Phantom - Jenk Saborowski - E-Book

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Jenk Saborowski

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Beschreibung

Sie verwenden kein Telefon, kein Internet, keine Banktransaktionen. Niemand weiß, wer sie sind, sie hinterlassen keine Spuren. Sie sind ein Phantom. Solveigh Lang von der Europapolizei ECSB und Kriminalhauptkommissar Paul Regen sind auf der Jagd nach einer Gruppe gewaltbereiter Terroristen, die sich allen modernen Ermittlungstechniken entzieht. Sie müssen ihre Arbeit vollkommen neu erfinden. Und dabei dürfen sie keine Zeit verlieren, denn der nächste Anschlag steht unmittelbar bevor …

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www.piper.de

»Phantom« ist eine fiktive Geschichte. Ereignisse, Personen und Institutionen

sind frei erfunden, jede Übereinstimmung mit der Realität ist reiner Zufall.

ISBN 978-3-492-96801-0

März 2015

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015 

Covergestaltung: Hafen Werbeagentur, Zürich

Covermotiv: Ryan McVay/Getty Images

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

»Menschenrechte werden nicht nur durch den Terrorismus, Repression oder Mord verletzt, sondern auch durch unfaire ökonomische Strukturen, die große Ungerechtigkeit zur Folge haben.«

Papst Franziskus

TEIL 1

Der tote Informant, Kriegsopfer und ein neuer Job

PROLOG

Frankfurt, Deutschland

18. 01. 2014, 17.22 Uhr

Hadi Farhan wischte mit dem Tuch aus der blau gekennzeichneten Verpackung über die blanke Edelstahlfläche und beobachtete den roten Streifen am Horizont mit Sorge. Das Ambulanzzimmer war klein, aber es gab viele Flächen unter den Schränken und immer die Gefahr, dass jemand hereinplatzte. Hadi beeilte sich mit den Schranktüren und widmete sich danach dem Boden. Der Feudel schwang fröhlich über das graue Linoleum. Er machte seine Arbeit gerne, obwohl ihnen der Schichtleiter fast monatlich neue Zeitvorgaben machte, die immer schwerer einzuhalten waren. Wer sich beschwerte, flog, so einfach war das. Also beschwerte sich niemand mehr. Hadi nicht, die Kollegen aus dem Senegal nicht und die Rumäninnen auch nicht. Der einzige Deutsche in ihrem vierzig Mann starken Trupp, der für diesen Teil der Universitätsklinik verantwortlich war, war der Schichtleiter. Ein kleiner unfreundlicher Mann mit einem Schnauzbart, der nur lächelte, wenn sich jemand beschwerte.

Als Hadi den Mopp mit dem Klarwasser auswrang, war die Sonne untergegangen. Er rollte den Reinigungswagen neben die Tür und spähte nach draußen. Bis auf eine Schwester, die mit einem Klemmblock vor dem Stationszimmer stand, war der Flur leer. Hadi schloss die Tür leise und zog den Wagen direkt unter die Klinke. So gewann er zumindest ein paar Sekunden Vorwarnung. Er würde nicht lange brauchen für das, was er vorhatte.

An einem kleinen Waschbecken wusch Hadi sich Gesicht und Arme. Dann zog er eine schmale Plastikrolle aus dem Reinigungswagen, die er bei Schichtbeginn zwischen die Flaschen mit den Putzmitteln gestellt hatte. Es war eher eine Plane als ein Teppich, aber der Imam sagte, es wäre in Ordnung. Der Imam der Fatih-Moschee war ein deutscher Konvertit, aber seine Lehre und seine Überzeugung standen selbst für die iranischstämmigen Muslime wie Hadi außer Zweifel. Er hatte beobachtet, dass die Deutschen konservativer sein konnten als die meisten Muslime, die mit ihrem Glauben aufgewachsen waren. Hadis eigenes Weltbild war moderner geprägt als das seines Imam. Aber es war nun einmal seine Moschee, zu der er gehörte wie der Wischmopp zu seiner Arbeit. Beides war einfach da, weil es schon immer so gewesen war. Hadi war niemand, der gerne hinterfragte, was offensichtlich so sein sollte. Seine Weltanschauung war einfach, aber effektiv. Er breitete das Tuch im 45-Grad-Winkel zur Tür auf dem Boden aus. Beim ersten Mal hatte er den Kompass seines Handys benutzt, um herauszufinden, in welcher Richtung Mekka lag. Er hatte diesen Raum schon oft für das Ischā-Gebet genutzt.

Dann zog Hadi die Schuhe aus und ging auf die Knie.

Um 22 Uhr 30 verließ Hadi die Universitätsklinik nach einer Standpauke ihres Schichtleiters. Sie hatten wieder einmal eine Viertelstunde länger gebraucht als vorgesehen. Zwar entstand ihrem Arbeitgeber kein finanzieller Schaden, da die Viertelstunde ohnehin nicht bezahlt wurde, aber darauf schien es ihm auch gar nicht anzukommen.

