Perry Rhodan 3286: Stadt der Schemen - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 3286: Stadt der Schemen E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt. Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, hat Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte ein anderes Fragment gefunden – und Shinae, Reginald Bulls Tochter, die das gesuchte Fragment in ihrem Bewusstsein aufnimmt. Mithilfe der Tassparen können die beiden sich auf die RAS TSCHUBAI transferieren und nehmen Kurs auf die STADT DER SCHEMEN ...

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Seitenzahl: 177

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 3286

Stadt der Schemen

Mörder in Terrania City – die Yaqana sind das Ziel

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Wetterhahn

2. Interviews, Teil 1: Die geliebte Verwandtschaft

3. Die Schemen

4. Wetterhahn

5. Interviews, Teil 2: Das Genie

6. Wetterhahn

7. Die Schemen

8. Interviews, Teil 3: Die Pläne

9. Wetterhahn

10. Interviews, Teil 4: Das Bündnis

11. Wetterhahn

12. Kein Interview, aber wichtige Informationen

13. Wetterhahn

14. Die Schemen

15. Wetterhahn

16. Abschied

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.

Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt.

Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, hat Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte ein anderes Fragment gefunden – und Shinae, Reginald Bulls Tochter, die das gesuchte Fragment in ihrem Bewusstsein aufnimmt. Mithilfe der Tassparen können die beiden sich auf die RAS TSCHUBAI transferieren und nehmen Kurs auf die STADT DER SCHEMEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

John Wetterhahn – Ein Ermittler stöbert nach Schemen.

KAA – Ein umprogrammierter TARA muss Geduld beweisen.

Claire Bezpalky – Die Journalistin erkundigt sich nach der Zukunft.

Ottla Venkov – Eine Frau wird zum Schemen. Die Hauptpersonen des Romans:

John Wetterhahn – Ein Ermittler stöbert nach Schemen.

KAA – Ein umprogrammierter TARA muss Geduld beweisen.

Claire Bezpalky – Die Journalistin erkundigt sich nach der Zukunft.

Ottla Venkov

1.

Wetterhahn

Erstes Erwachen

»Es gibt Arbeit, Chef.«

Diese Stimme. Sie klang wie das Gravotriebwerk eines verschrottungsreifen Personengleiters, aus dessen Ansaugkanal sich Rostteile lösten. Oder aber wie die Stimme eines von Hustenanfällen geplagten Cheborparners.

»Es gibt Arbeit, Chef.«

Wenn er diese Worte noch einmal, nur ein einziges Mal noch, sagt, zerstrahle ich ihn. Ich bin müde, verdammt!

»Es gibt Arbeit, Chef.«

John Wetterhahn tastete nach dem Schwebekästchen neben seinem Bett, fühlte den Griff seiner Waffe und zielte in die ungefähre Richtung seines Kriminal Anayltischen Assistenten – KAA. Er zog den Abzug durch, ohne die Augen zu öffnen.

Wie immer erreichte er nichts damit. KAA hatte mit seinem Zorn gerechnet.

»Das war der hundertachtundneunzigste Versuch, sich meiner zu entledigen, Chef. Ich werde eine Beschwerde einreichen. Wie bei den vorangegangenen hundertsiebenundneunzig.«

»Und man wird dich zum hundertachtundneunzigsten Mal abwimmeln.« Wetterhahn setzte sich in seinem Bett auf, legte die Waffe beiseite und rieb sich die Augen.

198.

Es dauerte einige Sekunden, bis er bei sich war und erkannte, dass er eine quietschbunte Wasserpistole in der Hand gehalten hatte. KAA pendelte vor seinem Bett auf und ab, der kegelförmige Körper und zwei der vier Arme waren nass gespritzt.

Er war ein spannender und interessanter KAA. Auch wenn Wetterhahn es nur ungern zugab, hatte er den ehemaligen Kampfroboter der TARA-Klasse gerne um sich. Er verfügte über einen Verstand, der ... anders war. Er war vor vielen Jahrhunderten auf einer mit Terra assoziierten Welt in Lizenz erschaffen und vor nunmehr drei Jahrzehnten dort zum Kriminalanalytischen Assistenten umprogrammiert worden.

