Private Security - Thomas GAST - E-Book

Private Security E-Book

Thomas GAST

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Beschreibung

"Für jeden, den dieses Thema interessiert und der sich überlegt, in diese Branche einzusteigen, ist dieses Buch ein absolutes Muss. Unglaublich gut!!!" Rezension von A.G. vom 19. Dezember 2017. Private Security? Hinter diesem Begriff verbergen sich - neben einigen Annehmlichkeiten, vor allem Stress, lange Abwesenheiten, Risiko und jede Menge Ärger. Ein Mann, der in der Private Security Branche tätig werden will, sollte es sich zweimal überlegen seiner Familie zu sagen: Ich bin dann mal weg! Aber es gibt sie und Thomas GAST ist einer von diesen Männern. Einer jedoch, der schräge Geschäfte sowie jede Art von Korruption ablehnt. Sich immer und jederzeit im Spiegel betrachten können, das zählt für ihn. Zwischen 2002 und 2016 tingelt Gast in Sachen Private Security rund um den Globus. Was er dabei erlebt ist erstaunlich. Und ja: Es ist ein lukratives, manchmal blutiges Geschäft. Männer einer Private Security Company können nicht nur mit der Waffe problemlos umgehen. Vielmehr sind es globale Allrounder die an allen Hot-Spots der Erde operieren. Ihr Job? Die Konter-Piraterie. Die Ausbildung Soldaten fremder Heere. Die Bewachung von Gas Pipelines, von Öltankern, von Botschaftern und Milliardären.

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Thomas GAST

Private Security

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einige häufig vorkommende Begriffe und ihre Erklärung

Es sagten

Hinweis für den Leser

Mit dem Instinkt des Jägers

Der ganz normale Wahnsinn

Erfahrung, Instinkt und Mut

An Irak vorbei und doch mitten drin

Blitz, Donner und Bill Gates in Saudi-Arabien

License to kill?

London - Jerusalem

Haiti. Voodoo, Kriminalität und Korruption

Begegnung mit einem Killer

Raus aus dem Hexenkessel

Ein Hauch von Ṣalâḥ ad-Dîn. Wieder Israel

Ramstein, Landstuhl, Obama und andere Horizonte.

Fast Afghanistan. Expertentreff in München

Deutsche Polizisten am Hindukusch

Jemen. Mein künftiger Einsatzort im Griff von Al-Qaida

Einsatz gegen Piraten vor der Küste Somalias

Ich bin dann mal weg. Mein Resümee?

Anhang Eins. Die Eskalation. Was tun bei einem Piratenangriff?

Anhang Zwei. Das Team in Sachen Ship Security?

Das Netzwerk Legion

Quellen

Lesetipp

Cover

Impressum

Impressum neobooks

Einige häufig vorkommende Begriffe und ihre Erklärung

Private Security

Thomas Gast

ADJUDANT -Dienstgrad Hauptfeldwebel.

ADJUDANT-Chef - Dienstgrad Stabsfeldwebel.

AMF - Aide Moniteur Forêt / Hilfsausbilder Urwald.

AQAP - Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel.

ASG- Area Support Group.

AFDL - Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung Kongos.

AUDIT - Im Qualitätsmanagement übliche Untersuchung um herauszufinden ob gewisse Prozesse den Anforderungen genügen.

CD -Corps Diplomatique / Diplomatisches Korps.

CEO - Chief Executive Officer /Geschäftsführer oder Generaldirektor.

COMPOUND - Beschützter Wohnkomplex. Die meisten Compounds auf der arabischen Halbinsel oder anderswo im Nahen- oder Mittleren Osten sind schwer bewacht. Hohe Mauern, Stacheldrahtverhaue, Maschinengewehre, Sandsäcke und Fahrzeugsperren, dazu rund um die Uhr schwer bewaffnete Regierungssoldaten. Das ist das alltägliche Bild. Die Attentate auf die im Buch beschriebenen Compounds in Riad im Jahre 2003, forderten 35 Tote. 160 wurden verletzt. Bereits im Jahr 1996 wurde in Khobar ein ähnliches Attentat durchgeführt, nämlich auf die Khobar Tower in der gleichnamigen Stadt. Neunzehn US-Bürger kamen dabei ums Leben. Inspiriert durch diese Attentate entstand im Jahr 2007 der Film Kingdom (Operation Kingdom) mit Jamie Foxx in der Hauptrolle.

CDI - Contrat à durée indéterminée - unbefristeter Vollzeitvertrag.

CPT - Close Protection Team.

CRG - Control-Risks Group.

CSO - Company Security Officer.

CV - Curriculum Vitae - Lebenslauf.

DRESSCODE - Kleiderordnung.

DQ - Diplomatic Quarter – Diplomatisches Viertel.

EC - Europäische Kommission.

EOD - Explosive Ordnance Disposal – ähnlich Kampfmittelbeseitigung.

FLOATING ARMOURY - Schwimmende Waffenkammer.

HAMAS - Zweig der Muslimbrüderschaft. Die Hamas regiert den Gazastreifen seit dem Kampf um Gaza im Juni 2007. Die Mitglieder der Hamas werden von einigen Staaten als Freiheitskämpfer betitelt, von den meisten aber als terroristische Vereinigung abgetan.

HQ - Hauptquartier.

HRA - High Risk Area. Die HRA ist die Zone, die geografisch innerhalb folgender Begrenzungen liegt: Nördliche Grenze Rotes Meer: 15°N.

Nördliche Grenze Golf von Oman: 22°N. Östliche Grenze: 065°E.

Südliche Grenze: 05°S. Stand 01.12.2015.

HSE - Health and Safety.

IDF -Israel Defense Forces / israelische Verteidigungsstreitkräfte.