Als Hadi vor der Klinik auf die Straßenbahnlinie 15 wartete, zog er den Reißverschluss seiner Adidas-Trainingsjacke zu und beobachtete einen großen Jet bei der Landung auf dem nahen Flughafen. Seine blinkenden Positionslichter signalisierten den Ruf fremder Länder. Vielleicht kam der Jet sogar aus seiner Heimat. Hadi war im Iran geboren, lebte aber seit seinem zehnten Lebensjahr bei einem Onkel in Frankfurt. Er vermisste nichts am Iran, weder sein Land noch seine Eltern. Beides war ihm fremd. Seine Heimat war Deutschland, auch wenn das bedeutete, dass er auf Jobs angewiesen war, die kein Deutscher mehr erledigen wollte. Für Hadi ging das in Ordnung. Er konnte es sich leisten, mit der Straßenbahn zu fahren. Er hätte sogar Geld für ein eigenes kleines Zimmer gehabt, wenn er Verwendung dafür hätte. Sein Leben war einfach, aber er kam zurecht. Nicht, dass er jemals viel vom Leben erwartet hätte. Er wusste, dass er die Schule nicht hätte hinschmeißen dürfen, solange er noch Träume hatte. Hadi war nicht an seinen eigenen Träumen gescheitert, sondern an denen der anderen. Niemand, mit dem er befreundet war, hatte Interesse an einem Schulabschluss gezeigt. Und so hatten sie sich gegenseitig darin bestärkt, dass es das Richtige war, erwachsen zu werden und sich möglichst früh eine Arbeit zu suchen. Es war das Leben, das Hadi kannte. Er versuchte die Gebete einzuhalten – vor allem, seit seine Freunde darauf immer mehr Wert legten. Sie lernten die Suren wie andere Vokabeln. Und Hadi war gut darin, sich Dinge zu merken, auch wenn sie auf den ersten Blick kompliziert wirkten.

An der Gartenstraße stieg er in die 16 Richtung Hauptbahnhof um. Er fragte sich, was der Imam von ihm wollte. Er hatte um ein persönliches Gespräch gebeten, es ginge um Hadis Zukunft.

Hadis Verhältnis zum Imam war kompliziert. Er respektierte ihn als das Oberhaupt seiner Gemeinde. Er war ein gläubiger Muslim. Aber die Abende in der Moschee bereiteten ihm zunehmend Bauchschmerzen. Nicht die Gottesdienste oder das Auswendiglernen der Suren, sondern das Programm für die ganz Jungen: die Diskussionsabende und die Vortragsreihen. Manchmal wurde nur Geld gesammelt, das Hadi nicht hatte, aber manchmal wurde auch davon gesprochen, was einen Muslim ausmachte. Und Hadi glaubte nicht, dass so etwas zu seinem Glauben gehörte.

Am Hauptbahnhof angekommen, machte er sich auf den Weg in die Niddastraße, in der das Gemeindezentrum lag. Die Moschee befand sich im Hinterhof eines Reisebüros, das auch Bestattungen verkaufte, was insofern Sinn ergab, als dass gläubige Muslime in heimatlicher Erde bestattet werden wollten und bereit waren, dafür den Wert eines Kleinwagens zu investieren. Der Bestatter war der Vermieter der Gemeinderäume, was für den Erhalt des chronisch klammen Vereins nach deutschem Recht von großer Bedeutung war. Hadi glaubte nicht, dass der Bestatter etwas von den Abendveranstaltungen wusste. Er war ein weltoffener, gläubiger Moslem, der nichts dagegen gehabt hatte, einen deutschen Konvertiten als Imam zu akzeptieren. Vermutlich glaubte er, dass es sie näher zusammenrücken lassen würde, ihre Gastgeber und sie.

Als Hadi den Hinterhof betrat, warf er einen Blick nach oben in den zweiten Stock. Dort wohnte der Imam mit seiner Familie. Er lächelte, als er die einzelne Kerze in ihrem Fenster bemerkte. Es war ihr kleines subtiles Signal, dass Golshan an ihn dachte. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Wenn sie sich im Treppenhaus trafen, gingen sie wie in Zeitlupe aneinander vorbei, manchmal berührten sich ihre Arme dabei. Alles andere war viel zu gefährlich. Der Gedanke daran elektrisierte Hadi. Er blieb kurz stehen und betrachtete die Kerze vor dem zugezogenen Vorhang. Er spürte die Haare auf seinem Arm unter der Jacke, und es war nicht die Kälte, die ihn schaudern ließ. Langsam ging er zu dem Fahrradständer. An dem kleinen roten Rad von Golshans Bruder steckte er den Wimpel von der rechten auf die linke Seite. Sie würde es sehen, bevor sie zu Bett ging. Mehr blieb ihnen nicht, weil nicht sein durfte, was sie beide wussten: dass sie füreinander bestimmt waren. Nur war Golshan längst einem anderen versprochen, und Hadi hätte den Ansprüchen des Imam auch niemals genügt.

Bevor er das Gemeindezentrum betrat, warf er noch einmal einen Blick auf ihr Fenster, und er glaubte zu bemerken, dass sich der Vorhang bewegt hatte.

Wie immer bei ihren Abendveranstaltungen, lief der Fernseher im Aufenthaltsraum. Frank und Wolfgang, die sich seit ein paar Wochen Saif al-Almani und Jafar al-Almani nennen ließen, saßen auf der Couch und starrten auf den Bildschirm. Es lief eine der DVDs, die der Imam besorgt hatte: Überwachungsaufnahmen einer amerikanischen Drohne, die über Pakistan flog. Ein kleines weißes Viereck tanzte über Gebäude, noch kleinere Zahlen zeigten die Entfernung zum Ziel. Als die Bombe das Wohnhaus zerfetzte, das nicht viel mehr als eine Hütte war, flogen arabische und deutsche Schriftzeichen ins Bild: Sie töten unsere Brüder. Sie töten unsere Kinder. Und was tust du? Für Hadi war die Propaganda nichts anderes als das deutsche Fernsehen aus anderer Perspektive. Die Amerikaner führten Krieg gegen ihre Länder, weil sie selbst Krieg führten. Es war ein unausweichlicher Kreislauf, und er wurde nicht akzeptabler, wenn man sich die Folgen vor Augen führte. Hadis Hass wuchs nicht, wenn er immer wieder die gleichen Schrecken sah, weil er wusste, dass man nur Menschen hassen konnte und keine Völker. Es gab solche und solche unter ihnen. Die Konvertiten waren die schlimmsten Hasser, wie ehemalige Raucher die vehementesten Nichtraucher werden konnten. Hadi glaubte, dass der Hass eine Droge war wie die Liebe, vor allem die unerfüllte.

