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Das Geheimnis der Familie Wunderlich? Sie erwecken Wachsfiguren zum Leben! BAND 1: Annemies Oma hat ein Wachsfigurenmuseum. Und da soll Annemie jetzt wohnen! Sie ist wenig begeistert. Geht es noch verstaubter? Doch dann passiert etwas Unglaubliches: Die Wachsfiguren werden lebendig! Kaum ist Annemie eingezogen, kapert die Queen eine Kutsche und haut ab! Annemie und ihr neuer Freund Leo müssen die Queen um jeden Preis wiederfinden. Denn dieses Geheimnis darf niemand erfahren! Von wegen verstaubt! Liebenswürdige Figuren, witzige Dialoge, schnelle und aufregende Handlung: diese neue Buchreihe ist für Fans von "Bitte nicht öffnen", "Im Zeichen der Zauberkugel" oder "Die Unlangweiligste Schule der Welt"!
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Maja von Vogel
Plötzlich wach! – Mit der Queen ’ne Kutsche kapern
Mit Bildern von Anne-Kathrin Behl
Das Geheimnis der Familie Wunderlich?
Sie erwecken Wachsfiguren zum Leben!
Annemies Oma hat ein Wachsfigurenmuseum. Und da soll Annemie jetzt wohnen! Sie ist wenig begeistert: Geht es noch verstaubter? Doch dann passiert etwas Unglaubliches: Kaum ist Annemie eingezogen, kapert die Queen eine Kutsche und haut ab! Die Wachsfiguren werden lebendig?! Annemie und ihr neuer Freund Leo müssen die Queen um jeden Preis wiederfinden. Denn dieses Geheimnis darf niemand erfahren!
Von wegen verstaubt!
Wohin soll es gehen?
Personenvorstellung
Buch lesen
Viten
Im Saal mit der stuckverzierten Decke war es dunkel. Nur auf einem Tisch am Fenster brannte eine einzelne Kerze. Ihr flackernder Schein warf zuckende Schatten an die Wände und ließ die feinen Herrschaften, die sich hier versammelt hatten, beinahe lebendig wirken. Herren in maßgeschneiderten Anzügen und Damen in edlen Kleidern, die mit eingefrorenem Lächeln auf poliertem Parkett standen. Vollkommen reglos, als hätte ein böser Fluch sie erstarren lassen. Hier und da blitzte ein diamantener Ohrring im Kerzenlicht auf. Fast meinte man, leises Gemurmel zu hören. Wie auf einem Fest. Doch lauschte man genauer, war da nur nächtliche Stille.
Nichts regte sich.
Oder doch?
War da nicht eine Gestalt, die über den glänzenden Holzboden huschte? Raschelte da nicht ein seidenes Kleid?
Lautlos schwang die Tür auf. Ein Luftzug ließ die Kerzenflamme unruhig tanzen. Die Gestalt blieb auf der Schwelle stehen und zögerte. Sollte sie es wirklich tun? War das nicht zu gefährlich?
Einen Moment horchte sie in das tiefe Schweigen und ließ den Blick über die reglose Gesellschaft schweifen. Die Gelegenheit war perfekt!
Die Königin von England kicherte leise. Sie richtete ihr Diadem und verließ erhobenen Hauptes den Saal.
Niemand hielt sie zurück.
Das Abenteuer konnte beginnen.
Es war ein sonniger Samstagmorgen im August. Ich schlug die Augen auf und hatte genau dreieinhalb Sekunden gute Laune.
Ich hatte vom Meer geträumt. Von Sand zwischen den Zehen und Salz auf den Lippen. Von Möwengeschrei und dem Rauschen der Wellen. Noch halb im Schlaf lächelte ich.
Dann hupte ein Auto unten auf der Straße und das Lächeln löste sich in Luft auf. Plötzlich fiel mir alles wieder ein. Ich wohnte nicht mehr in dem kleinen Dorf an der Küste, das meine Heimat gewesen war, solange ich denken konnte. Seit zwei Wochen lebten Mama, Papa und ich bei meiner Oma Fritz in der Stadt. Hupkonzert statt Meeresrauschen. Autoabgase statt salziger Seeluft. Asphalt statt Strand. Und überall Häuser, Häuser, Häuser.
Stöhnend zog ich mir die Decke über den Kopf.
„Annemie?“ Mamas Stimme drang dumpf zu mir. „Bist du schon wach?“
„Nein.“
„Ich gehe runter ins Büro.“
„Echt jetzt?“ Ich warf einen Blick auf den Wecker. Es war kurz nach sieben. An einem Samstag!
