, und davon nur die ersten sieben Jahre wirklich abgeschieden als Familie.«
»Bei mir ist es eine lange Zeit, ja, aber nicht ununterbrochen, und es ist immer so viel passiert«, murmelte Gucky. »Dennoch ... natürlich, ich vertraue ihm. Trotz seines chaotarchisch geprägten Zellaktivators.«
»Ah. Das schafft Misstrauen, und dass er ausgerechnet FENERIKS Angebot angenommen hat, halten wahrscheinlich so manche Terraner für Verrat. Ist es so?«
»Ja. Kann man ihnen nicht verdenken, oder? Die normalen Bürger kennen ihn nicht so gut wie wir. Immerhin war er bis zu der Eskalation Resident und stand stets in der Öffentlichkeit als integre Person.«
»Gucky, hör weiter auf dein Herz!«, sagte sie sanft. »Es sagt dir bestimmt dasselbe wie mir. Dad ist, wie er ist, nichts kann das jemals ändern. Er bleibt sich selbst treu, er bleibt seiner Familie treu, er bleibt seinen Freunden treu – und seine Loyalität dem Solsystem gegenüber wird niemals schwanken und bedeutet ihm am Ende sogar mehr als seine eigene Tochter, auch wenn er das nie zugeben würde. Wenn Dad eines hat, dann einen sehr starken, gefestigten Charakter. Das ist schon daran zu merken, dass FENERIK jetzt neutral ist, ein Erforscher, Erkunder. Und ich denke, Dad ist dort, weil er verhindern will, dass sich das jemals wieder ändert. Er will uns alle schützen.«
»Aber sein Zellaktivator ist chaotarchisch geprägt, das muss ich wiederholen.«
»Ja – und? Dadurch, dass er selbst die größte Angst hatte und vielleicht noch hat, was das aus ihm macht, wird ihn das nicht dauerhaft und vollständig verändern können. Ich wiederhole ebenso meine Aussage bezüglich seines Charakters. Und du darfst nicht in alte Denkmuster verfallen und chaotarchisch mit böse gleichsetzen. Dad wird niemals böse sein.«
Dieses Unerschütterliche gefiel Gucky. Er sah es ebenfalls so, aber nach über einem halben Jahrtausend musste er die erwachsene Shinae und ihre Ansichten erst kennenlernen. »Denkst du ab und zu noch an deine Kindesabenteuer bei uns in der Milchstraße, im Solsystem?«
»Du meinst den Spross SHINAE der Gemeni, dessen Hüterin ich gewesen bin? Nein, eigentlich nicht. Das alles liegt weit zurück, ich war damals geschwächt und krank und noch klein, keine acht Jahre alt. Da vergisst und verdrängt man vieles, anderes verklärt man. Ich war dreizehn, als Mom und ich wegen des beginnenden Raptus Terrae Dads Heimat verließen und nach Allerorten zurückkehrten.«
Dads Heimat. Ja, so war es wohl.
»Und dann schloss sich die Breviatur, und du hast deinen Vater nicht mehr wiedergesehen«, ergänzte Gucky.
»So ist es. Dad hat uns gehen lassen, damit wir in Sicherheit wären. Doch er selbst sah es als seine erste Pflicht an, zu bleiben und Terra zu behüten. Noch eine Wiederholung, aber so ist es nun einmal. Sein Pflichtbewusstsein steht über seiner Familie, und das finde ich gut. Er ist geblieben, um alle anderen zu schützen, obwohl er einfach selbst hätte gehen und alles hinter sich lassen können.«
»Er hat bis zu seinem Weggang fest daran geglaubt, euch eines Tages wiederzusehen«, sagte Gucky.
»So wie wir.« Shinae fuhr sich durch die Haare. »Wir konnten, wie bereits gesagt, einiges mitverfolgen und waren nicht ganz ohne Wissen. Umgekehrt konnte er nur hoffen, dass es uns gut ging.«
»Und das war der Fall?«
»Oh ja.«
»Deine Mutter ...?«, forschte Gucky, nicht sicher, ob er ein sensibles Thema berührte.