IPOA- International Peace Operations Association.Dachverband von vornehmlich amerikanischen Dienstleistern in Sachen Private Security.

IED -Improvised Explosive Device.

KSK - Kommando Spezialkräfte - Spezialkräfteverband des Heeres.

KNOTEN - Ein Knoten entspricht der Geschwindigkeit einer Seemeile (1,852 KM) pro Stunde.

KSA -Kingdom of Saudi Arabia.

LNG - Liquefied Natural Gas. LNG ist durch Tiefkühlen verflüssigtes Erdgas. Bei -162° Celsius wird das Gas flüssig und verringert dabei sein Volumen um das 600-fache. In LNG Tankern kann es so rund um den Globus transportiert werden.

LOCALS - Einheimische.

LRAD - Long Range Acoustic Device. Schallkanone.

MAÎTRE DE TIR - Als Maître de tir bezeichnete man den Schießmeister. Das ist ein Level höher als der gewöhnliche Schießlehrer.

MINUSTAH -United Nations Stabilization Mission in Haiti.

MSCHOA - Maritime Security Centre Horn of Africa.

MSO - Maritime Security Officer.

MUSTERPOINT - Örtlich definierter Sammelpunkt an dem sich Schiffscrew und Passagiere im Notfall treffen.

NAVY SEALs - Sea, Air, Land – See, Luft, Land. Die SEALs gelten als härteste Elite-Soldaten der Welt.

PCASP - Privately Contracted Armed Security Personnel.

PINARD – Umgangssprachlich für Rotwein.

PFSO - Port Facility Security Officer.

PLO - Palästinensische Befreiungsorganisation.

PMC - Private Military Company. Militär- und Sicherheitsdienstleister auch Private Militär Sicherheitsfirma, (PMS).

PMSC- Private Maritime Security Companies - Private Sicherheitsdienste auf See. Der Akzent liegt auf dem Wort Maritime (maritim, zur See gehörend). Nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls existierenden (im Buch nicht erwähnten) Begriff - Private Military and Security Company.

PNH -Police Nationale d'Haiti. Haitis Nationalpolizei.

PPO - Personal Protection Officer.

PSC - Private Security Company. Private Sicherheitsfirma.

PTBS - Posttraumatische Belastungsstörung.

RoE - Rules of Engagement. Richtlinien für den Einsatz von Gewalt.

RUF - Rules for the Use of Force. RUFs sind, wie auch die ROEs, Einsatzrichtlinien. Der offensive Charakter jedoch entfällt. Piraterie ist ein krimineller Akt, dem mit den zur ausschließlichen Verteidigung notwendigen RUFs, festgelegt im ´International Code of Conduct` für Sicherheitsfirmen begegnet wird.

RSO - Regional Security Officer. Regionaler Sicherheitsbeauftragter.

RST - Residential Security Team.

SAS - Special Air Service. Spezialeinheit der British Army.

SBS - Special Boat Service, (Royal Marines). Maritime Spezialeinheit der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs.

SAFE ROOM - Panikraum. Es handelt sich um einen, gegen ein gewaltsames Eindringen geschützten, besonderen Raum innerhalb des Schiffes.

SERGENT -Dienstgrad Unteroffizier.

SERGENT-Chef - Dienstgrad Feldwebel.

SIA-Security Industry Authority. Wer für eine britische Firma in Sachen Private Security arbeiten möchte, benötigt ein SIA Diplom.

SKIFF - Kleine, wendige Angriffsboote. Sie eignen sich hervorragend für die Überfälle der somalischen Piraten.

SOP - Standard Operating Procedures. Es handelt sich um eine gewisse Standardvorgehensweise. SOPs sind die Bibel für alle Sicherheitsangestellten. Sie geben einzuhaltende Richtlinien vor und definieren den kollektiven Auftrag ebenso wie sie die Rolle und die Aufgaben des einzelnen festlegen. Wer macht was, wann, mit welchen Mitteln in welchem Zeitfenster. Äußerst detailfreudig, können / müssen sie, wenn der Auftrag Veränderungen mit sich bringt, neu definiert werden. Jeder im Team sollte die SOPs gelesen, verstanden und unterschrieben haben. Ein Abweichen von den SOPs ist ein Kündigungsgrund.

SSO - Ship Security Officer.

STCW95 - Standards of Training, Certification and Watchkeeping - Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten.

TONFA - Schlagstock oder Mehrzweckeinsatzstock, (MES).

UKMTO - United Kingdom Maritime Trade Operations. Im Falle eines Piratenangriffs ist die UKMTO die Verbindungsstelle zwischen den Handelsschiffen und den in der Region stationierten Streitkräften und somit der erste Ansprechpartner.

URG - Unity Resources Group.

URNA -Útvar rychlého nasazení Policie ČR. Tschechische Polizeieinheit für Terrorismusbekämpfung.

VIGIPIRATE - Französischer Antiterrorplan synchronisiert mit der Anti-Terror Opération Sentinelle.

YLNG - Yemen Liquefied Natural Gas.

2. REP - Fallschirmjägerregiment der Legion. Wenn Frankreich seine Elite schickt, schickt sie die Fremdenlegion. Und wenn die Legion ihre Elite schickt, schickt sie das 2. REP.

24/7 - Auch twentyfourseven. Die Abkürzung 24/7 bezeichnet die ständige Bereitschaft.

3. REI - 3. Régiment étranger d'infanterie. Regiment, aus dem die Dschungelkämpfer der Legion hervorgehen.

Es sagten

„Spielen Sie die Bösen gegeneinander aus. Teilen Sie sie. Die Sicherheit unserer Erde hängt davon ab. Schüren Sie Krieg zwischen ihnen (den Bösen) oder Sie werden niemals Frieden haben.“ (Jean de La Fontaine).

