Perry Rhodan 3293: Rhodans Vergangenheit - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 3293: Rhodans Vergangenheit E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Mehrere dieser Teile konnten gefunden und geborgen werden, aber nicht immer verlief alles nach Plan. Während nun in der Milchstraße eines nach dem anderen eintrifft, ist Perry Rhodan auf der Spur des letzten relevanten Fragments für eine erfolgreiche Re-Genese von ES: Sein Weg führt ihn in RHODANS VERGANGENHEIT ...

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 3293

Rhodans Vergangenheit

Zurück in Terrania – ein Mann sucht ein ES-Fragment

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Prophet

2. Zusammenarbeit

3. Barackengespräche

4. Check-in

5. Überall Wanzen

6. An der Imbissbude

7. Zusammenarbeit

8. Jagdbeginn

9. Die Begegnung

10. Beim Mausoleum

11. Zwei Gruppen?

12. Offenbarung

13. So viele Fragen

14. Gefangen wie eine Ratte

Fanszene

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.

Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Mehrere dieser Teile konnten gefunden und geborgen werden, aber nicht immer verlief alles nach Plan.

Während nun in der Milchstraße eines nach dem anderen eintrifft, ist Perry Rhodan auf der Spur des letzten relevanten Fragments für eine erfolgreiche Re-Genese von ES: Sein Weg führt ihn in RHODANS VERGANGENHEIT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Unsterbliche hütet sich vor Zeitparadoxa.

Eudora Groush – Die Schöne Groush mag Perry Rhodan.

Diona Ferrante – Die Agentin schützt ihre Heimat.

Allan D. Mercant – Der Chef der Solaren Abwehr wittert Gefahr.

Pablo Genapopoulos

1.

Der Prophet

»Storr!«, rief einer der Gläubigen, hob die Rechte und ließ das weiße Tuch in seiner Hand im Wind flattern.

»Storr!«, nahmen zwei junge Frauen den Ruf auf und erhoben ebenfalls ihre Arme.

»Zeig uns den Weg!«

»Erleuchte uns!«

»Hilf uns, erlöse uns!«

»Storrstorrstorrstorr ...«

Erst hundert-, dann tausendfach wurde der Name des Dunkelmahners aufgenommen. Alt und Jung, Groß und Klein, sehnten den Auftritt des Sektenführers herbei. Sie alle wollten Balaga Storr sehen. Dessen Gemeinde hatte während der vergangenen Jahre enormen Zufluss genossen.

Diona Ferrante blieb ruhig und beobachtete. Sie sog die Stimmung auf, prägte sich Gesichter ein und überprüfte mit all ihrer Professionalität die Sicherheitsvorkehrungen, die in der Nähe des Podiums getroffen worden waren.

Es war wichtig, das Phänomen des Sektenführers zu verstehen. Die Solare Abwehr musste wissen, ob Storr eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte. Und wenn ja, wie man ihr am besten begegnete.

Der Crest-Park füllte sich rasch, das Gedränge und Geschiebe wurde größer. Ferrante reckte ebenfalls den Arm in die Luft und filmte mit ihrem Multikom am Handgelenk über die Menschenmassen hinweg. Sie liebte das Gerät und hatte ihm sogar einen Namen gegeben.

Kassandra. Ein weiteres Meisterwerk, das unter der Leitung des »Kleinen Majors« entstanden ist.

Viele Aufnahmen waren unbrauchbar, weil viele weiße Tücher den Blick auf das Podium weitgehend verdeckten. Aber sie war nicht die einzige Agentin, die bei Storrs Rede vor Ort war. Auch Iso-Augen waren im Einsatz, kleine Roboter, die über der Menge schwebten. Die SolAb würde jede Menge Bild- und Tonmaterial zusammenbekommen und von den großen Positroniken auswerten lassen.

Links von Ferrante entstand Unruhe durch ein kleines Handgemenge. Unter die Zuseher hatten sich auch Gegner des Sektenführers gemischt. Es handelte sich um Angehörige einer anderen, konkurrierenden Sekte, der Spiegelgesichter. Sie verbargen sich hinter spiegelnden Masken, riefen Schmähgesänge und machten sich über die Anwesenden lustig.