Als er an die Tür zum Büro des Imam klopfte, schlug sein Herz schneller. Und er glaubte, die hämischen Blicke von Frank und Wolfgang im Rücken zu spüren. Es hieß, sie wollten nach Syrien. Für die gerechte Sache kämpfen. Etwas Dümmeres hatte Hadi noch niemals gehört.

Der Imam öffnete selbst die Tür. Er umarmte und küsste Hadi zur Begrüßung. Seine Wangen fühlten sich kalt an, noch kälter als seine Hand. Er bot ihm einen Tee an auf dem kleinen Tisch in der Sitzecke mit den unbequemen Stühlen. Theo Richter war ein Mann großer Worte. Er sprach vom Glauben und von dem, was wichtig war im Leben. Er hörte sich gerne reden, und sein langer Bart schien sich scheinbar schneller als sein Mund zu bewegen. Er sprach von dem Weg, den Saif und Jafar beschritten, davon, dass er ihre Entschlossenheit und ihre Gottesfürchtigkeit bewunderte.

Als Hadi schon dachte, dass sich die Lektion dem Ende zuneigte, begann der Imam plötzlich über Golshan zu sprechen. Hadi sah in seinen Augen, dass er es wusste, noch bevor er darauf zu sprechen kam. Seine Stimme war ausdruckslos, im Gegensatz zu seinen Worten. Saif und Jafar hatten ihn verpfiffen auf ihrem Weg zu besseren Moslems als alle anderen.

Der Iman sprach von Ehre, von Verantwortung, von dem, was richtig ist. Ihm bleibe gar keine Wahl, sagte er später. Und Hadi auch nicht, wenn er seine Ehre retten wollte. Und die seiner Familie. Und wenn er nicht wollte, dass Golshans künftiger Mann davon erfuhr, der sie dann sicher verstoßen würde. Er sprach von der großen Schande, die das bedeuten würde. Für Golshan, für ihn, aber auch für die Familie des Imam. Er legte Golshans Zukunft in Hadis Hände. Und er stellte sicher, dass Hadi wusste, dass er keine Wahl hatte.

Zum Schluss nahm er Hadis Arm in seine kalten Finger und versprach ihm, dass es eine Lösung gebe.

KAPITEL 1

Le Havre, Frankreich

18. 01. 2014, 22.04 Uhr (zur gleichen Zeit)

Hoch wie ein zehnstöckiges Haus ragte das Heck des tiefgrauen RoRo-Schiffs vor der Frontscheibe seines Autos in den nachtschwarzen Himmel. Das Licht der Scheinwerfer brach sich im feinen Nebel, der in hauchzarten Schwaden vorbeizog. Er kurbelte das Fenster herunter und warf die Zigarette hinaus. Dann stellte er den Motor ab und stieg aus.

Schnell kroch ihm die Kälte durch den Mantel, das Jackett und das Hemd bis auf die nackte Haut. Zu dunkel. Zu kalt. Zu still. Nur das sanfte Schlagen der Wellen gegen das hohle Metall des Ruders, groß wie ein Lastwagen, war zu hören. Der Autotransporter war unbeladen.

Er warf einen Blick auf die Uhr. In nicht einmal zwei Stunden würde sich das ändern. Er griff nach seiner Hosentasche, um sich zu vergewissern, dass ihm der USB-Stick nicht im Auto herausgerutscht war. Zu dunkel. Zu kalt. Zu still. Und zu gefährlich. In der Ferne sah er die hell erleuchteten Containerterminals. Schläge, Metall auf Metall, weit entfernt. Die Nacht trug sie über das Wasser. Hier waren die Piers breiter, weil die Schiffe nur verluden, was vier Räder hatte und selbst hineinfahren konnte in den Schlund, um sich auf den zehn Decks zu verteilen. Die Sapphire Highway. Kapazität: 4000 Fahrzeuge. Nicht viel. Ein kleines Schiff, kein wichtiges Schiff. Kein wichtiger Reeder. Weniger Interesse von allen. Ein wichtiger Grund für diesen Treffpunkt.

Er zündete sich eine Zigarette an und wartete. Der Tabak knisterte, als er verbrannte, und er sog den Rauch tief in die Lunge ein. Dann hörte er, wie sich ein Fahrzeug näherte. Er drehte sich um und sah einen dunklen Geländewagen von rechts auf sich zukommen. Der SUV bog von der Straße ab auf den Parkplatz und näherte sich langsam. Die Scheinwerfer blendeten ihn. Er drehte sich um und warf die Zigarette ins Wasser. Wie schweres Öl lag es im Hafenbecken. Fünf Meter tiefer die Schiffsschraube. Ein riesiges Schaufelrad, das einen zerreißen konnte wie ein Mixer. Es schlug einem gegen den Kopf, hob einen nach oben, schleuderte einen nach unten. Riss einem die Bauchdecke auf, grub sich in die Gedärme. Nicht wegen, sondern trotz seiner Größe. Der Sog war schuld. Wie im Mixer. Wenn man Glück hatte – was meistens der Fall war –, wurde man beim ersten Treffer bewusstlos.

Die Schiffsschraube lag still, vollkommen still. Er hörte, wie der Motor des Geländewagens erstarb. Gleich hätte er seinen Teil der Abmachung erfüllt. Und dann würde die Frau wieder aus seinem Leben verschwinden. Ein Teil von ihm wünschte sich das sogar.

