Perry Rhodan 3294: Mercants Entscheidung - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 3294: Mercants Entscheidung E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Mehrere dieser Fragmente konnten gefunden und geborgen werden, aber nicht immer verlief alles nach Plan. Während nun in der Milchstraße eins nach dem anderen eintrifft, ist Perry Rhodan auf der Spur des letzten relevanten Fragments für eine erfolgreiche Re-Genese von ES: Sein Weg führt ihn in seine eigene Vergangenheit – aber schon bald hängt alles ab von MERCANTS ENTSCHEIDUNG ...

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 3294

Mercants Entscheidung

Der Terraner muss alte Freunde überlisten – ein Zeitparadoxon droht

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Das Verhör

2. Entkommen

3. Risikopilot

4. Terznadels Finanziers

5. Bergwanderung

6. Denken Sie nach, Ferrante!

7. Der Prototyp

8. Dolan Memorial

9. Sechsdimensionalität

10. Das Blaue Café

11. Unglaube

12. Die Berührung

13. Eine Flasche Talisker

14. Abschied

15. Rückkehr

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.

Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Mehrere dieser Fragmente konnten gefunden und geborgen werden, aber nicht immer verlief alles nach Plan.

Während nun in der Milchstraße eins nach dem anderen eintrifft, ist Perry Rhodan auf der Spur des letzten relevanten Fragments für eine erfolgreiche Re-Genese von ES: Sein Weg führt ihn in seine eigene Vergangenheit – aber schon bald hängt alles ab von MERCANTS ENTSCHEIDUNG ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Unsterbliche wagt einen gefährlichen Schritt.

Eudora Groush – Die Schöne Groush erfährt zu viel und zu wenig.

Diona Ferrante – Die Agentin versucht sich zu beweisen.

Allan D. Mercant – Der Unsterbliche muss eine Entscheidung treffen.

Stätter

1.

Das Verhör

»Los, weiter!«, befahl ein namenloser Soldat mit verspiegeltem Helm. »Losloslos!«

Rhodan musste sich dem Tempo anpassen, ob er nun wollte oder nicht. Er stolperte durch den Sand vor dem Ernst-Ellert-Mausoleum in Richtung einer Antigravplattform, die hell erleuchtet war und einen von vielen Lichtflecken in der Nacht darstellte.

Rings um Rhodan wurden Befehle gebrüllt. Die Einsatzkräfte der Solaren Abwehr und die Infanterieeinheiten der LIONHEART rückten ab. Sie stiegen in Space-Jets oder auf weitere Plattformen, während Spurenspezialisten landeten. Die Neuankömmlinge schoben sich an Rhodan vorbei Richtung Mausoleum und achteten nicht weiter auf ihn. Sie interessierten sich für Spuren und die Frage, was er gemacht und ob er etwas beschädigt hatte.

Rhodan erkannte mehrere Mediker unter ihnen. Gewiss würden sie überprüfen, ob es dem Scheintoten Ernst Ellert gut ging.

Rhodan hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Hinter sich hörte er Eudora Groush fluchen. Sie war wie er selbst an den Handgelenken gefesselt.

All dies hatte Methode. Rhodan wusste nur zu gut, dass die SolAb-Leute ihre Gefangenen gerne mit Sinneseindrücken überschütteten, sie verängstigten. Ein verwirrter Geist war leichter zu überwinden, sobald es zum Verhör kam.

»Losloslos!«, brüllte derselbe Soldat wie zuvor.

Rhodan fühlte Schmerz an der Hüfte. Der Mann hatte ihm eine, nun ja, kleine Aufmunterung mit auf den Weg gegeben.

Er versuchte sich zu erinnern. War man im 25. Jahrhundert tatsächlich so brutal mit Gefangenen umgegangen?

Lichter, Berührungen, Geräusche. Ein Mischmasch an Eindrücken. Rhodan wurde geblendet und geschubst, angebrüllt und vorwärtsgedrückt, einer Prüfung seiner Pupillen unterzogen und letztlich auf der Antigravplattform fixiert.

