Powerless - Der Thron - Lauren Roberts - E-Book

Powerless - Der Thron E-Book

Lauren Roberts

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Beschreibung

Das Finale der Romantasy-Trilogie von TikTok-Star Lauren Roberts endlich auf Deutsch!

Paedyn kehrt nach Ilya zurück und muss sich dort einer lebensverändernden Entscheidung stellen. Ihr Beschluss wird ihr Schicksal – und auch das des gesamten Königreichs – für immer verändern. Wer wird im Kampf um Liebe und Loyalität die Oberhand erlangen?
Noch nie war der Enemies-to-Lovers-Trope mitreißender! Band 3 der großen Romantasy-Saga von TikTok-Star Lauren Roberts endlich auf Deutsch!

***Mit 2 Bonuskapiteln exklusiv in der deutschsprachigen Ausgabe!***

Die Romane aus dem Powerless-Universum:
Band 1: Powerless – Das Spiel
Band 2: Powerless – Die Flucht
Band 3: Powerless – Der Thron
Novelle: Powerful – Adenas Schicksal

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 882

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Paedyn kehrt nach Ilya zurück und muss sich dort einer lebensverändernden Entscheidung stellen. Ihr Beschluss wird ihr Schicksal – und auch das des gesamten Königreichs – für immer verändern. Wer wird im Kampf um Liebe und Loyalität die Oberhand erlangen?

Autorin

Lauren Roberts hat ihr ganzes Leben in Michigan, USA, verbracht. Wenn sie nicht gerade über fantastische Welten und liebenswerte Charaktere schreibt, findet man sie eingekuschelt im Bett und mit einem Fantasy-Roman in der Hand – oder auf TikTok, wo sie als @laurenrobertslibrary ihre Liebe zu Büchern mit ihren Hunderttausenden Follower*innen teilt. »Powerless – Das Spiel« ist Lauren Roberts’ Debüt und stellt den Auftakt einer mitreißenden Romantasy-Trilogie dar. Der Roman eroberte Platz 1 der »New York Times«- und SPIEGEL-Bestsellerliste und traf mitten ins Herz der Leser*innen.

Weitere Informationen unter:

www.laurenrobertslibrary.com,

www.tiktok.com/@laurenrobertslibrary

Von Lauren Roberts bereits erschienen

Powerless – Das Spiel · Powerless – Die Flucht

Lauren Roberts

POWERLESS

DER THRON

ROMAN

Deutsch von Vanessa Lamatsch

Die Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »Fearless«

bei Simon & Schuster UK Ltd, London.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright der Originalausgabe © 2025 by Lauren Roberts

Published by arrangement with Simon & Schuster UK Ltd

1st Floor, 222 Gray’s Inn Road, London, WC1X 8HB

A Paramount Company

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by Penhaligon

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: Covergestaltung: bürosüd

nach einem Entwurf von Simon & Schuster und unter Verwendung von Bildmaterial von Adobe Stock (Rattanathip, Jared, larisabozhikova, jittawit.21, mudasar, Lapis, alswart, R. Gino Santa Maria, vvoe, sema_srinouljan). POWERLESS is a trademark of Lauren’s Library LLC.

Karte: Bob Lea

DK · Herstellung: fe

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-31722-5V002

www.penhaligon.de

Für diejenigen, die furchtlos genug sind,

ihrem Herzen zu folgen

Prolog

Es gibt nur sehr wenige Gründe, warum sich zwei verhüllte Gestalten mitten in der Nacht treffen.

Es dürfte nicht überraschen, dass die Liste so kurz wie unschicklich ist.

Für manche ist Liebe der Grund. Für die meisten Lust.

Lust auf Geld. Lust auf ein Ziel. Lust auf Rache.

Aber in manchen Fällen ist es Liebe, die diese Lüste antreibt. Oder vielmehr: der Verlust von Liebe.

Auch wenn diese seltsamen Situationen der Unstimmigkeit selten sind, so sind sie doch immer tragisch.

Ein Mann lehnt an einer Wand, seine stoische Miene verdeckt von einer Kapuze.

Inzwischen steht er hier seit mehreren Minuten, daher die Welle von Ungeduld, die über ihm zusammenschlägt. Jeder wachsame Blick liegt wie eine Bürde auf seinen Schultern. Denn tief unter der Kapuze verbirgt sich ein Verstand, der ihn anschreit, es durchzuziehen; und diese schrille Stimme droht die sanftere, verlockendere Stimme zu übertönen, die ihm fast Schmerzen bereitet und ihn anweist, sich zu entfernen. Er drückt sich fester gegen die Mauer, als könne er sich so in diesem Moment, in dieser Entscheidung verankern, bevor die Konsequenzen ihn zerstören.

Mondlicht dringt durch die bröckelnden Steinmauern in der Gasse. Aus unerfindlichem Grund macht ihn das nervös, weil er sich fühlt, als griffen fahle Finger nach ihm.

Ja, er mag die Sonne viel lieber als ihr unheimliches Gegenstück.

Die verhüllte Gestalt richtet sich abrupt auf, als sie einen Schatten heranhuschen sieht, der vor ihr anhält und zu etwas Greifbarerem, Lebendigerem wird. Sie stehen sich Auge in Auge gegenüber – oder zumindest ist das zu vermuten, trotz der Kapuzen, die ihre Gesichter verhüllen.

»Weißt du, was du tun musst?«

Die Stimme der zweiten schattenhaften Gestalt klingt wie flüssiges Gold, leise und voll. Sie besitzt die viel geübte Fähigkeit, Worte zu etwas zu spinnen, das viel hübscher ist als ihre eigentliche Bedeutung.

»In gewissem Maße«, antwortet der erste Mann. Seine verkratzten Stiefel bewegen sich auf den holprigen Pflastersteinen, weil sein Geist immer noch versucht, diese leise Stimme zu übertönen, die ihm ständig sagt, dass er vor dieser vernichtenden Entscheidung davonlaufen soll.

»Sehr gut.« Der zweite Schatten schiebt eine Hand in die Tasche. »Ich vertraue darauf, dass du mich nicht enttäuschen wirst.«

»Ich kann nichts versprechen.«

Der Mann zieht einen Beutel voller Münzen aus der Tasche, wiegt ihn in der Hand. »Das sollte ausreichen, um deine Mühe zu entlohnen.«

Der erste Mann greift nach dem Beutel, schluckt, als er das schiere Gewicht der Schillinge darin abwiegt. »Ja, das sollte reichen.«

»Also« – die erste Gestalt senkt die Stimme – »es muss realistisch wirken, verstanden? Sorg dafür, dass selbst ich dir glaube.«

Der erste Mann antwortet leise: »Das werde ich.«

Sein innerer Kampf wird immer stärker. Aber er hat gelernt, diese ständigen chaotischen Kommentare zu ignorieren, so wie er es jetzt auch tut. Denn nichts kann ihn vor diesem Schicksal bewahren. Nicht einmal diese überzeugende, sanfte Stimme.

Nach einem kurzen Nicken der Kapuze zieht sich der Fremde zurück, um wieder mit den Schatten zu verschmelzen.

»Wieso wollt Ihr das?«

Neugier zwingt den innerlich zerrissenen Mann, diese Frage hervorzustoßen. In Erwartung der Antwort presst er den Geldbeutel an die Brust, genießt das Gefühl der spürbaren Sicherheit, die er ihm schenkt.

Selbst die wandelbaren Schatten um ihn herum scheinen sich vorzulehnen, um zu lauschen.

Der Mann wirft nur einen Satz über die Schulter zurück. »Jeder brutale Akt entspringt der Liebe.«

Diese Erkenntnis allein ist es, die diese unwahrscheinlichen Verbündeten zusammengeführt hat. Und obwohl sie im Dunkeln stehen und Kapuzen tragen, haben sich diese zwei Fremden noch nie so durchschaut gefühlt.

1

Paedyn

Ein Tropfen Blut fällt herab, das helle Rot, in grellem Kontrast zu dem glatten Stein, besudelt den makellosen Marmorboden unter meinen zitternden Beinen.

Mit verschwommenem Blick starre ich den scharlachroten Klecks an. Das Blut rauscht in meinen Ohren.

Honig. Es ist nur Honig.

Rote Rinnsale gleiten über mein Bein nach unten, schnell genug, damit ich leise schwanke. Aber vielleicht dreht sich der Thronsaal wegen meines bevorstehenden Schicksals um mich wie der Ring, der um meinen Daumen liegt. Blinzelnd starre ich auf den glänzenden Boden, starre diese leere Hülle einer jungen Frau an, die dort als Reflexion zu sehen ist. Ihr Gesicht ist mit Dreck verschmiert, ihre Augen heimgesucht von einer Zukunft, die sie bisher nicht erblickt und von der sie nie vermutet hat, sie zu erleben. Silberne Haare fallen knapp bis auf ihre Schultern, so fahl wie das verschwitzte Gesicht, an dem sie kleben. Sie schwankt, wie es der Fall ist, wenn man auf den Füßen eines geliebten Menschen steht. Die Hände sind hinter ihrem Rücken gefesselt, und Blut rinnt aus aufgerissener Haut.

Sie ist zerstört. Sie ist heimgesucht.

Sie wird eine Braut werden.

Das kann nicht wahr sein. Ich habe ihm alles genommen. Und dafür wird er mich töten. Das muss er.