Diese Prägung auf einer Außenseiterwelt hatte einen sonderbaren Effekt bewirkt: KAA vertraute nur sich selbst. Er verweigerte die Zusammenarbeit mit NATHAN und den anderen großen Biopositroniken des Solsystems. Er nutzte deren Wissensfundus, trat aber nie über eine Schnittstelle mit ihnen in persönlichen Kontakt. Was den KAA zu einer ganz besonderen »Persönlichkeit« hatte reifen lassen.

»Kommen wir zum Thema!« KAA zeichnete mit einer Greifhand ein Omega-Symbol in die Luft. Ein Datenholo entstand. »Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit.«

Wetterhahn ignorierte den Holotext vorerst und blickte auf die Uhr, die in die Fensterscheibe seines Appartements gespiegelt wurde. Es war 4.58 Uhr morgens. Es wurde eben hell. Erste Sonnenstrahlen legten sich über die dicken, dünnen, gebogenen, geschwungenen, geraden und schrägen Fronten der Wohnhochbauten Karakotos. Auf der Gleiterstrecke C-3, deren Tangente auf einer Höhe von 3000 Metern vergleichsweise knapp an seiner Wohnung vorbeiführte, herrschte mäßiger Verkehr. Das würde sich innerhalb der nächsten Stunde ändern. Wobei ... Eigentlich herrschte in Terrania City niemals so etwas wie Ruhe.

Ein Gleiter modernster Bauart in diesem schrecklichen, allgegenwärtigen Onryonengelb zischte nahe an seinem Wohnturm vorbei. Viel zu nahe. Der Pilot würde für diesen offensichtlichen manuellen Eingriff in die Steuerung ein ordentliches Bußgeld berappen müssen.

Das hat er auch verdient! Wer einen Gleiter in dieser fürchterlichen Farbe kauft, verdient Bestrafung.

»Also schön«, sagte Wetterhahn. »Was hast du für mich, KAA?«

»Einen Mord, John.«

»Weiter!« Er erhob sich, streckte sich ausgiebig und gähnte. Erst dann wandte er sich wieder dem Datenholo zu. Er versuchte zu lesen, war aber noch zu müde und sein Geist zu träge, um Zusammenhänge zu verstehen.

»Du erinnerst dich an die Yaqana, Chef?«, fragte KAA.

»Nein.«

Ein weiteres Holo ploppte auf. Es zeigte ein kakerlakenähnliches Wesen, das aufrecht neben mehreren Terranern stand.

Wetterhahns Nackenhaare stellten sich auf. Er hatte es nicht so mit Insekten und Insektoiden. Ein Instinkt, gegen den er kaum ankam, erzeugte unangenehme Assoziationen.

»Sie landeten Ende Juni 2096 NGZ auf Terra und sorgten für Aufsehen im Zusammenhang mit dem Club der Lichtträger. Einige Mitglieder ihres Raumschiffs setzten unter Zwang parapsychische Fähigkeiten ein. Sie waren von einem Lichtträger manipuliert worden, um im Solaren Haus für Durcheinander zu sorgen. Dem Hintermann gelang es, im entstehenden Chaos wichtige Informationen zu entwenden.«

»Ah, richtig, ich weiß es wieder.« Wetterhahn kratzte sich am Kopf und gähnte erneut. »Ich hatte damals Urlaub, aber ich habe von Kollegen gehört, die vor Ort Dienst taten. Diese Initiation fühlte sich schrecklich an, erzählte man mir.«

»Ihre Gabe nennt sich Irreführung, Chef. Wenn sich die Yaqana in Angstsituationen zusammentun, erzeugen sie in ihrem Umfeld lähmende Panik.«

»Wie auch immer du es nennst. Also: Diese Irreführung soll schmerzhaft gewesen sein. Ein Grund mehr, Kakerlaken nicht zu mögen.«