Endlich beruhigte sich sein Puls. Groush fluchte unaufhörlich. Sie befand sich seitlich hinter ihm, ganz knapp außerhalb seines Blickradius. Aber ihre Worte halfen ihm, zu sich zurückzufinden. Sie verfügte über einen bunten und lebhaften Wortschatz, mit dessen Hilfe sie die Soldaten und Agenten ins Visier nahm.

Eine Schleuse der LIONHEART nahm sie auf. Sie wurden losgeschnallt und vorwärtsgeschubst, einen breiten Gang entlang. Überall waren Bewaffnete zu sehen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm.

Ein Mediker in der typischen lindgrünen Uniform der Imperiumsflotte übernahm ihn. Routiniert unterzog er Rhodan einigen Tests. Er murmelte Worte in sein Multikom, stutzte kurz, sagte aber nichts weiter und setzte die Untersuchung fort.

Er hat den Zellaktivator in der Schulter entdeckt. Bei einer gründlicheren Untersuchung wird er sich dem Gerät intensiver widmen. Ich habe bloß deswegen eine Galgenfrist, weil man mich gleich verhören möchte.

Rhodans Mission stand einmal mehr auf des Messers Schneide. Der Chip würde als unbekannte und höherwertige Technik enttarnt werden. Man würde ihm Fragen stellen, auf die er kaum Antworten geben konnte.

»Losloslos!«

Wieder derselbe Soldat, der ihn voranstieß. Durch weitere Gänge, auf einen großen Sammelplatz im Inneren des Raumers zu, von dem aus sechs Abzweigungen wegführten.

Rhodan erinnerte sich an den Bautyp der LIONHEART nur zu gut. Die Schiffe der SOLAR-Klasse waren weit über ein Jahrtausend hinweg im Einsatz und ein starker Rückhalt der Flotte des Solaren Imperiums gewesen. Selbstverständlich war es immer wieder zu technischen Änderungen und Verbesserungen gekommen, aber Aufbau und Struktur waren annähernd gleich geblieben.

Ich befinde mich auf Deck Acht, sagte er sich. Durch den zweiten Gang rechts geht es in den Hochsicherheitstrakt.

Tatsächlich führten ihn die Soldaten in die vermutete Richtung. Hinter ihm verhallten Groushs Proteste. Sie wurden separiert und sollten unabhängig voneinander befragt werden.

Konnte sich Rhodan auf die Schmugglerin und Diebin verlassen? Oder würde sie sein Geheimnis verraten, um einen Handel mit der Solaren Abwehr herausschlagen zu können?

Nun, darauf hatte er keinen Einfluss. Er musste sich auf sich selbst konzentrieren. Auf die Unterhaltung, die ihm bevorstand.

Eine Tür öffnete sich. Rhodan trat ein, bekam die Fesseln abgenommen und wurde auf einen von zwei Stühlen gezwungen. Dazwischen stand ein Tisch mit einer Wasserkaraffe aus Kunststoff. Vor der Tür war ein Klackern zu hören. Das Geräusch war typisch. Ein Kampfroboter nahm seine Position ein. Vermutlich würde er von einem terranischen Soldaten unterstützt werden. So das Prozedere bei Verhören, das Rhodan sattsam bekannt war.

Er atmete tief durch und sammelte sich. Mit gesenktem Kopf wartete er. Als sich das Schott ein zweites Mal öffnete, sagte er, ohne aufzusehen: »Guten Abend, Agentin Ferrante.«

*

Die Frau war alles andere als unauffällig und entsprach so gar nicht den Vorgaben der Solaren Abwehr. Allan D. Mercant hatte stets Leute bevorzugt, die in der Menge verschwanden, in jeglicher Hinsicht durchschnittlich wirkten und für die man sich nicht lange interessierte.

Ferrantes rotes Haar leuchtete im Kontrast zu ihrer Leopardenjacke, die ganz gewiss synthetisch gefertigt war. Sie legte ein Multikom vor sich ab. Rhodan erinnerte sich überraschenderweise an den Typus. Er war nur wenig verwendet worden, obwohl er in den Jahren nach den Dolan-Angriffen Spitzentechnologie mit leistungsfähigen Mikropositroniken in sich vereint hatte. Dank des Wissens, das Rhodan seitdem angehäuft hatte, erschien ihm das Gerät nahezu primitiv.

