Perry Rhodan Neo 139: Schicksalswaage - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 139: Schicksalswaage E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

4,0

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Beschreibung

2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge steuert die Erde auf eine positive Zukunft zu – im Sommer 2051 leben die Menschen in Frieden. Doch dann dringen übermächtige Eroberer ins Sonnensystem ein – es sind die Sitarakh. Die Fremden besiegen die Terranische Flotte im Weltraum. Auf der Erde verursachen sie globale Naturkatastrophen. Zugleich erkranken die Menschen an einer todbringenden Schlaflosigkeit. Das Ende der Menschheit droht, als wie aus dem Nichts 20.000 Kampfraumer der Arkoniden auftauchen und ihrerseits die bedingungslose Unterwerfung fordern. Immerhin ist Perry Rhodan mit vielen Mitstreitern ins All entkommen, wo ihm die mächtigen Liduuri ihre Unterstützung zusagen. Zuvor muss Rhodan jedoch eine schwere Entscheidung treffen. Die Zukunft dreier Völker liegt auf der SCHICKSALSWAAGE ...

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Zeit:5 Std. 35 min

Sprecher:Hanno Dinger
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Band 139

Schicksalswaage

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Impressum

2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge steuert die Erde auf eine positive Zukunft zu – im Sommer 2051 leben die Menschen in Frieden. Doch dann dringen übermächtige Eroberer ins Sonnensystem ein – es sind die Sitarakh.

Die Fremden besiegen die Terranische Flotte im Weltraum. Auf der Erde verursachen sie globale Naturkatastrophen. Zugleich erkranken die Menschen an einer todbringenden Schlaflosigkeit.

Das Ende der Menschheit droht, als wie aus dem Nichts 20.000 Kampfraumer der Arkoniden auftauchen und ihrerseits die bedingungslose Unterwerfung fordern.

Immerhin ist Perry Rhodan mit vielen Mitstreitern ins All entkommen, wo ihm die mächtigen Liduuri ihre Unterstützung zusagen. Zuvor muss Rhodan jedoch eine schwere Entscheidung treffen. Die Zukunft dreier Völker liegt auf der SCHICKSALSWAAGE ...

1.

Asnur ter Verskatan hätte beinahe einen Jubelschrei ausgestoßen. Es war so weit! Endlich zog das Neue Große Imperium die Verbrecher von Larsaf III zur Rechenschaft! Die aufsässigen Barbaren, die dem alten, schwachen Imperium eine peinliche Niederlage zugefügt hatten!

Er war dabei gewesen, vor elf Arkonjahren, vor dreizehn Jahren in der Zeitrechnung dieser von den Sternengöttern verlassenen Welt mitten im Nirgendwo. Seit elf Arkonjahren brannte die Schmach der Niederlage. Nun galt es, Vergeltung zu üben. Sie würden diesen jämmerlichen kleinen Planeten erobern oder ausmerzen. Diesen Gulmenschiss im Universum. Diese dreifach verdammte »Erde«.

Ter Verskatan unterdrückte seine Emotionen. Nach außen blieb er ein Muster der Selbstbeherrschung. Er betrachte die taktischen Holos seines Feuerleitstands. Sosehr es ihn danach verlangte, Tod und Verderben über das System zu bringen: Er rührte keinen Finger. Nicht ohne Befehl. Undiszipliniertheiten wurden auf der AETRON II noch schärfer geahndet als auf jedem anderen Schiff der Flotte. Selbst wenn der Imperator nicht an Bord war. Aber das war er. Seine millionenäugige Erhabenheit Zoltral XIII. saß genau in der Mitte der Zentrale, keine zehn Schritte hinter ter Verskatan.

»Wie reagieren sie?«, fragte der Imperator in seinem eigentümlich heiseren Ton.

»Bisher haben wir keine Antwort erhalten«, erwiderte Pal'athor da Torj von der Funk- und Ortungsstation aus. »Soll ich die Sendung wiederholen?«

Ter Verskatan erstarrte. Aus dem Augenwinkel sah er zu da Torj hinüber. Hatte der Funker den Verstand verloren?

Eine kurze Pause folgte. Die Anspannung war greifbar. Ter Verskatan spürte, wie sich Tränen der Erregung in seinen Augen sammelten.

»Vere'athor da Farrak«, sprach der Imperator den Kommandanten der AETRON II an.

