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Kraft ihres Denkens ergründen Philosophen die Grundlagen für friedliches Zusammenleben und treiben die Menschheit stetig vorwärts, so jedenfalls sollte es sein, findet der Autor. Bei genauer Betrachtung aber bleiben diese Angesehenen patriarchalen Strukturen verhaftet, sind eingebildet und sogar menschenfeindlich. Ihre Philosophie schwillt an, entzündet sich und beginnt zu schmerzen. Wir nennen diese Krankheit hier Philosophitis. Die Denkerinnen* der Zukunft aber werden das männliche Machtgehabe entlarven und am Ende das weltweite Einsammeln aller Waffen fordern. Erst diese wirklichen Philosophinnen bringen die Menschheit dank geöffneter Augen und klarer Sprache vorwärts. *Generisches Femininum
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Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
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© 2025 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-99130-668-9
ISBN e-book: 978-3-99130-669-6
Lektorat: Mag. Eva Reisinger
Umschlagfoto: Yoemll | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildung: Archiv Theater Fauteuil
www.novumverlag.com
Vorwort
Wird Philosophie übertrieben, schwillt sie an und beginnt zu schmerzen. Die geplanten einundzwanzig Lektionen gegen dieses und andere Leiden der Menschheit hatten in einer einzigen Platz. Auch in dieser Abhandlung meldet sich der Herr in der gelben Jacke zu Wort.
Lektion 1
Des Kaisers neue Kleider
An allen Wänden ragen Büchergestelle bis an die Decke. Ich stehe in der Bibliothek des wunderschönen Hotels. Das Arvenholz der Regale gibt einen feinen Duft ab. Dieser mischt sich mit dem Duft der alten, in Leder gebundenen Bücher. Daraus könnte man ein Parfüm machen. Beim Gedanken, die Bücher röchen womöglich nach der Haut ihrer Autoren, erschauere ich. Sogleich beginne ich zu suchen, da war aber keine Ordnung, sympathisch. Ich breche die Suche nach Süsskind, den ich schon zweimal gelesen habe, ab und schaue zum Fenster hinaus. Draussen ist wolkenbehangene Düsternis. Zeit habe ich zur Genüge, also schliesse ich die Augen und lasse meine Hand vom Zufall führen. Nach demselben Prinzip öffne ich das Buch: Seite einundneunzig! Welch Zufall, wir haben das Zimmer neunzehn. Diese Stelle werde ich bei Bedarf jederzeit wieder finden können, denke ich noch und beginne zu lesen:
«Was heisst: sich im Denken orientieren? Wir mögen unsere Begriffe noch so hoch anlegen und dabei noch so sehr von der Sinnlichkeit abstrahieren, so hängen ihnen doch noch immer bildliche Vorstellungen an, deren eigentliche Bestimmung es ist, sie, die nicht von der Erfahrung abgeleitet sind, zum Erfahrungsgebrauche tauglich zu machen. Denn wie wollten wir auch unseren Begriffen Sinn und Bedeutung verschaffen, wenn ihnen nicht irgendeine Anschauung (welche zuletzt immer ein Beispiel aus irgendeiner möglichen Erfahrung sein muss) untergelegt würde? Wenn wir hernach von dieser konkreten Verstandeshandlung die Beimischung des Bildes, zuerst der zufälligen Wahrnehmung durch Sinne, dann sogar die reine sinnliche Anschauung überhaupt weglassen: so bleibt jener reine Verstandesbegriff übrig, dessen Umfang nun erweitert ist und eine Regel des Denkens überhaupt enthält.»