Plötzlich ist meine Brust wie zugeschnürt, und mein Atem stockt aufgrund der Flut von Worten, die in meine Kehle drängt. Denn der Tod ist das Schicksal, auf das ich mich mein gesamtes Leben lang vorbereitet habe – das Schicksal, das ich verdient habe. Ich fühle es bis in die besudelten Fingerspitzen, von denen bis in alle Ewigkeit das Blut anderer tropfen wird; erkenne es an dem G, das über meinem rasenden Herzen eingeritzt ist, um mich als eine Gewöhnliche zu kennzeichnen.

Der Tod ist die einzige Konstante in meinem Leben, fast ein alter Freund, der jedes meiner dunklen Geheimnisse in eine Waffe verwandelt. Er nennt mich schwach … und ich höre Gewöhnliche. Er nennt mich todgeweiht, und ich höre ein aufrichtiges Versprechen. Er ist die Hand, nach der meine blutigen Finger greifen, weil in seiner Bedrohlichkeit Trost liegt.

Doch jetzt höre ich nichts als das Rauschen in meinen Ohren und die bedrückende Stille der Ungewissheit.

»Paedyn.«

Ich zucke im selben Moment zusammen wie die hoch aufragenden Gestalten um mich herum. Er hätte mich genauso gut Verräterin nennen können. Mörderin. Eine Gewöhnliche, die das Elite-Königreich schwächt. Denn das sind die einzigen Namen, unter denen dieser Königshof mich kennt. Die einzigen Namen, die ganz Ilya mir entgegengespuckt hat, als ich in einer Parade durch die Stadt zu ihrem König geführt wurde. Letztendlich fassen sie die gesamte Bedeutungslosigkeit meiner kurzen Existenz zusammen.

Mühsam reiße ich die Augen von dem Muster los, das mein Blut auf den Marmorboden gezeichnet hat.

Honig. Es ist nur Honig.

Polierte Schuhe, deren Glanz in ebenso dunkle Hosenbeine übergeht, erscheinen in meinem Blickfeld. Mein Blick gleitet an dem engen Stoff nach oben, über die Nähte, die den starken Körper darunter verbergen. Ich zwinge meine Augen höher, bis sie seine Gürtelschnalle erreichen, dann zu dem kleinen Kästchen, das so unschuldig auf seiner ausgestreckten Handfläche ruht. Ich weiß, was sich in diesem Samtetui befindet, kann es im Augenwinkel glänzen sehen. Und doch schenke ich dem Gegenstand kaum einen Blick, als könnte ich diese glitzernde Fessel so davon abhalten, auf meinen Finger geschoben zu werden.

Weiter oben schließt sich ein verknittertes Hemd an. Ich betrachte jeden Knopf, bis mein Blick seine Kehle und den Kragen darum findet. Ich habe ihm noch nicht ins Gesicht gesehen, seitdem mein Urteil aus seinem Mund gedrungen ist.

»Du wirst meine Braut.«

Es ist, als wäre ich zurückkatapultiert worden in die Spiele und die ebenso herausfordernde, allumfassende Täuschung, die damit einhergegangen ist. Damals konnte ich es auch nicht ertragen, ihn anzusehen – es sei denn, ich wollte riskieren, den König aus seinen Augen starren zu sehen. Aber ich habe den Mann getötet, den ich einst in diesen grünen Tiefen erkannt habe. Edric Azer sucht mich nur noch in den Fragmenten meines Geists heim … und durch das Zeichen, das er über mein gebrochenes Herz geschnitten hat. Dafür habe ich gesorgt.

Und doch kann ich mich nicht dazu bringen, diesen Kitt anzusehen.

Meine Kehle brennt.

Könnte sein, dass ich etwas geschaffen habe, das viel schlimmer ist als sein Vater.

»Paedyn.« Seine Stimme klingt beängstigend sanft und erinnert mich an eine Zeit, als mich das nicht schockiert hätte. »Schau mich an.«

Das ist nicht das erste Mal, dass er diese Worte zu mir spricht, weil ich mich weigere, seinen Blick einzufangen. Aber jetzt hält mich so viel mehr davon ab, ihm in die Augen zu sehen, als die Ähnlichkeit mit dem König, der meinen Vater getötet hat. Da ist Verrat. Da ist Schmerz. Eine Geschichte, die von den Königen, die sie schreiben, nicht leicht zu vergessen ist.

Aber dieser vertraute Unterton in seiner Stimme sorgt dafür, dass ich das Kinn hebe und den Blick von seinem verknitterten Kragen losreiße, um ihm in die Augen zu sehen.

Grün. So wie sie immer waren und immer sein werden. Er sieht mich an, und ich sehe ihn an. Eine Kriminelle ohne Vater, und ein Sohn, der immer versucht hat, dem seinen zu gefallen. Genau wie es immer war und immer sein wird.

Und zum ersten Mal seit der Schlacht in der Schüssel sehen wir uns wirklich.

Seine Lippen verziehen sich zu etwas, das zu ernst wirkt für ein Lächeln, zu sanft für eine mürrische Miene. Als wäre er der Inbegriff des Formidablen. »Die zukünftige Königin von Ilya beugt ihr Haupt vor niemandem.«

Mein Mund wird trocken angesichts dieser Worte, als sich der gesamte Hof vorlehnt, um sie zu verstehen. Ihr Unglaube ist mit Händen greifbar, verbindet sich mit dem Nebel der Verwirrung, der uns umwabert. Die Blicke aus Dutzenden Augenpaaren kribbeln auf meiner Haut, starren die Narbe auf meinem Hals an und das Blut auf meiner Haut. Sie nehmen diese neue Version der Silbernen Retterin in sich auf; diejenige, die genau das abgeschnitten hat, wofür ihr dieser Titel verliehen wurde. Mein kurzes Haar kann nicht verbergen, wie offensichtlich gebrochen mein Körper ist.

Die Hofschranzen nehmen alles in sich auf, was sie aus meiner Erscheinung ablesen können. Ich bin eine Seherin, die nicht wahrsagen kann. Eine Gewöhnliche, der es irgendwie gelungen ist, die Säuberungsspiele zu überleben, die Verrat begangen und ihren König getötet hat und trotzdem vor ihnen steht, entgegen jeder Wahrscheinlichkeit am Leben.

Ich höre den Tod in den dunkelsten Tiefen meines Geists flüstern. In dem Teil meines Hirns, der meinen Niedergang akzeptiert hat, sobald ich verstanden hatte, was es bedeutet, in diesem Königreich machtlos zu sein. Jetzt nennt er mich Königin, und alles, was ich höre, ist Lachen.

Denn mein Schicksal könnte sich als schlimmer herausstellen als der Tod.

»Löse ihre Fesseln«, befiehlt der König lässig.

Als ich schwielige Hände an meiner Haut spüre, stockt mir der Atem.

Kai.

Ich reiße den Kopf herum, weil ich mich einfach nicht davon abhalten kann. Unfähig bin, mich dem brennenden Drang zu widersetzen, ihn anzusehen.

Aber es sind nicht seine grauen Augen, in die ich blicke. Nein, diese hier sind braun, verschleiert von reinem Hass. Das sind nicht die Augen, nach denen ich in jeder Menschenmenge Ausschau halte. Nicht die Augen, die jede Sommersprosse auf meiner Nase gezählt haben, jeden Schauder meines Körpers bemerkt haben.

Ich keuche unter dem Blick des Imperialen, der im Mohnfeld so achtlos die Kette von meinem Fuß gesprengt hat. Er ist für jeden Tropfen meines verpesteten Bluts verantwortlich, das diesen Marmorboden besudelt. Auch jetzt, da er an der Kette um meine Handgelenke zerrt, ist er grob genug, um die Haut darunter noch weiter aufzureißen.

Tränen brennen in meinen Augen, aber ich halte sie mit einem Blinzeln zurück. Ich schüttele angesichts meiner Schwäche leicht den Kopf und beiße mir auf die zitternde Lippe, die ebendiese Schwäche verrät. Mein Blick huscht durch den Raum, und mein Körper bebt vor Schmerzen, während ich nach ihm suche. Verzweifelt sehe ich von einem unbekannten Gesicht zum nächsten.

Verdammt soll die Täuschung sein. Die Heimlichkeit. Verdammt soll alles sein außer ihm und uns und diesem Moment, in dem ich ihn brauche.

Aber ich kann ihn nirgendwo entdecken. Und zum ersten Mal, seit ich ihm in der Beutegasse dieses Geld gestohlen habe, fühle ich mich vollkommen allein.

Das Schloss klickt. Die Handschellen öffnen sich.

Sie fallen klirrend zu Boden und hinterlassen dort eine Spur aus Blut. Das Geräusch hallt durch den prunkvollen Raum. Es klingt endgültig. Spricht von einer Freiheit, die ein Preisschild trägt.

»Viel besser.«

Ich reiße den Blick von der starrenden Menge los und sehe den König an, der freundlich lächelt. Ich reibe mir die wunden Handgelenke, als ich beobachte, wie Kitt die Hand ausstreckt, die momentan nicht dieses schwarze Etui hält, das ich bewusst ignoriere. Ich blinzele auf seine Handfläche hinunter, auf diese Geste des Wohlwollens. Diese Berührung, die eine Verräterin von der zukünftigen Königin trennt.

Als ich dem König ins Gesicht sehe, nickt er mir beruhigend zu. Aber in seinem Blick liegt auch eine Ermahnung – ich habe bei alledem kein Mitspracherecht.