»Michael Thomas Walker«, sagte Ferrante und blickte ihn starr an. »Einen Meter neunundachtzig groß, achtundsiebzig Kilogramm schwer. Erfahrung im Nahkampf und in Dagortechniken, wenn ich Ihr Verhalten im Mausoleum richtig gedeutet habe. Sie sind auf Terra ein unbeschriebenes Blatt. Ich bin neugierig, ob mir von Kolchis ergänzende Informationen geliefert werden. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass dem nicht so ist.«

»Ist der Bauch denn das wichtigste Instrument einer hochdekorierten SolAb-Agentin?«

»Nein. Aber ein wenig Gefühl für die Situation schadet nicht.«

Rhodan schwieg. Er betrachtete sein Gegenüber, sie beäugte ihn. Es war ein gegenseitiges Messen. Eine Vorbereitung auf die kommende Auseinandersetzung, die mit Worten geführt werden würde.

Rhodan machte den ersten Zug. Er senkte den Blick und tat so, als könnte er es nicht länger aushalten, Ferrante anzusehen. Sie sollte ihn als schwächer einschätzen, als er es war.

»Wollen Sie mir etwas sagen, Walker, bevor wir mit dem eigentlichen Verhör loslegen? Ihnen ist gewiss klar, dass eine offene und ehrliche Aussage Ihre Lage erleichtern wird.«

»Nun, ich könnte behaupten, dass ich völlig verrückt bin. Würden Sie mir glauben?«

»Selbstverständlich nicht. Solang die SolAb Sie unter Beobachtung hatte, gab es keinerlei Hinweise auf unvorhersehbares Verhalten oder gar einen Amoklauf. Jemand, der durchdreht, würde sich keine Partnerin suchen. Also: Einen Versuch, sich als unzurechnungsfähig einstufen zu lassen, akzeptiere ich nicht.« Ferrante beugte sich weit vor. »Sie haben uns, den Geheimdienst, im Laternenhaus vorgeführt, Walker. Und ich behaupte, dass Sie Ihren Spaß daran hatten.«

Ah. Sie hatte die Bloßstellung in aller Öffentlichkeit persönlich genommen. Gut zu wissen. »Nein, Agentin Ferrante. Ich wollte lediglich diejenigen kennenlernen, die hinter mir her waren.«

»Lassen wir dieses Thema. Vorerst. Reden wir über das, was Sie eigentlich vorhatten. Was Sie im Ernst-Ellert-Mausoleum zu suchen hatten. Was dieses ungreifbare Flügelwesen und der Roboter mit Ihnen zu tun hatten.«

Rhodan leckte sich über die Lippen und dachte nach. Er musste Zeit gewinnen. Musste Pläne schmieden.

»Ich kämpfe nicht gegen Terra auch nicht gegen die Solare Abwehr«, sagte er schließlich. »Ich hätte im Laternenhaus die Gelegenheit gehabt, Sie und Ihren Assistenten unschädlich zu machen. Aber ich habe es nicht gemacht. Was sagt Ihnen das?«

»Dass Sie keinesfalls verrückt sind. Weil Sie augenblicklich von anderen Einsatzkräften eliminiert worden wären. Also nochmals: Was. Hatten. Sie. Vor?«

»Was haben Sie mit meiner Begleiterin angestellt? Solang ich nicht weiß, wie es ihr geht, sage ich gar nichts.«

»Sie wird ebenso wie Sie vernommen. Und ja, wir wissen, dass sie eine Mutantin ist.«

Rhodan lächelte. Lächeln verunsicherte andere Menschen. »Ich möchte einen Beweis haben, dass es ihr gut geht.«

»Warum?«

»Weil ich mich für sie verantwortlich fühle.«

»Kommen Sie mir bloß nicht mit dieser Tour! Sie sind kein Mann von Ehre. Sie sind ein ganz gewöhnlicher Verbrecher, der ein Attentat vorhatte. Auf den Großadministrator, auf Perry Rhodan!«