Meine Mutter stand auf der Türschwelle und zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich hab furchtbar viel zu tun. Außerdem fängt heute die neue Aushilfe an. Kommst du zurecht?“
Ich seufzte. „Ja. Klar.“
Was sollte ich sonst sagen?
Natürlich kam ich zurecht. Ich war schließlich kein Baby mehr. Allein zu frühstücken, fand ich trotzdem doof.
„Prima. Bis später!“
Gähnend starrte ich an die frisch gestrichene Decke meines neuen Zimmers. Ich hatte mich für ein leuchtendes Meerblau entschieden, das mich an die Nordsee bei Sonnenschein erinnerte. Am liebsten wäre ich einfach wieder eingeschlafen. Versuchsweise schloss ich die Augen.
Keine Chance. Ich war hellwach.
Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich liebe meine Oma. Oma Fritz ist toll. Manchmal ein bisschen durchgeknallt, aber toll. Eigentlich heißt sie Friederike Wieland. Allerdings nennt sie niemand so, alle sagen Fritz. Ich bin gern bei ihr – an den Wochenenden und in den Ferien. Aber in der restlichen Zeit wäre ich lieber zu Hause.
Besser gesagt dort, wo ich bis vor zwei Wochen zu Hause gewesen war. Wo ich jedes Sandkorn und jeden Möwenschiss kannte. Wo ich das Meer rauschen hörte, wenn ich das Fenster öffnete. Wo ich Freunde hatte und nie allein war.
Schnell rechnete ich nach. Noch dreizehn Stunden, bis dieser Tag zu Ende war und ich mich wieder ins Bett verkriechen konnte. Okay, eigentlich eher vierzehn, denn wer ging um acht Uhr abends schlafen? Ich nicht. Zumindest unter normalen Umständen. Gestern hatte ich mich tatsächlich schon um kurz nach acht hingelegt, weil mir einfach nichts eingefallen war, was ich sonst noch hätte tun können. Darum war ich auch so unnatürlich früh wach.
Und was hatte ich jetzt davon? Vierzehn endlos lange Stunden, die vor mir lagen und sich dehnten wie ein ausgeleierter Kaugummi. Vierzehn Stunden prall gefüllt mit allerfeinster, garantiert spaßfreier Langeweile.
Das war schlimmer als ein Sturm der Windstärke zwölf.
Schlimmer als eine Springflut.
Schlimmer als ein Schultag mit acht Stunden.
Ganz ehrlich, vor unserem Umzug hatte ich nicht gewusst, wie tödlich Langeweile sein konnte.
Ich gähnte noch mal. Schluss jetzt! Genug gejammert!
Rasch angelte ich einen leuchtend gelben Bonbon aus der Dose auf meinem Nachttisch und steckte ihn in den Mund. Sofort breitete sich ein herrlich scharf-saurer Geschmack auf meiner Zunge aus. Saure Drops sind einfach das Beste! Vor allem in meiner Lieblingsgeschmacksrichtung Chili-Zitrone. Die Welt wirkte gleich etwas freundlicher.
Während ich hingebungsvoll lutschte, beschloss ich, erst mal zu frühstücken. Das beruhigt den Magen und verscheucht unangenehme Gedanken. Beherzt schwang ich die Beine über die Bettkante. Die alten Holzdielen, die meine Eltern vor unserem Umzug abgeschliffen und lackiert hatten, fühlten sich warm an. Mein Zimmer war zwar nicht besonders groß, aber ansonsten gar nicht übel. Das Bett stand direkt unter einem kleinen Fenster, von dem aus man in den Garten hinunterschauen konnte. An der gegenüberliegenden Wand befand sich noch ein Fenster, das nach vorne zur Straße ging. Davor stand mein Schreibtisch. Statt auf Dünen und Strandhafer blickte ich nun auf Hausdächer, Schornsteine und zwei Kirchtürme. Aber über allem wölbte sich derselbe Himmel. Das war immerhin etwas.
Die Fensterbank hatte ich mit Muscheln und Steinen vom Strand dekoriert. In einem alten Marmeladenglas schimmerte feinkörniger Nordseesand, ein Souvenir aus meiner alten Heimat. Meine beste Freundin Laura hatte ihn mir zum Abschied geschenkt. Kurz bevor wir uns ein letztes Mal umarmt hatten und ich zu Mama in ihren klapprigen Golf gestiegen war, um der Küste für immer den Rücken zu kehren.
Ich stand auf und ging durch den Flur in die Küche, während ich den Drops von einer Wange in die andere schob. Die Wohnung war winzig und lag direkt unter dem Dach, weshalb jeder Raum mindestens eine schräge Wand hatte. Das erschwerte es zwar, größere Möbel (zum Beispiel Kleiderschränke) unterzubringen, war aber auch ziemlich gemütlich.