»Du hast Vorurteile, Chef.«

»Richtig. – Kommen wir zum Mord. Was ist geschehen?«

»Einer von ihnen wurde ... hingerichtet. Ein männliches Exemplar namens Kraqaq. Man fand ihn im Soltermore-Park in Ganaru. Ihn und sein Reittier. Ein sogenannter Katü.«

»Auch daran erinnere ich mich wieder! Diese Viecher sehen aus wie Pinguine mit längeren Beinen, nicht wahr?«

»Wenn du es so nennen willst, Chef.«

»Also schön. Wir haben einen Mord, der aufgeklärt gehört. Um den wievielten handelt sich's in diesem Jahr?«

»Um den zweihundertachtundvierzigsten.«

Wetterhahn überdachte diese Zahl und fühlte kurz so etwas wie Stolz. 248 Gewaltopfer waren für eine Stadt, die weit als mehr 100 Millionen Einwohner hatte, lächerlich wenig.

Jeder einzelne ist einer zu viel, korrigierte sich Wetterhahn. Aber ich darf trotzdem stolz auf meine Stadt sein. Terrania City beweist, was alles möglich ist, wenn sich die Bewohner um Respekt und Toleranz bemühen. Auf Welten wie Lepso sind die Zahlen ein Vielfaches so hoch. Außerdem klären meine Kollegen und ich weit über 90 Prozent aller Gewaltverbrechen auf.

»Na schön. Dann sehen wir uns diesen Toten namens Kraqaq an. Der Park wurde gesichert, die Spurensicherung ist vor Ort?«

»Ja, Chef.«

»Nicht nur Roboter? Matton ebenfalls?«

»Ja.«

»Mein Gleiter ist am Dach bereitgestellt, der Kaffee steht neben dem Pilotensitz?«

»Selbstverständlich.«

»Warum sind wir dann noch nicht unterwegs, KAA?«

»Weil du, mit Verlaub, noch nicht dienstbereit bist, Chef. Außer, du möchtest diesen Mord in der Unterhose aufklären.«

*

Der Soltermore-Park war klein und – gemessen an der Größe, Weite und Erhabenheit der Stadt insgesamt – etwas schmuddelig. Er lag unweit des Sirius River, höchstens zwei Kilometer vom Duyyun-Veyt-Zentrum an dessen Ufer entfernt, in dem Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Lemuroiden und Jülziish-Kulturen gefeiert wurden.

Wetterhahn hatte nur selten in dieser Ecke Terranias zu tun. Morde, so hatten ihn mehr als zehn Jahre Berufserfahrung als Kriminalkommissar gelehrt, geschahen zumeist in den Kreisen der Reichen und Schönen. Entgegen den Klischees also nicht etwa in Ganaru, dem Stadtteil mit der größten Durchmengung von Terranern und Extraterrestrischen.

Wetterhahn schlenderte einen der geschwungenen Pfade des Parks entlang. Die da und dort postierten Polizeiroboter blinkten grün, sobald er sie passierte.

Zwei Schnüffler hielten ihre metallenen Nasen in den Boden des gekiesten Weges und bewegten sich mit geringer Geschwindigkeit vorwärts. Sie suchten nach Ungewöhnlichem im Untergrund, genauso wie ein Flugroboter, der kartografische Aufgaben übernommen hatte und Sauerstoffproben nahm.

Das Veyt-Zentrum war in der Ferne gut zu erkennen. Etwa ein Viertel des Diskuskörpers, der 200 Meter dick war und 800 Meter durchmaß, hing über das Ufer des Sirius River.

Wetterhahn kniff die Augen zusammen, um den Aufbau des Gebäudes besser erkennen zu können. Er war von erlesenem, blaubuntem Muranoglas eingefasst, das wie eine Vase weitere 200 Meter in die Höhe ragte und am oberen Kranz 400 Meter maß.

Die Gartenlandschaft im Inneren der Vase war ungewöhnlich und exotisch. Wetterhahn erinnerte sich, das Gebäude einmal ohne großes Interesse besucht zu haben. Der Garten wurde als Tempelanlage verwendet.