„Freiheit ist die unverzichtbare Garantie der Sicherheit oder auch nur des Gefühls von Sicherheit.“ (Charles de Montesquieu).

„Freiheit stirbt mit Sicherheit.“ (Tucholsky).

„Unsere Philosophie bezüglich der Bewaffnung von Männern der Private Security ist vom Negativbeispiel der USA leider verzerrt.“ (Tibor Vass).

Hinweis für den Leser

Das Thema Private Security ist breit und vielfältig, konzentriert sich aber essenziell um sogenannte PMCs oder PSCs. Es ist nicht meine Absicht ein zusammenhängendes Bild der Private Military Companies - auch Private Military Contractors, zu entwerfen. Darüber gibt es in der einschlägigen Literatur genug Bücher und Dissertationen. Aber es muss kurz darüber geredet werden. In erster Linie und vor allem geht es mir um private, nicht militärische Sicherheitsfirmen. Um PSCs oder PMSCs also (die Definitionen finden sich jeweils am Anfang des Buches), insbesondere um meine ganz persönlichen Erfahrungen damit. Es gibt in Deutschland nur eine Handvoll Männer, die im Ausland unter Vertrag ausländischer

privater Sicherheitsfirmen arbeiten. Gleich noch weniger sind es, die davon erzählen. Weil es ein Tabu ist. Das vorliegende Buch bricht dieses Tabu. Aufgrund einiger Ausschreitungen von PMCs und deren Angestellten, Ausschreitungen die geprägt waren von Exzessen, von Maßlosigkeit und von Inkompetenz - siehe die beiden Fallbeispiele von Blackwater, wird die gesamte Branche verunglimpft, in ein schräges Licht gezerrt, ja geradezu ´kriminalisiert`. Der Schaden, den diese Exzesse der Sicherheitsindustrie zufügen, ist enorm. Die Medien schlachten jeden Fauxpas gnadenlos aus, setzen den im Ausland, in Sachen ´Security` tätigen Angestellten das Söldnerkrönchen auf. Zu Unrecht, wie ich meine, denn neunzig Prozent aller privater Sicherheitsfirmen, egal welcher Zuordnung, PMC oder PSC, arbeiten korrekt, transparent, der Sache dienend. Dass manche Sachen per se falsch sind, darüber müssen wir keine Diskussion vom Zaun brechen. Auch darüber nicht, dass im Wettbewerb um die meist millionenschweren Aufträge Neid, Gier, Korruption und Vetternwirtschaften eine große Rolle spielen. Doch wie wir wissen steht der Sektor Private Security nicht alleine da, wenn es um Korruption geht. Diese Geißel umgibt uns überall, wir begegnen ihr täglich. Keine Branche bleibt von ihr verschont. Auch wenn das Buch streckenweise im Stil eines Romans geschrieben ist, so handelt es sich doch um eine Folge von Tatsachenberichten. Ich habe die teilweise Romanform deshalb gewählt, weil ein Dialog, besser als jeder sachliche Austausch, hervorragend geeignet ist, ein vorherrschendes Ambiente, eine Situation oder den gewissen Moment haarscharf und auf den Punkt bringend zu beschreiben. Das, sowie meine ganz persönliche Herangehensweise in Betracht ziehend, ist das vorliegende Werk kein typisches Fachbuch, sondern vielmehr eine Sammlung von erzählten Erfahrungen, von Fachwissen und Expertenrat. Und ich sehe es als kritischen Ratgeber für all diejenigen jungen Männer, die dem Thema Private Security nicht unaufgeschlossen gegenüberstehen. Mir war es vergönnt, lange Jahre länder- und kontinentübergreifend im Private Security Business zu arbeiten. Heute, etwas zurückgezogen lebend, sehe ich keinen Grund, nicht auf die Beobachtungen meines oft turbulenten Abenteuerlebens in aller Ausführlichkeit zurückzugreifen. Die ersten Worte zu diesem Buch schrieb ich im Spätherbst des Jahres 2016. Schnell zu schreiben war mir wichtig, denn ich spürte, wie die Erinnerungen, die kleinen Details, langsam verflogen. Dürfte ich heute den Titel ändern, so würde dieser nicht etwa heißen Private Security, sondern ´Meine Wahrheit.` Ich hatte mir nicht vorgenommen, irgendwelche Lügen zu erfinden oder Ereignisse der Dramatik wegen auszuschmücken. Auch Halbwahrheiten sind mir ein Gräuel. Das Buch zu schreiben, verlangte Fingerspitzengefühl. Und davon nicht wenig. Die ´Wahrheit um jeden Preis` konnte dritte Personen, Institutionen oder irgendwelche Berufsgruppen in ein schräges Licht zerren, ihnen zumindest einen gewissen Schaden zufügen, wenn nicht gar zum Verhängnis werden. Das wollte ich vermeiden. Auch musste ich an meinen weiteren Werdegang achten, denn mein Weg hört nach diesem Buch nicht auf, aber dennoch: Säge nicht den Ast ab, auf dem du sitzt oder beiße niemals die Hand, die dich füttert, sind Prinzipien für die ich nur Verachtung übrig habe. Ich hatte sie zeitlebens nie auf dem Schirm. Warum? Sie machen Männer und Frauen, die ein Löwenherz besitzen, zu braven Schafen: Was für eine Verschwendung! Mein Spagat zwischen ´ich habe was zu erzählen` und ´ich sollte gewisse Dinge doch besser ruhen lassen` bedeutet für Sie als Leser de facto so viel: Alles was folgt, entspricht der Wahrheit, ich gebe Ihnen mein Wort. Alles was Sie jedoch (hoffentlich) selbst zwischen den Zeilen lesen, entstammt Ihrer eigenen Fantasie. Ihrer Intelligenz, die niemand infrage stellt, bleibt es überlassen, das Garn zu anderen Wahrheiten weiter zu spinnen. Wahrheiten, die ich, ich bestehe darauf, nie schwarz auf weiß niederschrieb. An einigen Stellen im Buch werde ich mir die Freiheit nehmen, Rückblicke auf meine langen Jahre in der Fremdenlegion einzublenden. Das ist keine Prahlerei. Vielmehr soll es meine militärischen Vorkenntnisse untermauern. Ich gebe somit bewusst Informationen weiter, die es dem Leser erlauben, gewisse Zusammenhänge besser zu verstehen. Mit einigen Ausnahmen sind reale Namen von noch aktiven Mitgliedern aus der Sicherheitsbranche sowie von diversen Spezialeinheiten durch Pseudonyme ersetzt. Aus rechtlich bedingten Gründen werde ich auch die Namen einiger Sicherheitsfirmen nicht nennen oder einen anderen Namen dafür verwenden. Ich weise jeweils darauf hin. Einige Daten mit denen ich während der Zeit im Security Business in Berührung kam oder zu denen ich Zugang hatte, unterliegen strikt dem ´Confidentiality Agreement`, der Verschwiegenheit. So soll es auch bleiben. Weise ich auf diverse Ereignisse hin, die in Zeitungsberichten erschienen, so sind diese jederzeit im Internet abrufbar. Die Transparenz meinerseits ist total.