»Das ist, was Sie von Stätter gehört haben und was Sie glauben wollen, nicht wahr?«

»Stätter, ist das der Roboter, der uns entwischt ist? – Ich muss mich nun mal auf meine Ohren verlassen. Meine robotischen Begleiter haben leider nichts von diesem Gespräch aufgezeichnet. Ich verstehe nicht, wie Sie es geschafft haben, aber die Unterhaltung wurde durch einen Störsender blockiert. So. Damit habe ich genug geredet. Nun sind Sie dran. Wenn Sie nicht augenblicklich mit der Wahrheit rausrücken, dann ...«

»Ja? Was ist dann, Agentin Ferrante? Übernehmen irgendwelche Folterknechte?«

Die Agentin schwieg.

»Die Solare Abwehr besteht aus harten Knochen. Aus Leuten, die mitunter auch das Gesetz biegen, es aber niemals brechen. Also wird es keine Psychostrahlen beim Verhör geben. Ich werde auch nicht irrtümlich mit dem Kopf gegen eine Wand laufen oder gar gegen die Faust eines Ertrusers.«

»Seien Sie sich da nicht zu sicher, Walker!«

»Selbst wenn Sie das wollten – Solarmarschall Mercant wäre strikt dagegen.«

»Kennen Sie ihn?«

Illustration: Swen Papenbrock

Da lag das erste Mal so etwas wie Verunsicherung in der Stimme der Agentin. Sie wusste nicht so recht, wie sie ihn einschätzen sollte.

»Ich kenne viele Leute wie ihn. Korrekt, integer und beinhart. Das sind ganz besondere Qualitäten.« Rhodan lächelte erneut. »Ich sehe Ihnen an, dass Sie aus ähnlichem Holz geschnitzt sind.«

»Lassen Sie diese Westentaschenpsychologie, Walker!« Sie klopfte mit der Faust energisch auf den Tisch, und Rhodan tat, als würde er zusammenzucken. »Ich gebe Ihnen zwei Stunden Zeit zum Nachdenken.«

»Und dann? Erschießen Sie mich?«

»Es gibt andere Mittel und Wege, und glauben Sie nicht, Sie könnten bluffen. Sie sind nichts anderes als ein aufgeblasener Wichtigmacher! – Ja, für einen Wichtigmacher halte ich Sie. Für jemanden, der anderen ein Leid antun möchte, weil er mit seinem eigenen erbärmlichen Leben nicht zurechtkommt. Aber wir werden Ihnen den Platz zuordnen, den Sie verdienen, Walker. Sie werden mir alles erzählen, was Sie vorhaben. Dann werden Sie in irgendeinem Gefängnis verschwinden, und niemand wird jemals nach Ihnen fragen. Sie werden im Abort der Geschichte landen.«

Rhodan tat so, als würden ihn Ferrantes Worte treffen. Er musste ihr das Gefühl geben, auf der richtigen Spur zu sein und ihn durchschauen zu können. Mit dem Gefühl der Überlegenheit kam die Nachlässigkeit.

Die Agentin erhob sich von ihrem Platz, klopfte an die Tür und verschwand ohne ein Wort des Grußes. Ein grimmig dreinblickender Soldat musterte ihn. Der Kampfroboter daneben, etwa 2,30 Meter hoch, blitzte ihn mit roten Augen an.

2.

Entkommen

Ferrante stapfte davon, wütend auf sich selbst. Sie verstand nicht so recht, was in dem Verhörraum vor sich gegangen war. Walker hatte etwas, das ihn sympathisch wirken ließ. Ein gewisses Alter, eine gewisse Würde, eine legere und vereinnahmende Art. Er redete in einer Stimmlage, die ihr bekannt vorkam. Sein Grinsen, sein Stirnrunzeln, die Schlagfertigkeit ...

»Aber was!«, sagte sie und ignorierte den Soldaten, den sie passierte und der sie erstaunt anblickte.

Ferrante betrat die Zentrale der LIONHEART. Es stank nach Schweiß. Die Klimaanlagen der SOLAR-Klasse bekamen dieses Problem einfach nicht in den Griff.

