Politisch motivierte Kriminalität - Stefan Goertz - E-Book

Politisch motivierte Kriminalität E-Book

Stefan Goertz

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Beschreibung

Die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Innere Sicherheit sind gegenwärtig durch alle Phänomenbereiche von politisch motivierter Kriminalität (PMK) besonders bedroht. Diese 3. Auflage untersucht aktuelle Trends und Akteure, deren Strategien und Taktiken in den verschiedenen Ausprägungen von PMK. Zahlreiche islamistische und rechtsextremistische Anschläge belegen die große Bedrohung, die von PMK/Extremismus in Deutschland ausgeht. Dieses Buch ist eine analytische Einführung in die PMK-Bereiche Islamismus und islamistischer Terrorismus, Rechtsextremismus und rechtsextremistischer Terrorismus, "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates", Linksextremismus sowie auslandsbezogener Extremismus. Die Analyseebene der Radikalisierung ist ein besonderer Schwerpunkt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Politisch motivierte Kriminalität

Radikalisierung und Extremismus

 

Von

Prof. Dr. Stefan Goertz

und

Martina Goertz-Neumann

 

 

3., neu bearbeitete Auflage

 

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www.kriminalistik.de

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <https://portal.dnb.de> abrufbar.

 

ISBN 978-3-7832-4077-1

 

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 6221 1859 599Telefax: +49 6221 1859 598

 

www.cfmueller.de

 

© 2025 C.F. Müller GmbH, Waldhofer Straße 100, 69123 Heidelberg

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Geleitwort

Der Bundesminister des Innern, Alexander Dobrindt, teilte der Öffentlichkeit anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2024 am 10. Juni 2025 mit: „Die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands ist fast täglich Angriffen ausgesetzt. Extremisten stellen das Existenzrecht Israels in Frage und rufen zur Gewalt gegen Juden und Jüdinnen in unserem Land auf. Islamisten gehen aus religiöser Verblendung mit Messern auf Menschen auf offener Straße los. Rechtsterroristen planen den Umsturz unseres freiheitlich demokratischen Systems. Wir wehren uns mit allen Mitteln gegen die Feinde unserer Demokratie.“[1] Das Zitat verdeutlicht die komplexen Bedrohungen durch den Extremismus und die politisch motivierte Kriminalität. Multidimensionale Gefahren und Angriffe auf die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sind in der Realität des 21. Jahrhunderts längst angekommen. Die Spannbreite der Bedrohungen und konkreten Gefahren sowie Angriffen durch den Extremismus und die politisch motivierte Kriminalität ist multidimensional – von hybriden Angriffen auf die kritische Infrastruktur über die brutalen Modi Operandi von Einzeltätern oder kriminellen Organisationen in den verschiedenen Phänomenen des Extremismus und Terrorismus bis hin zu Cyberangriffen, Spionage, Sabotage, geheimdienstlichen Aktivitäten fremder Staaten oder anderen Arten der Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung wie bspw. durch vermeintliche Extremisten in Sicherheitsbehörden.

Die skizzierte Spannbreite und vor allem die verschiedenen Modi Operandi der einzelnen Phänomene des Extremismus sind für die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern eine besondere Herausforderung, welcher sie mit vielfachen strategischen und taktischen Maßnahmen begegnen. Die Analyse der politisch motivierten Kriminalität hat dabei einen besonderen Stellenwert. Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern können durch die genaue Analyse der vielfältigen Facetten der politisch motivierten Kriminalität und den intensiven Austausch von Erkenntnissen „vor die Lage“ kommen und ihre Frühwarnfunktion wahrnehmen und dadurch Gefahren noch effektiver abwehren.

Das vorliegende Buch – nunmehr in der dritten Auflage – untersucht die einzelnen Phänomene des Extremismus und der politisch motivierten Kriminalität sowie einzelne Verhaltensmuster der handelnden Täter und Gruppierungen aus wissenschaftlicher Perspektive. Es offenbart die brutale Vorgehensweise der Täter und Organisationen in den verschiedenen Ausprägungen des Extremismus. Die vorgelegte Analyse berücksichtigt dabei die aktuellen nationalen und internationalen Studien aus verschiedenen Disziplinen und gewährleistet einen ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz. Aktuelle Beispiele garantieren den praktischen Bezug. Die Analyse und zuvörderst die wesentlichen Erkenntnisse aus der Untersuchung generieren nicht nur für Studierende und Wissenschaftler der Kriminologie, der Sozialwissenschaften oder der Sicherheitsforschung einen Mehrwert, sondern auch für Praktikerinnen und Praktiker in Sicherheitsbehörden und privaten Sicherheitsunternehmen. Der angesprochene Adressatenkreis kann sich durch die Lektüre der aktualisierten Auflage auf komplexe Bedrohungen und auf konkrete polizeiliche Anlässe in vielfacher Hinsicht einstellen und vorbereiten sowie konzeptionelle Impulse daraus ableiten. Aber auch die verschiedenen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure aus dem Aufgabenfeld der Prävention können Erkenntnisse zur Prävention von Radikalisierung und Extremismus gewinnen, denn das Buch enthält zahlreiche Impulse aus der Radikalisierungs- und Extremismusforschung und zur Früherkennung von Radikalisierung und dessen Verläufen.

Die Leserinnen und Leser erwartet eine erkenntnisreiche Lektüre mit vielfältigen Anregungen und Impulsen für Wissenschaft und Praxis.

Fuldatal, im Juli 2025 Dr. Frank Niechziol Präsident einer Bundespolizeidirektion

Vorwort

Diese dritte, neu bearbeitete und aktualisierte Auflage wurde im Sommer 2025 erstellt. Zu einem Zeitpunkt, als die islamistisch-terroristischen Anschläge von München (13.2.2025), Villach/Österreich (16.2.2025) sowie am Holocaust-Mahnmal in Berlin (22.2.2025) noch nicht lange her waren.