So schön … reine Verstandesbegriff … Regeldes Denkens … genial. Wenn Philosophie aber eine Grenze überschreitet, schwillt sie an, entzündet sich und beginnt zu schmerzen. Wir nennen diese Krankheit hier Philosophitis. Entzündetes Zahnfleisch heisst Gingivitis. Ich hatte also das Buch eines Philosophen erwischt. Erst jetzt schaue ich auf den Buchdeckel und staune. Von Kant hatte ich noch nie etwas gelesen, über ihn aber schon, in der Schule. Da inzwischen viel Zeit vergangen ist, packte mich Neugierde und ich las weiter, im Glauben, es komme schon besser:
«… Auf solche Weise ist selbst die allgemeine Logik zustande gekommen; und mancheheuristische Methode zu denken liegt in dem Erfahrungsgebrauche unseres Verstandes und der Vernunft vielleicht noch verborgen, welche, wenn wir sie behutsam aus jener Erfahrung herauszuziehen verständen, die Philosophie wohl mit mancher nützlichen Maxime, selbst im abstrakten Denken, bereichern könnte.»
Kant denkt auch an die einfachen Leute, erwähnt Max, den Bauern mit all seinen heuristischen Problemen.
Füdliblutt!
Wer ruft da? Wer war das?
Ein Kind.
Ach so, Kinder. Jetzt lachen sie. Aber lesen wir weiter:
«… Von dieser Art ist der Grundsatz, zu dem der selige Mendelssohn, soviel ich weiss, nur in seinen letzten Schriften sich ausdrücklich bekannte: nämlich die Maxime der Notwendigkeit, im spekulativen Gebrauche der Vernunft (welchem er sonst in Ansehung der Erkenntnis übersinnlicher Gegenstände sehr viel, sogar bis zu Evidenz der Demonstration, zutraute) durch ein gewisses Leitungsmittel, welches er bald den Gemeinsinn, bald die gesunde Vernunft, bald den schlichten Menschenverstand nannte, sich zu orientieren. Wer hätte denken sollen, dass dieses Geständnis nicht allein seiner vorteilhaften Meinung von der Macht des spekulativen Vernunftgebrauchs in Sachen der Theologie so verderblich werden sollte (welches in der Tat unvermeidlich war); sondern dass selbst die gemeine gesunde Bla bei der Zweideutigkeit, worin er die Blabla dieses Vermögens im Gegenbla mit der Blablabla liess, in Gefahr geraten würde, zum Blabla der Blabala und der gänzlichen Entblaung der Verblunft aufzublähen?»
Da stimmt was nicht! Saboteure! Schlimmer noch: Ignoranten!
Der ischt ja füdliblutt!
Kinder!
Nein – das war ich und womöglich noch eine Leserin.
Immanuel Kant, ein Grosser unter den Philosophen, hätte obigen Text auch kurz formulieren können: Je grösser die Sammlung an tauglichen Begriffen, umso grösser unsere Vernunft, beispielsweise. Dass er zudem seinen Berufskollegen Mendelssohn lächerlich macht, erstaunt nicht. Judenverachtung war in dieser Zeit Teil allgemeiner Belustigung der gutbetuchten Nichtjuden.Ich war bezüglich Kant unvoreingenommen, nun bin ich ratlos.
Anschauungen können falsch sein. Daraus folgen falsches Denken und falsche Begriffe, wie etwa Sonnenuntergang oderdie Überlegenheit des Mannes. Ich gugle, überfliege Kants Rassentheorie, die mich nicht mehr erstaunt. Als ich das Buch wieder zurückstelle, lächelt der Hotelbesitzer, der zufällig dort steht. Mit einem Kopfnicken bestätige ich sein Urteil: Wunderbar, fürwahr!