Mit dem Instinkt des Jägers

Es war ein sommerlicher, trockener Herbst. Wir schrieben das Jahr 2016 und ich beerdigte einundzwanzig Jahre Armee und fast ebenso viel Jahre Sicherheitsdienst. Für einige Freunde und für mich gab es also Anlass zum Feiern. Wir zelebrierten das Ereignis bei einem Grillabend mit hervorragenden Steaks und geschätzten zehn Flaschen Wein. Nachdem wir gegessen und ausgiebig diskutiert hatten, zog ich mich etwas zurück. Es war allerhöchste Zeit- ein einziges Mal noch, gedanklich den Blick über die Schulter zu wagen, um mich dann für immer nach vorne, Richtung Zukunft zu orientieren. Natürlich kam mir ganz besonders die Vergangenheit bei der Fremdenlegion in Erinnerung. Sie war prägend und ich war immer noch mit einem Fuß drin, wie man sagte. Das wurde mir auch in dem Moment wieder bewusst, in dem ich mir die ausgelassene Runde meiner Freunde genauer ansah. Mit Ausnahme eines einzigen waren alle von ihnen Ex-Legionäre. Da war zum Beispiel Slavo, ein fast zwei Meter großes Energiebündel aus Warschau. Er, der alle anderen von seiner Größe her überragte, war ein brillanter Kopf und ein exzellenter Nahkämpfer. Wir hatten in Französisch-Guyana zusammen gedient. Den Urwald kannte er wie seine Westentasche, war er doch einer der wenigen, die gleich zwei der begehrtesten Lehrgänge ´AMF` und ´Éclaireur Jungle` bestanden hatten. Lehrgänge, die, tief im Dschungel Brasiliens und Guyanas, die Teilnehmer bis an den Rand des Wahnsinns brachten. Slavo und ich sollten uns in den Jahren nach Guyana in Sachen Private Security mehrmals über den Weg laufen. So zum Beispiel in Balhaf (Jemen) im Jahr 2015, als es nahe der Al-Qaida Hochburg Mukalla um die Bewachung von LNG Tankern ging. Ein Bewachungsjob, der in jeder Sekunde zum potenziellen Himmelfahrtskommando werden konnte.

Schild, gesehen in Benin, während der EOD-2 Ausbildung.

Dieser Minenräumer in Benin schickt ein Stoßgebet zum Himmel bevor es losgeht.

Auch Léon, der Franzose war gekommen. Ich kannte ihn von einigen Einsätzen in Afrika. Er war zäh wie Leder, trocken, voller Humor. In der Legion diente er als Heeresbergführer bei den Fallschirmjägern. Gibt’s nicht? Oh doch. Insider wissen, dass sogar mehrere Einheiten der Legion sich auf den Gebirgskampf spezialisiert haben, doch genug der Fachsimpelei. Léon arbeitete zunächst vier Jahre mit uns im Jemen und absolvierte unmittelbar danach, in Benin, den Lehrgang EOD-Level-2. Diesen in der Tasche, entschärften er und sein Team afrikaweit hässliche Sprengfallen und Landminen. Und die anderen Anwesenden? Nun jeder von ihnen hatte eine gut bezahlte Arbeit in der Sicherheitsbranche. Diese Männer arbeiteten als PPO oder als Teamleiter im Irak, in Afghanistan, in Mali, in Benin, im Tschad oder in Nigeria. Einer von ihnen sogar in den Niederlanden im berüchtigten ´Den Haag Hilton`, der Endstation für Kriegsverbrecher. In Sachen Security Jobs standen Ex- Legionäre ganz oben auf der Wunschliste renommierter Sicherheitsfirmen.

Noch aktiver Fremdenlegionär (künftiger Private Security Consultant) der ersten Kompanie des 2. REP. Hier bei einem Einsatz in der Elfenbeinküste mit einer Beutewaffe. Was zählt? Körperliche Robustheit, technisches Know-how, Mut, Biss und ein eiserner Wille. (Foto 2. REP.)