Ebenso verdeutlichen die zahlreichen verübten als auch die geplanten, aber von den Sicherheitsbehörden verhinderten islamistischen und rechtsextremistischen Anschläge innerhalb der letzten Monate und Jahre in Deutschland und anderen europäischen Staaten die Qualität und Quantität der Bedrohungen, die aktuell und zukünftig von Extremisten und Terroristen für die Öffentliche Sicherheit ausgehen.

Eine weitere Bedrohung im Bereich Politisch motivierter Kriminalität ergibt sich aus dem Umstand, dass die Übergänge vom gewaltbereiten Rechtsextremismus hin zum rechtsextremistischen Terrorismus zunehmend fließend geworden sind. Zahlreiche rechtsextremistisch-terroristische Anschläge wurden in den letzten Jahren in Deutschland verübt oder geplant. Dazu zählen unter anderem der Angriff auf Henriette Reker (2015), der Anschlag von David S. in München (2016), die Ermordung von Dr. Walter Lübcke (2019), der Anschlag in Halle (2019), der Mordversuch an Bilal M. (2019) sowie die Taten von Tobias Rathjen in Hanau (2020). Daneben traten Gruppierungen wie die „Oldschool Society“, „Gruppe S“, „Revolution Chemnitz“, „Gruppe Freital“, „Atomwaffendivision“ und andere mit Anschlagsplanungen oder Gewaltakten in Erscheinung.

Diese terroristischen Anschläge stellen auf der Ebene eines Radikalisierungsprozesses im Bereich Politisch motivierter Kriminalität bildlich gesprochen, das letzte Stockwerk eines Stufenprozesses von extremistischer Radikalisierung dar. Neben diesen terroristischen Anschlägen darf aber auch nicht vergessen werden, dass die Zahlen des Personenpotenzials in den PMK-Phänomenbereichen Islamismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus seit Jahren steigen und auch die Straftaten in diesen PMK-Bereichen seit Jahren zunehmen.

Die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Öffentliche Sicherheit sind aktuell – wie selten zuvor – durch alle Phänomenbereiche von Politisch motivierter Kriminalität besonders bedroht. Dieses Buch in seiner dritten Auflage analysiert die Akteure von Politisch motivierter Kriminalität, ihre Radikalisierungsprozesse und untersucht die aktuellen Zahlen und Fakten zur Politisch motivierten Kriminalität. Zahlreiche neue Fälle in allen Phänomenbereichen von PMK/Extremismus wurden in dieser dritten Auflage ergänzt.

Im Rahmen der Veröffentlichung der dritten Auflage dieses Buches möchten wir unseren Kollegen für ihre Anregungen und Fragen zur Politisch motivierten Kriminalität danken.

Wir widmen dieses Buch den Toten und Verletzten terroristischer Anschläge sowie ihren Angehörigen!

Lübeck, im August 2025Prof. Dr. Stefan GoertzMartina Goertz-Neumann

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

IEinleitung

1.Die Phänomenbereiche

2.Aktuelle Entwicklungen

3.Die Zielgruppe dieses Buches

4.Der Aufbau dieses Buches

IIBegriffsbestimmungen

1.Politisch motivierte Kriminalität (PMK)

2.Freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO)

3.Extremismus

4.Radikalisierung

IIIIslamismus, Salafismus und islamistischer Terrorismus

1.Der Phänomenbereich Islamismus

1.1Definition und Kurzzusammenfassung

1.2Der Phänomenbereich Salafismus

1.2.1Kategorisierung des salafistischen Spektrums in puristischen, politischen und jihadistischen Salafismus

a)Puristischer Salafismus

b)Politischer Salafismus

c)Jihadistischer Salafismus

1.2.2Definition und Kurzzusammenfassung

1.3Der Phänomenbereich Islamistischer Terrorismus (Jihadismus)

1.3.1Definition und Kurzzusammenfassung

2.Islamistische Radikalisierung: Wege in den Islamismus, Salafismus und islamistischen Terrorismus

2.1Islamistischer Radikalisierungsfaktor: Die Ideologie

2.1.1Islamismus, Salafismus und islamistischer Terrorismus (Jihadismus) als extremistische Ideologie

2.1.2Die Religion Islam sowie die Ideologie Islamismus und der Jihad

2.1.3Zwischenfazit: Die islamistische Ideologie als Radikalisierungsfaktor

2.2Radikalisierungsfaktor islamistische, salafistische, jihadistische Peer Groups und Milieus

2.2.1Charismatische Prediger als Radikalisierungsfaktor

2.3Radikalisierungsfaktor islamistisch-jihadistische Angebote des Internets

2.3.1Islamistische Internetangebote: Propaganda, Social Networking, Kommunikation und taktisch-operative Steuerung von jihadistischen Anschlägen

2.3.2Charismatische Prediger im Internet

3.Islamistisch motivierte Straftaten und von Sicherheitsbehörden verhinderte Anschläge

4.Das aktuelle islamistische, salafistische und jihadistische Personenpotenzial

5.Aktuelle Daten zu islamistischen und jihadistischen Organisationsformen

5.1Großanschläge und multiple Szenarien von internationalen islamistisch-terroristischen Organisationen: Hit-Teams

5.2Islamistische Einzeltäter

5.3Mögliche Anschlagsziele und Modi Operandi

5.4Verweis auf Analysen von islamistisch-terroristischen Anschlägen in Deutschland

IVRechtsextremismus

1.Der Phänomenbereich Rechtsextremismus

1.1Definition und Kurzzusammenfassung

2.Rechtsextremistische Radikalisierung: Wege in den Rechtsextremismus

2.1Soziologische und sozialpsychologische Ansätze

2.2Psychologische Hypothesen zur Theorie der „autoritären Persönlichkeit“

2.3Ökonomische Ansätze

2.4Politische Theorien

2.5Nachfrage und Angebots-Konzeptionen

a)Nachfrage-Konzeptionen

b)Angebots-Konzeptionen

3.Rechtsextremistisch motivierte Straftaten

4.Das rechtsextremistische Personenpotenzial: Die Radikalisierten

5.Aktuelle Daten zu rechtsextremistischen Organisationsformen

5.1 „Die Heimat“ (früher „NPD“)

