PERRY RHODAN-Storys: Die Leben des Blaise O'Donnell - Michael Marcus Thurner - E-Book

PERRY RHODAN-Storys: Die Leben des Blaise O'Donnell E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Was passiert in der Zeit, bevor die Cairanische Epoche anbricht? Wie verändert sich die Milchstraße, was geschieht mit ihren Bewohnern? Sechs Kurzromane, sechs Schauplätze, sechs Hauptpersonen: Die verlorenen Jahrhunderte werden in diesen Texten zum Leben erweckt. Die Gemeni und ihre seltsamen Raumschiffe, die Sprosse, verwunderten die Bewohner der Milchstraße. Sie erwiesen sich als Wesen auf einer pflanzlichen Basis, und sie verteilten in offenkundiger Großzügigkeit zahlreiche Geschenke. Zu ihnen gehörten Zellaktivatoren, die eine relative Unsterblichkeit verliehen – vielen Menschen winkte auf jeden Fall ein beeindruckend langes Leben. Doch in den Verlorenen Jahrhunderten erwies sich die relative Unsterblichkeit für manchen als Bürde, für andere als Hoffnung. Einer dieser Menschen war Blaise O'Donnell – und sein Ziel war, noch älter zu werden als alle anderen. Blaise O'Donnell ist eine der Hauptfiguren, die in dem Roman "Das Triumvirat der Ewigen" (Band 3003) vorgestellt werden. Autor des Romans ist Michael Marcus Thurner – in seinem ergänzenden Kurzroman erzählt er die Vorgeschichte eines Mannes, der für die Unsterblichkeit alles tun würde: eine Science-Fiction-Novelle, die einen grundlegenden Traum der Menschheit aufgreift …

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Die Leben des

Blaise O'Donnell

von Michael Marcus Thurner

Cover

Die Leben des Blaise O'Donnell

Die verlorenen Jahrhunderte im Überblick

Impressum

»Die Ewigkeit hat ein Ablaufdatum«, sagte Blaise O'Donnell.

Syracuse gähnte und drehte sich von ihm weg. »Was soll das bitte schön bedeuten?«, fragte sie mit schläfriger Stimme.

»Ich denke über das Leben nach. Darüber, was uns am Ende bleibt.«

»Du bist ein komischer Kauz, Blaise. Eben noch hatten wir mächtig Spaß miteinander, und jetzt kommst du mir mit solch sonderbaren Gedanken daher? Ich fühle mich nicht gerade geschmeichelt, wenn ... wenn ...«

Das Gemurmel endete. Tiefe und regelmäßige Atemzüge kündeten davon, dass Syracuse eingeschlafen war.

»Du bist nun mal keine Unsterbliche wie ich«, raunte O'Donnell. »Du kennst meine Probleme nicht.«

Für eine Weile genoss er noch die Wärme ihres Körpers, bevor er sich aus dem Bett schob. Eine Surrogatgestalt bildete sich dort, wo er eben gelegen hatte, aus der Gel-Matratze. Das Surrogat umfasste Syracuse und gab ihr das Gefühl von Körperwärme. Die Bewohner von Tondonar brauchten Nähe, immer und überall. Mehr, als O'Donnell zu geben bereit war.

Er setzte sich an seinen Arbeitsplatz und schickte seinen Avatar in die Datenwolken des globalen Kommunikationssystems. Die vollständig vernetzte Gesellschaft Tondonars bot ihm bei seiner Suche vielfältige Möglichkeiten. Mehr als auf allen anderen Welten, die er im Laufe der zurückliegenden hundert Jahre besucht hatte.

In der Heimatwolke beschäftigte man sich mit den lokalen ebenso wie den interstellaren Problemen des Planeten. Man diskutierte beispielsweise, wie die ständigen Konflikte mit den Bewohnern von Nachbarwelten wie Capriccio oder Landesburg III gelöst werden konnten. Ein Teil der gemeinschaftlichen Überlegungen würde von der Verwaltungspositronik zu einem Logikkonvolut zusammengefasst, dem Anarchat vorgelegt und gegebenenfalls als Vorschrift erlassen werden. Dieses Gesetz würde so lange gelten, bis ein besserer Vorschlag auftauchte und eine weitere Änderung anstand.