Als meine dreckige Hand also seine Finger voller Tintenflecken findet, erlaube ich ihm, mich näher zu sich zu ziehen.

Ich frage mich, ob er es wohl kaum ertragen kann, die Hand zu halten, die ein Schwert in die Brust seines geliebten Vaters gestoßen hat – ganz zu schweigen davon, dass er einen Ring auf den Finger schieben soll, von dem einst das Blut des Königs getropft ist. Wie als Reaktion auf meine rasenden Gedanken drückt er leicht meine Hand. Die Geste ist tröstend gemeint, doch sie verängstigt mich mehr als jede Drohung.

»Wir Ilyaner dachten, wir hätten die Seuche vor vielen Jahrzehnten besiegt.« Kitts Stimme hallt durch den Raum, absichtsvoll und auf eine Weise gebieterisch, von der ich weiß, dass er sie von seinem Vater gelernt hat. »Ja, unsere Fähigkeiten sind ein Geschenk der Seuche, aber wir haben ihr damit auch ins Gesicht gespuckt. Denn es sind die Eliten, die durch eine Krankheit stärker geworden sind, die uns eigentlich hätte töten müssen. Es sind die Eliten, die ihre Stärke in den Säuberungsspielen zur Schau stellen.«

Zustimmendes Murmeln füllt den Raum, gefolgt von einer Welle stolzen Nickens. Ich beiße mir auf die Zunge, weil Wut in mir aufsteigt, so heftig, dass meine Wangen brennen. Ich bin nicht mehr als ihre gewöhnliche Unterhaltung, ein Beispiel für Schwäche. Ich wurde auf ein Podest gestellt, um gepiekt und untersucht zu werden, erniedrigt und beschämt.

»Aber wir Eliten waren nicht die Einzigen, die die Seuche überlebt haben, oder?«

Seine Frage sorgt dafür, dass meine Wut erkaltet, mein Mund trocken wird. Die Zeit scheint sich zu verlangsamen, als ich mich ihm zuwende, um gebannt an seinen Lippen zu hängen.

»Nein, da waren auch die Gewöhnlichen«, fährt er ruhig fort. »Die Ilyaner, die genauso darum gekämpft haben, am Leben zu bleiben, aber dafür nicht mit Fähigkeiten belohnt wurden. Stattdessen wurden sie, nach Jahren der Koexistenz mit den Eliten, verbannt und werden immer noch für ihren Mangel an Macht gejagt.«

Schweiß befeuchtet die Hand, die seine Finger hält. Mein gesamter Körper erstarrt, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich auf mein Urteil oder meine Erlösung warte.

Der König – der Kitt, den ich einst kannte – lässt die grünen Augen über seinen Hofstaat gleiten. Blondes Haar steht zwischen den Wirbeln seiner goldenen Krone heraus, leuchtet um seinen Kopf wie ein Heiligenschein. Wenn er spricht, klingt er getragen. Ruhig. Erfahren. »Und wenn wir wollen, dass unser Königreich groß bleibt, dann werden wir die Gewöhnlichen wieder darin willkommen heißen.«

Meine Knie drohen nachzugeben, aber Kitt hält mich aufrecht. Es ist, als hätte er damit gerechnet und meine Hand ergriffen, nur um zu verhindern, dass ich bei seinen Worten zusammenbreche. Die Gesichter um mich herum verschwimmen. Münder bewegen sich, Hände werden protestierend in die Luft gerissen. Aber ich höre nichts, sehe nichts, spüre nichts außer diesen Moment und die Hoffnung, die jeden weiteren Augenblick erfüllt.

Kitts Lippen bewegen sich erneut, durchdringen das Brüllen der Menge und das Rauschen in meinen Ohren. »Ich werde all Eure Bedenken zu gegebener Zeit ansprechen. Aber, um Euch zu beruhigen, werde ich mich kurz erklären. Seit ich auf dem Thron meines Vaters sitze, ist mir klar geworden, auf welche Misere Ilya sich zubewegt.« Er nickt einer Gestalt in der Menge zu und fährt fort: »Calum war einst mein Gefangener. Ein Anführer des Widerstands, den ich für radikal gehalten habe.«

Mein Herz macht einen Sprung, und mein Blick huscht verzweifelt über die Menge, bis …

Da steht er, mitten zwischen den Leuten. Calum spürt meinen Blick und nickt mir bedächtig zu. Ich presse die Lippen aufeinander, kämpfe gegen das strahlende Lächeln, das ich ihm schenken will. Stattdessen formuliere ich meine tiefe Dankbarkeit in meinem Kopf, weil ich weiß, dass er das Chaos darin wahrscheinlich gerade liest.

Kitt spricht weiter, bringt damit das Murmeln zum Schweigen, das sich erneut erhoben hat. »Aber je länger ich ihn wegen seiner verräterischen Handlungen befragt habe, desto mehr hat er mich über mein eigenes Königreich gelehrt. Unsere Ressourcen stehen kurz vor dem Versiegen dank mehrerer Jahrzehnte in vollkommener Isolation. Unsere Grenzen bieten nicht genug Platz für die zunehmende Bevölkerung in den Slums, und die Aufzeichnungen zeigen, dass sich unsere Lebensmittelversorgung seit Jahren bedrohlich verringert.«

Der König spricht ruhig von Ilyas bevorstehendem Niedergang, als hätte er jede Sekunde seit meiner Flucht damit verbracht, sich mit den Problemen zu beschäftigten, die sein Vater ihm hinterlassen hat. Meine Gedanken schießen zurück zu diesem Moment in der Senge, als ich Kai die Wahrheit über die Zerbrechlichkeit des Königreichs vor die Füße gespuckt habe. Ich habe mein gesamtes Leben hungrig in den überfüllten Slums verbracht. Es überrascht mich nicht, dass die Berichte den Mangel bestätigen, den ich am eigenen Leib erfahren habe.

»Dor und Tando betreiben weder Getreide- noch Viehhandel mit uns und lassen uns auch nicht an ihrem Wissen teilhaben, wie man sich an die Sengende Wüste anpasst.« Kitt lässt den Blick über die entgeisterte Menge gleiten. »Ohne sie können wir weder expandieren noch essen. Izrams See, das Seichte Meer, ist über die Jahre immer heimtückischer geworden. Selbst die Fische darin scheinen vor unseren Grenzen zurückzuschrecken.« Seine Stimme bekommt etwas Getragenes. Ich hänge an jedem seiner Worte. »Wenn wir unsere Grenzen nicht öffnen und allen Gewöhnlichen wieder erlauben, unter uns zu leben, wird dieses Elite-Königreich fallen.«

Rufe hallen durch den Saal, bevor der König sie allein mit Argumenten zum Schweigen bringt. »Die uns umgebenden Städte werden nicht mit uns handeln, wenn wir eine reine Elite-Gesellschaft bleiben. Als mein Vater vor drei Dekaden die Säuberung eingeleitet hat, hat Ilya jeden Kontakt zu Dor, Tando und Izram abgebrochen. Sie haben unsere Ressourcen genauso verloren wie wir die ihren. Und diese zerstörten Beziehungen werden sich nicht einfach wiederherstellen lassen. Diese Königreiche halten inzwischen sehr wenig von Eliten.«

Wärme breitet sich in meiner Brust aus, als Ausdruck eines Gefühls, das mir so fremd ist, dass ich es fast nicht als Hoffnung erkannt hätte. Aber ich habe die Feindseligkeit von Dor aus erster Hand erlebt, habe ihre Abscheu gegenüber den Eliten geteilt. Sie hassen die Eliten nicht, weil sie Macht besitzen, sondern wegen der Art, wie sie diejenigen ohne Fähigkeiten behandeln. Und nach Jahrzehnten selbstgerechter Isolation wird eine allumfassende Geste des guten Willens von Ilya nötig sein, um Frieden zu schließen.

Ich schwanke erneut auf den Beinen.

Diese Geste des guten Willens bin ich.

Ich fühle mich benommen, sodass ich das Schicksal, das mich erwartet, kaum verarbeiten kann. Als Gewöhnliche war ein vereintes Ilya der Inbegriff dessen, worauf ich gehofft habe. Mein Zuhause – ein Ort, an dem ich nicht mehr vorgeben musste, etwas zu sein, das ich nicht bin, um am Leben zu bleiben. Aber diese skeptische Stimme des gebrannten Kindes in mir erklärt, dass Kitt das auf keinen Fall wollen kann. Nicht wenn sein Vater alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Gewöhnlichen auszurotten.

»Und was Paedyn Gray angeht …« Der Klang meines Namens reißt mich zurück in die verwirrende Realität. »Ihr Verrat ist nicht so, wie er erscheint. Unser Bund wird als Friedensangebot an die umgebenden Königreiche dienen. Diese vertrauensvolle Geste wird die Gewöhnlichen wieder in Ilya willkommen heißen und so hoffentlich unsere Nachbarn dazu verlocken, den Handel mit gastfreundlichen Eliten wiederaufzunehmen.« Kitt lächelt. »Unsere Eheschließung wird den Beginn meiner Herrschaft markieren und das stärkste Ilya schaffen, das es je gegeben hat.«

Ich analysiere jedes Wort, hänge an jeder seiner Silben, um aus alledem schlau zu werden. Dann dreht er sich zu mir um, und mein Kopf wird leer, als er diesen Ring aus dem Samtetui zieht. Einen verängstigten Moment lang bin ich überzeugt, dass er mein schweres Schlucken hört und die Panik erkennt, die in meinen Augen brennt.