»Begam.« Da Farrak senkte den Kopf, als er den Imperator bei seinem militärischen Titel anredete. Furcht klang aus seiner Stimme. Der Vere'athor wusste, dass er sich für das Fehlverhalten seiner Zentralebesatzung zu verantworten hatte.

»Setze deinen Funkoffizier in Kenntnis, dass der Imperator des Neuen Großen Imperiums sich nicht wiederholt.«

»Ja, Begam!« Der Kommandant wirbelte herum. »Pal'athor da Torj!«, brüllte er. »Haben Sie den Verstand verloren? Die Ansprache seiner millionenäugigen Erhabenheit hat es nicht an Deutlichkeit fehlen lassen! Die Bewohner von Larsaf Drei haben eine ihrer Stunden Zeit, zu kapitulieren.«

Andernfalls wird kein Mensch diesen Tag überleben, ergänzte der Feuerleitoffizier in Gedanken. So hatte Zoltral es angekündigt, und ter Verskatan freute sich darauf, diesen Worten Taten folgen zu lassen. Nach elf Arkonjahren wollte er zu Ende bringen, was er damals begonnen hatte.

Er wartete einige Sekunden ab, doch anscheinend plante der Begam nicht, das Fehlverhalten da Torjs weiter zu sanktionieren. Der Pal'athor hatte Glück gehabt – es waren schon Brückenoffiziere der AETRON II für geringere Vergehen entfernt worden. Zoltral XIII. duldete nur die Besten und Loyalsten um sich. Da Torj kam wahrscheinlich zugute, dass eine Umbesetzung so kurz vor einem möglichen Gefecht unnötige Unruhe in die Kommandostruktur brachte. Aber darauf sollte er kein zweites Mal bauen.

»Feuerleitstelle! Sind wir gefechtsbereit?«

Ter Verskatan erschrak, als der Imperator ihn direkt ansprach. Er nahm es jedoch als Erlaubnis, sich dem Imperator zuzuwenden, mit allerdings halb gesenktem Blick. Crest da Zoltral saß auf seinem Thron inmitten der Zentrale, erhaben und weit über den Dingen. Eine exakte Kopie des Kristallthrons, der knapp zwei Jahre zuvor beim Angriff der Methans auf die Heimat zerstört worden war. Der Thron glänzte, schillerte im Licht der unzähligen Hologramme in der Zentrale. Der Imperator darin, angetan in seinem tiefschwarzen Ornat, wirkte vor der Lichterpracht wie aus der Wirklichkeit herausgeschnitten. Erst wenn das Neue Große Imperium die alte Macht und Rolle wiedererlangt hatte, würde Zoltral XIII. die traditionelle weiße Amtskleidung anlegen, das hatte er bei seiner Thronbesteigung geschworen. Bis dahin war es noch ein langer Weg, obschon Arkon es schon weit gebracht hatte während der zwei Jahre seiner Herrschaft.

Nun würden sie einen weiteren Schritt machen und das Larsafsystem wieder ins Imperium eingliedern. Eine Ironie des Schicksals: Imperator Zoltral XIII. war damals selbst maßgeblich daran beteiligt gewesen, die Zerstörung der Erde zu verhindern – damals, als er schlicht unter dem Namen Crest und als Freund der Menschen bekannt gewesen war. Inzwischen hatte er Arkons Thron erklommen und sich seiner Verpflichtungen dem Imperium gegenüber besonnen. Es galt, den Fehler von damals zu korrigieren.

»Ja, Begam!«, meldete ter Verskatan schneidig.

Die Mundwinkel des Imperators bewegten sich eine Winzigkeit nach oben, beinahe unmerklich in dem von tiefen Falten gezeichneten Gesicht. Körperlich wirkte der Begam sehr alt, fast gebrechlich. Doch sein Blick zeugte von Intelligenz und Durchsetzungskraft – und sein kaum erkennbares Lächeln von Vorfreude auf das, was nun kommen mochte.

»Sie waren schon einmal hier, Pal'athor, nicht wahr?«, fragte der Imperator leise.

Ter Verskatan wurde heiß und kalt zugleich. Woher wusste der Begam das? Hatte seine millionenäugige Erhabenheit sich wirklich die Zeit genommen und sich mit dem Werdegang eines nichtswürdigen Offiziers wie ihm beschäftigt?