Das Regierungssystem von Tondonar widerte O'Donnell an. Nichts war beständig, alle paar Tage musste man sich aufs Neue über die Lebensregeln auf dem Planeten informieren. Oder man ließ es bleiben und verzichtete im Gegenzug auf alle Bürgerrechte.

Nun, er hatte die Heimatwolke nicht aufgesucht, um mitzudiskutieren. Politik war O'Donnell schon immer suspekt gewesen.

Er verspürte einen sonderbaren Schmerz in der Brust: stechend, lähmend. Er wollte um Hilfe rufen, Syracuse aufwecken. Doch seine Stimme versagte ihm den Dienst. O'Donnell konnte einfach nur dasitzen und warten, dass der Schmerz vorüberging.

Er brachte seine Rechte hoch und umklammerte den Gemeni-Zellaktivator. Er glaubte, dessen pulsierende Kraft zu spüren – und auch die Aussetzer, die das verdammte Ding seit einigen Jahren immer wieder hatte.

Irgendwann stabilisierte sich die Leistung des lebenserhaltenden Geräts. Ruhig und wärmend lag es auf seiner Brust und verrichtete seinen Dienst, so wie es das die vergangenen fast dreihundert Jahre lang getan hatte.

Blaise O'Donnell fand wieder zu sich. Er war schweißnass, seine Arme und Beine zitterten unkontrolliert. Er war noch einmal davongekommen.

*

Nach einer ausgiebigen Dusche setzte er sich wieder an den Arbeitsplatz. Sein virtuelles Alter Ego verharrte noch immer in einer Diskussions-Untergruppe der Heimatwolke. Blaise O'Donnell beteiligte sich an weiteren Gruppengesprächen und stimmte bei Vorschlägen zu erhöhten Importzöllen ab, bevor er sich in die tieferen Bereiche der Wolke vorschob. In den Ebenen, die sich vor ihm auftaten, wurde über Randprobleme diskutiert, weitgehend isoliert und geschützt von den sonst allgegenwärtigen Positroniken.

Datensicherheit wurde in diesen Bereichen besonders großgeschrieben, Moderatoren arbeiteten Tag und Nacht daran, die Datenkrabbler von Spionpositroniken abzuwehren und den Werbepiraten immer einen Schritt voraus zu sein.

O'Donnell hatte fünf Minuten. Danach würde er in die Heimatwolke zurückkehren und weitere zwei Stunden warten müssen, bis er sich erneut in diese Untiefen vorwagen durfte.

Er steuerte seinen Avatar an obskuren Gruppenunterhaltungen vorbei, in denen es um Terra ging, um Verschwörungstheorien, um Gewaltphantasien, um sexuelle Ausschweifungen. Fieberhaft suchte er auf mehreren Datenspuren nach jenen Schlagwörtern, die ihn interessierten ...

Nichts. Wieder nichts! Enttäuscht machte er kehrt und glitt durch das virtuelle Labyrinth zurück nach oben ...

... als er eine winzige Informationswolke entdeckte. Sie war klein wie ein Staubkorn, die Datendichte lächerlich. Aber sie war da.

O'Donnell blickte auf seine Uhr. Er hatte noch zwei Minuten sichere Zeit.

Er überwand den Torwächter und glitt ins Innere der winzigen Wolke. Sie war so gut wie leer. Ein einziger anderer Avatar hockte in diesem Raum, gelangweilt und mit gesenktem Kopf, das typische Verhalten einer virtuellen Figur, deren Benutzer nicht anwesend war.

O'Donnell setzte sich neben den Mann, berührte ihn.

Nichts geschah. Vielleicht war der Avatar bereits seit Jahren verwaist. Nichts deutete darauf hin, dass er noch aktiv war.

Blaise O'Donnell entschied sich, eine Nachricht zurückzulassen. Das Risiko, entdeckt und entlarvt zu werden, erschien ihm vernachlässigenswert. Also sagte er: »Es geht um die Sterblichkeit von Unsterblichen. Wenn du reden möchtest, hinterlasse eine Nachricht.«

Er verließ den winzigen virtuellen Raum, glitt in die Heimatwolke zurück, machte bei weiteren Abstimmungen mit und verabschiedete sich dann.

Sein Herz pochte laut. Wie lange war es her, dass er die Gelegenheit gehabt hatte, mit einem anderen Unsterblichen zu reden? Fünf Jahre? Zehn?