5.2„Die Rechte“

5.3„Der III. Weg“

5.4„Freie Sachsen“

5.5Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) als Verdachts- bzw. Beobachtungsfall

6. Rechtsextremismus, Radikalisierung und rechtsextremistischer Terrorismus: Aktuelle Trends

6.1Rechtsextremistische Sprache, Ideologieelemente und Narrative als (potenzielle) Radikalisierungsfaktoren

6.2Rechtsextremistische Musik und rechtsextremistischer Kampfsport als (potenzielle) Radikalisierungsfaktoren

6.3Rechtsextremistische Radikalisierung und die Rolle des Internets

6.4Rechtsextremistischer Terrorismus und seine Ziele

7.Aktuelle Akteure des rechtsextremistischen Terrorismus

7.1Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)

7.2Die Oldschool Society (OSS)

7.3Frank S.

7.4David Sonboly

7.5Die „Gruppe Freital“

7.6Die „Gruppe S“

7.7Stephan Ernst

7.8Roland K.

7.9Stephan Balliet

7.10Tobias Rathjen

7.11Aktuelle Anschlags- bzw. Attentatsplanungen

V„Reichsbürger und Selbstverwalter“

1.Der Phänomenbereich „Reichsbürger und Selbstverwalter“

1.1Grundlagen des „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“-Denkens

1.2Erscheinungsformen und Aktivitäten von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“

1.3Politisch motivierte Gewalt sowie Gefährdungspotenzial

1.4Personenpotenzial „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

2.Analyse und Ausblick

2.1Radikalisierungshintergründe

VIVerfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates

1.Der Phänomenbereich

2.Ideologieelemente und (potenzielle) Radikalisierungsverläufe

3.Strategien, Taktiken und die Rolle von Gewalt

VIILinksextremismus

1.Der Phänomenbereich Linksextremismus

1.1Definition und Kurzzusammenfassung

2.Linksextremistische Radikalisierung: Wege in den Linksextremismus

2.1Radikalisierungsfaktor linksextremistische Ideologieelemente

2.1.1Kommunismus und Anarchismus als ideologische Fundamente

2.1.2„Antifaschismus“

2.1.3„Antirepression“ – Gewalt gegen die Polizei, andere Behörden und Akteure

2.1.4Kampf um linksextremistische „Freiräume“ („Antigentrifizierung“)

2.1.5„Antimilitarismus“

2.2Radikalisierungsfaktor linksextremistische Peer Groups, Milieus und autonome Zentren

2.3Radikalisierungsfaktor linksextremistische Internetinhalte

3.Linksextremistisch motivierte Straftaten

4.Das linksextremistische Personenpotenzial und aktuelle Akteure im Linksextremismus

4.1Autonome

4.2Anarchisten

4.3„Rote Hilfe e.V.“

4.4„Antifaschistische Aktion Süd“ („Antifa Süd“)

4.5Linksextremistische Parteien

VIIIAuslandsbezogener Extremismus

1.Der Phänomenbereich Auslandsbezogener Extremismus

2.Personenpotenzial und extremistische Organisationen

2.1„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)

2.2Türkischer Rechtsextremismus („Ülkücü“-Bewegung)

2.3Türkischer Linksextremismus

2.4Säkularer palästinensischer Extremismus

3.Straftaten und Gewaltpotenzial

IXZusammenfassung und Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

IEinleitung

1.Die Phänomenbereiche

Zahlreiche Straftaten und Fälle in den verschiedenen Phänomenbereichen politisch motivierter Kriminalität (PMK) in den letzten Monaten und Jahren in Deutschland haben der Öffentlichkeit, den Medien und den politischen Entscheidungsträgern gezeigt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) durch alle unterschiedlichen Phänomenbereiche der PMK bedroht wird.

Bereits die aktuellen islamistischen Anschläge in München (13.2.2025, zwei getötete Menschen und ca. 39 Verletzte), Villach/Österreich (16.2.2025, zwei getötete Menschen und ca. fünf Verletzte), am Holocaust-Mahnmal in Berlin (22.2.2025, ein schwer verletzter Mensch) sowie in Mannheim (3.3.2025, zwei getötete Menschen und über zehn Verletzte) verdeutlichen die enorme sicherheitspolitische und wissenschaftliche Bedeutung von Islamismus und islamistischen Terrorismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern.

Die zahlreichen verübten sowie geplanten, aber von den Sicherheitsbehörden verhinderten islamistischen Anschläge innerhalb der letzten Monate und Jahre in Deutschland und anderen europäischen Staaten – beispielsweise der islamistische Messeranschlag auf das Festival der Vielfalt in Solingen im August 2024 sowie der Messeranschlag in Mannheim Ende Mai 2024, bei dem der Polizeibeamte Rouven L. getötet wurde – verdeutlichen die Qualität und die Quantität der Gefahren, die aktuell und zukünftig von islamistischen Terroristen für die Innere Sicherheit in Deutschland und anderen europäischen Staaten ausgehen.

Als weitere aktuelle Beispiele kommen der islamistische Anschlagsplan von Emra I. auf das israelische Generalkonsulat in München am 5.9.2024, dem 52. Jahrestag des islamistischen Anschlags auf das israelische Olympia-Team bei den Olympischen Spielen in München sowie der islamistische Angriff auf eine Polizeiwache in Linz am Rhein in der Nacht zum 6.9.2024 hinzu.