Und das hatte Gründe. Gute Gründe, wie ich meinte. Auf unsere Jungs war eben Verlass. Verlässlichkeit. Damit war alles gesagt. Fügte man Robustheit, technisches Know-how, Mut, Biss und einen eisernen Willen hinzu, dann ist der Krieg gewonnen, der Klient zufrieden, der nächste Vertrag in der Tasche. Jeder Soldat macht bereits in der Armee mit dem Thema Sicherheit - Security wie Australier, Amerikaner oder Briten sagen würden, ´la Sûreté` für die Franzosen, Bekanntschaft. Ob es nun das Bewachen der Kaserne, der Munitionslager, eines Konvois oder andere sicherheitsrelevante Aufgaben bei Auslandseinsätzen sind, es ist sich vom Prinzip her alles ähnlich. Man wacht, passt auf und wenn es nur auf seinen eigenen Arsch ist. Man beobachtet irgendwelche Spitzbuben, überlegt, wie sie agieren werden. Überlegt, wie man selbst auf Aktionen ihrerseits reagieren, sich gegebenenfalls verhalten würde. Man denkt darüber nach, auf welche Körperpartie des Kontrahenten man im Falle eines Angriffs zielen würde. Töten oder Leben lassen! Der Ernstfall wird gedrillt, bis ins Detail geplant. Nichts, gar nichts wird dem Zufall anvertraut. Wir erforschen das Umfeld mit unseren Blicken. Wir werten aus. Jeder steht unter Verdacht. Vor allem als Fallschirmjäger der Fremdenlegion lernt man messerscharf zu beobachten. Die Eigenschaft seinem Instinkt - und nur ihm, zu vertrauen schleicht auf leisen Sohlen in unser Soldatenhirn. Jeder kleinste Hinweis kann im Einsatz wichtig sein. Ein beklemmendes Gefühl. Ein vager Geruch. Die Nervosität des Gegenübers - Schweiß auf seiner Stirn, wenn um uns herum alles ruhig, alles ´cool` ist. Ein toter Vogel am Wegrand oder etwas Rauch dort, wo keiner sein dürfte. Und man operiert ziel- und auftragsorientiert. Die Orders kommen von ganz oben. Sie werden weitergegeben, ihre peinlich genaue Durchführung auf jedem Niveau überprüft, schließlich hängen Menschenleben davon ab. Ich liste diese Eigenschaften auf, weil sie in der Security Branche wichtig sind. Man benötigt dieses gewisse Flair, braucht den Instinkt des Jägers.