Noch blieb alles im Rahmen, aber Ferrante musste darauf vorbereitet sein, Roboter zwischen die beiden Gruppen zu schicken.

Ruhe kehrte mit einem Mal ein. Ferrante ging auf die Zehenspitzen. Alle Arme senkten sich, die weißen Tücher wurden eingerollt. Jeder wollte den Mann sehen, der auf die Bühne kam und dem respektvoll Platz gemacht wurde.

Balaga Storr, der Dunkelmahner. Ein Prophet des Untergangs, der so ganz anders wirkte, als sie sich einen Guru vorstellte: 1,90 Meter groß, breitschultrig, selbstsicher. Die weißblonden Haare waren kurz geschnitten. Sie umrahmten ein kantiges Gesicht mit weit vorgerecktem Kinn.

Storr wirkte verkrampft. Die Halsmuskulatur angespannt, die Hände zu Fäusten geballt. Alles an ihm strahlte verhaltene Energie aus.

Hoffentlich entlädt sie sich nicht, dachte Ferrante. Er besitzt Macht über seine Jünger, wenn ich die Verzücktheit und das Lächeln in ihren Gesichtern richtig deute.

Storr hob abrupt beide Arme, öffnete die Fäuste und zeigte überraschend feingliedrige Finger. Er überkreuzte die Arme und reckte sie dann weit in die Höhe, der Sonne entgegen, die hoch am Himmel stand. So blieb er stehen, bis alle Stimmen verstummten. Selbst die seiner Spötter.

»Es ist die Ruhe vor dem Sturm«, sagte Storr mit sonorer Stimme und ließ die Arme wieder sinken. »Alles wird sich ändern. Bald.«

Ferrante mochte diese Stimme. Sie klang vertrauenswürdig und war kräftig, stockte aber manchmal. Wie die eines Mannes, der seine innere Überzeugung erst vor Kurzem entdeckt hatte und selbst davon am meisten überrascht war.

»Wir schreiben den 17. April 2466«, fuhr Storr fort. »Mehr als achtundzwanzig Jahre sind seit dem schrecklichen Überfall der Dolans auf Terra vergangen. Für uns Ältere, die wir die Beinahezerstörung der Erde miterleben mussten, sind traumatische Erinnerungen zurückgeblieben. Die Jüngeren unter uns kennen die schrecklichen Ereignisse aus Trivids und aus dem Schulunterricht.« Storr seufzte tief. »Vielleicht setzt irgendwann einmal ein kollektives Vergessen ein und es wird nur noch das Dolan-Memorial an diese schreckliche Zeit erinnern. Seit Jahren wird daran gebaut. Und obwohl es vor ein paar Tagen offiziell eröffnet worden ist, ist es noch lange nicht fertig. In Handarbeit werden die Namen von zwei Milliarden Menschen in den Basalt eingeritzt und mit Goldfarbe überzogen. Zwei Milliarden Tote. Ein Drittel aller Bewohner unserer wunderbaren Welt wurde uns genommen.«

Es war mit einem Mal so still, dass nur das Flattern vereinzelter Tücher im Wind zu hören war. Ferrante schaute sich um. Die Menschen waren allesamt in Gedanken versunken.

Es gibt wenige prägnante Erlebnisse in einem Menschenleben, an die man sich stets in absoluter Klarheit zurückerinnern kann. Was man zu diesem Zeitpunkt getan hat, wo man sich aufhielt. Was man damals gegessen, mit wem man geplaudert hatte. Der Angriff der Dolans, diese wenigen Tage, wird niemand vergessen, der damals mit dabei war. Ferrante fühlte eine Gänsehaut an ihren Armen hochkriechen. Ich war gerade mal elf Jahre alt. Ich spielte mit Freunden im Gianicolense Park Fußball. Ich trug das Shirt meines Jungmädchenschwarms Nanni Viodoro, der legendären Nummer 18 der Roma Calzio, als die Sirenen zu heulen begannen. Als sich der Himmel verdunkelte. Als ein Monstrum aus Fleisch und Metall aus den Wolken fiel, mit zwei Intervallkanonen das Feuer eröffnete und tiefe Schneisen durch die Straßen zog. Sturm fegte über mich hinweg. Ich hatte mit einem Mal eine Geruchsmischung in der Nase, die ich niemals vergessen werde ...