Die Küche hatten Mama und ich sonnengelb gestrichen. Es roch noch ein bisschen nach Farbe und ich öffnete das kleine Erkerfenster, das nach hinten zum Garten hinausging. Die Morgenluft war kühl, aber nachher würde es bestimmt wieder warm werden. So wie in den letzten Tagen, in denen ich mich bei allerfeinstem Strandwetter fast zu Tode gelangweilt hatte. Denn was nützt einem das allerfeinste Strandwetter, wenn es weit und breit keinen Strand gibt? Und keine Laura, mit der man durch die Wellen tauchen kann …
Ich öffnete den Küchenschrank und stöhnte, als mein Blick auf das große Müsliglas fiel. Abgesehen von ein paar einsamen Haferflocken war es leer. Auch das noch! Meine Stimmung rutschte immer weiter in den Keller. Ohne Frühstück war ich absolut ungenießbar.
Und jetzt?
Zeit für Plan B. Ich marschierte in den Flur, schlüpfte in meine Monsterkrallen-Hausschuhe und verließ die Wohnung.
Vorsichtig tapste ich die Hintertreppe hinunter. Zugegeben, zum Treppensteigen sind Monsterkrallen nicht besonders praktisch. Was mir bisher nie aufgefallen war, denn in unserem alten Reetdachhaus hatte es keine Treppe gegeben. Papa hatte mir die Hausschuhe aus Singapur mitgebracht und ich liebte sie heiß und innig.
Mein Vater ist Kapitän. Leider nicht auf einem schicken Kreuzfahrtschiff, das nur die spektakulärsten Orte der Erde ansteuert (und auf dem seine Familie umsonst mitreisen kann), sondern auf einem Containerschiff, das Pfeffermühlen, ferngesteuerte Autos, Gymnastikhosen, aufblasbare Schwimmtiere und Monsterkrallen-Hausschuhe von A nach B transportiert. Er arbeitet für eine große Reederei und ist auf allen sieben Weltmeeren unterwegs.
Letzte Woche war Papa nach einem längeren Heimaturlaub nach Hamburg aufgebrochen, um an Bord eines Frachters zu gehen, mit dem er in den Indischen Ozean schippern würde. In den nächsten beiden Monaten würde ich ihn nur auf dem Bildschirm von Mamas altem Laptop sehen, wenn wir per Satellit telefonierten. Manchmal war er auch länger gar nicht erreichbar, verschollen in irgendeinem Funkloch auf hoher See. Wenn er wegfuhr, war ich jedes Mal furchtbar traurig, aber nach ein paar Tagen gewöhnte ich mich daran und vermisste ihn nicht mehr so sehr. Klingt vielleicht komisch, ist aber so.
Die Holzstufen knarrten unter meinen Monsterfüßen. Ansonsten war es um diese Uhrzeit noch ganz still. Das Haus, in dem wir seit zwei Wochen wohnten, gehörte Oma Fritz. Es war ein großer alter Kasten mitten in der Stadt. Mit hohen, stuckverzierten Decken und so vielen Zimmern, dass man sich glatt verlaufen konnte, wenn man sich nicht auskannte.
Außerdem war es kein normales Haus.
Leise huschte ich in den ersten Stock und stieß eine schwere Tür mit der Aufschrift „Stars von gestern und heute“ auf. Laura war zwar weit weg, aber auch hier hatte ich Freunde. Mit ihnen konnte ich reden, wenn mich die Einsamkeit überkam. Sie hatten immer ein offenes Ohr für mich und hörten geduldig zu. Allerdings antworteten sie nie.
Der große Raum war voller Menschen und ich kannte jeden Einzelnen. Dort drüben stand Udo Lindenberg, wie immer wahnsinnig cool mit schwarzem Hut und Sonnenbrille. Daneben stützte Marilyn Monroe kokett einen Arm in die Hüfte und machte einen Schmollmund. Ich warf ihr eine Kusshand zu. Im Vorbeigehen strich ich Nicole Kidman eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zupfte einen Fussel von Romy Schneiders Ballkleid.
Früher hatte ich tatsächlich geglaubt, die Figuren wären lebendig. In den Ferien, wenn ich Oma Fritz besuchte, hatte ich mit ihnen geredet, gelacht und geweint.
Inzwischen wusste ich es natürlich besser. Udo, Marilyn und all die anderen waren keine echten Menschen, sondern Wachsfiguren. Und die Attraktionen in „Wunderlichs Wachsfigurenkabinett“, dem Museum, das Oma Fritz gehörte und seit Generationen im Besitz unserer Familie war. Und in dem ich neuerdings wohnte.