»Ja, Begam«, sagte er hastig. »Ich habe in der dreihundertzwölften vorgeschobenen Grenzpatrouille gedient, unter Reekha Chetzkel.«

»Chetzkel, ja ...« Der Imperator klang versonnen. »Ich habe die Qualitäten des Manns erst viel zu spät erkannt. Heute vollenden wir sein Werk. Wo genau haben Sie gedient?«

Ter Verskatan war unsicher. Es stand ihm nicht zu, mit dem Imperator zu konversieren. Unter keinen Umständen, und ganz sicher nicht, während sich die imperiale Flotte mit zwanzigtausend Kampfschiffen einem Angriffsziel näherte. Die Frage nicht zu beantworten, wäre jedoch ein sehr viel größerer Affront gewesen – einer, für den er nicht so glimpflich davonkommen würde wie Pal'athor da Torj vor einer Zentitonta.

»Ich war ein einfacher Thos'athor.« Wie zuvor der Vere'athor sah er zu Boden. »Ich war Feuerleitoffizier auf einem Beiboot von Chetzkels AGEDEN.«

»Sehen Sie mich an!«, befahl der Imperator. »Welchem Beiboot?«

»Der AGEDEN II«, antwortete ter Verskatan mit belegter Stimme, »unter Thos'athor ter Calon.«

»Der Bordschütze der AGEDEN II.« Der Begam zeigte ein feines Lächeln. »Dann waren Sie es, der am letzten Tag der Besatzung die Arkonbombe auf die Erde gefeuert hat?«

Ter Verskatan schauderte, als er die menschliche Bezeichnung für Larsaf III aus dem Mund des Imperators hörte. Man sagte dem Begam eine unerklärliche Schwäche für diese Welt nach – immerhin hatte er sie damals zu retten versucht. Wie würde er darauf reagieren, den Mann vor sich zu haben, der damals eine planetenzerstörende Waffe darauf abgefeuert hatte? Hätte der Verräter Jemmico damals nicht eingegriffen, wäre von Larsaf III schon damals nichts übrig geblieben als ein wenig verbrannte Schlacke.

Pal'athor da Torj rettete ter Verskatan davor, eine Antwort geben zu müssen. »Flottenbewegung!«, meldete der Ortungsoffizier knapp.

»Das wurde auch Zeit.« Der Begam lehnte sich wieder in seinen Thron zurück. »Vere'athor, erfüllen Sie Ihre Pflicht!«

Der Kommandant der AETRON II verbeugte sich forsch. Er nahm seinen eigenen Übersichtsposten ein, nur ein wenig unterhalb des Imperatorenthrons. »Wo formieren sich die Menschen?«

»Keine Menschen«, verneinte da Torj. »Es sind Sitarakh-Einheiten. Die Besatzungsmacht reagiert auf unsere Anwesenheit. Die Terranische Flotte ist nicht auszumachen.«

»Feiglinge«, murmelte da Farrak.

»Unterschätzen Sie die Terraner nicht, Vere'athor«, mahnte der Begam. »Wir werden eher früher als später von ihnen hören. Kümmern wir uns jedoch zunächst um diese Sitarakh.«

Fasziniert beobachtete ter Verskatan die Bewegungen beider Flotten. Er dankte der glücklichen Fügung, die sie genau zu diesem Zeitpunkt hierhergeführt hatte. Vor elf Pragos hatte die imperiale Flotte ihre jüngste Strafmission zu Ende gebracht und eine Gruppe von Verrätern ausgemerzt, die eine durchaus machtvolle Flotte von Aufständischen, Söldnern und Marodeuren aufgebaut hatten. Deren Versteck hatte weit vom Herzen des Imperiums entfernt gelegen, mehr als zwei Drittel der Strecke nach Larsaf III. Dort, weit außerhalb der Grenzen des Imperiums, hatten die Verbrecher sich sicher gefühlt. Unbeobachtet.

Doch niemand entging den Blicken seiner millionenäugigen Erhabenheit. Und niemand von den Aufständischen atmete noch.

Sie hatten gerade den Sieg gefeiert, als die ersten Nachrichten über die Besetzung von Larsaf III eingegangen waren. Der Imperator hatte sofort reagiert, gemäß der seit Jahrtausenden bewährten Raison. Die Situation schien geradezu lehrbuchhaft: Da die Kontrahenten sich im Gefecht gegenseitig geschwächt hatten, würde nun der Rest beider Flotten vernichtet und die Welt, um die gestritten wurde, ins Imperium eingegliedert werden.

Den Berichten der Fernaufklärung zufolge hatten die beiden Flotten einander vor kaum zwei Pragos angegriffen. Zugleich war es auf Larsaf III zu Naturkatastrophen gekommen, die nach Aufbauhilfe schrien. Es bestand eine gute Chance, diese verlorene Welt ins Imperium zurückzuholen.