Pendergast saß in seinem Sessel und arbeitete konzentriert einige Unterlagen durch. Sein Erster Offizier flüsterte ihm etwas zu, gleich darauf drehte sich der Schiffskommandant zu Ferrante um.

»Und?«, fragte er. »Haben Sie etwas aus Walker herausgequetscht?«

»Der Kerl ist eine harte Nuss. Ich bin mir noch nicht über die richtige Strategie im Klaren, um ihn knacken zu können. Ich werde ihn im eigenen Saft schmoren lassen und ihn in zwei Stunden wieder verhören. In der Zwischenzeit knöpfe ich mir Eudora Groush vor. Vielleicht bekomme ich aus ihr ein wenig mehr heraus. – Was macht die Suche nach diesem sonderbaren Fledermauswesen und dem Roboter?«

»Nichts. Die beiden sind entkommen. Einfach so. Sie scheinen über Möglichkeiten zu verfügen, die weit über unsere hinausreichen.«

»Damit mussten wir rechnen.« Ferrante dachte an die Flucht der beiden Geschöpfe.

Sie waren im Ernst-Ellert-Mausoleum an ihnen vorbeigeschwebt und hatten sich nicht berühren lassen. Wie ätherische Geschöpfe, Wesen aus anderen Sphären.

Aber wie konnte das sein? Waren diese beiden die eigentlichen Feinde? Mussten sie sich auf sie konzentrieren? War Walker etwa nur ein unbedeutender Helfer, der es nicht wert war, sich um ihn zu kümmern?

Er weiß auf jeden Fall etwas. Und das wird er uns verraten.

»Wir haben den Suchradius nach den beiden Unbekannten ausgedehnt. Fast alle Beiboote sind unterwegs. Sie überprüfen den Großraum Terrania. NATHAN unterstützt uns, ebenfalls die verfügbaren Iso-Augen. Mehr können wir derzeit nicht tun. Ich habe die LIONHEART auf dreihundert Kilometer Höhe angehoben. Die Tratsch- und Klatschkanäle Terranias bringen ohnedies schon die wildesten Gerüchte über unsere Anwesenheit im niederen Orbit in Umlauf.«

»Solarmarschall Mercant wird Antworten von uns fordern.«

»Ich weiß. Wir müssen uns zu einer Entscheidung durchringen: Sollen wir Großalarm geben und die gesamten Flottenverbände mobilisieren lassen?«

»Letztlich müssen darüber Bull, Tifflor und Mercant befinden. Meiner Meinung nach ist es dafür noch zu früh und die Gefahrenlage zu diffus.«

»Also schön.« Pendergast nickte zögernd. »Ach ja: Ihr Kollege hat sich zurück zum Dienst gemeldet.«

»Mein Kollege?«

»Ja. Dieser Pablo Genapopoulos. Er wollte Sie suchen und meinte, er würde Sie wohl im Verhörraum finden. Ist er Ihnen etwa nicht begegnet?«

Ferrantes Nervosität stieg mit einem Mal drastisch an. »Hat er gesagt, in welchem Verhörraum er mich treffen wollte?«

»Nein, aber ...«

»Verdammt, verdammt, verdammt!« Ferrante hatte ein ganz ein übles Gefühl.

Warum war Genapopoulos zurückgekehrt? Er hätte sich ausführlichen Tests unterziehen sollen. Schließlich bestand die Gefahr, dass er von Eudora Groush beeinflusst worden war. Jener Eudora Groush, zu deren Verhörzimmer er sich vermutlich aufgemacht hatte.

»Ich brauche eine bewaffnete Einheit im Hochsicherheitstrakt! Geben Sie Alarm. Ich ...«

Ein Signal erklang und wurde schnell lauter. Pendergast starrte fassungslos auf den Bildschirm vor sich.

»Wir werden angegriffen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Unbekannte sind ins Innere des Schiffs eingedrungen.«

*

Ein Problem nach dem anderen, sagte sich Ferrante.