Und da wird sein Blick sanft, und ich sehe meine Reflexion darin.

Alle Ängste, jegliches Unbehagen. Er gibt all das und mehr preis. Denn dieser Ring zwischen seinen zitternden Fingern repräsentiert alles, was man ihn zu hassen gelehrt hat. Und doch steht er hier, handelt im direkten Widerspruch zum Willen seines geliebten Vaters, um dieses Königreich zu retten.

Also erlaube ich ihm, meine linke Hand zwischen uns zu heben. Erlaube ihm, diese Bereitschaft zu sehen, die jede Sorge tilgt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich den Unterschied ausmache, wie ich es mir immer erträumt habe, selbst wenn die Gründe des Königs nicht die meinen sind. Er will nur um jeden Preis sein Königreich retten, während ich ihm meine Hand allein für ein vereintes Ilya reiche.

Ich bin das Opfer, für das Gewöhnliche geblutet haben und gestorben sind.

Ich bin die Macht, die ihnen fehlt.

Der Ring zittert über meinem eingerissenen Fingernagel. Er sieht mich an, um meine Erlaubnis einzuholen.

Jeder Augenblick meines Lebens hat diesem Moment entgegengestrebt. Diesem kurzen Moment des Muts.

Ich nicke. Und er schiebt den Ring auf meinen Finger.

2

Kai

Ich dachte, ich hätte Qual gekannt, bis der Ring um ihren Finger liegt.

Nein, Qual ist offensichtlich, und sie glänzt auf ihrer gebräunten Haut.

Mit leerem Blick starre ich auf das Symbol, das mein Bruder auf ihren Finger geschoben hat. Es ist bindend. Es ist endlos. Es ist mein Verderben.

Ein Lachen droht über meine tauben Lippen zu dringen. Es ist ja nicht so, als hätte sie nicht versprochen, mein Ruin zu werden, als wäre sie nicht bereits mein Niedergang. Sie ist das Zerstörerischste, nach dem ich mich je gesehnt habe … und doch ist es der Diamantring an ihrem Finger, der mich vernichten wird.

Ich beobachte Paedyn durch Lücken in der gaffenden Menge, so wie ich es für den Rest meines Lebens tun werde. Ich werde gezwungen sein, meine Tage in ihren Diensten zu verbringen, niemals an ihrer Seite. In ihrem Schatten, aber nie wirklich sichtbar. Erfüllt von Liebe zu einer jungen Frau, vor der ich mich schon verbeugt habe, lange bevor sie meine Königin wurde.

Kitt tritt zur Seite und ermöglicht dem Hof so einen guten Blick auf seine Verlobte. Ihr gekürztes Haar gleitet bei jeder Kopfbewegung über ihre Schultern. Silber trifft auf gebräunte Haut, gleitet über die Narbe an ihrem Hals, bis es glänzt wie die scharfe Spitze einer Klinge. Ihre blauen Augen huschen über die Menge, suchend und schnell und unendlich unsicher.

Ich trete hinter eine der vielen Marmorsäulen im Saal, weiche vielleicht zum ersten Mal ihrem stechenden Blick aus. Bisher war ich immer bereit, in diesen meerblauen Augen zu versinken. Aber jetzt, da sie nicht mehr der Anker ist, an den ich mich im Sinken klammere, will ich nicht mehr an das Ertrinken denken.

Fragen erheben sich flüsternd im Raum, jede davon fast eine Anklage. Ich verschmelze mit dem Chaos, lausche, wie der Hofstaat meine persönliche Verwirrung in Worte fasst. Denn das war wirklich das letzte Urteil, das ich aus Kitts Mund erwartet hatte. Und er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, mich vorher darüber zu informieren.

Ich dehne meinen Nacken, fühle quasi, wie die gefühllose Maske des Vollstreckers angesichts der Wut dahinschmilzt, die darunter kocht. Die Fähigkeiten all der Leute in diesem Raum drängen auf mich ein, flehen danach, freigegeben zu werden. Wut ist eine zu gefährliche Emotion, um sie mir zu gestatten. Sie trübt meine Sinne und verstärkt meine Borger-Fähigkeit, bis ich nichts anderes mehr spüren kann als die Macht, die unter meiner Haut pulsiert.

Aber ich kann niemandem die Schuld dafür geben als mir selbst. Ich bin das Biest, das sie diesem Verderben ausgeliefert hat. Und ich fürchte, ich könnte mich zu etwas noch viel Schlimmerem entwickeln, wenn ich nicht mehr versuche, mich ihr würdig zu erweisen.

Ein Mann schreit neben meinem Ohr, wedelt so impertinent mit der Hand, dass ich darüber nachdenke, ihm die Finger zu brechen. Oder noch besser, ich werde mir seine Brenner-Fähigkeit ausleihen und ihm die lästernde Zunge aus dem Mund brennen.

Zum großen Glück dieses Mannes hallt Kitts Stimme über die Schreie, bevor ich etwas Überstürztes tun kann. »Ich werde alle Fragen in einer formellen Sitzung beantworten, deren Termin bald bekannt gegeben wird. Und danach werden wir den umgebenden Königreichen unsere Verlobung verkünden.«

Verlobung.

Ich fühle mich, als würde der Boden unter mir einstürzen. Wieso sind wir nicht einfach im Mohnfeld geblieben? Ich würde den Rest meines Lebens damit verbringen, ihr Kronen aus Blumen anzufertigen, wenn sie Königin sein möchte. Meine Königin. Nicht die von Kitt. Nicht Ilyas Königin. Meine.

Mein Blick huscht über ihren Körper, registriert jede ihrer Bewegungen. Kitt entlässt den Hof, bringt alle Gespräche mit einer Geste zum Schweigen. In diesem Moment sehe ich unseren Vater. Es ist, als wäre er derjenige, der vor dem Hof steht, und Kitt ist nur sein Schatten.

Dieser König ist nicht der Mann, den ich vor vierzehn Tagen zurückgelassen habe.

Dieser König ist ruhig und gefasst und sich jeder seiner Handlungen bewusst.

Aber wie immer gleitet mein Blick wieder zu Paedyn. Jetzt durchquert sie mit steifen Bewegungen den Raum, den Blick starr nach vorne gerichtet, auf die Zofe, die neben der hohen Doppeltür mehrere Meter vor ihr auf sie wartet. Jeder ihrer Schritte durch die Menge wird von höhnischen Kommentaren begleitet. Dutzende angewiderter Gesichter schieben sich in ihren Weg, werden mit jeder Sekunde dreister. Ich habe mich bereits in Bewegung gesetzt, als der erste Mann ihr den Weg versperrt.

Er lehnt sich vor, um seine vulgäre Beleidigung zu flüstern, und ich bemerke durchaus, dass kleine Speicheltropfen ihre Sommersprossen treffen. Ich stoße den Mann so heftig zur Seite, dass ich mich frage, ob ich mir unbewusst eine Bullen-Fähigkeit ausgeliehen habe. Diese Unbesonnenheit sorgt dafür, dass ich mich plötzlich zwischen Paedyn und diesem Mann wiederfinde, der offensichtlich an Todessehnsucht leidet. Ich trete noch einen Schritt vor, sodass ich hoch über ihm aufrage, und ignoriere die gaffende Menge um mich herum. Denn die Wahrheit lautet, dass es mich nicht im Geringsten interessiert, was dieser Hofstaat von mir hält. Und mein Ruf kann auf keinen Fall noch schlimmer werden.

»Wenn du sie nur noch einmal auch nur deinen Atem spüren lässt«, knurre ich, »werde ich dafür sorgen, dass es dein letzter Atemzug ist.«

»Nein.«

Ihre Stimme durchschneidet meine wutwilden Gedanken, gleitet über mich hinweg, als reiche schon ihre schiere Gegenwart aus, um mich zu beruhigen. Paedyn tritt neben mich, den Blick unverwandt auf den jetzt bleichen Mann gerichtet. »Nein«, wiederholt sie mit tödlich ruhiger Stimme. »Ich werde diejenige sein, die dafür sorgt, dass dein nächster Atemzug, mit dem du mich oder Leute wie mich beleidigst, der letzte sein wird, der dir je vergönnt ist. Ich, eine Gewöhnliche, werde es sein, die deinem Elite-Leben ein Ende setzt.«

Sie starrt ihn an, als wäre es Teil ihrer Natur, Respekt einflößend zu sein. Meine Ohren rauschen in der plötzlichen Stille des Thronsaals. Alle Augen sind auf sie gerichtet, als die Leute mit offenem Mund starren.

Die zukünftige Königin hat gerade ihr erstes Machtwort gesprochen.

Dieser verdammte Ring wird ihr noch vom Finger rutschen, weil ihre Hände so sehr zittern.

Ich folge ihr durch die Doppeltür, fliehe aus dem stickigen Thronsaal und vor dem tratschenden Hofstaat darin. Sie eilt mit schnellen Schritten durch die opulenten Flure, und ich kann mir nur ausmalen, wie fehl am Platz wir in dieser smaragdgrünen Pracht wirken. Der Vollstrecker – halb nackt und mit unzähligen Verbänden – und die Verlobte des Königs – verschmiert mit Blut und Dreck.

»Paedyn«, rufe ich und schreite weiter aus.