Ferrante schüttelte ihre Gedanken ab. So rasch wie möglich. Sie durfte nicht tiefer in der Vergangenheit versinken.

Es ging vielen der Anwesenden wie ihr. Die Menschen keuchten, seufzten und weinten, von Erinnerungen übermannt, die sie so rasch wie möglich wieder beiseiteschieben wollten.

»Es war eine schreckliche Zeit«, ertönte erneut Storrs Stimme. »Aber markierte sie auch den Tiefpunkt einer Epoche? – Ich glaube nicht.«

Wieder kehrte Stille ein. Diesmal war sie erwartungsvoll. Und bange.

»Ich befürchte, dass sich die Dinge noch weiter zum Schlechten entwickeln werden. Falsch: Ich befürchte nicht, sondern ich weiß. Die Engel der Düsternis sind um mich, sie reden durch mich.«

Dies war der Kipppunkt in Storrs Rede. Zu ihrer Genugtuung bemerkte Ferrante, dass viele der Anwesenden so reagierten, als würden sie aus einem schlechten Traum erwachen. Sie schüttelten die Köpfe, schnalzten mit den Zungen, seufzten tief oder verdrehten die Augen.

Die Märchenzeit begann. Storr erzählte von seinen Engeln. Wie er mit ihnen kommunizierte und was sie ihm zu sagen hatten. Geschickt verwob er Geschehnisse der vergangenen Tage und Wochen mit angeblichen Prophezeiungen. Die Reisernte in den ausgedehnten Marschen südlich Terrania Citys fiel schlechter aus als in den Jahren zuvor, weil die robotische Überwachung an einigen Tagen versagt hatte. Auf dem Asteroiden Kommo 363 hatte eine Luftpumpanlage versagt und 36 Prospektoren in den Tod geschickt. Ein traumatisierter Raumveteran war aus seinem Pflegeheim ausgebrochen und hatte wahllos Menschen in Crest Lake City getötet. Der Verlust von mehr als 20 Leben war zu beklagen gewesen.

»... wenn man den Fehler begeht und diese Ereignisse einzeln betrachtet, erscheinen sie als schreckliche Tragödien, aber eben als punktuelle, nun ja, Störungen, während sich unser Leben allmählich normalisiert. Die Regierung mit Großadministrator Rhodan an der Spitze will uns weismachen, dass es langsam wieder aufwärtsginge. Dass wir Menschen neue Räume im Weltall erobern würden. Dass die Aufräumarbeiten auf der Erde irgendwann einmal erledigt wäre und außer ein paar Narben nichts übrig bliebe.

Glaubt ihr das? Könnt ihr euch das wirklich vorstellen?« Storr schüttelte energisch den Kopf. »Die Glanzzeiten des Imperiums sind vorüber. Wir stehen am Beginn einer Abwärtsentwicklung. Wir alle werden unter Rezessionen zu leiden haben, deren Ausmaße wir noch nicht begreifen. Weitere Kolonien werden sich von uns abwenden, dringend benötigte Rohstoffe werden auf Terra nicht mehr verfügbar sein. So haben es mir die Engel der Düsternis erzählt.«

Terraner wandten sich ab, manche lachten ungläubig. Einige Spiegelgesichter, die nahe am Podest standen, verlachten Storr offen.

Der Prophet blieb unbeirrt. Er malte Weltuntergangsszenarien. Er prophezeite den Tod Sols und faselte von einer rasenden Galaxis, die in nicht allzu ferner Zukunft eintreffen und das Gefüge der Milchstraße und insbesondere das des Orion-Arms zerstören würde. Eine gewaltige Schiffsflotte, deren Schiffe wie Heuschrecken über bewohnte Welten herfallen würden. Ein totes, entleertes und entseeltes Terra und im Gegensatz dazu eine Roboterzivilisation, die sich rasend schnell ausbreitete und immer größere Teile des Imperiums vereinnahmte. Eine Sternenpest, die Körper und Geist aller Menschen befiel. Haluter, die nach der Errettung der Erde das Gegenteil bewirkten und sich gegen die Menschen stellten. Denn mit der Rettung käme der Untergang ...