Der Hotelbesitzer geht weiter. Ich nehme das Buch gleich nebenan, will es nun genau wissen:
«Der Neger hat ein starkes Triebleben. Und weil er eigentlich das Sonnige, Licht und Wärme, da an der Körperoberfläche in seiner Haut hat, geht sein ganzer Stoffwechsel so vor sich, wie wenn in seinem Innern von der Sonne selbst gekocht würde. Daher kommt sein Triebleben. … Und so ist es wirklich ganz interessant: Auf der einen Seite hat man die schwarze Rasse, die am meisten irdisch ist. Wenn sie nach Westen geht, stirbt sie aus. Man hat die gelbe Rasse, die mitten zwischen Erde und Weltenall ist. Wenn sie nach Osten geht, wird sie braun, gliedert sich zu viel dem Weltenall an, stirbt aus. Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse.» Rudolf Steiner
Steiner!? Noch ratloser blicke ich zum Fenster hinaus. Die meisten der sogenannten Aufklärer sind Verdunkler, kommt mir spontan in den Sinn.Steiners Aussage stellt vieles in den Schatten. Ich greife nun einmal hier und dann mal dort, öffne hier und dann dort. Hier meine kleine Zusammenstellung aus besagter Bibliothek des wunderschönen Arvenhotels:
«Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbilde geschaffen wurde. Es entspricht der natürlichen Ordnung, dass die Frauen den Männern dienen.»
Augustinus (354–430), heiliggesprochen
«Die Frau ist ein Missgriff der Natur … mit ihrem Feuchtigkeits-Überschuss und ihrer Untertemperatur körperlich und geistig minderwertiger … eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann.»
Thomas von Aquin (1224–1274), heiliggesprochen
«Wenn du eine Frau siehst, denke, es sei der Teufel! Sie ist eine Art Hölle!»
Papst Pius II. (1405–1464), Wegbereiter der Inquisition
«Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen … Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an.»
Martin Luther (1483–1546), Wegbereiter der Inquisition
«… Aber die Beredsamkeit bei Frauen ist nicht zu loben. Für sie ziemte es sich vielmehr, nur zu stammeln und zu lallen; das stünde ihnen wohl besser an.»
Wieder Immanuel Kant (1724–1804), hochverehrt
«Du sollst gehorchen, irgendwem, und auf lange: sonst gehst du zugrunde und verlierst die letzte Achtung vor dir selbst.»
Friedrich Nietzsche (1844–1900), der es besser hätte wissen müssen
«Vergiss die Peitsche nicht, wenn Du zum Weibe gehst!», meint derselbe Nietzsche.
«Die Frau ist ein menschliches Wesen, das sich anzieht, schwatzt und sich wieder auszieht», Voltaire. Schopenhauer spricht über die Frauen von subordinierten Wesen und ihrem Geplapper. Johann Gottlieb Fichte nennt sie läppisch, kurzsichtiges Mittelding zwischen Kind und Mann.
«Das Judentum als solches hat sich aber längst ausgelebt, hat keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens, und dass es sich dennoch erhalten hat, ist ein Fehler der Weltgeschichte …»
Rudolf Steiner (1861–1925)
Der nachträglich reuige Steiner wird somit zu einem Wegbereiter für Schreckliches. Das philosophische Denken misst sich an der Menschenfreundlichkeit. Diese ist nicht teilbar, entweder zu allen, oder du bist das Prädikat los.
Im Rahmen des Gesamtwerks müsse man derlei Äusserungen akzeptieren
oder
Niemand nehme solche Ausrutscher diesen Grossen übel.
Nachträgliche Versuche, mit Gesamtwerk oder Ausrutscher den Unsinn dieser Hassprediger zu entschuldigen, wirken für mich erbärmlich. Die philosophischen Regale unserer Bibliotheken sind voll beleidigender Bücher von Männern. Dass diese heute noch verehrt werden, ist unverständlich.
In ihrer Einfachheit gelingt es den Kindern, Unsinn beim richtigen Namen zu nennen. In Andersens Des Kaisers neue Kleider waren es auch die Kinder, die den Betrug aufdeckten. Die Erwachsenen wollten nicht als dumm gescholten werden. Kinder machen sich keine weitreichenden Gedanken und sind deshalb nahe an der Wahrheit. Als mehrfach ausgewiesener Kindskopf werde ich gleich nach der Wanderung zur Feder greifen.