Sie schlüpfte hastig in ihren Schutzanzug und nahm die Dienstwaffe zur Hand. Sie kümmerte sich nicht weiter um die umhereilenden Soldaten der LIONHEART. Rücksichtslos bahnte sie sich ihren Weg und drückte jene Leute zur Seite, die die Gänge versperrten.

Am Zugang zum Hochsicherheitstrakt hielt sie lediglich ihren Ausweis hoch und kümmerte sich nicht weiter um die Wächter, die ihr hinterher fluchten. Sollten sie ihr doch folgen! Wenn das eingetreten war, was sie befürchtete, konnte sie Hilfe gebrauchen.

Hinein in das verschlungene Labyrinth von etwa 50 kleinen, ineinander verschachtelten Einheiten, die zum Teil Aufenthaltsbereiche, Waffen- und Ausrüstungsräume oder Verhörzimmer waren. Sie eilte nach links, in jenen kurzen Trakt, in dem man Eudora Groush gefangen hielt. Noch einmal um die Ecke und ...

Sie lief in ein Wrack. In die Reste eines zerschossenen Kampfroboters, dessen Beinstümpfe noch nachglühten. Er war von hinten eliminiert worden. Mit einem Schuss, der sein Denkzentrum aus nächster Nähe gegrillt hatte. Der terranische Soldat, der neben ihm gestanden hatte, war betäubt. Er hatte Kratzer an den Schläfen und eine Beule am Vorderschädel, die rasant größer wurde.

Ferrante atmete zweimal durch. Schutzschirm einschalten – und rein in den Verhörraum.

Ein weiterer Terraner lag am Boden. Ein Offizier der LIONHEART, der ebenfalls mentalstabilisiert war und dem Eudora Groush auf mentalem Weg nichts hatte anhaben können. Er blutete aus der Nase, die Augen waren in weite Ferne gerichtet. Offenbar hatte er ebenfalls einen Hieb abbekommen und war anschließend paralysiert worden.

Ferrante schloss ihm vorsichtshalber die Augen, sodass sie während der Dauer der Paralyse nicht austrocknen konnten. Von Eudora Groush fehlte jegliche Spur.

Aber wie ...? Ferrante war den einzigen Weg entlanggekommen, der aus dem Labyrinth hinausführte. Sie hätte der Frau von der Kolonialwelt Kolchis und ihrem Befreier begegnen müssen.

Außer, wenn die beiden Walker befreien wollten.

Sie rief hastig Mediker über Interkom herbei, die sich um die beiden Bewusstlosen kümmern sollten. Danach machte sie sich auf den Weg zu jenem Verhörraum, in dem sie vor einer halben Stunde mit Walker gesprochen hatte.

Es bot sich fast dasselbe Bild wie bei dem Raum, in dem Groush festgesetzt gewesen war.

Fast.

Denn neben dem bewusstlosen Soldaten und einem zerstörten Roboter hockte ein debil grinsender Pablo Genapopoulos auf dem Boden.

3.

Risikopilot

»Gib ruhig zu, dass du es ohne mich nicht geschafft hättest, Großadministrator.«

Der Haarschopf der Schönen Groush wippte bei jedem Schritt. Sie grinste ihn an, während sie einen von vielen Gängen entlangeilten, unbeachtet von den Soldaten rings um sie.

Die Aufregung in der LIONHEART galt nicht ihnen, sondern einem anderen Gegner, der von außen her in das Schiff der SOLAR-Klasse vorgedrungen war. Rhodan konnte sich denken, um wen es sich handelte: Stätter, der sich selbst als den »treuesten aller treuen Diener von ES« bezeichnete, war mithilfe der Mrynjade Usuchtane gekommen, um nach ihm zu suchen. Er war im Ernst-Ellert-Mausoleum bloß kurz vor den Kräften der Solaren Abwehr zurückgewichen. Nun aber würde er sich nicht mehr aufhalten lassen.

Vielleicht hatte er sich aus Respekt vor Ernst Ellert zurückgehalten? Der Zeitreisende war schließlich eng mit der Superintelligenz ES verbunden.