Und dennoch: Ter Verskatan hoffte inständig, dass die Menschen sich widersetzten. Er brannte darauf, das damals begonnene Werk zu vollenden.

Die Ortung zeigte rund tausendfünfhundert Feindschiffe, von denen jedes sechzehn Beiboote zu tragen schien. Das Gros der Einheiten hielt sich in unmittelbarer Nähe der Sonne auf – eine strategisch geschickte Position, wenn man mit solch einer recht geringen Anzahl von Schiffen ein System halten wollte: Vom Systemzentrum aus konnte man den Eintrittspunkt jener gegnerischen Flotte relativ schnell erreichen. Noch besser wäre, mehrere Sperrriegel auf Höhe der äußeren Planetenbahnen zu errichten und zudem die Bereiche ober- und unterhalb der Rotationsebene abzusichern. Allerdings war das mit so wenigen Schiffen nicht leistbar.

Der Nachteil dieser Strategie war indes, dass man den zentralen Punkt aufgeben musste, um den Kampf mit einem Gegner anzunehmen – sonst konnte dieser nach Belieben die Planeten angreifen. Ein zweites Kontingent mochte der verteidigenden Flotte dann in den Rücken fallen.

Die imperiale Flotte verfolgte zwar keine Pläne dieser Art. Zwanzigtausend Kampfraumschiffe genügten auch ohne ausgefeilte Strategie, um Menschen und Sitarakh gleichermaßen zu atomisieren. Die Sitarakh schienen dennoch ein solches Manöver zu befürchten. Nur zweihundert ihrer Einheiten lösten sich aus dem Riegel um die Sonne und kamen ihnen entgegen, der Rest verharrte in seiner Warteposition.

»Funksignal!«, meldete da Torj.

»Die Sitarakh?«, wollte da Farrak wissen.

»Wir dekodieren noch ...« Der Funkoffizier arbeitete hektisch an seinem Hologramm. »Nein, es sind die Menschen. Scharf gebündeltes, mehrfach verschlüsseltes Signal. Weitergeleitet über diverse Satelliten, um den Ursprungsort zu verschleiern.«

»Position feststellen!«, befahl der Kommandant.

»Was wollen die Menschen denn nun?«, fragte Zoltral XIII. heiser. »Das muss alles schneller gehen!«

Erneut zuckte ter Verskatan zusammen. Unabhängig, wie die bevorstehende Schlacht ausging: Der Imperator würde seine Unzufriedenheit mit der Mannschaft sicher nicht vergessen.

»Ich dekodiere«, sagte da Torj eilig.

Ein Hologramm baute sich auf. Ein Mensch, recht groß, mit dunkelblondem Haar. »Imperator«, begann er. »Eine unerwartete Ehre, Sie im Solsystem zu empfangen.«

»Everson«, erwiderte der Begam. »Wo ist Rhodan?«

»Sie müssen mit mir vorliebnehmen.« Der Mensch Everson ließ es an jeder notwendigen Ehrerbietung mangeln. »Perry Rhodan ist unabkömmlich. Er sucht eine Lösung für das Problem, mit dem wir es seit bald zwei Wochen zu tun haben. Es wird gleich auch Ihr Problem werden. Ich möchte Sie warnen.«

Der Begam lachte heiser. »Sie waren schon immer anmaßend, Everson, aber jetzt haben Sie den Verstand verloren. Sie wollen mich warnen? Wovor? Vor den paar Schiffen dort?«

»In der Tat.« Everson ignorierte den Spott vollkommen. »Die Sitarakhschiffe sind besser als unsere, und unsere sind zwar deutlich weniger, aber besser als Ihre. Vertrauen Sie mir, Sie haben keine Chance. Nehmen Sie Ihr Ultimatum zurück, und ziehen Sie aus dem System ab. Oder helfen Sie der Menschheit im Kampf, dazu sind Sie selbstverständlich herzlich eingeladen. Aber die Erde wird sich nicht Ihrem Imperium anschließen. Muss ich Sie an das Abkommen erinnern, in dem Sie die Ansprüche auf dieses System aufgegeben haben?«

Viele Offiziere in der Zentrale duckten sich unwillkürlich. Jeder rechnete mit einem der gefürchteten Zornesausbrüche des Imperators.