Das sorgt nur dafür, dass sie um die nächste Ecke eilt. Seufzend versuche ich es noch mal. »Pae. Warte.«

Sie stoppt abrupt. Zitternd. Selbst aus der Ferne kann ich das Beben ihrer Schultern erkennen, ihren keuchenden Atem hören. Sie stemmt stützend eine Hand gegen die Wand. Ich will gerade erneut nach ihr rufen, als sich hinter uns Leute in den Flur ergießen.

Dreck.

Ich muss mir schnell etwas einfallen lassen, muss Paedyn hier wegbringen, bevor der gesamte Hofstaat seine zukünftige Königin, um Luft ringend, im Flur entdeckt. Die Seuche weiß, dass sie ihre Panik auf ihr schwaches gewöhnliches Blut schieben würden.

Mein Blick landet auf einer Tür in derselben Wand, an der Paedyn gerade lehnt, und ich tue das Einzige, was mir einfällt.

»In Ordnung, hoch mit dir«, murmele ich, bevor ich einen Arm unter ihre Beine schiebe und mir den Rest ihres Körpers über die Schulter werfe.

Das erregt ihre Aufmerksamkeit. Es ist, als hätte ich ein schlafendes Monster geweckt. »Was zur Hölle …?« Sie windet sich in meinem Griff, vergräbt die Fingernägel in der nackten Haut meines Rückens. »Lass. Mich. Runter.«

Ich eile zur Tür, verfolgt von unzähligen Stimmen. »Verlockend, aber ich bin gerade zu sehr damit beschäftigt, dir den Hintern zu retten.« Sie kann das leise Grinsen nicht sehen, das meine Lippen verzieht, aber sie hört es sicherlich in meiner Stimme, als ich hinzufüge: »Und wo wir gerade von Hintern reden, wie ist die Aussicht da hinten, Gray?«

»Widerlich«, stößt sie hervor.

Ich reiße die Tür auf und betrete den Raum. »Du weißt, dass ich deinen linken Fuß zucken sehen kann, richtig?«

Ihre Antwort besteht aus einem unverständlichen Grollen gegen ihr verräterisches Körperteil, bevor ich fast ihren hängenden Kopf gegen die Tür geschlagen hätte, als ich diese schließe.

Dunkelheit senkt sich über den kleinen Raum.

Ich stelle Paedyn sanft vor mir ab, fühle ihren Atem auf meiner erhitzten Haut. Meine Hände verweilen an ihrer Gestalt. Meine schwieligen Handflächen bleiben am dünnen Stoff ihres Hemdes hängen, ziehen ihn nach oben, als meine Hände über ihre Hüften gleiten. Ich kann ihren Körper in der Finsternis nicht erkennen, also werde ich mich einfach damit zufriedengeben müssen, ihn zu spüren.

»Wo sind wir?« Ihre Stimme klingt auf eine Weise atemlos, die dafür sorgt, dass ich sie fester halte.

»Vermutlich in einer vergessenen Abstellkammer«, murmele ich. »Wir konnten doch nicht zulassen, dass der gesamte Hofstaat seine zukünftige Königin vollkommen aus der Fassung sieht, oder?«

Die Worte waren als Scherz gemeint, aber sie dringen bitter und scharf über meine Lippen. Und das bereue ich in dem Moment, als ich fühle, wie sie unter meinen Händen erbebt. »Hey«, sage ich sanft und ziehe am Saum ihres Hemdes, bis sie näher zu mir stolpert. »Rede mit mir.«

Ich kann jeden ihrer zitternden Atemzüge an meiner Brust spüren. Und einfach so verpufft die Ablenkung, die ich ihr geboten habe. Sie verliert erneut die Fassung. Ihre Stimme bricht genau wie ihre sorgfältig aufrechterhaltene Fassade. »Ich … ich kann das nicht. Ich will das nicht.« Ich fühle ihr heftiges Kopfschütteln. »Ich war bereit zu sterben. Ich war bereit, als Letztes in meinem Leben dich zu sehen und jetzt …«

»Sag das nicht«, stoße ich hervor, falle ihr ins Wort, bevor sie weitere meiner eigenen Ängste aussprechen kann. »Das hätte ich niemals zugelassen. Ich habe versprochen, das in Ordnung zu bringen. Und das werde ich.«

»In Ordnung bringen?« Ihr Lachen ist kaum mehr als ein Keuchen. »Kai, hier geht es nicht mehr um Leben und Tod. Hier geht es …« Als ihr Atem stockt, weiß ich, dass sie ihre zitternden Finger gerade über den Ring gleiten lässt. »Hier geht es um ›Bis dass der Tod uns scheidet‹.«

Erneut wallt diese Wut auf, schlägt in Wellen über mich hinweg. Denn sie sollte mein Tod sein, nicht das Leben eines anderen. Ich wurde dazu geschaffen, sie in dieser Welt anzubeten und ihr ins Jenseits zu folgen. Aber jetzt ist sie an einen König gebunden, und ich bin nicht mehr als ihr Killer.

Ich taste nach ihren Händen, in dem verzweifelten Drang, sie so lange zu halten wie möglich. »Konzentrier dich auf diesen Ring«, dränge ich und drehe das schlichte Band an ihrem Daumen. »Den deines Vaters, nicht den meines Bruders. Bis ich eine Lösung gefunden habe, dreh ihn um deinen Daumen, wie du es immer tust. Lenk dich ab.«

Ich spüre ihren Körper erzittern, weil sie heftig nickt. Dann dreht sie diesen Ring, auf der verzweifelten Suche nach einem Hauch von Trost. »Aber er gehört nicht meinem Vater. Nicht wirklich.« Ihre Stimme erbebt unter dem Gewicht dieser Worte. »Alles, was ich dachte, über mein Leben zu wissen, war eine Lüge. Und jetzt wird von mir erwartet, dass ich neben jemandem lebe, von dem ich dachte, er wolle mich tot sehen?«

Ich schüttele den Kopf, weil ich nicht weiß, wie ich ihr helfen soll, ihren Frieden mit der plötzlichen Erkenntnis zu machen, wie sie zu Adam Grays Tochter wurde. Nicht durch Blut, sondern durch Zufall und das Desinteresse von Fremden. Ich bin nutzlos, wenn es darum geht, gegen diese Verwirrung und diesen Schmerz vorzugehen.

»Ich verstehe nichts von alledem«, fährt sie eilig fort. »Inzwischen sollte ich tot sein. Jede Person in diesem seuchenverdammten Königreich will mich tot sehen, nicht auf einem Thron.« Sie seufzt in den Schatten, und ich spüre, wie ihr Atem über meine Haut gleitet. »Aber Kitt hat recht. Die Königreiche werden nicht mit uns Handel treiben, wenn Ilya die Gewöhnlichen nicht wieder in seinen Grenzen willkommen heißt. Du hast gesehen, wie sehr sie in Dor die Eliten hassen.« Ich spüre ein kurzes Kopfschütteln. »Ich habe mir mehr als alles andere ein vereintes Ilya gewünscht, selbst wenn der König unseren Forderungen nur widerwillig folgt. Aber …«

»… die Eliten werden nicht einfach eine Gewöhnliche als Königin akzeptieren«, beende ich den Satz für sie. »Oder auch nur die Vorstellung, dass Gewöhnliche frei in Ilya leben.«

Es folgt ein Moment der Stille, bevor erneut Worte über ihre Lippen dringen, die ich nicht sehen kann, deren Form aber in mein Herz eingebrannt ist. »Ich dachte, Kitt wäre labil. Ich dachte, er wäre in Trauer versunken und wütend.« Ein zitternder Atemzug. »Ich dachte, er würde dir in dem Moment, in dem ich den Thronsaal betreten hatte, befehlen, mir ein Schwert in die Brust zu rammen.«

»Das dachte ich auch«, murmele ich. »Und ich war darauf vorbereitet, ihn tief zu enttäuschen.«

Ich kann den Schmerz in ihrer Stimme hören. »Kai …«

»Pae. Ich hatte keine Ahnung, dass er das vorhatte.« Schmutzige Finger gleiten durch meine zerzausten Strähnen. »Ich habe über die Jahre einiges über Ilyas Probleme erfahren. Und zwar einfach deswegen, weil ich mehr Zeit in Beute verbracht habe als irgendwer sonst im Palast. Du hast in der Senge meine Vermutungen bestätigt über den Mangel an Nahrung und Raum. Aber mir war nicht bewusst, dass die Lage so ernst ist.«

Ich kann spüren, wie sie diesen Ring an ihrem Daumen dreht.