Seit dem islamistischen Anschlag in Madrid im Frühjahr 2004 wurden allein in Europa über 100 (!!) islamistische Anschläge verübt bzw. von Sicherheitsbehörden verhindert. Durch die seit 2004 in Europa verübten islamistischen Anschläge wurden über 800 Menschen getötet und über 3800 verletzt – darunter zahlreiche schwer, Amputationen waren die Folge.[1]

Die gewaltorientierten Rechtsextremisten in Deutschland, aktuell 15.300, verüben seit vielen Jahren pro Jahr zwischen 20.000 und aktuell 38.000 Straftaten. Davon sind seit Jahren etwa 900 bis 1.300 politisch motivierte Gewalttaten.[2] Zu diesen rechtsextremistischen Gewalttaten gehören sowohl (schwere) Körperverletzung als auch versuchte und verübte Tötungsdelikte.

Aktuelle Beispiele für die in den letzten Jahren verübten rechtsextremistisch-terroristischen Tötungsdelikte sind u.a. die rechtsextremistisch-terroristische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, das Attentat auf die damalige Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker, der Anschlag auf das Olympia-Einkaufszentrum in München, der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke, der geplanten Anschlag auf die Synagoge in Halle und zwei im Umfeld ermordete Menschen sowie der Anschlag in Hanau, der auf Menschen abzielte, die Migrationshintergrund haben.

Neben diesen rechtsextremistisch-terroristisch motivierten Anschlägen, Attentaten und Morden sind zahlreiche weitere aktuelle Beispiele für einen fließenden Übergang von gewaltbereitem Rechtsextremismus zu rechtsextremistischem Terrorismus zu nennen, hier in Form von rechtsextremistisch-terroristischen Organisationen bzw. Gruppen wie beispielsweise: „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT), „Oldschool Society“ (OSS), „Gruppe Freital“, „Revolution Chemnitz“, „Gruppe S“, „Atomwaffendivision“, das „Sonderkommando 1418“, sowie aktuell die „Sächsischen Separatisten“.

(Potenzielle) Angriffsziele, Feindbilder, als solche dargestellte Gegner von islamistischen Terroristen sind allgemein „die Ungläubigen“, westliche Staaten, sowohl ihre Zivilbevölkerung als auch ihre Polizeibeamten, Soldaten und anderen Vertreter des Staates. Ein weltweit besonders wirkmächtiges Feindbild islamistischer Terroristen sind allgemein „die Juden“, der Staat Israel und seine Staatsbürger, „Länder, die Israel unterstützen“, also vor allem die USA, aber letztlich alle westlichen Länder, Firmen mit einem Zusammenhang zu Israel sowie Sänger und Künstler. Hinzu kommen „Islamkritiker“ bzw. „Feinde des Islam“, tatsächliche und vermeintliche.

(Potenzielle) Angriffsziele, Feindbilder, als solche dargestellte „Gegner“ von gewaltbereiten Rechtsextremisten und rechtsextremistischen Terroristen sind allgemein „multikulturelle europäische Demokratien“, „Multikulti“, „‘die` Ausländer“, seit 20215 explizit „die Muslime“.

Der Antisemitismus bleibt weiterhin ein zentrales Ideologieelement von (gewaltbereiten) Rechtsextremisten und (potenziellen) rechtsextremistischen Terroristen, das in der Vergangenheit zu mehreren Anschlägen bzw. Anschlagsplänen geführt hat. Weitere Feindbilder von (gewaltbereiten) Rechtsextremisten sind allgemein Akteure „der Globalisierung“ sowie die LGBTQ+Community (Queerfeindlichkeit).

Die deutschen Sicherheitsbehörden stellen im Extremismusbereich der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ seit Jahren ein hohes Gewaltpotenzial fest. Deren hohes Gewaltpotenzial zeigt sich seit Jahren durch massive Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte, auch unter Einsatz von Waffen. So wurden nach Angaben des deutschen Bundeskriminalamtes im Jahr 2023 von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ 572 Straftaten im Bereich Angriffe gegen „Amtsträger“ und/oder „Mandatsträger“ zugeordnet.[3]

In den letzten Jahren kam es zu mehreren versuchten Tötungsdelikten von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ gegen Polizeibeamte. Beispielsweise verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart im November 2023 einen „Reichsbürger“ wegen versuchten Mordes – an Polizeibeamten – in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchten Mordes in sechs tateinheitlichen Fällen sowie Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Straftaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten. Während einer Durchsuchungsmaßnahme im April 2022 in Boxberg, Baden-Württemberg,) zur Sicherstellung von Waffen hatte der „Reichsbürger“ auf die eingesetzten Kräfte eines SEK geschossen und dabei zwei SEK-Beamte verletzt.[4]

Im März 2023 verurteilte ebenfalls das Oberlandesgericht Stuttgart einen „Reichsbürger“ unter anderem wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Dieser „Reichsbürger“ hatte im Februar 2022 einen Polizeibeamten während einer Verkehrskontrolle in Efringen-Kirchen absichtlich überfahren und schwer verletzt.[5]

Am 17.4.2020 wurde Adrian U. vom Landgericht Halle (Sachsen-Anhalt) wegen versuchten Mordes, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und illegalen Waffenbesitzes zu sieben Jahren Haft verurteilt. Adrian U. gehört der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ an.