Doch Zoltral XIII. blieb ein würdiges Muster an Ruhe und Überlegenheit. »Die Situation hat sich geändert. Mir scheint, die Menschheit braucht Hilfe, doch diese Hilfe hat ihren Preis. Und dieses System wird ihn heute zahlen.«

»Meinetwegen«, sagte Everson. »Ich habe Sie gewarnt. Ich habe hier einen Datensatz mit unseren Erkenntnissen über die Kampfweise der Sitarakh. Wenn Sie bereit sind, Ihr Ultimatum aufzugeben, melden Sie sich. Dann leite ich diese Informationen gerne weiter. Sie werden Ihnen beim Überleben helfen.« Der Mensch beendete die Verbindung.

»Wo verstecken sich die Menschen?«, schrie Zoltral. Nach dem Ende der Unterredung unterdrückte er seinen Zorn nicht mehr.

»Wir haben sie nicht entdecken können«, antwortete da Torj kleinlaut.

Ter Verskatan rechnete damit, bald einen anderen Kollegen am Funk- und Ortungspult zu sehen. Doch zunächst galt es, den Sitarakh und Menschen Respekt einzuflößen.

»Unsere Vorhut trifft auf die entgegenkommenden Schiffe«, stellte der Kommandant fest.

»Erledigen Sie das!«, befahl der Begam.

Tausend imperiale Kampfraumer lösten sich aus der Formation und warfen sich den zweihundert Einheiten der Sitarakh entgegen. Zunächst flogen die Arkoniden in Reihe, aber kurz bevor sie in Feuerdistanz kamen, fächerten sie auf: Sie bildeten eine Trichterformation, ähnlich der Bauweise eines klassischen arkonidischen Khasurns. Die Öffnung wurde immer größer, je näher sie dem Feind kamen, sodass die Sitarakh aus allen Richtungen beschossen werden konnten.

Die Sitarakh ihrerseits behielten ihre Formation bei: ein leicht angreifbarer, lockerer Verbund, der auf keine bestimmten taktischen Absichten schließen ließ. Ter Verskatan sah kurz zum Vere'athor hinüber. Im Gesicht des Kommandanten war klar abzulesen, dass auch er sich auf das Vorgehen der Gegner keinen Reim machen konnte.

Die ersten zwei Drittel der arkonidischen Angreifer hatten die Feinde auf diese Art umzingelt, da vollführte das letzte Drittel eine synchrone Kurztransition in den Rücken des Gegners. Die Sitarakh waren nun eingeschlossen. Ohne Vorwarnung eröffneten die tausend Schiffe das Feuer.

Tausende Energielanzen zielten auf zweihundert Verteidiger – und keine einzige davon schien Schaden anzurichten! Die Sitarakhschiffe hüllten sich in rote Schutzschirme, die alle Energie der Thermokanonen abzuleiten schienen. In fünfzehn Jahren bei der Flotte hatte ter Verskatan so etwas noch nie gesehen, ja noch nicht einmal davon gehört. Die unbeirrte Flugbahn der Sitarakh deutete darauf hin, dass die arkonidischen Schüsse nicht einmal kinetische Energie entfalteten, wenn sie auf die Sitarakhschirme trafen.

»Impulskanonen!«, entschied da Farrak, aber auch diese Waffen zeigten keine erkennbare Wirkung. Der Kommandant der AETRON wirkte plötzlich nervös.

Die normaloptische Erfassung zeigte die feindlichen Schiffe. Sie waren hässlich, boten nichts von der Eleganz eines arkonidischen Kugelraumschiffs. Stattdessen waren sie grob oval, in der Antriebssektion am Heck jedoch zu einer geraden Wand abgeschnitten. Ein grellroter Lichtstreifen umlief das Schiff vom Bug auf beiden Seiten bis zum Heck. Unterhalb der Bugspitze schob sich ein im selben Rot gleißendes, halbkugeliges Segment aus dem Hauptrumpf hervor. Auf dem Schiffsrücken und auf seiner Unterseite zeigten sich insgesamt sechzehn pockenartige Erhebungen, plumpe Formen, wie abgeschnittene Kegel – augenscheinlich Beiboote, die jeder dieser Raumer standardmäßig mit sich führte.

Der erste Sitarakh griff an. Aus dem umlaufenden roten Streifen löste sich ein grellweißer Strahl. Der getroffene arkonidische Kreuzer explodierte sofort, ohne dass sein Schirm ihn auch nur einen Lidschlag lang geschützt hätte.