Aber Shinae blieb völlig entspannt. »Toio ist der Freigeist geblieben, der sie immer war, und genau diese Unabhängigkeit genießt sie immer noch. Sie hat mich mit Liebe und Fürsorge, aber auch früh zur Selbstständigkeit erzogen. Aktuell ist sie gerade für das Protokoll Integrität unterwegs, das der Zugangskontrolle sowie der Abwehr von Infiltration und Spionage dient. Sie arbeitet unabhängig auf freiberuflicher Basis und kann sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen. Sie ist bei allen Institutionen und den meisten Bürgern wohlbekannt und hochgeschätzt und gilt als unbestechlich. Sogar das ewig paranoide Protokoll Defensive gibt ihr Beschäftigung.«
Illustration: Swen Papenbrock
Sie grinste. »Toio ist in Allerorten eine Berühmtheit, und das gefällt ihr ziemlich gut. Solang man ihr dabei nicht zu nahe rückt.«
»Das erleichtert mich sehr zu hören, ich meine, dass es ihr gut geht.« Gucky ließ seinen Zahn blitzen. »Ich will natürlich deine gesamte Lebensgeschichte erfahren ...«
»... ach, die ist doch nicht weiter der Rede wert.«
»Im Gegenteil, das ist sie, mir ist sie wichtig.« Gucky räusperte sich. »Aber aktuell müssen wir überlegen, wie es weitergeht, wir sind schon zu lange am selben Ort. Bouner Haad sollte bald eintreffen. Und dann ist da noch unsere Xenotechnik-Spezialistin Jamelle Halloran, die in einer Klinik in Anabranch behandelt wird und hoffentlich wieder gesund wird. Wir dürfen nicht zu lange warten, um zu ihr zurückzukehren. Aber ... Danou Shinshid und Protoch werden dich nicht so schnell aufgeben. Sie sind auf der Suche nach uns und werden uns mit Sicherheit finden.«
»Die beiden sind gruselig«, murmelte Shinae.
»Wem sagst du das. Vor allem Shinshid.«
Shinae schüttelte es. »Der ist wahrhaft eines der grauenvollsten Wesen, die mir je begegnet sind. Dieser Vrochone Protoch, den kann ich als Helfer eines Quintarchen irgendwie nachvollziehen. Aber der Thourine ist ... einfach nur finster. Und immer dieser kalte Luftzug in meinem Verstand ...«
»Ich weiß genau, was du meinst. Ich bezeichne ihn als Parapart, weil dieser Luftzug bedeutet, dass er dir alle Paragaben absaugt und sie für sich selbst nutzt, also daran partizipiert.«
Gucky dachte an das Gedankentheater, das ihm seinerzeit Rapachs und nun Protochs Gedanken verhüllt hatte. Aber Shinshid war die meiste Zeit nur leer gewesen, völlig abgeblockt, nicht erfassbar, abgesehen von diesem kalten Luftzug. Nur zu seltenen Gelegenheiten, wenn er zu stark beansprucht oder abgelenkt war, war es dem Ilt gelungen, etwas von Shinshid zu erfassen. Oder sich ihm zu entziehen.
»Einmal hat er mich mitten aus einer Teleportation gepflückt«, berichtete er.
»Wirklich? Das ist möglich?«
»Wusste ich bis dahin auch nicht. Und es war grässlich. Es kann passieren, dass ich zu einem bestimmten Ort teleportieren will und ganz woanders lande.«
»Also ein Gegner, der es mit dir aufnehmen kann?« Shinae schien das kaum glauben zu können.
»Momentan ist er mir eher überlegen«, musste Gucky eingestehen. Seine Tasthaare zitterten vor Scham. »Ich habe kenne keinen Weg, wie ich ihn auch nur blockieren kann.«
»Dann müssen wir eben gemeinsam gegen ihn vorgehen!«, sagte Shinae entschieden.
*
Von einer Sekunde zur anderen tauchte der Haluter auf. Bouner Haad hatte sich im Schutz des Deflektors genähert und zeigte sich ohne Vorwarnung.
Shinae fuhr zusammen.
Gucky winkte. »Gut, dass du da bist, Haados! Wir müssen weiter.« Er stand auf und klopfte den Sand von seinem Anzug. »Konntest du sie abschütteln?«
»Für den Moment«, sagte Bouner Haad grollend. Sein Kampfanzug sah ramponiert aus, schwarze Flecken zierten das aggressive Rot. »Aber ich denke, das hält nicht lange vor. Ich habe Protochs Schutzschirm gegrillt, fürchte aber, dass er selbst keinen Schaden davongetragen hat.«
Shinae erhob sich ebenfalls. »Aber wie sollten sie in der Lage sein, uns zu finden?«
»In Anderland ist alles möglich«, brummte Gucky.
Er wies auf den Haluter. »Übrigens, das ist Bouner Haad. Bouner Haad, das ist Shinae Bull-Zindher, Toio Zindhers und Reginald Bulls Tochter.«
»Freut mich sehr«, sagte der Haluter gedämpft.