»Nicht alles davon muss zwingend geschehen«, schloss Storr seine Litanei. »Die Engel der Düsternis meinen, dass dies mögliche, zukünftige Ereignisse wären. Weil Großadministrator Rhodan versagt hat und es immer noch tut. Seine Politik ist fatal. Er hat Terra in den Fokus dunkler Mächte gerückt und so etwas wie einen kosmischen Fluch heraufbeschworen. – Ich weiß, dass einige von euch über mich lachen. Dass ihr meint, ich würde Verrücktheiten verbreiten. Ihr glaubt nicht, weil dies alles zu unwahrscheinlich klingt. Aber habt ihr jemals vorher erahnt, dass die Erde von riesigen Raumschiffen wie den Dolans angegriffen werden könnte?«

Jünger des Propheten, die sich selbst Storrer nannten, unterbrachen ihren Meister. Sie wirkten empört und verunglimpften jene, die sich über Storr lustig machten.

»Die Polizeikräfte sollen sich bereithalten«, sprach Ferrante leise in ihr Multikom. »Die Sache heizt sich allzu sehr auf. Sie sollen gegebenenfalls einen Kordon zwischen die Parteien ziehen.«

Sie erhielt eine knappe Bestätigung. Mehr war nicht notwendig. Die Solare Abwehr funktionierte – im Gegensatz zu vielen anderen Körperschaften, Behörden und Organisationen – ausgezeichnet. Dank Allan D. Mercant, der seit Jahrhunderten in dieser Branche tätig war und wohl schon jede denkmögliche Krise miterlebt und bewältigt hatte.

Die Lage entspannte sich zu Ferrantes Erleichterung schnell wieder. Auch die vereinzelt in der Menge stehenden Spiegelgesichter blieben ruhig. Sie verzichteten darauf, weiteres Öl ins Feuer zu gießen.

Illustration: Swen Papenbrock

Ferrante hielt die Spiegelgesichter für eine größere Gefahr als die Storrer. Ihre Antlitze blieben hinter reflektierenden Masken verborgen, wie auch ihre Beweggründe unklar waren. Aber sie waren teilweise voll Abscheu und Hass. Der Wiederaufbau der Stadt ging ihnen zu langsam oder zu schnell voran, die Regierung verhielt sich zu nachgiebig oder zu restriktiv, das Wetter war zu kalt oder zu warm. Die Spiegelgesichter waren stets gegen alles.

Storr setzte seine Weltuntergangsrede fort und kam rasch zu einem Ende. Nichts von dem, das ihm die Engel der Düsternis angeblich eingeflüstert hatten, besaß Substanz. Der Sektenführer vermengte wahllos Szenarien miteinander. Um den Terranern Angst einzujagen und daraus Nutzen zu ziehen.

Noch ging es nicht um persönliche Bereicherung, um Unterstützung und Spenden für den Guru. Aber dieser Moment würde unweigerlich kommen, irgendwann in den nächsten Wochen. Balaga Storr war eine jener Gestalten, die in Zeiten der Unsicherheit groß wurden und die von den Sorgen der Menschen profitierten.

Ferrante schlüpfte aus der Menschenmenge, sie hatte genug gehört.

2.

Zusammenarbeit

Perry Rhodan konzentrierte sich auf das Landemanöver der AVDUR. Halutische Raumschiffstechnik wich in vielen Teilen von terranischer Handhabung ab, damals wie heute.

»Damals« ist der falsche Begriff, machte sich Rhodan bewusst. Ich befinde mich tatsächlich im Jahr 2466 Alter Zeitrechnung. Ich muss es mir immer wieder vorsagen. Andernfalls verrate ich mich. Durch mein Auftreten und Gehabe. Durch mein Interkosmo, das sich in den Jahrtausenden weiterentwickelt hat. Durch meine Selbstverständlichkeit im Umgang mit anderen Menschen oder kritischen Situationen.