»Alle Einheiten feuern!«, befahl da Farrak. »Einheiten mit Konverterkanonen bereiten den Angriff vor!«

Die Kampfschiffe, die diese teuren und dementsprechend seltenen Panzerbrecher mit sich führten, schlängelten sich durch die arkonidische Formation, bis sie freies Schussfeld hatten. Konzertiert schossen sie auf die äußeren Sitarakhraumer.

Ter Verskatan hielt den Atem an. Seine Augen tränten vor Anspannung. Es musste gelingen. Einem solch massierten Angriff mit den gefürchteten Schutzschirmbrechern der Arkoniden konnten die Feinde nicht widerstehen ...

Es gelang kein einziger Abschuss. Stattdessen gingen immer mehr arkonidische Schiffe in Flammen auf – kurze Feuerblumen, bevor das Vakuum die Brände erstickte. Die Sitarakh schossen die Angreifer nach Belieben aus dem All. Ter Verskatan hatte nicht den Eindruck, dass sie sich dafür besonders anstrengen mussten.

Er sah zum Vere'athor. Da Farrak beobachtete das Geschehen fassungslos.

»Verstärkung!«, ordnete er an. »Weitere tausend Einheiten!«

Die Flotte folgte dem Befehl, doch dadurch änderte sich nicht das Geringste. Kein einziges Sitarakhschiff wurde auch nur aufgehalten. Weil die imperialen Kreuzer dem Gegner nun doppelt so viele potenzielle Ziele anboten, verdoppelten sich indes auch die Verlustzahlen unter den Arkoniden.

Da Farraks Mund stand offen, sein Blick zeugte von Hilflosigkeit. Seine Zunge bewegte sich, als wollte er etwas sagen ... Als wollte er den Befehl geben, den er nicht geben durfte. Seit Zoltral XIII. Imperator war, hatte kein arkonidisches Schiff jemals ...

»Rückzug!«, krächzte der Begam. »Wir formieren uns neu!«

Die Reste der aufgeriebenen Vorhut transitierten in den Rücken der Hauptflotte, mit Ausnahme jener Schiffe, die eben bereits einmal gesprungen waren und deren Antriebe noch nicht wieder einsatzbereit waren. Sie schossen stattdessen mit halber Lichtgeschwindigkeit in alle möglichen Richtungen davon. So konnte der Feind zumindest nicht mehrere Einheiten auf einmal verfolgen und auslöschen.

In der Zentrale herrschte eisiges Schweigen. Niemand war auf eine solche Situation vorbereitet gewesen. Seit Zoltral dem Neuen Großen Imperium vorstand, hatte die arkonidische Flotte kein einziges Gefecht verloren. Diese Erfahrung hatten alle Welten gemacht, deren Anführer vor zwei Jahren in den Wirren nach dem Angriff der Methans mit dem Gedanken an Unabhängigkeit gespielt hatten. Arkon gab nicht nach. Arkon wich nicht zurück. Arkon herrschte, und wo es sein musste, zeigte das Imperium seine ganze Unbarmherzigkeit. Und nie, nie, nie war eine einzige Schlacht verloren gegangen.

Langsam und vorsichtig drehte ter Verskatan den Kopf, bis er aus dem Augenwinkel den Imperator sehen konnte. Zoltral XIII. bebte vor Zorn.

»Ein neuer Funkspruch der Menschen«, meldete da Torj. Seine Stimme zitterte.

Ter Verskatan fühlte mit seinem Kollegen. Wahrscheinlich unterschrieb da Torj mit dieser Meldung sein Todesurteil, aber verschweigen konnte er die neue Entwicklung auch nicht.

»Verbinden!«, brüllte Zoltral.

Erneut erschien dieser blonde Mensch, dieser Everson. Ter Verskatan erinnerte sich nun an den Mann. Er war einer der Terroristen gewesen, die der 312. Grenzpatrouille damals so unglaubliche Scherereien gemacht hatten. Was für eine Demütigung, plötzlich mit ihm verhandeln zu müssen!

»Sind Sie jetzt gesprächsbereit?«, fragte der Mensch. »Ich wiederhole: Wir haben einige Erkenntnisse über die Sitarakh, die Ihnen helfen können. Unser Wissen und Ihre Feuerkraft könnten möglicherweise ausreichen, um den Blasenschirmen beizukommen. Ziehen Sie Ihr Ultimatum offiziell zurück, und ich überstelle die Daten!«

Der Begam ließ die Verbindung ohne Antwort wieder schließen.