Der Geländewagen stand mit aufgeblendeten Scheinwerfern neben seinem alten Passat. Niemand stieg aus. Er schien auf ihn zu warten. Es war ein englisches Fabrikat, ein dunkelblauer Range Rover. Er zündete sich noch eine Zigarette an, während er langsam auf den Wagen zuging. Als er neben die Fahrertür trat, nahm er einen letzten, langen Zug und warf die Kippe auf den Boden.

Ein elektrischer Motor surrte, und das Fenster öffnete sich. Doch hinter dem Steuer saß nicht die, die er erwartet hatte. Ein Mann in einer gelben Öljacke, mit Glatze und dichtem kurzem Bart rund um einen dunkelroten Mund. Er sah aus wie ein Fischer, der er mit Sicherheit nicht war.

»Haben Sie das, was Sie mitbringen sollten?«, fragte der Fischer.

»Ich kenne Sie nicht«, sagte er.

»Natürlich nicht«, sagte der Fischer teilnahmslos. »Hatten Sie etwa angenommen, er käme selbst? Wie ein einfacher Botenjunge?«

Er hielt den Fischer nicht für einen einfachen Botenjungen. Er kannte ihn nicht. Und der Mann kannte seine Auftraggeberin nicht. Er wusste nicht einmal, dass er eine Frau erwartet hatte.

Was kann das bedeuten?, fragte er sich.

»Nein, natürlich nicht«, sagte er. Er musste Zeit gewinnen. Zeit, die er nicht hatte. Der Fischer streckte eine Hand aus dem Auto.

»Geben Sie es mir!«, forderte er. Er trat einen Schritt zurück. Als Nächstes würde der Fischer die Autotür öffnen.

Was hatte er für Optionen? Wenn herauskam, was er gestohlen hatte, war er erledigt. Was, wenn der Fischer zu seiner Firma gehörte? Es gab eine große Sicherheitsabteilung und eine noch größere in der Zentrale in Hamburg. Er hatte nicht gewusst, dass der Werksschutz Mitarbeiter beschäftigte, die aussahen wie Fischer. Andererseits: Was hatte er zu verlieren? Er musste nur zu seinem Auto gehen und wegfahren. Was sollte der Mann machen? Ihn erschießen? Wohl kaum. Ihn zusammenschlagen? Möglich, aber dann hätte er immer noch seine Chance genutzt, heil aus der Sache herauszukommen.

»Ich rede nicht mit Leuten, die ich nicht kenne«, sagte er. Er hatte seine Entscheidung getroffen.

Er drehte sich um. Und ging. Nicht zu schnell. Nicht zu langsam. Es musste bestimmt wirken, sagte er sich. Unnachgiebig. Er wäre gerne unnachgiebig. Diesmal würde er nicht umfallen, sondern einfach wegfahren. Einfach in seinen Passat steigen, den Schlüssel umdrehen und Gas geben. In der Theorie hörte es sich einfach an. Trotzdem zitterten seine Hände, als er auf das Geräusch wartete, dass der Fischer die Autotür öffnete. Er lief um die Motorhaube des Geländewagens herum. Sein Passat stand in greifbarer Nähe, direkt neben dem Landrover. Er langte nach dem Schlüssel in der Manteltasche, als er hörte, wie der starke V8 des Geländewagens ansprang.

Jetzt passierte alles wie in Zeitlupe: Er wusste, dass die Autotür das kleinere Übel gewesen wäre. Er hörte, wie der Motor auf Drehzahl kam. Eine Sekunde. Sah den riesigen Kühlergrill. Kalkulierte, ob er es mit einem Sprint schaffen konnte. Zwei Sekunden. Es würde etwa eineinhalb Sekunden dauern, den Gang einzulegen. Drei Sekunden. Dann spürte er, wie das Metall gegen seinen Arm schlug, seine Brust eindrückte. Er stürzte zu Boden, wartete darauf, dass der Wagen über ihn hinwegrollte. Vier Sekunden. Aber der Range Rover setzte zurück. Zwei Meter. Drei Meter. Er spürte den feuchten Asphalt an seiner Wange. Fünf Sekunden. Dann schoss der Wagen nach vorne, und er spürte, wie seine Beine brachen unter der tonnenschweren Last, verteilt auf vier 235er Geländereifen. Er schrie. Er hörte, wie die Autotür geöffnet wurde. Der Fischer kam ihn holen. Er würde ihm sagen, was er wissen musste.

Er musste ihr etwas sagen. Eine Nachricht schicken. Was würde mit ihm geschehen? Was würden sie mit ihm machen?

Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er nach dem Handy in seiner Jackentasche. Eine SMS. Mehr Zeit hatte er nicht. Er tippte. Dann drückte er »senden«. Dann spürte er eine Pistole am Kopf. Er blickte nach oben, sah den bärtigen Mann. Er hatte das Ölzeug ausgezogen. Seltsamerweise trug der Mann ein Hawaiihemd, eines mit Palmen und weißen Flamingos. Es war das Unpassendste, was er sich vorstellen konnte. Er spürte etwas Heißes auf der Kopfhaut, bevor er den Schuss hörte. Wieso spürt man das Mündungsfeuer vor dem Schuss? Es ergab keinen Sinn. Und wo blieben die Schmerzen?

Vielleicht liegt es am Überschall der … war das Letzte, was er dachte.

KAPITEL 2

München, Deutschland

13. 03. 2014, 09.38 Uhr (zwei Monate später)

Paul Regen starrte auf das Tablett mit schwitzenden Käsebrötchen und sah den Schinkenrändern beim Trocknen zu. Der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts war nicht bekannt dafür, sich kurz zu fassen.