»Du hast gesagt, er wäre nicht er selbst gewesen, als du aufgebrochen bist«, meint Paedyn leise. »Er hat getrauert. Die Leute haben etwas über Wahnsinn geflüstert.« Die nächsten Worte klingen wie ein Nachgedanke aus den Tiefen ihres Hirns. »Was hat sich verändert?«

»Ich weiß es nicht.« Meine Gedanken wandern zurück zu den Papierstapeln auf seinem Schreibtisch, den tintenbefleckten Händen, die darin herumgegraben haben. »Ich weiß es nicht.«

Für einen Moment übernimmt die Dunkelheit im Raum das Reden für uns, wirbelt um uns herum und erfüllt unsere Ohren mit dumpfem Rauschen, bevor ich erneut am ausgefransten Saum von Paes Hemd ziehe. Sie presst ihren Körper an meinen, was mich mit Erleichterung erfüllt. Bis sie leise zugibt: »Ich weiß nicht, ob ich das überleben kann.«

»Du hast bereits Schlimmeres überlebt«, erinnere ich sie streng. »Außerdem schienst du kein Problem damit zu haben, mit diesem Mann im Thronsaal klarzukommen.«

»Genau wie du«, hält sie dagegen. Ich kann mir lebhaft den harten Blick vorstellen, der diese Worte begleitet. »Du musst meine Kämpfe nicht für mich austragen.«

»Oh, Schatz«, murmele ich. »Das weiß ich. Aber wenn ich dein Vollstrecker sein soll, solltest du dich besser daran gewöhnen.«

Erneut spüre ich deutlich ihr heftiges Kopfschütteln. »Ich bin niemandes Königin.«

»Ach wirklich?« Meine Finger finden ihre Wange, um im Anschluss über ihren ebenmäßigen Nasenrücken zu gleiten. »Dann hast du keine Ahnung, wie viel Macht du über mich besitzt.«

»Du scheinst zu vergessen, dass ich vollkommen machtlos bin, Prinz.« Ihre Worte sind scharf, als wäre ihr Atem zu einer Klinge geworden, die sie an meine Kehle presst.

»Dann sei meine Schwäche.«

»Du weißt, dass ich jetzt mit deinem Bruder verlobt bin«, flüstert sie, wobei ihre Lippen gefährlich nah vor meinen schweben.

Ich schlucke, dann sage ich bestimmt: »Für den Moment.«

»Für immer«, stößt sie heftig hervor. »Ich glaube nicht, dass es einen Ausweg gibt. Wenn das, was Kitt im Thronsaal gesagt hat, wirklich stimmt, dann hängt davon die Zukunft von Ilya und den Gewöhnlichen ab.«

Ich senke den Kopf, bis meine Stirn an ihrer liegt. »Ich bin zu selbstsüchtig, um dich einfach so gehen zu lassen.«

»Dann tu so.«

Mein Daumen gleitet träge über ihre Unterlippe. »Heißt das, ich muss dich jedes Mal in eine Abstellkammer zerren, wenn ich dich berühren will?«

Ich spiele mit ihr, wobei ich versuche, den bitteren Geschmack zu ignorieren, den jedes Wort in meinem Mund hinterlässt. Ich weigere mich, zuzulassen, dass dies ihr Schicksal wird … und doch krampft Furcht mein Herz zusammen, noch während ich sie aufziehe. Denn wenn sie wirklich Kitts Ehefrau wird, werde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, sie zu betrauern.

Also lenke ich ab. Lenke unsere Gedanken in eine andere Richtung. Aber gleichzeitig verzehre ich mich mehr nach ihr als jemals zuvor, für den Fall, dass dies das letzte Mal ist.

Ich höre ein schwaches Lächeln in ihrer Stimme. »Du sollst mich gar nicht berühren.«

»Aber du könntest es mir befehlen«, meine ich gedehnt. »Dann würde ich einfach einen Befehl befolgen.«

Sie stößt ein hauchendes Lachen aus, und ich präge mir das Geräusch ein.

Ihre Arme schlingen sich um meinen Hals, und ich frage mich, ob sie auch Kitt so halten wird.

Ihre Nasenspitze presst sich an meine, und ich flehe stumm darum, dass sie nie jemand anderem gegen die Nase schnippen wird.

Ihre Lippen haben meine kaum berührt, als die Tür aufgerissen wird.

3

Paedyn

»Es war nicht das, wonach es aussah.«

Ein leises Seufzen. Ein Nicken, das den unordentlichen Dutt auf ihrem Kopf zum Wippen bringt. »Wie ich schon sagte, ich habe keine Ahnung, wie es ausgesehen hat, weil ich nichts gesehen habe.«

»Ellie«, stoße ich genervt hervor. »Du weißt genau, was du gesehen hast.«

Sie streicht sich eine lose Strähne hinters Ohr, als könne das von dem leisen Lächeln ablenken, das ihre Lippen umspielt. »Ich wollte nur einen Besen holen, und genau das habe ich getan.« Als wollte sie ihre Unschuld beweisen, hebt sie den besagten Besen und geht dann weiter den Flur entlang. Ich folge ihr.

Ich bin froh, dass meine Zofe ein schnelles Tempo vorlegt, sodass die Gesichter der Personen im Korridor verschwimmen, während die kühle Luft die Röte in meinen Wangen beruhigt. Mein Hirn hängt immer noch an dem Moment fest, an dem die Tür aufgeschwungen ist, um den Vollstrecker und seine zukünftige Königin umschlungen in der Dunkelheit zu enthüllen. Wir sind sofort auseinandergesprungen, aber Ellie hatte genug gesehen, um die braunen Augen aufzureißen.

Und doch droht ein Lächeln meine Lippen zu verziehen. Ich presse die Hand auf den Mund, bevor es sich verstärken kann, denn je länger ich über diesen peinlichen Moment nachdenke, desto witziger erscheint er mir. Tatsächlich liegt mein gesamtes Leben in Scherben, und ich kann nichts anderes tun, als die gezackten Bruchstücke in meinen Händen anzusehen und zu lachen. Ich wage nicht, in einen Spiegel zu sehen, denn was zurückstarren wird, ist ein Mosaik aus jedem Fehler, jeder Tragödie, die in meine Haut eingebrannt ist, und die drohenden Schatten zukünftiger Fehltritte.

Machtlos. Vaterlos. Adena-los. Bis jetzt habe ich darum gekämpft, diese Dinge zu überleben. Doch es ist dieser Ring an meinem Finger, der mich wahrscheinlich umbringen wird.

Ein gepresstes Lachen entkommt zwischen meinen Fingern, laut genug, damit mir Ellie einen besorgten Blick über die Schulter zuwirft. Ich folge ihr blind durch die Burg, von der ich immer dachte, ich würde sie nur als Gefangene wiedersehen. Meine Finger machen sich an dem kostbaren Band zu schaffen, das mich jetzt an einen anderen Mann bindet. Der Ring glänzt im Licht, harmlos wie ein Wort, das noch nicht von einer scharfen Zunge gebildet wurde.

Ich habe mich in der Zukunft an vielen Orten gesehen, aber niemals auf einem Thron. In einem Verlies, ja. Unter einer Schwertspitze, sicherlich.

Weil Gewöhnliche nicht herrschen. Sie weichen ängstlich zurück.

Der Ernst meiner Lage schlägt erneut über mir zusammen, als wir um eine weitere Ecke biegen. Diener starren; Imperiale werfen mir böse Blicke zu. Das Lachen bleibt mir in der Kehle stecken. Jedes Glücksgefühl verpufft angesichts meiner Zukunft.

Denn ich bin der Inbegriff der Schwäche. Ganz Ilya hasst mich. Und wenn ich auf ein Podest gestellt werden soll – und sei es, um das Königreich zu retten –, werden sie mich freudig stürzen.

Ellie hält vor einer Tür an, so abrupt, dass ich mir fast den Besenstiel in den Bauch ramme. Ich zwinge meine Gedanken wieder in die Gegenwart, während ich ihr in das makellose Zimmer folge.

Schon nach zwei Schritten wird mir klar, dass dies definitiv nicht die Gemächer sind, die ich während der Spiele bewohnt habe. Nein, vor mir erstreckt sich ein Prunk, von dem ich bisher nur geträumt habe.

Meine Füße stolpern über den flauschigen Teppichboden, als ich mit weit aufgerissenen Augen das größte Schlafzimmer anstarre, das ich je gesehen habe. Aufwendige Stuckornamente ziehen sich in Bögen um mehrere Fenster. Warmes Licht fällt durch die Scheiben auf den grünen Teppich. Es ist fast, als greife die Sonne nach mir.

Das Bett selbst nimmt einen Großteil der Wand zu meiner Rechten ein, die blumenbestickte Überdecke beschattet von dem Betthimmel darüber. Zusätzlich stehen ein Schreibtisch, eine Schminkkommode und ein Schrank im Raum verteilt, mit einigen weißen Teppichen, die größer sind, als ich mir je hätte ausmalen können.

Mein Blick gleitet langsam zu Ellie. »Was ist das für ein Raum, und wieso beschmutze ich ihn mit meiner Gegenwart?«

Sie schenkt mir ein schmales Lächeln. »Das sind natürlich die Gemächer der Königin. Nun ja, die neuen Gemächer. In den vorherigen Räumen lebt noch die Erinnerung an ihre verstorbene Majestät, Königin Iris.« Ihre Worte sorgen dafür, dass mir das Herz in die Hose sinkt und ich bleich werde. »Hier werdet Ihr wohnen. Ich hoffe, Ihr findet alles … zufriedenstellend?«

»Zufrie…« Ich atme einmal tief durch, bevor ich das Wort verwirrt wiederholen kann. »Ellie, es ist nicht so viel Zeit vergangen, dass du vergessen haben kannst, dass alles in diesem Palast über meinem normalen Lebensstandard liegt.«

Das Lächeln, das sie mir schenkt, wirkt hinterhältiger, als ich ihr zugetraut hätte. »Ich erinnere mich durchaus, wie Ihr an Eurem ersten Tag hier darüber informiert habt, dass Ihr vor Kurzem noch auf Müll geschlafen habt.«

Ich schlucke gegen die Trauer an, die in mir aufsteigt, und schenke ihr ein bedrücktes Lächeln.