Der Hain der Kreaturen, erinnerte er sich an den Namen dieser künstlichen, glasumfassten Landschaft. Die vielen Kreaturen der gatasischen Götterwelt spielten im Veyt-Zentrum die Hauptrolle, mit der Steinernen Kreatur des Erbarmens im Zentrum.

Wetterhahn sollte sich eigentlich auf die Arbeit konzentrieren. Doch es kamen unvermittelt weitere Erinnerungen an Dinge hoch, die er im Rahmen seines Besuchs aufgeschnappt hatte. Er hatte die Steingraue Kreatur des Jagdglücks gesehen und von der Steinernen Kreatur des Erbarmens gehört, ihrem Gegenstück, das den Gatasern auch als moralischer Kompass diente. Der Jäger hatte mit seiner Beute Erbarmen zu zeigen und durfte nicht grausam sein ...

Schluss jetzt!, mahnte sich Wetterhahn und folgte entschlossen dem schmalen Pfad, der ihn zum eigentlichen Tatort führte.

In einer Ecke des Soltermore-Parks waren akonische Lapinien angepflanzt worden. Ihr stechend süßer Geruch legte sich besonders in den frühen Morgenstunden aufs Gemüt.

Unter den weit nach unten reichenden Ästen des mehr als drei Meter hohen Hauptbusches lag der Tote, großteils verdeckt und fürs ungeübte Auge kaum zu sehen. Wetterhahn betrachtete das Mordopfer, behielt dabei aber stets eine Distanz von mindestens zwei Metern bei.

»Der Yaqana verwest bereits«, sagte Wetterhahn zu KAA, der ihm die ganze Zeit stumm hinterhergeglitten war. »Er muss schon eine Weile hier liegen. Vermutlich seit gestern, wenn nicht gar seit vorgestern. Warum hat ihn nicht längst ein Gärtnerroboter entdeckt?«

»Weil die Yaqana anderen biochemischen Prozessen unterliegen«, sagte ein kugelrunder Terraner, der unter den Ästen der Lapinie hervorgekrochen kam und sich mühsam hoch stützte. »Außerdem sind sie an eine Gravitation von 0,61 gewöhnt.«

Illustration: Swen Papenbrock

»Guten Morgen, Matton.«

»Du mich auch, John. Sag mir, warum Mordopfer stets in frühen Morgenstunden gefunden werden! Und warum werde immer ich gerufen? Warum überlässt du diese Arbeit nicht exklusiv den Spurenrobotern?«

»Müssen wir diese Unterhaltung denn wirklich jedes Mal führen, Matton?«

»Ich bitte darum. An irgendwem muss ich meine schlechte Laune schließlich abarbeiten.«

»Na schön. Auch wenn ich dir schon hundertmal gesagt habe, dass ich bei Mord einen terranischen Arzt mit ausreichend Erfahrung bei mir haben möchte. Einer wie du geht nun mal anders an die Sache heran als ein Roboter. – Und das ist ein Kompliment, Matton.«

»Soll ich dir etwa dankbar sein, John?«

»Nein. Mach einfach deine Arbeit!« Wetterhahn wurstelte eine Maske aus der Hosentasche seiner Dienstbekleidung und stülpte sie über. Der schwere Geruch der Lapinien irritierte und machte träge. Matton schien er nichts auszumachen.

»Also: Was kannst du mir schon sagen?«

»Der Yaqana ist tot. Das weiß ich mit Bestimmtheit.«

»Ha. Ha.«

»Die Verwesung ist weit fortgeschritten, wie du so souverän bemerkt hast. Das hat unter anderem damit zu tun, dass der Mikrogravitationsgürtel des Opfers bei einem Angriff beschädigt wurde. Die Schwerkraft brach abrupt über ihn herein und drückte ihn zu Boden. Mit ziemlicher Sicherheit finde ich filigrane Risse im Chitinkörper des Yaqana. An zumindest zwei Stellen ist seine Körperhülle abrupt aufgeplatzt und Flüssigkeit ist aus dem Inneren geronnen. Ab diesem Moment hatte er kaum noch eine Überlebenschance.«