In unserem Wachsfigurenkabinett kann man alte und neue Berühmtheiten bewundern, die alle eins gemeinsam haben: Sie sehen ihren lebendigen Vorbildern täuschend ähnlich. Im ersten Stock befinden sich die „Stars von gestern und heute“. Hier stehen Robbie Williams, Lady Gaga, Will Smith, Billie Eilish und Michael Jackson neben den Beatles, Bella Hadid und Heidi Klum. Im Nachbarsaal sind Sportgrößen wie Steffi Graf und Antonio Rüdiger versammelt. Es gibt eine Abteilung mit berühmten Wissenschaftlern wie Albert Einstein oder Madame Curie und Komponisten wie Mozart und Beethoven. Politiker sind genauso vertreten wie Sherlock Holmes, James Bond, Miss Marple, Spider-Man, Wonder Woman und andere Heldinnen und Helden aus Filmen oder Büchern. Außerdem gibt es im Erdgeschoss den Thronsaal mit der englischen Königsfamilie und im Keller die Gruselabteilung mit Dracula, Hulk, King Kong, Jack the Ripper und Frankensteins Monster.
Ich habe es schon immer geliebt, außerhalb der Öffnungszeiten durch das Museum zu spazieren. Dann habe ich meine Freunde ganz für mich allein. Ich kann mit Harry Potter über Quidditch plaudern, mit Marilyn tanzen, mit Lady Gaga singen und Manuel Neuer dabei zusehen, wie er jeden Ball hält.
Der Vorteil: Man fühlt sich nicht so allein.
Der Nachteil: Auf Dauer werden die Gespräche etwas einseitig.
Rasch durchquerte ich den Saal und lief über die breite Besuchertreppe ins Erdgeschoss. Ich ließ den Thronsaal links liegen, genauso wie die Bibliothek der ehemaligen Bundeskanzler und die Wissenschaftsabteilung. Am Ende des Korridors schlüpfte ich durch eine unscheinbare Tür mit der Aufschrift „Privat“. Ein schmaler Flur führte zu Oma Fritz’ winziger Wohnung.
In unserer Familie wurde oft darüber gewitzelt, dass sich die Wachsfiguren immer breiter machten. Als das Museum vor einer halben Ewigkeit eröffnet wurde, nahmen die allerersten Figuren nur einen Raum im Erdgeschoss ein. Von dort aus eroberten sie im Lauf der Jahrzehnte das gesamte Haus – mit Ausnahme von Oma Fritz’ Wohnung und dem Dachgeschoss. Bevor wir einzogen, lagerte dort das Gerümpel der letzten Jahrhunderte. Es war eine Heidenarbeit, den ganzen Kram auszumisten und die Zimmer, in denen früher die Dienstboten gelebt hatten, bewohnbar zu machen.
Ich klopfte kurz an Oma Fritz’ Wohnungstür und trat ein.
„Oma?“
Keine Antwort. Ich warf einen Blick in die Küche und das Wohnzimmer. Niemand da. Omas Lieblingsfernsehsessel mit Liegefunktion war leer (abgesehen von einem zerknautschten Kissen auf der Sitzfläche).
Wahrscheinlich war Oma Fritz in ihrer Werkstatt. Dort verbrachte sie den größten Teil des Tages und oft auch die halbe Nacht.
„Oma? Bist du hier? Kann ich bei dir frühstücken?“
Vom Wohnzimmer aus gelangte man direkt in die Werkstatt. Die Tür war nur angelehnt. Ich schlüpfte durch den Spalt und atmete den vertrauten Geruch nach Wachs, Staub und Pfefferminz ein. Die Werkstatt war das Herz des Museums. Hier arbeitete Oma Fritz an neuen Figuren und besserte die alten aus. Mitten im Raum stand Angelina Jolie und wartete darauf, dass ihr Make-up aufgefrischt wurde.
„Guten Morgen.“ Ich klopfte ihr auf die Schulter. „Alles klar?“
Angelina zuckte nicht mit der Wimper.
Die Regale an den Wänden waren mit den seltsamsten Dingen vollgestopft. Einzelne Hände, Füße und andere Wachsgliedmaßen, Werkzeuge, Farbtuben, Pinsel, Nadeln, Stoffreste, Knöpfe, Draht, Ton und Gipspulver lagen wild durcheinander. Besonders faszinierend fand ich Omas Glasaugensammlung. Die Augen wurden einzeln von Hand hergestellt und sahen täuschend echt aus. Früher hatte ich mich nicht getraut, sie anzufassen, aber inzwischen machten sie mir keine Angst mehr. Genauso wenig wie die falschen Zähne und die Wachsköpfe ohne Haare, die mich aus einem Regal angrinsten.