Der ganz normale Wahnsinn

Security? 1995 machte ich mir zum ersten Mal richtig darüber Gedanken. Ich war damals noch bei der Legion. Man hatte uns zum uniformierten, bewaffneten Dienst nach Paris geschickt. Das war ungewöhnlich, doch Befehl ist Befehl. In Paris herrschte der absolute Ausnahmezustand. Der französische Anti-Terror-Plan Vigipirate war Tagesordnung. Unsere Jungs rieben sich bereits im Vorfeld die Hände, denn Paris kannten sie bestens. Es bedeutete gute Bars in der Rue Saint-Denis. Attraktive Frauen in bunten, kurzen Röcken am Place Pigalle. Pinard, der einen herben Geschmack von Rauch und Leder im Mund hinterließ und exzellente Restaurants Rue Saint-Nicolas. Doch das alles musste warten. Die Arbeit rief. Was war 1995 geschehen? Am 25. Juli explodierte in einer Pariser S-Bahn am Bahnhof Saint-Michel Notre-Dame eine von Hand fabrizierte, mit hässlichen Metallsplittern versehene Bombe. Durch die Explosion wurden acht Menschen getötet über hundert verletzt. Rasch wurde klar, dass Terroristen am Werk waren. Im Rahmen des Antiterrorplans wurde auch die Fremdenlegion eingesetzt, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen und um weitere Gefahren abzuwenden. Die Armee, insbesondere die Legion für die Wahrung der öffentlichen Ordnung und für die Innere Sicherheit einzusetzen, war ein starkes Signal von Präsident Chirac. Für uns Legionäre war die Zeit gekommen, die von den Kämpfen in Afrika und auf dem Balkan durchgerüttelte Seele etwas baumeln zu lassen. Ich war Sergent-chef und verantwortlich für die Aufstellung mehrerer kleiner Teams. Jedes Team war drei Mann stark und sollte im Einsatz von einem Gendarmen begleitet werden. Die Aufgabe, so meinte mein Kompaniechef, sei extrem wichtig, also nur keine Fehler machen. Alles perfekt, das war sein Anspruch. Schwerbewaffnet sollten wir Tag und Nacht in den düsteren Gängen der Pariser Metro und der Pariser S-Bahn Streife laufen. Kurzfristig über diesen Auftrag informiert, war die Zeit knapp, denn nach unserer Ankunft sollte es sofort losgehen. In weniger als zwei Stunden mussten wir die uns zugewiesenen Unterkünfte beziehen. Das gesamte spezifische Material sollte von den Vorgängern übernommen werden. Und es galt, schnellstens Kontakt zu den Gendarmen und zu den zivilen Organisationen herzustellen. Alles am besten gleichzeitig. Bevor unsere Teams dann zum ersten Mal loszogen, gab ich in meinem Befehlszentrum in der Metro ein Briefing mit allen Teilnehmern. Vor versammelter Mannschaft detaillierte ich den Einsatzbefehl von A bis Z. Kaum das letzte Wort gesprochen und die letzte Frage beantwortet, gaben meine Sergents die Waffen aus. Sie bestückten die Legionäre mit Lampen, Schlagstöcken, Handschellen, Munition und diversen anderen sicherheitsrelevanten Gadgets. Die Teamchefs bekamen Fahrpläne der Metro ausgehändigt, nahmen Karten entgegen, überprüften die Funkgeräte, erhielten Details über die Ablösepunkte und darüber, wann die Ablösung stattfand. Und natürlich gravierten wir jedem Soldaten einzeln die Richtlinien für die Gewaltanwendung, ähnlich der Rules of Engagement, auf die Stirn. Als die Teams ausschwärmten, wusste nicht nur ich: Paris würde diese Nacht gut schlafen! Immerhin war die Legion Symbol der Abschreckung. Viel später ließ ich mir aus allen Richtungen sagen, dass das Verhalten der einzelnen Legionäre profihaft war. Das ging runter wie Öl, zeigte mir, dass ich alles richtig gemacht hatte, denn schließlich waren es meine Jungs, von denen man in höchsten Tönen sprach. Ich hatte sie ganz nach unserem Ehrenkodex, dem ´code d'honneur du légionnaire` ausgebildet. Den Zeigefinger am Abzug der FAMAS, misstrauische Blicke in die Runde und eine fast gelassen wirkende Anspannung in den Augen, versahen sie ihren Dienst zuverlässig und neutral. Diese absolute Neutralität war den Männern eigen. Man sah sie ihnen an. Man vertraute ihnen. Dem ungewöhnlichen Job zum Trotz, hatten sie ein freundliches Wort für jeden und ein super Ambiente untereinander. An Hand der ein- und ausgehenden Funksprüche und den installierten Überwachungsmonitoren verfolgte ich in einem speziell dafür eingerichteten OPS-Raum (Leitzentrale) den Einsatz meiner Männer. Meine Batterien waren leer. Ich schlief fast im Stehen, konnte in der Leitzentrale kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Aber ich war neugierig geworden. In jenen Tagen hatte ich gelernt, dass Sicherheit kein Selbstläufer ist und dass ´Security` sorgsamer geplant werden muss als ein Einsatz mit Sturmtruppen auf ein gut bewachtes Wüstenfort. Das war jetzt an sich nichts Neues. Aber es war anders. Wir waren nicht auf dem Schlachtfeld. Nur mit ran, drauf und drüber, mit Schnelligkeit und dem gnadenlosen Ausnutzen der Schockwirkung kamen wir nicht weit. Schließlich standen wir im Fokus der Öffentlichkeit. Bereits damals keimte in mir der Gedanke, nach der Legion in der Sicherheitsbranche tätig zu werden. Die Jahre vergingen und in Sachen Security nahm ich hier was mit, sammelte dort Erfahrung, wurde anderswo klug. Und plötzlich begann das Jahr 2002. Den Koffer in der Hand, stand ich vor den Toren der Kaserne Viénot in Südfrankreich: Adieu Légion! Ich musste mich nun im Zivilleben zurechtfinden. Hatte damit so meine Startschwierigkeiten. Es entbehrte keiner Ironie, dass ich zunächst in Würzburg am ´Theater am Neunerplatz` landete, dort Licht- Tontechnik für ´Guten Tag kleines Schweinchen` von Janosch übernahm. Und ich muss gestehen: Es gefiel mir. Das alles geschah im Rahmen der Wiedereingliederung ins Zivilleben. Sicherlich hatte ich das Waffentragen, die Entfernung, sprich Trennung, die lange Abwesenheit und die teils mörderischen Einsätze in der Legion einfach nur satt. Alles, was auch nur entfernt mit Waffen, Uniformen, oder mit irgendeiner Form von Gewalt zu tun hatte, lehnte ich ab. Doch es war nicht leicht. Die Leere nach den Einsätzen und nach dem turbulenten Leben in der Legion machte mir zu schaffen. Das Vorher- nachher war einfach zu krass. Vorher, das verkörperte zwei Jahrzehnte lange Aktion. Immer auf der Hut sein. Schießen und auf sich schießen lassen. Adrenalin und Gänsehaut. Ausbildung, die so hart war, dass sie sich von der Realität kaum unterschied. Und nun? Nun war ein plötzliches Umschalten gefragt. Der banale Alltag wollte gut gemeistert werden. Leben im sichern Augsburg, in Koblenz oder wie in diesem Fall, in Würzburg. Babysitten und Einkäufe im Supermarkt, Kinder zur Schule bringen, Nachbarn, die sich als langweilige Normalos entpuppten. Da fehlte unvermittelt was. Ich kapierte nicht, was in mir vor- und um mich herum so alles abging. Was war wichtig, was nicht? Ganz besonders krass erlebte ich folgende Szene. Meine Frau hatte mich mit einem langen Einkaufszettel in den Supermarkt geschickt. Unter anderem stand auf dem Zettel: Weichspülmittel und Hundefutter. Manometer! Ziel- und auftragsorientiert wie ich als ehemaliger Elitesoldat nun mal war, fuhr ich los. Als ich vor dem Regal mit Weichspülmitteln stand und mir die Produkte ansah, bekam ich urplötzlich Bauchschmerzen. Ich drehte am Rad. Hatte die Qual der Wahl zwischen ungefähr zwanzig verschiedenen Weichspülern, rote, blaue, weiße und gelbe. Ein Liter, fünf Liter, Lenor, Ariel, Perwoll. Das grelle Licht der Neonröhren und die hektischen Bewegungen der Menschen um mich herum, gaben mir den Rest. Am liebsten hätte ich ganz laut geschrien. Menschen, die an mir vorbeigingen, sahen mich verwirrt an. Ich schloss die Augen. Wünschte mir frischen Wind im Gesicht, während harte Männer in meiner Spur dem Feind entgegenmarschierten. Ich vermisste die grandiosen Sonnenaufgänge in der Tibesti Wüste. Ich sehnte mich danach, das unablässige Regengetrommel des Urwaldes zu hören, dessen feuchte nasse Erde zu riechen. Mir fehlten das Adrenalin, die Angst, der Schweiß und die Kameradschaft unter Männern … nach all den Dingen eben, die es im Zivilleben kaum gab. Und mir fehlte der trunken machende Geruch von Kerosin, der immer dann präsent ist, wenn die Transall anfängt zu stottern und zu spucken und wir, den Fallschirm und das schwere Sprunggepäck auf dem schon wunden Rücken, fluchend die Maschine beschuffeln. Das alles schoss mir innerhalb von zwei Minuten durch den Kopf. Zwei Minuten, die ich vor proppenvollen Regalen stand und die Welt nicht mehr begriff. Weichspüler und Hundefutter? Welche Knöpfe wurden da in mir gedrückt? Was hatte mich befallen? War es Wahnsinn? Ein PTBS womöglich? Es ging, so denke ich heute, um die Empörung meiner Psyche einer Situation gegenüber, die sie nicht verstehen oder wahrhaben wollte. Sicherlich spielten Existenzängste eine Rolle. Fragen drängten sich mir auf. Wie sieht mein zukünftiges Leben von nun an aus, wie kann ich in einer Gesellschaft, mit der ich mich nicht unbedingt identifizieren konnte, meinen Platz finden? Einer Gesellschaft, der ich damals als junger Mann entflohen bin? Unterschwellig nagte in mir wohl die Angst, ein allzu ´normales` Leben führen zu müssen. Diese Angst wurde von Monotonie begleitet. Langeweile und Unterforderung machten mich krank. Kurz nach meinem Abschied vom Theater nahm ich einige leichte Security Jobs an, doch ich wusste sofort, dass die Dinge nie wieder so sein würden, wie sie vorher mal waren. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die alten Teufel mich wieder riefen. Als es soweit war, warf ich meine Bedenken kaltschnäuzig über Bord und knüpfte mit alten Gepflogenheiten an, die waren: Koffer packen und ab zum bewaffneten Dienst! In den Jahren zwischen 2002 und 2016 war ich in Sachen Security an vielen Punkten dieser Erde tätig. Die Arbeit machte es mir nicht immer möglich, hinter mich zu sehen. Meine Frau war während dieser ganzen Zeit das so wichtige Zwischenstück, die Brücke zu meinen Kindern. Sie besänftigte sie, stand ihnen an meiner Stelle Rede und Antwort und sie begründete meine Abwesenheit mit Worten, die die damals jungen Sprösslinge eben verstanden. Mit anderen Worten, sie hielt mir den Rücken frei, indem sie die Menge der anfallenden Alltagsprobleme von mir fernhielt, sodass ich mich ganz auf meinen Beruf konzentrieren konnte. Dass sie dabei ihre eigene Person stets hintanstellte, war mir, zumindest in den Anfängen, nicht immer bewusst.