Am 19.10.2016 wollten Polizeibeamte eines SEK bei dem Szeneangehörigen Wolfgang P. in Georgensgmünd (Bayern) rund 30 in seinem Besitz befindliche Jagd- und Sportwaffen sicherstellen. Als sie in den frühen Morgenstunden in dessen Wohnung eindrangen, trug P. bereits eine schusssichere Weste und eröffnete sofort das Feuer auf die Beamten. Vier Polizeibeamte wurden bei dem Einsatz verletzt, von denen einer kurze Zeit später seinen schweren Verletzungen erlag. Wolfgang P. wurde im Oktober 2017 vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Mordes an einem Polizeibeamten, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Auch die Gewaltorientierung von deutschen Linksextremisten und das Gefährdungspotenzial, das von ihnen ausgeht, wird von den deutschen Verfassungsschutzbehörden seit Jahren als hoch bewertet. Aktuell werde in Teilen der linksextremistischen Szene in Deutschland eine fortschreitende Radikalisierung beobachtet. Dies zeige sich an der Schwere der linksextremistischen Gewalttaten, so die deutschen Verfassungsschutzbehörden.[6] Schwere Angriffe von Linksextremisten auf die körperliche Unversehrtheit von Menschen sowie erhebliche Sachbeschädigungen mit hohen Schadenssummen werden regelmäßig verübt. Die Opfer linksextremistischer Gewalt sind einerseits Menschen, die als „politische Gegner“ bzw. „Feinde“ bezeichnet werden, meistens tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Andererseits sind Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte häufig Ziel linksextremistischer Angriffe.[7]

Das Spektrum des auslandsbezogenen Extremismus (zuvor „Ausländerextremismus“ genannt) in Deutschland gestaltet sich nach aktuellen Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden sehr heterogen. Es umfasst aktuell rechts- und linksextremistische sowie separatistische Bestrebungen aus verschiedenen Ländern Europas, Asiens und Afrikas. Viele der in Deutschland und anderen europäischen Staaten auftretenden extremistischen Organisationen mit Auslandsbezug agieren „in ihren Heimat- beziehungsweise Herkunftsländern mit Gewalt und begehen dort auch terroristische Anschläge gegen den jeweiligen Staat und dessen Sicherheitskräfte“, so das Bundesamt für Verfassungsschutz[8]. Dagegen betrachten auslandsbezogene Extremisten Deutschland und andere europäische Länder prinzipiell als Ruhe- und Rückzugsraum, von dem aus der bewaffnete Kampf in der Heimat propagandistisch sowie durch den Nachschub von Geld, Material oder neu rekrutierten Freiwilligen unterstützt wird.[9] Dennoch kommt es auch in Deutschland seit Jahren zu Straf- und Gewalttaten aus dem Spektrum des auslandsbezogenen Extremismus. Diese reichen von versammlungstypischen Straftaten wie dem Zeigen verbotener Symbolik und Widerstand gegen Polizeibeamte über Sachbeschädigungen an staatlichen Einrichtungen der Herkunftsländer bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Angriffen beim Aufeinandertreffen mit politischen Gegnern. Außerdem werden antisemitische Hassparolen verbreitet und andere antisemitische Straftaten verübt, „vor allem aus dem türkischen Rechtsextremismus und dem Spektrum säkularer palästinensischer Extremisten“[10].

Im Phänomenbereich auslandsbezogener Extremismus wurden im Jahr 2024 4.534 extremistisch motivierte Straftaten (im Jahr 2023 waren es noch 3.092) erfasst, was einem Anstieg um 46,6 % entspricht. Unter diesen Delikten waren hauptsächlich Sachbeschädigungen (803), aber auch 607 Gewalttaten zu verzeichnen. Nach den erheblichen Steigerungen aus den Vorjahren hat sich die Zahl der Gewalttaten nun nochmals um 84,5 % erhöht. Ihr überwiegender Teil sind Körperverletzungen (50,1 %), weitere 31,1 % entfallen auf Widerstandsdelikte.[11]

Zusätzlich erfassten die deutschen Sicherheitsbehörden 14 Delikte erfasst (2023 noch 24), bei denen den Tatverdächtigen angelastet wurde, eine ausländische terroristische Vereinigung zu unterstützen oder ihr anzugehören (§ 129b StGB).

Bei 1.776 der im Jahr 2024 verübten Straftaten mit ausländisch-ideologischer extremistischer Motivation stellten die Sicherheitsbehörden einen antisemitischen Hintergrund fest (2023 noch 1.044); dies entspricht einer erheblichen Steigerung um 70,1 %. Zu diesen Straftaten zählten 75 Gewalttaten (2023: 65) und 607 Volksverhetzungsdelikte (2023: 441).[12]

Was haben rechtsextremistische, islamistische und linksextremistische Straftäter sowie Straftäter der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ und des Phänomenbereiches auslandsbezogener Extremismus gemeinsam?

Was wiederum unterscheidet sie voneinander?

Eine effektive Analyse der unterschiedlichen Phänomenbereiche politisch motivierter Kriminalität (PMK) muss von der Grundannahme ausgehen, dass jeder einzelne Extremismusphänomenbereich hoch komplex ist und notwendigerweise stets aktuell und sicherheitspolitisch-realistisch analysiert werden muss.

Folgende Analysebereiche stehen daher im Mittelpunkt der Untersuchung dieses Buches:

Radikalisierung: Warum und wie entfernen sich Menschen von demokratischen Prinzipien wie der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) und wenden Gewalt an, um extremistische Ziele zu erreichen?

Akteursanalyse: Wer wird warum Extremist und/oder Terrorist?

Taktik und Mittel: Wie gehen Extremisten und Terroristen vor? Können (wiederkehrende) Muster identifiziert werden, aus denen dann Gegenmaßnahmen entwickelt werden können?

Nicht erst die zahlreichen islamistischen und rechtsextremistischen Anschläge und Attentate der Jahre 2015 bis 2025, zahlreiche Fälle von linksextremistischer Gewalt sowie von Akteuren der anderen Extremismusphänomenbereiche verübten Gewalttaten in Deutschland und anderen europäischen Staaten verdeutlichen die Bedeutung von Radikalisierungsforschung in den unterschiedlichen Phänomenbereichen politisch motivierter Gewalt. Die dominierende analytische Leitfrage dieses Buches lautet daher:

Warum und wie radikalisieren sich Menschen, die in demokratischen, freiheitlichen, sozialstaatlichen Gesellschaften aufgewachsen und/oder geboren sind, zu Extremisten und/oder Terroristen, die grundlegende Verfassungsprinzipien wie Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Volkssouveränität und Minderheitenschutz ablehnen und ihre extremistische Ideologie zur Grundlage des Lebens aller Menschen machen wollen?