»Redest du nicht mit mir? Bin ich dir zu gering als Gesprächspartner, Großadministrator?«

»Ich versuche, einen Fluchtweg aus der LIONHEART zu finden, und habe keine Zeit für dein Gewäsch.«

»Auch dann nicht, wenn ich dir helfen könnte?«

»Ich kenne diese Schiffe hundertmal besser als du.«

»Du kennst vielleicht das, was die Kampfraumer der Solaren Flotte repräsentieren. Aber weißt du auch, was in den Mannschaftstrakten geschieht und worüber sich diese Leute Gedanken machen?«

»Glaubst du, ich wüsste nicht, wie terranische Elitesoldaten drauf sind?«

Groush packte Rhodan am Arm und bremste ihn ein. »Hör mir zu: Du besorgst uns Flugtornister und sonstige Ausrüstung. Ich finde einen Weg nach draußen.«

Konnte er seiner Begleiterin weiterhin trauen? – Rhodan beantwortete sich diese Frage mit einem »Ja, vielleicht, nein.« Groush hatte den SolAb-Agenten Genapopoulos mithilfe ihrer sonderbaren Kräfte manipuliert und hätte allein flüchten können. Stattdessen hatte sie ihn ebenfalls befreit.

Wohl, weil sie sein Wissen um die genauen Strukturen eines terranischen Kampfschiffs benötigte. Sie beide verband ein gemeinsames Ziel. Sobald die Flucht gelungen war, würden sie verhandeln müssen, wie es weiterging mit ihrer ... Partnerschaft.

»Einverstanden«, sagte Rhodan und nickte.

»Sobald wir die LIONHEART erfolgreich verlassen haben, klärst du mich über alles auf, Großadministrator. Hast du verstanden?«

Rhodan gab keine Antwort. Er zog Groush mit sich, stürzte in den nächstbesten Antigravschacht und ließ sich vier Decks nach unten transportieren. Er wusste, wo die nächste Ausrüstungskammer war. Eine, die noch dazu nur wenig überwacht wurde, weil sie als Reserve ausgewiesen war.

Ein Soldat mit einer Strahlwaffe im Anschlag kam ihnen im aufwärts gepolten Bereich entgegengeschwebt. Er betrachtete Rhodan und Groush misstrauisch, sagte aber nichts. Vermutlich hatte er Befehle erhalten und musste sich rasch an einem Sammelpunkt einfinden. Aber er würde sich an diese Begegnung erinnern und vielleicht Meldung an die Zentrale des Schiffs machen.

Die Besatzungsmitglieder der LIONHEART mochten den beiden kaum Beachtung schenken. Die Positroniken des Schiffs taten es aber sehr wohl. Auch wenn der Fokus momentan auf den Eindringlingen liegen dürfte, gerieten Rhodan und Groush garantiert nicht in positronische Vergessenheit.

Er erreichte die Kammer und wartete, bis sich niemand mehr in unmittelbarer Nähe aufhielt. Der mechanische Not-Öffnungsmechanismus funktionierte, wenngleich leise quietschend. Rhodan schob Groush in den Raum, ein schummriges Licht ging an.

Er überprüfte die nach einem altbewährten System bereitgelegten Ausrüstungsgegenstände, las einige Bedienungsanleitungen hastig durch und reichte Groush einen Tornister. Die blickte das Ding zweifelnd an, also half er ihr beim Umschnallen und erklärte ihr die wichtigsten Funktionen.

»Der Deflektor ist im Schiffsinneren unser wichtigstes Hilfsmittel. Mach dich auch mit den Flugaggregaten vertraut. Im Zweifelsfall unterstützt dich auch das Multikom bei der aktiven Steuerung.« Rhodan zeigte Groush die wichtigsten Bewegungen, die bei einer manuellen Steuerung wichtig waren. »Und jetzt du: Wie möchtest du uns hier rausschaffen?«

Die Schöne Groush zog ihn mit sich aus der Kammer, ohne den Deflektorschirm zu aktivieren. Sie hielt den nächstbesten Soldaten fest, der an ihnen vorbeieilen wollte. »Du da! Wo ist der schnellste Weg zum Umschlag?«