»Könnte es sein, dass er gar nicht ermordet wurde, sondern sein Gürtel versagt hat?«

»Das wäre schön.« Matton seufzte. »Dann würde ich augenblicklich nach Hause zurückkehren und drei, vier Stunden schlafen, während die Kollegen von der Xeno-Pathologie den Rest der Arbeit übernehmen.«

»Aber?«

»Er wurde attackiert. Ein Teil des linken oberen Beins weist geringe Desintegrationsspuren auf. Ebenso könnte eine der beiden Hauptwunden auf Beschuss mit einem Desintegrator hinweisen.«

»Na schön. Also Mord.«

»Außerdem haben die Kollegen in einem anderen Teil des Parks einen Katü gefunden, ebenfalls tot. Vermutlich war er das Reittier dieses Kraqaq. Allem Anschein nach wurde der Katü während der Kampfhandlungen ebenfalls verwundet und schaffte es, sich noch gut fünfzig Meter weiter zu schleppen, bevor er verendete. Womöglich verteidigte er seinen Besitzer.«

»Die Katü verfügen über eine Form von Halbintelligenz«, mischte sich KAA erstmals in die Unterhaltung ein. »Ich habe so viele Daten wie möglich über diese sonderbare Form von Symbiose aufgesaugt, Chef. Die Yaqana können sich auf niedrigschwelliger Basis mit ihren Partnern unterhalten und pflegen eine lebenslange Beziehung mit ihnen.«

»Er wäre also ein ... Zeuge des Verbrechens gewesen, der uns Hinweise auf den Mörder gegeben hätte?«

»Richtig.«

»Wer immer diese Tat begangen hat – er wusste sehr genau, mit wem er es zu tun bekommen würde, und war vorbereitet.«

»Ja.« Der umgebaute TARA-Roboter neigte zur Bestätigung seinen Körper ein Stückchen nach vorne.

»Sieh dir das hier an, John!« Matton deutete auf niedergewalzte Blätter im Grün des Parks und auf etwas, das Spuren von gelbem Blut sein mochte. »Der Yaqana muss unter schrecklichen Schmerzen noch etwa eineinhalb Meter weit gerobbt oder gekrochen sein.«

»Auch dazu habe ich einige Informationen«, sagte KAA.

»Und zwar?«

»Die Yaqana sind Herdenwesen. Vor allem, wenn sie ruhen. Sie finden sich zu sogenannten Schlafdickichten zusammen. In dunklen, engen Bereichen. Meist kleben sie an Decken von Räumen. Mag sein, dass das Opfer in den letzten Sekunden seines Lebens ins Dickicht der Sträucher gelangen wollte. Die Flüssigkeit, die Kraqaq verloren hat, könnte ein Körpersekret sein, mit dem er sich in einer letzten Instinkthandlung an den Stamm des Hauptstrauchs festkleben wollte.«

»Das verstehe ich nicht so recht. Falls er noch einige Sekunden oder gar Minuten gelebt hat – warum hat er nicht um Hilfe geschrien? Einen Hinweis auf seinen Mörder hinterlassen? Oder sich um sein Katü gekümmert?«

»Warum krümmen sich Menschen zusammen, wenn sie Angst oder Schmerzen haben?«, fragte Matton. »Es ist ein Instinkt.«

»Also schön.« Wetterhahn nickte in Richtung des Medikers. »Du kümmerst dich weiter um die medizinischen Hintergründe des Mordes. KAA und ich werden uns mit den Yaqana als Volk beschäftigen. Wir sehen uns ihre Kultur an, ihr Lebensverständnis, ihre Gedankenwelt. Denn wie wir wissen, geschieht ein Großteil aller Morde und Mordversuche aus naheliegenden Gründen wie Liebe, Hass und Eifersucht.«

Wetterhahn ließ den Mediker seine Arbeit machen und sah sich in der unmittelbaren Umgebung um. Er rief die Meldungen der Spürroboter ab, erhielt aber keine brauchbaren Ergebnisse. Der oder die Täter waren äußerst gründlich vorgegangen.