2.Aktuelle Entwicklungen

In seinem Vorwort zum neuen Verfassungsschutzbericht 2024 des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Juni 2025 stellt der neue Bundesinnenminister, Alexander Dobrindt, die aktuelle Bedrohungslage durch die unterschiedlichen Extremismusphänomenbereiche vor. Vom Islamismus gehe nach wie vor eine erhebliche Gefahr aus, so Bundesinnenminister Dobrindt.[13] Die Bundesrepublik Deutschland stehe unverändert im Visier der jihadistischen Organisation „Islamischer Staat“ und Dobrindt betont, dass die aktuellen islamistischen Anschläge vermehrt von jungen, allein handelnden Tätern geplant und durchgeführt werden. Aktuelle Beispiele dafür sind die islamistisch motivierten Messerangriffe in Mannheim und Solingen im Mai und August 2024. Zudem entfalte der eskalierte Nahostkonflikt weiterhin ein hohes Emotionalisierungs- und Mobilisierungspotenzial und trage somit zu einer erhöhten abstrakten Gefährdungslage bei, vor allem für jüdische und israelische Einrichtungen, konstatiert der Bundesinnenminister.[14] Ein aktuelles Beispiel hierfür war der durch Polizeibeamte verhinderte Schusswaffenanschlag eines jungen Islamisten aus Österreich in München im September 2024 in der Nähe des israelischen Generalkonsulats.

Zum Rechtsextremismus in Deutschland stellte der neue Bundesinnenminister im Juni 2025 fest, dass das rechtsextremistische Personenpotenzial im Jahr 2024 um knapp ein Viertel gestiegen sei, von 40.600 auf 50.250 Personen. Darunter befinden sich 15.300 als gewaltorientiert eingestufte Rechtsextremisten. Eine besondere Herausforderung für die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden seien sich selbst radikalisierende Täter, meistens auf einschlägigen rechtsextremistischen online Plattformen und die dann ohne erkennbare Anbindung an bereits bekannte rechtsextremistische Strukturen agieren. Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten stieg 2024 deutlich um beinahe die Hälfte auf 37.835 an, darunter 1.281 Gewalttaten (+11,6 % im Vergleich zum Vorjahr).[15]

Im Jahr 2024 stiegen die Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz – Auswertung des neuen Verfassungsschutzberichtes aus dem Juni 2025 – um 47,4 % auf 37.835 (im Jahr 2023 noch 25.660) an. Dazu gehören auch 1.281 (2023 noch 1.148) erfasste Gewalttaten, darunter sechs versuchte Tötungsdelikte. Als weitere Teilmenge der rechtsextremistischen Straftaten wurden zudem 24.177 rechtsextremistisch motivierte Propagandadelikte nach §§ 86, 86a StGB registriert (im Jahr 2023 noch 15.081). Im Jahr 2024 nahm die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Straftaten um 25,3 % zu (13.035 Delikte, im Jahr 2023 noch 10.402); die Zahl der Gewalttaten davon stieg um 5,4 % an (983 Delikte, gegenüber 933 im Jahr 2023). Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund stieg um 0,5 % auf insgesamt 2.775 Taten (2023: 2.762). Die Zahl der Gewaltdelikte mit antisemitischem Hintergrund wiederum stieg um 25,6 % auf insgesamt 54 Delikte (2023: 43).[16]

Ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen war 2024 bei der Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund, diese stieg um 4,8 % auf 916 (2023: 874). Von den insgesamt sechs versuchten Tötungsdelikten mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden alle mit einer fremdenfeindlichen Motivation begangen. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten gegen Asylunterkünfte stieg im Jahr 2024 deutlich an, von 148 im Jahr 2023 auf 196 im Jahr 2024. Die Zahl der Gewalttaten gegen Asylunterkünfte stieg auf 19 (2023: 15), dazu zählten sechs Brandanschläge (2023: 9).

Die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Linksextremisten bzw. vermeintliche Linksextremisten stieg im Vergleich zum Jahr 2023 um 60,6 %. Körperverletzungen (87) waren hierbei die am häufigsten verübten Gewalttaten. Die – in absoluten Zahlen – meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten wurden im Vergleich der Bundesländer 2024 in Nordrhein-Westfalen mit 154 registrierten Delikten verübt. Danach folgen Hamburg (116) und Mecklenburg-Vorpommern (113).[17]

Dem Extremismusbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ wurden im Jahr 2024 774 extremistische Straftaten zugeordnet, was im Vergleich zum Jahr 2023 einen Rückgang um etwa 27 % darstellt (1.070 extremistische Delikte im Jahr 2023). Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt 105 Gewalttaten (2023 noch 149), beispielsweise Widerstands- und (58) und Erpressungsdelikte (35). Bei den weiteren Straftatbeständen dominierten vor allem Nötigungen/Bedrohungen (236). Von den „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ zugeordneten Straftaten wurden 62 als antisemitisch eingeordnet, bei denen es sich vor allem um Volksverhetzungsdelikte (49) handelte. Die in absoluten Zahlen meisten extremistischen Straftaten begingen „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ 2024 in Baden- Württemberg (203, darunter 14 Gewalttaten und 51 Fälle von Nötigung/Bedrohung).[18]