Die Zentralecrew atmete erleichtert auf. Arkon gab nicht nach. Arkon wich nicht zurück. Arkon herrschte. Daran würde sich auch in dieser Situation nichts ändern.

»Erledigen Sie das, habe ich gesagt!«, herrschte der Imperator den Kommandanten der AETRON an. »Sind Sie dieser Aufgabe nicht gewachsen? Das sind nur zweihundert Schiffe!«

Vere'athor da Farrak schluckte hörbar. »Mein Leben für Arkons Thron!«, rief er hastig und verneigte sich. Dann wandte er sich wieder den taktischen Holos zu. »Hauptkontingent der Flotte macht sich sprungbereit. Wir greifen mit einer Übermacht von hundert zu eins an. Schalenformation wird berechnet und an alle Einheiten ...«

Zoltral XIII. hatte Imperators Gerechtigkeit vom Gürtel gelöst, den ehrwürdigen Nadelstrahler, das Amtsinsignium seiner millionenäugigen Erhabenheit. Er schoss Vere'athor da Farrak in den Rücken, bevor dieser seine Befehle beenden konnte.

»Ich brauche einen Kommandanten, der nicht meine ganze Flotte in die Vernichtung führt.« Der Imperator steckte die Waffe wieder zurück. Dann sah er ter Verskatan direkt in die Augen. »Was ist mit Ihnen, Pal'athor? Sie kennen dieses System. Wie würden Sie vorgehen?«

Ter Verskatan spürte, wie seine Lippen zitterten. Die Tränen rannen nun fortwährend aus seinen Augenwinkeln. Er musste etwas sagen, sofort, sonst wäre er der Nächste, der Imperators Gerechtigkeit zu spüren bekam.

»Arkon gibt nicht nach! Arkon weicht nicht zurück!«, rief er, um Zeit zu gewinnen.

»Sehr richtig.« Der Imperator klang noch kälter als sonst. »Es würde ein verheerendes Zeichen setzen, wenn das Imperium sich zum zweiten Mal aus diesem System zurückzöge. Es würde unsere Feinde im Innern ermutigen. Alles, was wir in den vergangenen zwei Jahren erreicht haben, stünde plötzlich wieder zur Disposition.« Er zog seinen Strahler erneut und richtete ihn auf ter Verskatans Stirn. »Was haben Sie zu bieten außer Parolen?«

Es hieß, dass in den Augenblicken vor dem Tod das ganze Leben vor dem inneren Auge vorbeizog. Asnur ter Verskatan sah jedoch nur einen einzigen Moment: jene Schlacht vor elf Jahren, als er zuletzt in diesem Sonnensystem gewesen war. Als er die Arkonbombe abgeworfen hatte, um die Erde zu vernichten.

Auf einmal wusste er, was zu tun war.

»Sie haben den Menschen zwei Möglichkeiten gelassen, Begam«, sagte er demütig. »Kapitulation oder Vernichtung der Erde. Es scheint, als wäre die Kapitulation kein realistisches Ziel. Die Vernichtung hingegen ...«

Der Imperator ließ den Nadler sinken. »Ich mag Ihre Art, zu denken, Vere'athor.«

Erleichtert atmete ter Verskatan durch. Einen Moment lang wurde ihm schwindlig. So war es also, dem Tod ins Auge zu sehen.

Zoltral XIII. sah ihn erwartungsvoll an. »Nehmen Sie Ihren Platz ein.«

Der Schwindel verstärkte sich – ter Verskatan hatte keine Ahnung, was der Begam damit meinte. Dann wurde es ihm schlagartig klar. Ihre millionenäugige Erhabenheit hatte ihn nicht mit seinem Rang als Pal'athor angesprochen, sondern als Vere'athor – dem verwaisten Rang des toten da Farrak, aus dessen Brust langsam dunkelrotes Blut auf den Boden der Zentrale lief.

Vorsichtig, mit zitternden Knien, erhob ter Verskatan sich von seiner Station und näherte sich dem Imperator, nahm da Farraks Kommandostand zu Füßen des Kristallthrons ein. Er deutete auf seinen Stellvertreter, Sek'Athor Kelange, und wies ihn an, den Feuerleitstand zu übernehmen.