»Sie alle wissen«, sagte der Präsident, »dass der europäischen Zusammenarbeit eine strategische Bedeutung für das Bayerische Landeskriminalamt zukommt. Wir werden die Einheit der Europäischen Union nur durch eine gemeinsame Sicherheitspolitik erhalten können. Neben der Währungspolitik sind wir die Speerspitze unserer gemeinsamen demokratischen Bemühungen …«

Paul Regen betrachtete die Baumwipfel durch das Fenster. Die beiden Eichen standen vier Stockwerke unter ihm, in dem kleinen Park direkt hinter dem Zaun des LKA. Hatten sie die richtige Entscheidung getroffen? Adelheid Auch, seine langjährige Mitarbeiterin, stand auf der anderen Seite der Käseplatten neben Kriminaldirektor Wochinger, der sich bemühte, seinen Ärger an dem Proseccoglas in seiner Hand auszulassen. Der Präsident hatte ihnen freie Wahl gelassen nach dem spektakulären Fall im letzten Jahr. »Suchen Sie sich eine Abteilung aus, Paul«, hatte er gesagt. Adelheid und er hatten mehrere Wochen beratschlagt, während sie die Leichenteile aus Portugal katalogisiert hatten und schließlich entschieden, in Zukunft Verbrechen verhindern zu wollen, statt welche aufzuklären und hinterher die Toten zu verwalten.

»… Es freut mich daher heute besonders«, fuhr der Präsident fort, »den Einstand von Kriminalhauptkommissar Paul Regen und unserer Kriminalhauptmeisterin Adelheid Auch beim Dezernat 622 zu feiern. Ich bin mir sicher, sie werden auch in ihrer neuen Aufgabe den Einsatz und die Leistungsbereitschaft zeigen, die sie uns so oft bewiesen haben.«

Von wegen, dachte Paul Regen. Noch letztes Jahr stand ich ganz oben auf der Abschussliste der Chefetage, und jetzt bin ich der Melitta-Mann des LKA. Mit einem Vorschusslorbeerenkranz, dessen sich selbst Gaius Julius niemals hätte würdig erweisen können. Sie wollen mich immer noch scheitern sehen, fuhr es ihm durch den Kopf, als er seinen alten Gegenspieler Klaus Wochinger grinsen sah.

Er hat noch nicht aufgegeben. Er würde viel enger mit ihm zusammenarbeiten müssen. Er war jetzt nicht mehr nur indirekt sein Chef. Adelheid Auch nannte das Konfrontationstherapie. Paul Regen nannte das insgeheim Irrsinn, aber sie hatten sich nun einmal für die Terrorabwehr entschieden, Wochinger hin oder her. Paul Regen würde es sportlich nehmen und auf eine gute Gelegenheit warten.

»Erhebt mit mir das Glas auf die neuen Kollegen!«

Wenn ich der Melitta-Mann bin, der zuversichtlich grinsend auf seiner Toskana-Terrasse sitzt, die tatsächlich in Südafrika liegt, wer ist dann Adelheid Auch? Vermutlich die Frau, die das Giotto hält, dachte Paul Regen und grinste bei der Vorstellung von seiner über 60-jährigen Assistentin im Petticoat und mit einem Nougatbällchen zwischen den lackierten Fingernägeln.

Mechanisch hob er das Glas in seiner Hand und lächelte den neuen Kollegen zu.

»Paul, herzlich willkommen bei der Ermittlung«, sagte sein neuer Vorgesetzter, der Erste Kriminalhauptkommissar Xaver Turner, und berührte ihn jovial am Arm. Paul wusste nicht, ob er heuchelte oder es ernst meinte. Er kannte den ambivalenten Ruf des Paul Regen, und nicht immer reichte ein einzelner großer Erfolg für eine vollständige Rehabilitation. Den einen galt er als einer der kreativsten Ermittler, die das LKA aufzubieten hatte, anderen als Querkopf, auf den man ein Auge haben sollte. Er würde sich seine Lorbeeren bei den Ermittlern gegen islamistischen Terror verdienen müssen. Und er hatte kein Problem damit. Über den Rand seines Glases hinweg warf er einen Blick zu Adelheid Auch. Sie lächelte ihm zu, während der Präsident mit einem Schinkenbrötchen in der Hand von links auf sie zusteuerte.

»Es wird schon, Herr Regen«, sagte ihr Blick. Aus alter Tradition siezten sie sich immer noch, obwohl das im LKA äußerst ungewöhnlich war.

»Ich hoffe, Sie behalten recht wie immer, Frau Auch«, signalisierte ihr Paul Regen, ohne die Lippen zu bewegen. Dann machte er sich auf den Weg zum Buffet und zu seinen neuen Kollegen.

Zumindest konnten sie sich immer damit beruhigen, dass sie es sich selbst ausgesucht hatten. Und das war doch schon einmal mehr, als die meisten von sich behaupten konnten, oder nicht?

KAPITEL 3

Aleppo, Syrien

14. 03. 2014, 01.21 Uhr (in der Nacht darauf)

Die Granaten zogen wie Sternschnuppen über den Nachthimmel, die Detonationen klangen wie weit entfernte Signaltrommeln über den Wüstensand. Hadi presste das silberne Amulett gegen seine Brust und betete. Er sah den Flaum auf Saifs Wange im Mondschein, helles Haar auf der weißen Haut zwischen den schwarzen Kohlestreifen. Er hielt die Kalaschnikow zwischen seinen Füßen und stützte sich mit dem Kinn auf den Lauf. Sie sollten die Leiche von der Kreuzung bergen. Es war wichtig, dass sie die Leichen bargen, weil es mit Respekt gegenüber den Kameraden zu tun hatte. Sie konnten die Fliegen sehen, die um seine Schusswunden schwirrten. Ihre winzigen schwarzen Körper bildeten große Schwärme, die trotz des schlechten Lichts als tanzende Leiber zu erkennen waren. Tausende. Zehntausende. Leben auf Tod.