Im Jahr 2024 erfassten die deutschen Polizeibehörden 5.857 (2023 noch 4.248) Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund, darunter 532 (2023: 727) Gewalttaten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg um 37,9 %, die Zahl der Gewalttaten sank um 26,8 %. Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 233 Fälle (2023: 481) in das Themenfeld „Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden“ eingeordnet, was einem Rückgang von 51,6 % entspricht. Die Zahl der Straftaten gegen Rechtsextremisten bzw. vermeintliche Rechtsextremisten hat sich im Jahr 2024 jedoch mehr als verdoppelt (2024: 3.859, 2023: 1.650), die der Gewalttaten stieg auf insgesamt 280 Delikte (2023: 204, +37,3 %).[19] Im Jahr 2024 verübten Linksextremisten 99 antisemitische Straftaten (2023: 36), darunter sechs Gewalttaten, was einen erheblichen Anstieg um 175 % bedeutet. Im Vergleich zum Jahr 2023 war ein Anstieg der Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Rechtsextremisten bzw. vermeintliche Rechtsextremisten um 37,3 % zu verzeichnen. Mehr als die Hälfte dieser Gewalttaten waren Körperverletzungsdelikte, gefolgt von Widerstandsdelikten und Brandstiftungen. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten gegen die Polizei und andere Sicherheitsbehörden ging gegenüber dem Jahr 2023 um 51,6 % zurück. Die in absoluten Zahlen meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden mit 98 registrierten Delikten in Berlin verübt. Danach folgen Sachsen (92) und Nordrhein-Westfalen (85).[20]

Im Jahr 2024 wurden 1.397 Delikte im Bereich Islamismus festgestellt, im Vorjahr lag die Zahl noch bei 878 Delikten. Unter den 1.397 Delikten waren insgesamt 71 Gewalttaten (2023 noch 72), zu denen unter anderem drei versuchte sowie zwei vollendete Tötungsdelikte und 53 Körperverletzungen gerechnet wurden. 60 extremistische Straftaten wurden als Vorbereitung oder Unterstützung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a-c, 91 StGB) eingestuft (2023: 46), 32 Fälle (2023: 40) als Mitgliedschaft in beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b StGB). Im Jahr 2024 wurden 656 antisemitische Straftaten mit einer islamistischen Motivation festgestellt (2023 noch 492, +33,3 %), zu denen 12 Gewalttaten, 191 Sachbeschädigungen, 185 Propaganda- sowie 125 Volksverhetzungsdelikte zählten.[21]

Im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideologie“ wurden 4.534 extremistisch motivierte Straftaten (2023 noch 3.092) erfasst, was einem Anstieg um 46,6 % entspricht. Unter diesen Delikten waren vor allem Sachbeschädigungen (803), aber auch 607 Gewalttaten zu verzeichnen. Nach den erheblichen Steigerungen im Jahr 2022 erhöhte sich die Zahl der Gewalttaten von diesem Extremismusbereich im Jahr 2024 nochmals um 84,5 %. Ihr überwiegender Teil waren Körperverletzungen (50,1 %), weitere 31,1 % entfielen auf Widerstandsdelikte. Dabei wurden 14 Delikte erfasst (2023: 24), bei denen den Tatverdächtigen angelastet wurde, eine ausländische terroristische Vereinigung zu unterstützen oder ihr anzugehören (§ 129b StGB). Bei 1.776 der Straftaten mit ausländisch-ideologischer extremistischer Motivation stellten die deutschen Sicherheitsbehörden einen antisemitischen Hintergrund fest (2023: 1.044). Dies stellt eine erhebliche Steigerung um 70,1 % dar. Zu diesen Straftaten zählten 75 Gewalttaten (2023: 65) und 607 Volksverhetzungsdelikte (2023 noch 441). Die meisten Straftaten wurden innerhalb dieses Extremismusbereichs in Berlin (1.605, 2023: 726), danach in Nordrhein-Westfalen (1.087, 2023: 820) sowie in Baden-Württemberg (554, 2023: 608) begangen.[22]

3.Die Zielgruppe dieses Buches

Politisch motivierte Kriminalität, Extremismus, sind äußerst komplexe Phänomenbereiche, die die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) unserer Bundesrepublik bedrohen und für jeden Bereich menschlichen Zusammenlebens relevant sind.

Auf der Ebene von Studium und Wissenschaft sind politisch motivierte Kriminalität, also Extremismus, von besonderer Bedeutung für folgende Fächer und Fakultäten:

Politikwissenschaft,

Sozialwissenschaften,

Islamwissenschaft,

Rechtswissenschaft,

Psychologie,

Internationale Beziehungen,

International and European Governance,

Soziologie,

Sozialpädagogik,

Soziale Arbeit,

Sozialpolitik,

Regionalstudien Naher und Mittlerer Osten: Sozialwissenschaften,

Regionalstudien Afrika: Sozialwissenschaften,

Regionalstudien Naher und Mittlerer Osten: Volkswirtschaft,

Regionalstudien Afrika: Volkswirtschaft,

Religionspädagogik,

Kulturanthropologie,

Ethnologie,

Sprachen und Kulturen der islamischen Welt,

Sprachen und Kulturen Afrikas,

Arabisch-Islamische Kultur,

Geschichtswissenschaft,

Friedens- und Konfliktforschung

u.a.

Auf der Ebene von Behörden und öffentlichen Einrichtungen in Europa und Deutschland sind PMK, Extremismus, von besonderer Bedeutung für folgende Bereiche:

Polizei (Bundespolizei, Landespolizeien, Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter, Staatsschutzabteilungen, GSG 9 der Bundespolizei, Spezialeinsatzkommando, Mobiles Einsatzkommando),

Nachrichtendienste (Verfassungsschutz auf der Ebene Bund und Länder, Bundesnachrichtendienst, Bundesamt Militärischer Abschirmdienst),

Justiz,

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,

Ausländerbehörden,

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe,

Zoll,

Politische Bildung, Bundeszentrale und Landeszentralen,

Bildung und Kultus (auf den Ebenen Bund und Länder, vor allem die Kultusministerien der Bundesländer),

Schulen,

Justizvollzugsanstalten,

Regierungspräsidien,

Bezirksregierungen,

Akteure im Bereich von Prävention,

u.a.