Shinae lächelte. »Danke, dass du bei meiner Befreiung geholfen hast. Mit jemandem wie dir an der Seite braucht einem nicht bange zu sein.«
»Leider können wir jetzt nicht einfach abhauen, sondern müssen uns wieder mit diesen finsteren Gesellen befassen«, bemerkte Gucky. »Sie haben, wie du weißt, den Tassparen Shandasar Parpandum bei sich, der von Protoch manipuliert wird – was wir unbedingt ändern müssen.«
Parpandum hatte sich als Kundschafter der Kosmokarawane SHARIKAL vorgestellt. Allzu viel hatte er nicht preisgegeben, doch seinen vagen Andeutungen zufolge verstanden die Tassparen sich als Hüter oder Beschützer von ES.
Adjunkt Protoch hatte umgehend den günstigen Moment genutzt und Parpandum gegenüber Gucky und seine Begleiter als Feinde, ja, Vernichter von ES deklariert.
Parpandum hatte sich für keine Seite endgültig entschieden, folgte aber dennoch dem Vrochonen. Zumindest teilweise ließ er sich also manipulieren.
»Du hast recht«, räumte Shinae ein. »Protoch hat auch versucht, mich zu beeinflussen, während Shinshid gleichzeitig meinen Verstand gefrieren ließ und mich immer mehr schwächte.«
Gucky war nicht in der Lage, ihre Gedanken zu lesen, sie war mentalstabilisiert. Aber er war überzeugt, dass Shinae sie selbst war, unbeeinflusst und das Original, nicht so wie die schlechte Kopie, die er in dem zerstörten Wohnhaus der Zindhers angetroffen hatte.
»Da haben wir eine Mehrfachaufgabe vor uns.« Haad hielt einen Finger der Hand des linken Handlungsarms hoch – was Gucky unangenehm an das Pfand erinnerte, dass der Haluter hatte hinterlegen müssen. »Die Tassparen dürfen sich nicht zur Seite der Schattengarde bekennen. Dafür gibt es zwei maßgebliche Gründe: damit sie nicht von Kmossen missbraucht werden können und weil sie derzeit einen unkalkulierbaren Machtfaktor bilden. Parpandum hat andeutungsweise gezeigt, dass die Tassparen über besondere Fähigkeiten verfügen. Dass seine Mutter eine Karawane anführt, lässt erahnen, dass eine große Flotte Raumschiffe nach Lundmark unterwegs ist.«
»Von deren technischen Mitteln wir nicht die geringste Ahnung haben«, fügte Gucky hinzu.
Der zweite Finger. »Außerdem verfügen die Schattengardisten mit dem Schwarzen Sternensand über die Möglichkeit, andere Personen quasi zu infizieren und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Bisher war es nicht ansteckend, aber wir wissen nicht, ob es unterschiedliche Anwendungen gibt. Aus einer Ansteckungsoption kann schnell ein Heer entstehen. Bisher haben wir keine Möglichkeit gefunden, wie wir die Beeinflussten von den schwarzen Netzen befreien können, die sich um ihre Gehirne legen und bestimmte Areale befallen.«
»Warum haben sie mir kein solches Netz verpasst?«, fragte Shinae.
»Das kann verschiedene Gründe haben«, antwortete Haad. »Protoch könnte befürchten, dass der Brückengang dadurch verhindert wird. Der Hauptgrund könnte sein, dass diese Art Infektion bei Parabegabten nicht so leicht zu bewerkstelligen ist.«
»Auf Armstrongs Welt waren die beeinflussten Attentäter ohne Parakräfte«, stimmte Gucky zu. »Der Ellanare, der sie suggestiv führte, nicht. Bei dem hat Rapach auf andere Weise Überzeugungsarbeit geleistet.«
Der dritte Finger. »Und zu guter Letzt und am vordringlichsten müssen wir im Anderland das ES-Fragment bergen.«
Sie hatten es schon gefunden. Aber es hatte Gucky nicht als Freund identifiziert. Und das hatte den ganzen Schlamassel erst noch vergrößert.
Der einzige Trost dabei war, dass auch Protoch bisher seinem Ziel, das ES-Fragment an sich zu reißen, keinen Schritt nähergekommen war. Weswegen er wahrscheinlich Unterstützung von dem Tassparen erhoffte.
»Achtung!«, zerriss Haads dröhnende Stimme Guckys Gedanken.
*