Hadi und die anderen wussten, dass auf dieser Kreuzung der Tod auf sie wartete. Irgendwo in den Häusern rechts von ihnen saß ein Scharfschütze von Assads Truppen. Jeder Zentimeter, den sie sich vorwagten, konnte einer zu viel sein. Sie wussten das genau, weil Rashid, dessen Körper keine zwei Meter vor ihren Augen verfaulte, es genauso gemacht hatte. Es galt eine Entscheidung zu treffen zwischen Vorsicht und Mut, zwischen Leichtsinn und Todesangst. Und doch konnte die Angst der schlechteste aller Ratgeber sein. Der Scharfschütze wartete auf sie hinter seinem Okular, sein Fadenkreuz wanderte jede Minute über jeden Zentimeter der Hausmauern. Es war wie ein Artistensprung zwischen zwei revolvierenden Trapezen, nur dass sie die Trapeze nicht sahen. Sie waren blind. Hadi zitterte.

»Du zuerst«, sagte Saif.

Hadi klammerte sich an den Gewehrlauf. Sie alle hielten sich an ihren Waffen fest, als ließe sich ihre Feuerkraft in Zuversicht ummünzen. Zehn Schuss in der Sekunde. Sinnlos. Zehn Tode waren nicht tödlicher als einer. Hadi reichte Saif seine AK-47.

»Was soll das?«, fragte der Junge, der eigentlich Frank Proschinski hieß. Er war ihr Zugführer. Kein Kommandant – nur der, der entschied, wenn sonst keiner da war.

»Ich bin schneller ohne«, sagte Hadi und hielt das Medaillon auf seiner Brust in der Faust. Unter der Jacke, damit Saif es nicht bemerkte. Er dachte nicht an Allah, sondern an ein Fenster in einem Frankfurter Hinterhof. Und an die Kerze vor den Gardinen. In Gedanken klemmte er das Fähnchen auf dem kleinen Fahrrad an die andere Seite des Gepäckträgers.

»Wie du meinst«, sagte Saif. Es lag nicht in Saifs Interesse, dass Hadi nach Frankfurt zurückkehrte. Wer weiß? Vielleicht hegte er diesen Wunsch nicht einmal für sich selbst.

Saif starrte ihn an. Und Hadi sprintete los.

Jede Sekunde rechnete er mit dem Ende. Das Adrenalin ließ ihn jeden seiner Schritte wie in Zeitlupe setzen. Rechts, links, rechts, links. Bis zu der Leiche. Er riss an den Armen des Toten, und die Fliegen stoben auf. Hadi spuckte und zerrte an dem schweren Körper und wartete auf den Schuss. Er würde ihn spüren, bevor er ihn hörte, das hatten sie ihnen in den drei Wochen Ausbildungslager erklärt. Hadi hatte kaum zugehört. All dies hatte nichts mit ihm zu tun, hatte er da noch immer geglaubt. Das war vor Aleppo gewesen.

Er griff nach den Ärmeln der Armeejacke und spürte den steifen Körper darin, der sich wie ein Brett gegen seine Rettung stemmte. Hadi biss die Zähne zusammen und zog wie niemals zuvor. Der Angstschweiß mischte sich mit dem Schweiß der Anstrengung. Als sich die Leiche plötzlich bewegte, verspürte er ein Hochgefühl. Er stolperte rückwärts, zurück hinter die schützende Mauer. Es war kein Schuss gefallen. Er zog den stinkenden Körper noch fünf Meter weiter, ließ ihn dann liegen und rannte würgend bis zur nächsten Häuserecke. Dort übergab er sich. Niemand hatte ihn darauf vorbereitet, wie der Tod roch. Und wie sich Todesangst anfühlte. Jemand klopfte ihm auf die Schulter, er spürte es kaum, und zwei Männer begannen, die Leiche in ein großes Tuch zu schlagen.

Hadi hatte einen weiteren Tag in der Hölle überlebt. Wie viele Chancen würde er dem Tod noch bieten müssen?

KAPITEL 4

Caracas, Venezuela

14. 03. 2014, 08.04 Uhr (zwölf Stunden später)

»Uns ist ein gepflegtes Äußeres sehr wichtig«, sagte der Geschäftsführer der Belaluna Shipping Co. und trank einen Schluck Kaffee.

»Natürlich«, sagte Catalina Schwarz und strich ihren Rock glatt. Und ganz sicher meinst du nicht nur perfekt manikürte Fingernägel, dachte sie im Stillen.

»Darüber müssen wir uns bei Ihnen offenbar keine Gedanken machen«, sagte Ramon Aguilar und schürzte die Lippen.

Er war ekelhaft, fand Catalina. Er war nicht einmal höflich genug, die Blicke auf ihre Beine zufällig wirken zu lassen. Es würde sie alle Kraft kosten, Aguilar abzuweisen, ohne ihn zu brüskieren.

»Sie sprechen Spanisch, Deutsch und Englisch?«, fragte er.

Catalina nickte. »Mein Vater ist Deutscher, meine Mutter kommt aus Spanien.«

Ramon Aguilar, der hiesige Statthalter der stattlichen Belaluna Shipping Co. mit Hauptsitz in Hamburg, Deutschland, schien zufrieden.

»Wir haben hauptsächlich Kunden aus Deutschland«, sagte er und grinste dazu, als sei dies ein wichtiger Grund, ihn noch wichtiger zu finden.

»Das ist toll«, sagte Catalina in der Hoffnung, ihm zu gefallen. Dabei tastete sie die Tasche ihres Blazers nach den Tabletten ab. Es war unwahrscheinlich, dass sie eine brauchte, solange sie wusste, dass sie da waren.