Das Feztal ist herrlich, der Ausblick vom Piz Chuer ergreifend. Es erstaunt nicht, dass dort oben der seltene Himmelsherold blüht. Der Wind als Teil eines Ganzen bringt das Blütenköpfchen zum Nicken. Es scheint, als wollten sie beide mein Unterfangen gutheissen. Die Wanderschuhe ausgezogen, starte ich sogleich:
Die Spitze des Patriarchats sind Könige und Feldherren. Sie alle hatten, um ihre Reiche zu vergrössern, Massenmorde angeordnet und Kriege entfacht. Königshäuser werden heute noch gewürdigt, obwohl sie von den Verbrechen in ihren Kolonien wussten und sich über Jahrhunderte bereichert haben. König Leopold, um nur ein Beispiel zu nennen, wusste von den Verstümmelungen in seiner Privatkolonie Kongo. Mit dem gestohlenen Kautschuk wurde er zum reichsten Manne Europas. Ebenso verhält es sich mit Würdenträgern. Thomas von Aquin bleibt trotz seiner Äusserungen über Frauen heiliggesprochen. Luther, der zu Hexenverbrennung aufgerufen hatte, wird weltweit ein ganzes Jahr gefeiert. Heute noch fehlt die Korrektur über diese vermeintlichen Philosophen. Rutger Bregman nennt ihre Schriften in seinem Buch Im Grunde Gut treffend Vergiftung der Psyche.
Die ersten Frauenrechtlerinnen wie Äbtissin Brigitta, Hildegard von Bingen, Chiara von Assisi, Johanna von Orleans waren Vorreiterinnen. Olympe de Gouges (1748–1793) und Luise Otto-Peters (1816–1895) waren noch Einzelkämpferinnen. Dank all dieser Frauen kommt Bewegung, die Frauenbewegung. Nach vielen Epochen der Menschheit fordern Frauen wie Simone de Beauvoir, Paulette Nardal, Jeanne Barvet, Christine de Pizan, Louise Michel, Gisèle Halimi und andere trotz Anfeindungen und Drohungen die naturgegebene Gleichberechtigung. Angesichts der Weltbevölkerung aber sind sie bloss ein kleines Grüppchen.
Immer wieder fordern Frauen, die Kriege zu stoppen und alle Waffen einzusammeln. In fortschrittlichen Regionen kann die erkämpfte Gleichberechtigung nicht mehr wegdiskutiert werden.
Patriarchat ist das griechische Wort für Herrschaft der Väter. Seit Tausenden Jahren bedeutet Patriarchat Kriege, Gräueltaten, Massaker, Genozide, Verstümmelungen, Erschiessungen, Vergewaltigung eines Kindes vor den Augen der Mutter.
Die Philosophie als braves Kind des Patriarchats behauptet, das Schreckliche ist ein Übel, das in jedem Menschen innewohnt, also auch in den Frauen und den Kindern. Tatsache aber ist, dass es immer nur die Männer sind, die Schreckliches vollführen, zum Beispiel den Kindern die Hände abhacken, weil ihre Eltern zu wenig Kautschuk abgeliefert haben, oder den Müttern die Neugeborenen aus den Händen reissen und sie an die Barackenwand des KZ schmeissen, oder den Sohn zwingen, mit einem Stock seine eigene Mutter totzuschlagen. Mit der Pistole in der Hand schauen sie zu und lachen. Wiederum Männer schauen lächelnd durch ein Guckloch in die Gaskammer. Am Abend sind sie liebevolle Familienväter.
Oft hört man, dass auch Frauen Schreckliches machen. Mit einem Anteil von weniger als 0,001 Prozent sind sie bloss die bestätigende Ausnahme und können nicht als Rechtfertigung des Patriarchats gelten.
Im Gegenteil, die Frauen pflegen und trösten, heilen immer wieder die Wunden der Kriege.