Mein Herz verkrampft sich beim Gedanken an unser Fort. An den sicheren Rückzugsort, den Adena und ich in den Slums für uns errichtet hatten. Der Gedanke, dass ich ihn als Müll bezeichnet habe, sorgt dafür, dass mir schlecht wird. Doch für einen unbeteiligten Betrachter hat unser Fort wahrscheinlich genau so ausgesehen – und das war auch der Grund, warum es uns so viele Jahre schützen konnte.

Jetzt steht es wahrscheinlich leer. Kalt ohne Adenas Wärme und düster ohne ihr Strahlen.

Plötzlich steigt ein Bild von Sonne und Sand und ihrem blutigen Körper in meinem Schoß in mir auf. Ich blinzle, um die Erinnerung zu vertreiben, sowohl an ihren letzten, rasselnden Atemzug als auch an die Schreie der blutrünstigen Ilyaner, die in der Schüssel unser Publikum waren.

»Paedyn?«

»Hmmm?« Ich reiße den Kopf herum, um festzustellen, dass Ellie mich besorgt mustert. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass ich wortlos zu Boden gestarrt habe. »Tut mir leid. Alles ist mehr als zufriedenstellend.«

Ich räuspere mich, dann trete ich tiefer in den Raum. Ich ignoriere das wahrscheinlich ebenso prunkvolle Bad, das sich zu meiner Linken öffnet, und finde stattdessen etwas Verlockenderes, auf das ich zuhalten kann.

Innerhalb von Sekunden stehe ich vor dem Balkon. Erst nachdem ich Ellie über die Schulter ein überdrehtes Lächeln zugeworfen habe, öffne ich die Glastüren und trete auf die gepflasterte Fläche.

Frische Luft gleitet durch mein Haar, während ich die Schönheit betrachte, die sich vor mir erstreckt. Aus dieser Höhe sind die Gärten atemberaubend schön. Blumenbeete ziehen sich an den gewundenen Wegen entlang, sodass überall Farben leuchten. Der Brunnen, an dem ich Kitt nass gespritzt habe, liegt in der Mitte von …

Kitt.

Mehr war er während der Spiele nicht für mich. Ein Prinz, ja. Vom reinen Aussehen her eine Kopie seines Vaters. Aber auch mein Freund. Ein Freund, den ich verraten habe und von dem ich dachte, er würde mich dafür – und für so vieles anderes – sicherlich töten.

Aber jetzt ist er noch viel mehr. Zuerst ein Freund, dann ein Feind, jetzt meine Zukunft.

Bei diesem Wort und den Implikationen dahinter überläuft mich ein Schauder. Ich wirbele auf dem Absatz herum und kehre zurück in meine Gemächer – die Gemächer der Königin –, wo Ellie geduldig auf mich wartet.

Ich schließe die Balkontüren, lehne mich mit einer Lässigkeit dagegen, die ich nicht empfinde und auch seit langer Zeit nicht mehr empfunden habe. »Wo ist die Königin? Ich meine, die … Königinwitwe?«

Ich verziehe angesichts meines Gestammels das Gesicht, aber Ellie – Engel, der sie nun einmal ist – antwortet, bevor ich mich noch mehr in meinen Worten verheddern kann. »Sie ist in den Westflügel umgezogen. Dort liegt die Krankenstation«, erklärt sie leise. »Aber selbst wenn sie nicht krank wäre, würde sie diese Gemächer nicht mehr bewohnen. Denn wie Ihr wisst, sind das die Gemächer der Königin, und …«

Ich stütze mich an der Glasscheibe hinter mir ab. »Und ich werde Königin sein.«

»Richtig.« Sie schenkt mir ein schwaches Lächeln. »Und ich fühle mich geehrt, Eure Kammerzofe zu sein. Natürlich nur, wenn Ihr mich wollt.«

Ich stoße ein entgeistertes Lachen aus, und es fühlt sich gut an. Es ist ein erhebendes Gefühl, dieses Beben zu spüren, das diesmal nicht Schmerzen entspringt. Ein anderes Geräusch auszustoßen als ein Schluchzen. »Ellie, wenn ich wirklich Königin werde, werde ich dafür sorgen, dass du niemals wieder auch nur einen Tag arbeiten musst.«

»Oh, Arbeit macht mir nichts aus. Sie hält mich beschäftigt«, gibt sie scheu zu. »Außerdem möchte ich Euch dienen.«

Zu meiner eigenen Überraschung dringt ein weiteres Lachen über meine Lippen, dieses bissiger als das letzte. »Wirklich? Nach allem?« Ich gehe ein Stück auf sie zu. »Du hast die Gerüchte gehört. Wahrscheinlich sogar die Wahrheit.«

»Ich bin mir sicher, Ihr hattet Eure Gründe«, meint sie leise, ohne mich anzusehen.

Ihre Antwort und die Welle der Erleichterung, die damit einhergeht, erschüttern mich. Ich schlucke schwer, weil ich mich vor der Frage fürchte, die ich gleich stellen werde. »Wieso hasst du mich nicht, wie der Rest von Ilya?«

Jetzt hebt sie den Blick, mustert mich eine Weile schweigend. »Der Rest von Ilya kennt Euch nicht.«

»Aber du schon?«, frage ich ein wenig zu schnell.

»Besser als die meisten. Man lernt viel über Leute, wenn man als ihre Zofe dient.« Dann geht sie zum Schminktisch, zieht den dazugehörigen Hocker heraus und klopft auffordernd auf das Polster. »Und jetzt kommt her und erlaubt mir, Euch zu säubern.«

Ich gehorche, unsicher und steif. Auf diesen Polstersitz zu sinken, fühlt sich an, als reise ich in die Vergangenheit zurück. In eine Vergangenheit, in der ich mich nur bemühen musste, die Herausforderungen der Spiele und das gewöhnliche Blut in meinen Adern zu überleben. In eine einfachere Zeit, bevor ich mich dem Widerstand angeschlossen und einem korrupten König ein Schwert in die Brust gerammt habe.

Und so werde ich dafür belohnt. Mit einer Krone auf dem Kopf und einem Königreich, das nach meinem Blut schreit.

»Ihr habt Euch das Haar geschnitten«, sagt Ellie leise, fragend. Sie befeuchtet einen Waschlappen mit warmem Wasser und beginnt, das getrocknete Blut von meinem Gesicht zu tupfen.

Sie ist gerade mit einem besonders hartnäckigen Fleck an meinem Kinn beschäftigt, als ich murmele: »Es hat mich auf meiner Flucht um mein Leben behindert.«

Ich sage das, statt die jämmerliche Wahrheit zu gestehen. Weil ich lieber nicht daran zurückdenken möchte, wie ich von dem Gedanken an das daran klebende Blut besessen war, bis ich Kai angefleht habe, mein Haar abzuschneiden. Weil ich beim Anblick von Blut immer noch bleich werde; es immer noch an meinen mörderischen Händen spüre; immer noch von Angst erfasst werde, wann ich wohl zusehen muss, wie es sich aus der nächsten Person ergießt, die ich liebe. Allerdings: Von diesen Personen gibt es nur noch sehr wenige. Und dieser Gedanke ist jämmerlich erleichternd.

Ich beobachte, wie sie nach einer dünnen Schere greift. »Möchtet Ihr, dass ich die Spitzen begradige? Der Schnitt ist ein wenig grob …«

»Nein«, stoße ich hervor, bevor ich leiser hinzufüge: »Danke. Ich möchte es lieber so lassen.«

Ellie nickt, auch wenn ich mir sicher bin, dass sie sich gern nach meinen Gründen erkundigen würde. Und hätte sie es getan, hätte ich ihr geantwortet. Ich hätte zugegeben, warum ich an diesem zottigen Haarschnitt festhalte.

Der Pony, den ich Adena immer geschnitten habe, sah ähnlich aus.

Diese ungleich langen silbernen Strähnen erinnern mich an lange Nächte im Fort, in denen ich Adenas lockigen Pony geschnitten habe, nur im Licht der Sterne. Sie hat oft gekichert, weil es gekitzelt hat, wann immer ich eine ungeschickte Spur durch ihr Haar geschnitten habe. Und dann haben wir gemeinsam gelacht und uns gegenseitig die Schuld für das schiefe Ergebnis zugeschoben.

Dieses Privileg wird mir nie wieder vergönnt sein. Also binde ich es an die Strähnen meines eigenen Haares.

»Wie war es?«, fragt Ellie schließlich mit großen Augen. »Auf diese Weise durch die Sengende Wüste zu fliehen?«

»Einsam«, murmele ich. »Furchterregend.«

Ellie nickt langsam, schiebt mir eine Strähne hinters Ohr. »Nun, diese Länge steht Euch. Und ich bin froh, dass Ihr zurück seid. In Sicherheit seid.«

»Danke«, antworte ich leise. »Ich bin davon genauso schockiert wie der Rest des Hofs.«

»Ja, davon habe ich gehört.« Ihre Stimme verrät ihre Verlegenheit. »Und ich kann nicht behaupten, dass die Dienerschaft die Nachricht besser aufgenommen hätte.«

»Kann ich mir vorstellen«, stöhne ich. »Tatsächlich würde es mich nicht wundern, wenn das Küchenpersonal mich noch vor dem Ende der Woche vergiftet.«

Ellie schüttelt den Kopf, während sie weiter mit dem Lappen über mein Gesicht reibt. »Oh, nein, das würden sie nicht wagen. Nicht, nachdem der König Anspruch auf Euch als seine Zukünftige erhoben hat.«

Anspruch erhoben.