Der Haluter Khamu Pattran erledigte seine Aufgabe routiniert. Er kommunizierte permanent mit den Lotsen des kleinen Raumhafens Terrania City-Nordost, der auch »TC-NO« genannt wurde und der eines nicht allzu fernen Tages zum Goshun Space Port werden würde.

Rhodan blickte auf den großen Monitor der Schiffszentrale. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Sie zeigten ihm die deutlich größere Stadt Terrania, die er aus der Gegenwart kannte. Wo sich in seiner Gegenwart dicht besiedelte Stadtteile ausbreiteten, zeigten sich im Jahr 2466 Wüstengebiete oder ausgedehnte Grünanlagen, die von der Mondpositronik NATHAN überwacht und reguliert wurden. In diesem gelben und grünen Gürtel wurde Landwirtschaft betrieben, um den stetig wachsenden Hunger der Bewohner Terranias zu stillen. Visionäre Stadtarchitekten wälzten Pläne, die größenwahnsinnig wirkten, Terrania aber dennoch über die nächsten Jahrtausende hinweg formen würden.

Rhodan erinnerte sich nur vage an die Jahre des Wiederaufbaus nach dem Angriff der Dolans. Diese Arbeiten hatten seine Gefährten und ihn in die Erschöpfung getrieben. Tagtäglich waren Entscheidungen von immenser Reichweite getroffen worden. Jede einzelne von ihnen hatte Auswirkungen auf Millionen oder Milliarden Terraner gehabt ...

Konzentrier dich gefälligst, Perry!, mahnte er sich.

Die AVDUR durchtauchte eine dünne Nebelschicht, der Erdboden kam beängstigend rasch näher. Rhodan erinnerte sich, dass im Jahr 2466 deutlich höhere Landegeschwindigkeiten als in seiner Jetztzeit erlaubt gewesen waren.

Sie fielen auf den kleinen Raumhafen zu, während Khamu Pattran den präzisen Anweisungen der Lotsen folgte.

Rhodan juckte es in den Fingern. Nur zu gerne hätte er selbst den halutischen Raumer gesteuert. Der Positronik Anweisungen geben, winzige Korrekturen händisch übernehmen, alles mehrfach überprüfen, Abgleichung mit den Lotsen. Das Adrenalin spüren, sich die Energien des massiven Schiffskörpers verinnerlichen, kurzum: wieder zu jenem Piloten werden, der einst die STARDUST auf dem Mond gelandet und damit den Lauf der Geschichte mit beeinflusst hatte.

Wenn da nur nicht die Größenverhältnisse des Schiffs gewesen wäre! Rhodan stand auf den Zehenspitzen und konnte gerade mal das Bedienpult überblicken. Um einen der archaischen Regler, mit denen der Haluter arbeitete, einrasten zu lassen, hätte er mit aller Kraft daran ziehen oder schieben müssen. Die AVDUR war nun mal auf Lebewesen mit einer Körpergröße von 3,50 Metern ausgerichtet.

Die ausgefahrenen Teleskopbeine des Schiffs federten leicht ein, nur an mehreren Anzeigen und zwei gelb leuchtenden Lämpchen erkennbar. Zu spüren war nichts.

»Willkommen auf Terra«, sagte einer der Lotsen über Funk. Das Gesicht eines Mannes mit grau meliertem und gepflegtem Haar erschien auf einem der Bildschirme. »Wir gleichen wie üblich die Rechner ab und tauschen die Landeprotokolle aus. Eine Lande- und Abstellgebühr ist nach den Ausnahmegesetzen von 2438 für Haluter nicht zu begleichen. Sobald Sie Ihr Schiff verlassen, Khamu Pattran, bitten wir um Benachrichtigung. Wir können Ihnen die üblichen Kontrollen am Terminal nicht ersparen.«

»Selbstverständlich, Terraner«, grollte der Haluter. »Ich danke herzlichst für die Zusammenarbeit während des Landemanövers.«

Da war sie, die Höflichkeit der Riesen. Für ein völlig banales Manöver bedankte sich Pattran mit einem mehrmaligen Verneigen in Richtung des Bildschirms und mit ausgewählt freundlichen Worten.