*

Hsao-Darling bestand darauf, ihn im Korsagenturm zu treffen, in einem der Wahrzeichen der Planetenhauptstadt Dario. Im Außenrestaurant, das zu dieser Jahreszeit mit Touristen von anderen Kontinenten überlaufen war.

Von der südlichen Plattform des mehr als sechshundert Meter hohen Turms hatte man eine überwältigende Fernsicht. Blaise O'Donnell blickte über die offene See, die wie in jedem Frühsommer von Myriaden von Pantoffelvögeln bejagt wurde. Sie stießen mit irrwitzigem Tempo aus dem azurblauen Himmel herab, tauchten kreischend ins schwarze Nass und rollten dabei ihre bunten Lockfedern aus.

Minutenlang hielten sie es da unten aus. Sie gingen in einer Tiefe von bis zu fünfzig Metern auf Jagd nach Meeressaiblingen, die in der Großen Bucht gelaicht hatten und in ihrem geschwächten Zustand nach allem schnappten, was nach Nahrung aussah.

»Atemberaubend, nicht wahr?«

O'Donnell zuckte zusammen. Der Mann neben ihm, feist und groß gewachsen, hatte ihn überrascht. Meine Instinkte lassen nach, sagte sich O'Donnell verärgert.

Der füllige Mann atmete tief durch. »So großartig dieses Schauspiel auch sein mag: Ich schmecke es nicht mehr, ich fühle es nicht mehr. Es ist alles verloren gegangen.«

»Was meinst du?«

»Ich bin in letzter Zeit nur noch selten hier. Ich habe es vermieden. Weil ich befürchtete, dass mich der Anblick der jagenden Pantoffelvögel enttäuschen würde. So, wie mich alles enttäuscht, langweilt, müde macht.«

»Du bist Hsao-Darling?«

Der Fremde winkte ab. »Das ist bloß ein Name von vielen. Aber du kannst ihn gern benutzen, Blaise.«

O'Donnell musterte den Fremden genauer. Der Schnitt seines Oberteils entsprach der neuesten Mode, der Stoff wirkte teuer. Er entdeckte eine eigroße Wölbung auf der Brust.

»Wir müssen unsere Zellaktivatoren gar nicht mehr verbergen«, sagte Hsao-Darling, der O'Donnells Blicke offenbar bemerkt hatte. »Niemand achtet darauf. Die Zeit der Aktivatorträger läuft ab. Was vor dreihundert Jahren höchst erstrebenswert war und mitunter zu Mord und Totschlag führte, ist heutzutage uninteressant. Wer weiß denn überhaupt noch, dass wir existieren? Und jene, die aufmerksam genug sind und uns durchschauen, bemitleiden uns bloß. Sie wissen, dass unsere Leben zu Ende gehen. Tausende von uns sind bereits gestorben. Nur ein paar Hundert leben vielleicht noch.«

»So wie wir beide. Und solange das verdammte Ding auf meiner Brust halbwegs arbeitet, werde ich um jeden Atemzug kämpfen.«

»Ach ja?« Hsao-Darling lächelte. »Du verzichtest auf das Recht der Selbstbestimmung?«

Sein Gesicht war aufgedunsen, um die Augen zeigten sich Schatten und Krähenfüße. Hsao-Darling hatte sein Leben zweifellos genossen.

»Selbstbestimmung ist schon lange keine Option mehr«, antwortete O'Donnell. »Wir haben die Zellaktivatoren der Gemeni angenommen und damit die Bedingungen der Fremden akzeptiert. Ab diesem Augenblick waren wir den Geräten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.«

»Falsch. Ich kann jederzeit ausbrechen. Ich kann mein Leben beenden, wann immer ich es möchte und wann immer ich dazu bereit bin.«

»Das würdest du dich trauen? – Ich bin während der zurückliegenden dreihundert Jahre mit etlichen Unsterblichen zusammengetroffen. Ich wollte wissen, wie es ihnen ging. Was sie mit ihrer verlängerten Lebensfrist vorhatten. Wie sie planten. Und weißt du was? Die meisten waren Feiglinge. So wie ich auch. Wir weichen jedweder Gefahr aus, weil wir dieses unendlich wertvolle Geschenk der biologischen Unsterblichkeit nicht aufs Spiel setzen wollen. Ist das nicht widersinnig?«