»Zweitausend Einheiten machen sich bereit!«, befahl er. Seine Stimme klang fast so heiser wie die des Begam. »Kurztransition Richtung Larsaf Drei. Eine Einheit bereitet eine Arkonbombe vor. Vierzig Einheiten bilden eine geschlossene Formation und stoßen mit Höchstbeschleunigung Richtung Erde vor. Die restlichen Schiffe bilden eine dreifach gestaffelte Röhrenformation um die Flugbahn der vierzig und halten eventuelle Angriff der Sitarakh ab.«

Die ganze Situation fühlte sich unwirklich an. Er hatte vor Rachedurst gebrannt, seit er erfahren hatte, dass sie Richtung Erdsystem ziehen würden. Und nun stand er wirklich an der Spitze der Flotte und befahl die Vernichtung des verhassten Planeten!

»Die Schiffe der Röhre verteidigen die innere Formation mit ihrem Leben. Niemand bricht aus, niemand weicht zurück!« Er schloss die Augen. »Im Abstand einer halben Lichtsekunde feuert ein inneres Schiff eine Arkonbombe hinter der Kernformation her. Die Geschwindigkeit wird angeglichen. Die Bombe darf den Ablenkungseinheiten nicht näher kommen. Es geht nur darum, die Energiesignatur ihres Antriebs durch das Gefecht zu decken.«

Stille herrschte in der Zentrale. Seine Kollegen – nein, seine Untergebenen – sahen ihn entsetzt an.

Der Begam blickte zu ihm herab.

»Respekt, Vere'athor. Das kann funktionieren. Vielleicht opfern wir zweitausend Einheiten, aber der Planet dort unten wird vernichtet. Arkons Wort behält Gültigkeit.« Zoltral XIII. schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ter Verskatan eine Gänsehaut bekam. »Es soll Ihr Schaden nicht sein.«

Die Positronik hatte bestimmt, welche zweitausend Schiffe in den Selbstmordeinsatz gehen sollten. Sie bildeten die befohlene Dreifachröhre und sprangen synchron. Ein gutes Stück jenseits des Mondes von Larsaf III tauchten sie wieder auf.

Die Bombe wurde gestartet. Endlich wurde zu Ende gebracht, was die Arkoniden hier vor elf Jahren begonnen hatten.

»Funk«, sagte da Torj.

Ter Verskatan nickte.

»Was machen Sie, Crest?«, schrie Everson. »Sind Sie völlig verrückt geworden? Wir müssen gemeinsam ...«

Der frisch beförderte Vere'athor ließ das Gespräch wieder beenden. Der Terrorist Everson würde schon sehen, wer hier was tun musste. Arkon musste sich Respekt verschaffen. Das war alles.

Die vierzig ausgewählten Einheiten schossen auf die Erde zu. Alles spielte sich rasend schnell ab. Die Sitarakhschiffe über dem dritten Planeten des Systems reagierten blitzartig. Ihre weißen Strahlen tanzten und löschten die Imperiumsschiffe in unvorstellbarer Geschwindigkeit aus. Weniger als zwölf Millitontas hätte der Angriff gedauert. Nach neun Millitontas waren alle Schiffe der Röhre und die vierzig Einheiten in ihrem Zentrum zerstört.

Zwei Millionen Tote, dachte ter Verskatan entsetzt. Zwei Millionen Tote in neun Millitontas. Das war mein erster Befehl.

Er sah auf das taktische Holo. Auch die Arkonbombe war zerstört worden.

Er schloss mit seinem Leben ab. Anders als vor wenigen Zentitontas, als Imperators Gerechtigkeit sich zum ersten Mal auf seine Stirn gerichtet hatte, war er damit einverstanden. Er hatte seine Chance gehabt. Er hatte versagt. Kläglich versagt.

Es war still in der Zentrale, still wie nie, seit sie in dieses von den Sternengöttern verfluchte System eingeflogen waren.

Langsam drehte ter Verskatan den Kopf zur Seite und schielte zum Kristallthron empor. Imperator Zoltral XIII. blickte nachdenklich zu ihm herab.

Ter Verskatan erhob und verbeugte sich. »Mein Leben für Arkons Thron.« Er hielt die Augen geschlossen und wartete auf den kurzen, brennenden Schmerz und die folgende Finsternis.

Keines von beidem kam.

Nach einigen Millitontas öffnete er die Augen wieder.

Der Imperator sah ihn überhaupt nicht an. Stattdessen betrachtete er ein eigenartiges, kleines Hologramm, das sich vor ihm aufgebaut hatte: einen blau glühenden Würfel, dessen eine Ecke etwas abgeschliffen wirkte.

»Begam?«, fragte ter Verskatan. »Ich bin bereit, meine Strafe entgegenzunehmen.«