»Sie kennen sich mit Microsoft Office aus?«, fragte ihr neuer Chef.

Die Tabletten waren ihre Rückversicherung. Wenn sich die Kopfschmerzen ankündigten, hatte sie zehn Minuten Zeit.

Sie nickte und blickte nach unten auf ihre ungewöhnlich langen Fingernägel. Sie hatte sie wachsen lassen für dieses Vorstellungsgespräch. Und extra lackiert. Im französischen Stil. Eine Schicht farbiger Lack, die Spitze hell. Sie sah aus wie eine Pornodarstellerin, fand Catalina. Aber die Hauptsache war, dass Aguilar gefiel, was er sah.

Zu gut gefallen durfte sie ihm allerdings auch nicht. Catalina glaubte, dass diese Balance das Schwierigste an ihrem neuen Job werden würde.

»Ich weiß nicht …«, sagte Ramon Aguilar und griff nach ihrem Lebenslauf. Eine Seite, schwarz-weißer Computerausdruck, oben links ein aufgeklebtes Foto.

»Glauben Sie mir, Señor Aguilar, ich bin sehr gut in dem, was ich tue. Ich werde eine gute Assistentin für Sie sein«, versprach Catalina. Sie wollte den Job unbedingt. Es hing viel davon ab.

»Daran zweifele ich nicht«, lächelte Aguilar und glitt vom Schreibtisch. »Ich bin mir nur nicht sicher, wie ich Ihnen die Männer in diesem Büro vom Hals halten soll.« Er grinste dazu. Sie wusste genau, was er ihr damit sagen wollte.

Catalina Schwarz lachte und schlug sich die Hand vor den Mund. Sie dachte, was für ein verdammtes Arschloch er war. Vielleicht würde sie ihm die Kaffeekanne direkt über dem Schritt verschütten. Zwei Liter brühend heißes Wasser. Mindestens.

»Ich bin sicher, Sie werden mich zu beschützen wissen, Señor Aguilar«, sagte sie.

Er lächelte. Wartete. Betrachtete sie. Zu lange.

»Möchten Sie einen Keks?«, fragte er schließlich und hielt ihr einen gläsernen Teller hin.

»Zur Beruhigung?«, fragte Catalina.

»Nein«, sagte Ramon Aguilar. »Ich dachte das eher als Abschiedsgeschenk.«

Catalina Schwarz schlug die Augen nieder. Sie hatte es vermasselt. Und sie wusste, dass sie keine zweite Chance bekommen würde.

Ramon Aguilar lachte. »Weil es das letzte Mal sein wird, dass ich Ihnen die Kekse serviere, Catalina.«

Er streckte ihr die Hand entgegen. Er trug Manschettenknöpfe mit dem Logo der Belaluna in dem teuren weißen Hemd.

»Wollen wir es miteinander versuchen, Catalina?«

Catalina Schwarz lächelte und dachte, dass man dem Schmierlappen den Hals umdrehen müsste. Kein Satz verging ohne eine Zweideutigkeit. Er war der Chef, vor dem ihre Mutter sie immer gewarnt hatte.

»Ich freue mich darauf, Señor Aguilar«, sagte sie und strahlte.

KAPITEL 5

Autobahn A3, Geiselwind, Deutschland

18. 03. 2014, 08.28 Uhr (vier Tage später)

Adelheid Auch scheuchte den 5er-Kombi aus dem Fahrzeugpool des LKA über die linke Spur und versuchte, Anschluss an die Kolonne zu halten. Paul Regen saß auf dem Beifahrersitz und betrachtete die vorbeifliegenden Sträucher mit einigem Misstrauen. Adelheid Auch war eine wahnsinnig schlechte Autofahrerin. Nur Paul Regen fuhr noch weniger gern.

»Frau Auch, finden Sie nicht, dass die Kollegen etwas langsamer fahren sollten?«

Ein Lastwagen blinkte und setzte zum Ausscheren an, aber Adelheid Auch gab ihm die Lichthupe und drückte aufs Gas. Paul Regen beschloss, nicht nach der Ausstieghilfe über der Tür zu greifen, bei dem unmittelbar bevorstehenden Unfall würde es ihm ohnehin nichts nützen. Er hielt nichts davon, sich mit unbrauchbaren Ausflüchten zu beruhigen.

»Mir macht es Spaß«, sagte die unverzagte Kriminalhauptmeisterin, die ob ihres fortgeschrittenen Alters seit über zehn Jahren eine Lesebrille benötigte. Paul Regen hatte keine Ahnung, wie es um ihre Weitsicht bestellt war, zumindest, was das Autofahren anging.

»Wussten Sie, dass es in Geiselwind die größten Autobahnschnitzel in ganz Bayern gibt?«, fragte Paul Regen.

»Ich weiß nicht, was mich mehr erstaunen soll: dass der Kriminalhauptkommissar Paul Regen glaubt, dass es Autobahnschnitzel gibt, oder dass er den Rasthof Geiselwind kennt.«

Adelheid Auch hielt die Motorhaube dicht am Kofferraum des vorausfahrenden Geländewagens, in dem vier Kollegen saßen. Sie selbst waren die Nachhut, das ungeliebte Anhängsel bei dieser Razzia, deren Hintergrund sich Paul Regen nicht erschließen wollte.

»Schnitzelkenntnisse sind nicht zu unterschätzen, Frau Auch. Vor allem heute. Sie werden schon sehen.«

»Die mysteriösen Vorahnungen des Herrn Regen«, sagte Adelheid, die das durfte, weil sie sich schon sehr lange kannten und einige berufliche Höhen und Tiefen gemeinsam durchgestanden hatten.