Ich hätte nie erwartet, diese Redewendung einmal mit Kitt in Verbindung zu bringen. Sein Bruder dagegen … ich weiß genau, wie es sich anfühlt, vom Vollstrecker für sich beansprucht zu werden. Und ich habe diese Erfahrung genossen.

»Nun, das ist … beruhigend«, flüstere ich.

»Es geht ihm viel besser, wisst Ihr?«, fügt Ellie leise hinzu. Ihr Blick huscht über die Narbe an meinem Hals. Es kostet mich Mühe, mich unter dem Gewicht ihrer offensichtlichen Sorge nicht zu winden. Aber glücklicherweise spricht sie weiter. »Nach seiner Krönung hat man ihn kaum je gesehen. Er hat sich zurückgezogen, sich in diesem Arbeitszimmer eingeschlossen.« Sie beugt sich vor und senkt die Stimme, obwohl wir die Einzigen hier sind. »Er hat sein Essen aus dem Fenster geworfen. Ein paar von uns Dienern haben die Reste unten im Hof gefunden. Aber vermutlich war das zu erwarten«, fährt sie mit einem Seufzen fort. »Er hat schließlich um seinen Vater getrauert.« Sie fängt für einen kurzen Moment meinen Blick ein, bevor sie die Augen wieder abwendet. »Und offensichtlich haben Calums Besuche geholfen. Seine Majestät konnte aus erster Hand erfahren, was in diesem Königreich vor sich geht, statt es nur Aufzeichnungen zu entnehmen.«

Ich nicke langsam, auch wenn ich immer noch versuche, dieses verwirrende Puzzle zusammenzusetzen. »Also hat Calum ihn besucht? In seinem Arbeitszimmer?«

»Nun, nicht zu Beginn«, berichtet sie. »Er war mehrere Tage im Verlies eingesperrt. Die Seuche weiß, was er dort ertragen hat. Aber ich vermute, Kitt hat etwas in ihm erkannt und beschlossen, ihn ziviler zu behandeln.« Ellie zuckt mit den Achseln. »Das ist mehr oder minder alles, was ich – und das restliche Personal – darüber weiß.«

Niemals zuvor war ich im selben Moment so schockiert und gleichzeitig so wenig überrascht. Dieser Widerspruch ist die einzig vernünftige Reaktion auf die Geschehnisse der letzten Stunde. Denn trotz meiner Hoffnungen für den Prinzen hatte ich nie wirklich geglaubt, dass Kitt sich bemühen würde, Maßnahmen zu ergreifen, die dem widersprechen, was sein Vater ihn gelehrt hat. Und offenbar hatte ich recht. Dieser König interessiert sich nicht für ein freies Ilya, sondern nur dafür, dass sein Königreich unter allen Umständen fortbesteht.

Fast hätte ich gelächelt. Denn das ist ein Anfang.

Kitt hat jedes Recht, mich zu hassen, nachdem ich den Tyrannen getötet habe, der sein Vater war … aber er braucht mich. Zusammen könnten wir dieses Königreich vor mehr als nur dem Ruin retten. Wir könnten es von der Spaltung heilen, die dieses Land seit Jahrzehnten belastet. Vielleicht kann Kitt jetzt – ohne Edric, der seinen Sohn mit Lügen füttert und ausnutzt, wie sehr Kitt ihm gefallen will – zum ersten Mal wirklich klar denken.

Und mit Calum als seinem Ratgeber, der ihm dabei hilft, die Wahrheit über das Königreich zu erkennen, könnte es tatsächlich Hoffnung geben. Seine Eloquenz – gepaart mit seiner Fähigkeit, wirklich zuzuhören – macht den Gedankenleser unglaublich überzeugend. Aber vielleicht nutzt er seine Fähigkeit auch einfach, um unsere Gedanken zu durchsuchen, unsere Gefühle und Denkprozesse zu entschlüsseln, bevor er genau das äußert, was gehört werden muss.

Mein Blick fällt auf das Bett, neben dem als trauriger Haufen mein einziger Besitz ruht. Mein dreckiger Rucksack, der wahrscheinlich von einem widerwilligen Diener in meine Gemächer gebracht wurde. Ich sehne mich danach, Calum das Tagebuch darin zu zeigen. Es Kitt zu zeigen.

Diese gebundene Erinnerung an meinen Vater sorgt dafür, dass ich schwer schlucke. Es ist eine seltsame Erkenntnis, dass der Mann, den ich einst kannte, nur ein Faden im Gewirr einer Wahrheit war, die ich erst langsam aufdrösele. Bis vor Kurzem war Adam Gray einfach ein Vater, ein Heiler, der mich gelehrt hat, wie ich überleben kann, durch vorsichtige Beobachtungen und Training. Dann habe ich seinen Tod bezeugt. Und dieser eine vernichtende Moment hat mich in ein Leben geschleudert, das zu überleben ich nie erwartet hätte.

Mein Vater war der Anführer des Widerstandes. Nur dass er, laut seines eigenen Tagebuchs, nie wirklich mein Vater war.

Da ich mich viel zu lange in meinen Gedanken verloren habe, wende ich mich wieder an Ellie. »Und die anderen Mitglieder des Widerstandes? Ich hatte vermutet, dass einige von ihnen ebenfalls festgesetzt wurden.«

Sie schüttelt ernst den Kopf. »Nach meinen letzten Informationen saßen sie ebenfalls im Verlies. Aber das war direkt nach dieser letzten Herausforderung, und die ist schon eine Weile her …«

Ihre Stimme verklingt, was mir ermöglicht, mir verschiedene, brutale Todesarten für diese Kämpfer auszumalen. Ich frage mich, wie viele Mitglieder des Widerstandes – wie viele von den Gewöhnlichen oder den Eliten, die sie unterstützt haben – nach der Schlacht in der Schüssel-Arena verhaftet worden sind. Wie viele auf grausame Art gestorben sind, weil ihre Revolution auch nach Jahren der sorgfältigen Planung einfach niedergeschlagen wurde.

Ich stehe auf und entziehe mich Ellies sanften Berührungen. »Ich muss mit Kitt reden – dem König.« Ich räuspere mich. »Und Calum.«

Sie wirkt vollkommen entsetzt. »Nicht so, wie Ihr jetzt ausseht!« Es dauert nur eine Sekunde, dann übernimmt ihre Schüchternheit wieder die Kontrolle. »Ich meine, Ihr hattet eine sehr lange Reise und müsst Euch ausruhen …«

»Ich hatte damit gerechnet, längst tot zu sein«, falle ich ihr ins Wort. »Dachte, man würde mir in dem Moment, in dem ich den Thronsaal betrete, ein Schwert in die Brust rammen. Aber das ist nicht geschehen, und ich habe vor, herauszufinden, warum nicht.« Ich schenke ihr einen ernsten Blick. »Es könnte sein, dass der Rest meines Lebens nicht mehr allzu lang ist, also werde ich ihn nicht mit Schlafen verbringen.«

»In Ordnung«, antwortet Ellie leise. »Kein Ausruhen. Aber Ihr müsst baden, bevor Ihr Euch wieder im Palast sehen lasst.«

Richtig. In meinem Leben geht es jetzt nur noch um den schönen Schein.

Ich nicke, plötzlich unfähig, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als das vertrocknete Blut auf meiner Haut. Es wird eine Erleichterung sein, jede Erinnerung an die Verräterin von meiner Haut zu waschen, die um ihr Leben flieht. Das Blut, den Schweiß und die Tränen abzuwaschen, die ich auf dieser Reise vergossen habe.

Ich gehe Richtung Bad, nur um auf dem Absatz herumzuwirbeln und hervorzustoßen: »Hast du von Lenny gehört? Ich habe ihn während meiner … Reise getroffen, aber wir wurden wieder getrennt.«

»Richtig. Was das angeht.« Sie weicht meinem strengen Blick aus. »Ähm, er ist … hier.«

»Was?«, stoße ich hervor. »Wo?«

Sie tapst auf mich zu, und ihr brauner Bob wippt bei jedem Schritt. »Das werde ich Euch nach Eurem Bad sagen.«

»Ellie …«

»Meine Lady.« Sie unterstreicht den Titel mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Schön.« Mit einem Schnauben wende ich mich wieder dem Bad zu. Dann rufe ich über die Schulter zurück, aufgesetzt fröhlich und seltsam ehrlich: »Aber nur weil das Blut unter meinen Fingernägeln mich in den Wahnsinn treibt.«

4

Paedyn

Wasser tropft von den Enden meiner kurzen Haare, wirkt dabei vor den silbernen Strähnen fast wie geschmolzener Stahl.

Ich habe jeden Zentimeter meiner Haut geschrubbt und besondere Mühe auf meine Fingernägel und die vielen Wunden verwandt, die meinen Körper verunzieren. Erst als ich mich mit schmerzender Haut aus dem erkaltenden Wasser erhoben hatte, hat Ellie mir zögerlich die Nachricht überbracht.

Es kostete mich nur einige wuterfüllte Momente, in dünne Hosen zu schlüpfen, eine eng anliegende Tunika darüberzuwerfen und zur Tür zu stapfen. Ellie war klug genug, mir nicht in die Quere zu kommen, sondern sich mir nur für einen Moment zu nähern, mit einem entschuldigenden Lächeln und einem Paar pantoffelähnlicher Schuhe in der Hand. Sie umhüllen jetzt meine Füße, als ich durch den Flur stapfe, die Seide kühl an meinen blasenübersäten Füßen.