Dieses Buch versteht sich dabei als analytische Einführung in die verschiedenen Phänomenbereiche von PMK/Extremismus und untersucht diese Phänomenbereiche auf den Ebenen Definitionen, Analyse, Radikalisierungsforschung sowie Fallbeispiele. Diese Ebenen sind wiederum so miteinander verbunden, dass das Buch – abhängig vom beruflichen Hintergrund und dem bereits mitgebrachten Vorwissen – nicht chronologisch gelesen werden muss, weil die drei Ebenen einen jeweils individuellen Einstieg in die Untersuchung des jeweiligen Phänomenbereiches ermöglichen.

Konzipiert ist dieses Buch sowohl für Bachelor- als auch Masterstudenten der oben erwähnten Fächer und Fakultäten als auch für Auszubildende der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden. Das Literaturverzeichnis – das sowohl internationale, englischsprachige Quellen (vor allem im Bereich Islamismus) als auch deutschsprachige Studien (sowohl von Universitäten und ihren Instituten als auch von Sicherheitsbehörden) nutzt – könnte zu eigener wissenschaftlicher Arbeit anregen.

Praktiker aus den Bereichen Polizei, Nachrichtendienst (Verfassungsschutz, BND, BAMAD), Justiz und aus anderen Behörden der Bereiche Innere Sicherheit, Psychologie, Migration, Pädagogik und Bildung werden durch ihren jeweils individuellen Hintergrund unterschiedlich an dieses Buch herangehen.

Als Ergebnis einer Adressatenanalyse der Zielgruppe des Buches ist dieses Buch so aufgebaut, dass einführende und abschließende „theoretische“ und analytische Feststellungen mit zahlreichen Fallbeispielen aus den verschiedenen Phänomenbereichen der PMK verbunden werden, um aktuellen und zukünftigen „Praktikern“ im staatlichen und zivilgesellschaftlichen Aufgabenbereich der Prävention und Repression von PMK/Extremismus zu helfen.

4.Der Aufbau dieses Buches

Die Hauptkapitel II bis VII sind so aufgebaut, dass die Begriffsbestimmungen ebenso wie die Analyse (exemplarische Fallbeispiele) ausgewählter extremistischer Akteure und ihrer Straftaten einen Einstieg in das Buch auf zwei verschiedenen Ebenen ermöglichen: Entweder „theoretisch“-begrifflich durch die jeweils ersten Unterkapitel oder empirisch-praktisch durch die Analyse exemplarisch ausgewählter Fallbeispiele.

Die Begriffsbestimmungen der jeweils ersten Unterkapitel arbeiten einerseits auf der Ebene der universitären Forschung und andererseits auf der Ebene deutscher Sicherheitsbehörden, was dem Anspruch, „den Praktikern zu helfen“, entspricht. Dabei sind die definitorischen, begrifflichen Anteile, die jeweils ersten Unterkapitel, nicht „Theorie der Theorie willen“, sondern dienen als Grundlage einer praktischen Analyse der erheblichen Herausforderungen, welche die verschiedenen Phänomenbereiche PMK/Extremismus an zahlreiche staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure unserer Bundesrepublik stellen.

Die einleitenden Unterkapitel der Hauptkapitel enthalten sowohl kurze Definitionen als auch abschließende Kurzzusammenfassungen zur stark komprimierten Rekapitulation des Analyseinhalts und dienen dadurch der Verknüpfung der Unterkapitel und Hauptkapitel.

Die Fallanalysen der Hauptkapitel untersuchen spezifische Formen und Ausprägungen der unterschiedlichen Phänomenbereiche politisch motivierter Kriminalität.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern auf eine Differenzierung verzichtet und die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

IIBegriffsbestimmungen

1.Politisch motivierte Kriminalität (PMK)

Als Politisch motivierte Kriminalität (PMK) werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sog. klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.[1]

Als solche klassischen Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: §§ 80 bis 83, 84 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB).

Auch Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter PMK, wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind.[2]

Anhaltspunkte für eine politische Motivation einer Tat sind gegeben:

wenn sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen soll,

wenn sie der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dient,

wenn sie sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richtet,

wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richtet,

wenn sie eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel hat,

wenn sie durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet,

wenn sie sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richtet (sog. hate crime, Hasskriminalität),

dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden.[3]

Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, werden im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) registriert. Der KPMD-PMK ist ein gemeinsames System von Bund und Ländern, das am 1. Januar 2001 eingeführt wurde. Es soll deutschlandweit eine einheitliche, detaillierte und systematische Erhebung der gesamten Straftaten zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) gewährleisten. Dadurch soll eine verlässliche Datenbasis für polizeiliche Auswertungen, statistische Aussagen, Führungsentscheidungen, kriminalpolitische Entscheidungen und die kriminologische Forschung zum Zwecke der Prävention und Repression geschaffen werden.[4]

Im Kontext des KPMD-PMK werden politisch motivierte Straftaten durch die zuständigen Landeskriminalämter an das Bundeskriminalamt übermittelt und in einer zentralen Fallzahlendatei erfasst. Ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen werden politisch motivierte Straftaten durch die Bundesländer sogenannten Themenfeldern zugeordnet sowie die erkennbaren ideologischen Hintergründe und Ursachen der Tatbegehung in einem staatsschutzrelevanten Phänomenbereich abgebildet. Politisch motivierte Straftaten werden einem Extremismusphänomenbereich zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer entsprechenden ideologischen (extremistischen) Orientierung zuzurechnen sind. Diese Anhaltspunkte können sich beispielsweise aus Tätermerkmalen (insbesondere äußeres Erscheinungsbild), verwendeter Sprache/verwendeten Symbolen sowie dem Zeitgeschehen (aktuelle politische/gesellschaftliche Ereignisse) ergeben. Neben den Dimensionen „Phänomenbereich“ und „Themenfeld“ werden vor allem auch die Dimensionen „Angriffsziel“, „Tatmittel“, „Deliktsqualität“ und „Verletzte Rechtsnorm“ in Bewertungen einbezogen.[5]