»Bringen Sie uns einfach heil zu diesen Studenten«, sagte Paul Regen, »und dann sehen wir weiter.«

Adelheid Auch stand mit dem Fuß auf dem Gaspedal, während sie durch die Ausfahrt schlitterten. Das elektronische System, das den Wagen in der Spur hielt, hatte ordentlich zu tun.

»Sie glauben nicht, dass an den Vorwürfen etwas dran ist?«, fragte Adelheid Auch, als sie an einer roten Ampel hielten. »Immerhin kamen die Ermittlungsergebnisse aus Amerika.«

Paul Regen warf einen Blick auf die Uhr und fragte sich, warum sie nicht einfach das Blaulicht aufs Dach setzten – schließlich ging es hier um einen Fall von Terrorismus, wenn auch nicht um eine unmittelbar bevorstehende Bombenzündung auf der Kölner Domplatte.

»Sie sagen das, als hätte der Erzbischof von München-Freising das verkündet und als bezöge er seine diesbezüglichen Hinweise direkt vom lieben Gott. Meine liebe Frau Auch, glauben Sie mir, die Amerikaner sind weder mit erzbischöflicher Weisheit noch mit göttlicher Eingebung gesegnet. Sie sind einfach nur panisch.«

Die Kollegen hatten die morgendliche Razzia angesetzt, weil die Amerikaner – genauer gesagt: der Verbindungsoffizier irgendeines dieser technisch bis an die Zähne bewaffneten Geheimdienste – dem LKA einen Tipp gegeben hatten. Einen Tipp, der mittlerweile in schönstem Beamtenhochdeutsch Einzug in eine Fallakte des LKA gehalten hatte. »Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung«, stand dort. »Verdacht auf Konstruktion eines kontrolliert steuerbaren, waffenbefähigten Fluggeräts«, stand ein paar Zeilen darunter.

»Sie könnten sich täuschen«, sagte Adelheid Auch und trat aufs Gas. »Immerhin helfen sie uns, die Amerikaner.«

Wenn Sie sich da mal nicht täuschen, liebe Frau Auch, dachte Paul Regen und starrte auf die Rücklichter des Audi-Geländewagens.

»Nicht jeder Iraker ist ein Terrorist, Frau Auch. So wie nicht jeder Bayer gegen Moscheen ist.«

»Sie meinen, die ganze Aufregung war umsonst?«

Paul Regen starrte aus dem Fenster. Sie waren keine fünf Minuten von ihrem Einsatzort entfernt. Gleich würden sie herausfinden, wer von ihnen recht behalten sollte.

»Ich meine, dass man Leute nicht verurteilen sollte, bevor man sie getroffen hat«, sagte Paul Regen und dachte an die Einsatzbesprechung mit den Kollegen aus dem Geländewagen. Sie waren auf dem Weg zu zwei Terroristen, die mindestens den bayerischen Landtag sprengen wollten. Oder die Commerzbank in Frankfurt. Salafisten, Islamisten, Mudschahedin, Sunniten, alles egal. Sie hatten die E-Mails, sie hatten die Konstruktionspläne. Alles lag vor. Ganz nach Vorschrift. Paul Regen und Adelheid Auch waren zum Zuschauen verdammt.

Die Wagenkolonne hielt vor einem Reihenhaus. Im Vorgarten stand ein gepflegter Buchsbaum, und über dem Türrahmen hatten die Sternsinger ihre Abzeichen hinterlassen.

Die sechs geduckten Gestalten mit den Sturmgewehren versammelten sich hinter dem VW-Bus. Xaver Turner, Paul Regens Chef, kroch aus dem Geländewagen auf der vom Haus abgewandten Seite und gab mysteriöse Handzeichen. Bei einem Anzugträger, der sein Büro in der Maillingerstraße seltener verließ, als man annehmen mochte, wirkten die Handzeichen so deplatziert wie die USK-Kollegen bei einem Schäfflertanz. Trotzdem setzten sich die Männer in Bewegung – vermutlich hätte Xaver Turner jedes beliebige Handzeichen geben können. Mit routinierten Schritten huschten sie trotz ihrer schweren Stiefel nahezu lautlos über die Straße und postierten sich um die Eingangstür des adretten Häuschens, direkt unter dem Zeichen der Sternsinger.

Vier Mann schwangen ein massives Stahlrohr und ließen es gegen das Holz krachen. Beim zweiten Schlag barst das Schloss, und die sechs Gestalten verschwanden im dunklen Flur. Wie Einbrecher, nur auf Staatskosten.

KAPITEL 6

In der Nähe von Arran, Syrien

18. 03. 2014, 09.32 Uhr (zur gleichen Zeit)

Das Dorf lag in einer Talsenke hinter einer Bergkette. Frank und Wolfgang alias Saif al-Almani und Jafar al-Almani liefen zwanzig Meter vor den anderen. Sie isolierten sich zunehmend vom Rest der Gruppe. Hadi hatte nicht vor, sich an die Deutschen zu halten. Sie waren radikaler als die meisten, aggressiver. Sie sprachen kaum vierzig Worte Arabisch, aber bellten ständig in der Gegend herum und erwarteten von Hadi, dass er für sie übersetzte. Dass sie täglich neue Anhänger hinzugewannen, machte es nicht gerade einfacher für ihn. Während sie in Aleppo noch keine fünfzehn Mann gezählt hatten, liefen jetzt knapp vierzig den Hang zu dem Dorf hinunter. Die Neuzugänge waren Jugendliche aus der Stadt, desertierte Soldaten oder Männer, die nicht mehr wussten, wohin. Ihr Anführer war einer der Männer aus dem Camp, in dem Hadi und die anderen ihre Waffenausbildung erfahren hatten. Und Hadi wurde das Gefühl nicht los, dass er den Auftrag hatte, die Neuzugänge aus Deutschland besonders genau im Auge zu behalten.

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