Seine Gedanken kehrten zu Matton zurück, dessen birnenförmige Silhouette gut im Licht der aufgehenden Sonne zu erkennen war. Wetterhahn mochte den Kerl trotz dessen zynischer Art.

Es war gut, dass der Mediker etwas zu tun hatte. Die vergangenen Jahre waren hart für ihn gewesen, nach dem Tod seiner einzigen Tochter.

Sie war ein ... ein Kollateralschaden gewesen. Beim Angriff gegen das IEME vor etwa zwei Jahren durch den Ylanten Pasch hatte sie sich in unmittelbarer Nähe befunden und war von umhergeschleuderten Trümmern getroffen worden.

Wetterhahn hatte die Leiche der jungen Frau gesehen – und er wäre froh gewesen, diesen Anblick aus seiner Erinnerung löschen zu können. Ihr Vater Matton konnte das gewiss nicht. Nie.

»Wir sollten die Yaqana auf ihrem Schiff besuchen«, schlug KAA vor und riss ihn damit in die Gegenwart zurück. »Ihr Kapitän oder Anführer heißt Seq. Sein Schiff, die SCHWEIFAUGE 17 SCHIFF DER BANAQ parkt am Rande des Aldebaran Spaceport.«

»SCHWEIFAUGE was?!«

»Die Namensgebung der Yaqana ist komplex, Chef. Aber ich bin mir sicher, dass du dich rasch damit zurechtfindest.«

2.

Interviews, Teil 1

Die geliebte Verwandtschaft

Claire schüttelte den Kopf. Genierte sich ihre Schwester denn gar nicht?

Satou Bezpalky griff in den kleinen Topf und trug das Nano-Plaque in einer dicken Schicht auf ihr Gesicht auf. Sie bewies Claire damit ihre Abneigung. Sie wollte dieses Interview nicht führen.

Claire betrachtete das Gesicht ihrer Schwester genauer. Die Nanoteilchen ließen das Gesicht für einige Sekunden brodeln und Blasen werfen. Dann hatten sie sich an den Hauttyp angepasst und vergruben sich tiefer in der Epidermis. Sie würden etwa 60 Sekunden benötigen, um die Gesichtsmuskulatur zu erfassen und zu definieren. Dann würden die minimalinvasiven Maschinchen ihre Plätze einnehmen. An einigen Stellen würden sie gehäuft auftreten, an anderen die Haut bloß ein wenig betäuben. So, dass die Gesamteinheit des Nano-Plaques die Muskulatur beherrschbar machte und auf Wunsch verfälschen konnte.

Für etwa eine Stunde würden Satous Gesichtszüge nicht mit ihren eigentlichen Gefühlen übereinstimmen. Keine Erkennungspositronik des Solsystems würde analysieren können, was die Admiralin wirklich empfand.

»Dieses Zeug ist illegal«, sagte Claire.

»Dieses Zeug hilft mir. Meine Aufgabe ist, neutral zu wirken und keine Schwäche zu zeigen«, erwiderte ihre Schwester, ohne sie anzublicken. Ein robotischer Visagist ordnete ihr Haar und legte einen leichten Rotschimmer über den allmählich grau werdenden Ansatz. »Ich muss davon ausgehen, dass Feinde Terras dieses Interview sehen, es analysieren und mich zu durchschauen versuchen. Das darf nicht geschehen.«

»Du leugnest also nicht, dass du mich in der nächsten Stunde anlügen wirst?«

»Aber nein, Schwesterherz. Ich werde bloß die Wahrheit verbiegen.«

»Wo liegt da der Unterschied?«

»Den kennst du ganz genau. Sonst wärst du niemals eine der gefragtesten Journalistinnen des Solsystems geworden. – Finde dich damit ab, dass ich ab und zu an der Wahrheit vorbeilavieren werde, weil ich das muss. Ich mache das nicht aus Spaß an der Freude. Ich schütze Terra.«

»Und dich selbst, Satou.«

»Lassen wir den Austausch von Nettigkeiten! Ich habe einen engen Terminkalender, und diese Unterhaltung ist nur eine von vielen, die ich in den nächsten Stunden führen werde.«