Erfahrung, Instinkt und Mut

Dante und Vergil in der Hölle. Wie auf dem Gemälde von Eugène Delacroix hingen dunkle Gewitterwolken über alle friedliebenden Menschen in unserer freien Welt. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stand die alte Weltordnung, wie wir sie kannten, Kopf. An jeder Straßenecke sprach man von irgendwelchen Verschwörungstheorien, klebte per se allen ´Bärtigen` im Mittleren Osten das Terroristenetikett auf die Brust. Wörter wie Private Security waren plötzlich in aller Munde. Was sich daraus entwickelte, war erstaunlich. Die in der Sicherheitsbranche zu vergebenden Jobs, eben noch eine Sache von rüstigen Rentnern und verzweifelten Arbeitslosen, waren mit einem Schlag angesehen, begehrt und gut bezahlt. Die Gesellschaft schrie nach der ´absoluten Sicherheit`. Auch wenn es eine solche nicht geben konnte, wollte man das Terrain SECURITY denen überlassen, die sich darin am besten auskannten. Denen, die damit umgehen konnten und die Risiken nicht scheuten - und die bereit waren, für ´die Sache` sogar ihr Leben zu lassen. Und siehe da, der Arbeitsmarkt florierte. Für Ex-Soldaten in erster Linie. Private Sicherheitsfirmen und Private Militär Sicherheitsfirmen schossen wie Pilze nach einem lauen Regen aus der warmen Muttererde. Die Möglichkeit, die sich mir als Ex-Elitesoldat in diesem Sektor bot, erkannte ich sofort. Es war Wahnsinn. Meine Chance zunächst recht moderat am Zopfe packend, bewarb ich mich bei der Firma Securitas zum bewaffneten Dienst. Es handelte sich dabei um eine Tochterfirma des schwedischen Sicherheitskonzerns Securitas AB. Mich irgendwie zu engagieren, war wie ein Zwang. Mich nützlich machen. Helfen. Den Bösen nicht das Feld überlassen. Und ich wollte den Markt etwas sondieren, wollte sehen, wie zivile Firmen mit dem Unding PRIVATE SECURITY umgingen. Securitas bewachte damals mehrere Kasernen der US-Streitkräfte der Garnison Würzburg (98. ASG.). In Würzburg, der Stadt in der ich lebte, war die 1. US-Infanteriedivision the Big Red Onestationiert. Als ich das Securitas Hauptquartier in der Faulenberg-Kaserne betrat, wurde ich bereits erwartet. Stefan (Name geändert), der damalige Area Manager der Firma, erhob sich und kam mir lächelnd entgegen.

„Thomas Gast?“

Ich nickte. Drückte herzlich die mir entgegengestreckte Hand.