Die Ausnahmegesetze von 2438, dachte Rhodan. Ich erinnere mich vage daran. Das Solare Imperium beschloss sie unmittelbar nach dem Ende der Dolan-Krise. Die Haluter, die wichtigsten Helfer der Terraner, sollten noch mehrere Jahrzehnte lang vor Ort bleiben und nach versprengten Feindschiffen suchen. Um den bürokratischen Aufwand so gering wie möglich zu halten, war es den Riesen erlaubt worden, jederzeit und ohne formale Voranmeldung auf Raumhäfen im Bereich des Imperiums zu landen. Es war eine von vielen Verordnungen, mit deren Hilfe wir damals die Not in den Griff bekommen wollten.

Das Hauptschott öffnete sich. Eine kleine, energische Person kam hereingewuselt. Der Haarschopf von Eudora Groush wippte auf und nieder.

»Und? Alles erledigt? Sind wir gelandet? Können wir Terra übernehmen? Oder zumindest ein klein wenig brandschatzen? Ich hätte Lust auf Bewegung.«

Khamu Pattran lachte, gerade noch so leise, dass Rhodan kein Ohrensausen davon bekam.

Der Haluter wurde gleich wieder ernst. »Ich kümmere mich dann mal wieder um mein Kleines – und um mich selbst. Wenn Sie mich bitte für eine Stunde entschuldigen ...«

Der Riese ging davon. Knapp zwei Tonnen war er schwer, mit jedem Schritt legte er fast zwei Meter zurück.

»Man merkt dem Fleischknödel seine Verletzungen kaum mehr an«, sagte die Schöne Groush, sobald sich das Schloss hinter ihm geschlossen hatte. »Er bewegt sich wie ein junges, nun ja, Monster.«

»Ich würde weder die Worte Fleischknödel noch Monster in Pattrans Gegenwart erwähnen.«

»Ach. Er würde mir verzeihen. Jedermann verzeiht mir.« Groush grinste, die einander überkreuzenden Narben auf der rechten Wange verschoben sich ein wenig zueinander. »Und jetzt? Wie geht's nun wirklich weiter, Mister Walker?«

Das Pseudonym Michael Thomas Walker hatte er sich noch vor der Begegnung mit der Schönen Groush zugelegt. Es gab sogar eine kleine Hintergrundgeschichte zu diesem Namen. Zumindest war sie gut genug gewesen, um diese Abenteurerin, Schmugglerin und Drogenhändlerin von sich zu überzeugen.

»Ich bin sicher auf Terra gelandet«, sagte Rhodan. »Auch dank dir. Du könntest jederzeit nach Kolchis zurückkehren. Allerdings ...«

»Allerdings? Möchtest du mir etwa noch ein Geschäft vorschlagen? Eine Erweiterung unserer Zusammenarbeit? Oder hast du doch noch Gefallen an meinen Qualitäten gefunden? Du schuldest mir noch viel Geld.«

Rhodan fühlte ... etwas. Ein Jucken in seinem Hinterkopf. Die Schöne Groush griff erneut mithilfe ihrer Paragaben nach ihm, wollte ihn beeinflussen und sich gefügig machen.

»Wenn du das nicht augenblicklich sein lässt, kannst du mein Angebot vergessen«, sagte er.

»Was für ein Angebot? Los, sag schon! Was springt für mich dabei raus?«

»Meine Freundschaft. Und meine Dankbarkeit.«

»Zu wenig. Viel zu wenig.« Groush rieb Zeigefinger und Daumen aneinander. »Geld und gut geladene Chips sind, was ich suche. Damit kann sich eine Geschäftsfrau wie ich Hundertschaften an Freunden erkaufen. Dankbarkeit ist bloß eine Tugend, die für alte Leute wichtig ist. Und wir beide sind noch nicht alt.«

Hast du eine Ahnung!

Laut sagte Rhodan: »Mit Geld kann ich derzeit nicht dienen. Ganz im Gegenteil. Du müsstest mir ein Startkapital für meine Unternehmungen beschaffen. Aber ich verspreche dir, alles, was du an Mitteln einsetzt, zu verzehnfachen. Aber weißt du, was ich dir darüber hinaus anbieten kann?«

»Nun?«

»Das Abenteuer deines Lebens.«