»So viel zur Exklusivität des Interviews.«

»Habe ich das etwa versprochen?«, fragte Satou und schaffte es, verwundert zu klingen. »Aber keine Sorge. Ich werfe jedem Mitglied der Journaille, die ich hierherbitte, einen kleinen Wissensbrocken hin. Du aber bekommst den größten. Klingt das gut genug für dich, Claire?«

Sie gab keine Antwort. Der Umgang mit ihrer Schwester war immer schon reichlich kompliziert gewesen. Satou war etwa vier Jahre älter und hatte stets nur auf sich selbst geschaut. Männer waren Mittel zum Zweck gewesen. Und die eine große Liebe, die sie vor vielen Jahren gehabt hatte, war diesem Pragmatismus zum Opfer gefallen.

»Noch dreißig Sekunden«, sagte der Roboter in der Regie und richtete die Plätze ein.

Zwischen ihren beiden Stühlen stand ein nierenförmiger Tisch, darauf eine Flasche mit blaugrünem Kristallwasser von Oxtorne und zwei Gläser. Und dann war noch der Kopf eines Holoprojektors zu sehen, den Claire allerdings nur in Ausnahmefällen aktivieren würde. Nur dann, wenn ihre Gesprächspartnerin allzu offensichtlich log und Claire rasch die Wahrheit beweisen musste.

Ein Signalton erklang. Sie räusperte sich, setzte ein Lächeln auf und zählte in Gedanken von Fünf abwärts.

Es ging los.

*

»Danke, dass du einen freien Termin für mich gefunden hast, Admiralin Bezpalky«, sagte sie im Plauderton. »Angesichts der Umstände ist das nicht selbstverständlich.«

»Ja.«

Claire deutete den Kameras, nochmals einen Cut zu machen. »Ich möchte, dass du vorab eines weißt: Ich stelle meine Fragen, ohne auf irgendwelche Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Mit professioneller Härte. Ich bin Journalistin und liefere immer so viele gesicherte Informationen wie möglich.«

»Selbstverständlich.«

»Sollte ich zu harsch rüberkommen: Es hat nicht im Geringsten mit unserem Verhältnis zu tun.«

»Selbstverständlich nicht, Schwesterherz.« Satou Bezpalky, Admiralin und für die Verteidigung des Solsystems zuständig, überkreuzte die Beine und schüttelte ihr dichtes Haar aus.

War sie sich ihrer Gestik und ihrer Körperhaltung eigentlich bewusst? Ihrer scheinbaren Lockerheit und Laszivität, die sich mit ihrer emotionalen Kühle schlug und ein Bild von unerreichbarer Schönheit ergab?

Satou, die von ihren Untergebenen meist nur »die Bezpalky« genannt wurde, war für viele ein Miststück. Immer gewesen. Claire als ihre Schwester wusste das nur zu gut.

»Können wir beginnen?«, fragte sie und konzentrierte sich erneut auf ihre Aufgabe.

»Ja. Je schneller wir es hinter uns bringen, desto besser.«

»Diese Worte könnten doch glatt von einer unserer Familienfeiern stammen.«

»Sagtest du nicht, dass du objektiv und unbeeinflusst von unserem getrübten Verhältnis bleiben möchtest?«

»Ich habe nicht von getrübt gesprochen, meine Liebe. Aber ansonsten hast du vollkommen recht.« Claire räusperte sich und aktivierte die Kameras erneut. Sie stiegen hoch und umschwirrten ihre Schwester. Eine nach der anderen gab ein Freizeichen. Sie würden jede Regung der Interviewpartnerin aufzeichnen. In Claires privatem Studio würden leistungsfähige Positroniken jede Bewegung, jede Muskelbewegung und jedes Wort nachträglich analysieren.

Leider war Satou ein Profi. Sie hatte nicht nur Nano-Plaque aufgetragen. Darüber hinaus sendete sie falsche Signale aus, die nichts mit dem Kern ihres Wesens zu tun hatten.