„Ich habe bereits von dir gehört. Ehrlich gesagt, dass gerade du dich bei uns bewirbst, damit hätte ich nicht gerechnet“. Er wies auf einen Ledersessel. „Setz dich bitte. Kaffee?“

„Gerne. Woher kennen wir uns?“

„Die Sendung“, sagte er und strahlte mich an. „In der ARD.“

Ich wusste Bescheid. Erst vor ein paar Tagen lief in einigen TV Sendungen die WDR Reportage Leben für die Front. Der Dokumentarfilm wurde mehrmals und bundesweit ausgestrahlt. Er zeigte mich mit einigen anderen deutschen Legionären bei der Ausbildung in Dschibuti. Vorausgegangen war meine Begegnung mit Frau Sonia Seymour Mikich - bekannt u.a. durch das ARD-Politmagazin Monitor, in Calvi / Korsika. Frau Mikich, damals ARD-Studioleiterin in Paris, drehte eine Reportage über Russen in der Legion und ich hatte das Vergnügen, sie und ihr Team während ihres Aufenthaltes in Korsika betreuen zu dürfen. Nach einem guten Gespräch und zwei Tassen Kaffee gab Stefan mir ohne das übliche Tamtam einen Vertrag. Voraussetzung, bei Securitas angestellt zu werden, war eine reine Weste, nachzuweisen durch ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis. Weiterhin bedurfte es einer bestandenen Waffensachkundeprüfung; den Nachweis 34 A IHK; dem Führerschein der Klasse B und einer Kurzausbildung mit dem Tonfa. Auch waren solide Englischkenntnisse gefragt. Was mir ins Auge stach? Dass sich damals schon einige der Mitarbeiter bereits bei der deutschen Sprache sehr schwer taten! Das ist kein Werturteil, sondern eine sachliche Feststellung. Im Ernstfall- und das wusste ich aus Erfahrung, kam es auf das Beherrschen einer Sprache, welcher auch immer, nicht an. Im Ernstfall waren praktische Erfahrung, Scharfsinn, eine gehörige Portion Instinkt und großer Mut gefragt.

Wie ein Mahnmal ragt der Torbogen, der einstige Haupteingang des Hauptquartiers der 1. US-Infanteriedivision gen Himmel.

Nun, wir Angestellten traten uns in bitterkalten Nächten in der Lincoln Housing Area, der Faulenberg-Kaserne oder am Gerbrunn Tor der Leighton Barracks die Füße platt, ohne dass jemals etwas Aufregendes geschah. Die einzigen Feinde, die wir tatsächlich hatten, waren good cop, bad cop (guter Bulle, böser Bulle) Shaw und Davey. Die beiden US-Amerikaner der Zelle Plans and Operations Section waren damit beauftragt, Sorge zu tragen, dass Securitas den Dienst ablieferte, der vertraglich abgemacht war. Besonders Davey, der ´Contractor Coordinator` machte uns völlig sinnlos das Leben zur Hölle. Anstatt uns auf die Finger zu schauen, hätte er wohl besser die Führungsriege des Unternehmens durchleuchten sollen. Da waren einige schräge Vögel darunter. Aber auch so waren die Bedenken vonseiten der Amerikaner teilweise gerechtfertigt. Diese Bedenken waren auch dem Umstand geschuldet, dass Securitas hauptsächlich Quereinsteiger einstellte. Nicht zuletzt auch in der Führungsebene. Zur Bewachung von höchst sensiblen Anlagen und Einrichtungen fand ich mich plötzlich neben ehemaligen Kindergärtnerinnen, Altenpflegern, Hundesalon-Besitzern, Kriegsdienstverweigerern und Langzeit-Arbeitslosen ohne einschlägige Vorkenntnisse wieder. Nur der Hälfte davon traute ich es zu, ´einsatzreif` mit dem ihnen anvertrauten Equipment umzugehen. Ich spreche von den Waffen, vornehmlich Smith & Wesson - teils Taurus 357 Magnum, von Munition, vom Schlagstock, von den Funkgeräten, etc. Meine anfängliche Analyse war, dass die meisten dieser Männer und Frauen den ´ersten Schock` eines terroristisch motivierten, gut geplanten Anschlags nicht standhalten würden. Für die Firma, sowie auch für den Klienten, war das natürlich nicht der Idealfall. Innerhalb von sechs Monaten avancierte ich zum permanent Supervisor, wurde aber in dieser Rolle nicht so recht glücklich. Für mich alten Soldaten waren die Arbeitsbedingungen und vor allem auch die ´Arbeitsmoral` einiger Mitarbeiter wie ein Schlag ins Gesicht. Die ganzen Werte, die ich gelernt und hochgehalten hatte – Korpsgeist, Disziplin, Respekt, Pünktlichkeit und Loyalität, um nur einige zu nennen - sie wurden hier von nicht wenigen zivilen Angestellten mit Füßen getreten. Was ich jedoch fand war Lustlosigkeit, endlose Geplänkel, nette Kaffeepäuschen sowie Drohungen von irgendwelchen Angestellten, die mit den oben gelisteten Werten nichts anfangen konnten. Natürlich gab es bei Securitas auch eine Handvoll exzellenter Mitarbeiter. Diese jedoch hatten einen differenzierten Background vorzuweisen. Es waren Ex-Bundeswehrsoldaten, Ex- Polizisten, Leute vom Grenzschutz, vom Zoll oder vom THW. Bei Pflichtverletzungen gab es für einen Vorgesetzten bei Securitas- und das war ich als Supervisor, kaum Möglichkeiten, Anweisungen nachhaltig durchzusetzen. Knüppel aus dem Sack, wie es in der Legion manchmal notwendig war, ging gar nicht. Solche Methoden, und daran musste ich mich schneller gewöhnen als mir lieb war, konnten mich nur in Teufels Küche bringen. Mein Kopf war noch zu sehr ´Legion` und mir war damals nicht bewusst, dass ich die Messlatte viel zu hoch ansetzte. Mir fehlte einfach die Gelassenheit im Umgang mit arbeits- resistenten Menschen. Heute lächle ich über meine stürmischen Anfänge bei Securitas, wäre nachsichtiger, ruhiger, entspannter. Damals aber war es zu jeder Zeit absehbar, dass ich nicht lange bei der Firma bleiben würde.

An Irak vorbei und doch mitten drin