Problem gelöst! mit Martin Rütter - Martin Rütter - E-Book
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Problem gelöst! mit Martin Rütter E-Book

Martin Rütter

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Beschreibung

Ob Besuch-Anspringen, Nicht-allein-bleiben-Können, An-der-Leine-Ziehen, Aggression gegen Artgenossen an der Leine oder auf dem Spaziergang alles fressen, auch Giftköder – die Probleme im Hundealltag sind so vielfältig wie die Vierbeiner und ihre Halter. "Hundeprofi" Martin Rütter weiß, wie belastend unerwünschtes Verhalten für die Mensch-Hund-Beziehung sein kann. Einfühlsam beschreibt er in seinem SPIEGEL Bestseller die häufigsten Probleme, klärt über die Ursachen auf und bietet erprobte Lösungen. Seine Trainingsanleitungen sind leicht nachvollziehbar und zeigen, wie man in kleinen Schritten Verhalten ändern oder sich besser darauf einstellen kann.

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Problemhund im Alltag

© Klaus Grittner/Kosmos

Heutzutage rückt der Hund immer mehr in den Mittelpunkt des Familienlebens. Er begleitet seine Menschen überall mit hin.

Der Hund ist im Urlaub mit dabei und soll sich vollständig in die Familie integrieren. Als Familienhund soll er kinderfreundlich sein, beim gemeinsamen Hobby Leistung zeigen, im Alltag unauffällig und geduldig sein, sowohl das Alleinbleiben als auch den Trubel einer Großstadt ertragen können und als Partnerersatz wird er zum Kuschelhund, der seinem Menschen bedingungslose Liebe entgegenbringen soll. Ganz schön viel für „einen“ Hund …

Nehmen Probleme heute zu?

Die Geschäfte rund um den Hund laufen gut. Im Hundezubehörladen kann man jegliches erdenkliche Hilfsmittel erwerben, angefangen von Spielzeug, Dummy und Futterbeutel über Leinen, Geschirre und Halsbänder, aber auch Maulkorb, Anti-Zug-Geschirr, Kopfhalfter und Bell-Stopp füllen die Regale. Sinnvoll oder nicht soll an dieser Stelle gar nicht die Frage sein. Doch das Geschäft läuft, auch in Bezug auf Training und Versorgung des Hundes. Neben dem Tierarzt gibt es mittlerweile Tierphysiotherapeuten, Ernährungsspezialisten und natürlich gibt es Hundetrainer für alle möglichen Beschäftigungsformen und Verhaltens-probleme des Hundes. Wer mit seinem Hund nicht in die Hundeschule geht, dem werden Probleme bereits vorhergesagt. Scheinbar ist das Zusammenleben mit dem Hund immer schwieriger geworden. Doch woran liegt das? Werden unsere Hunde immer problematischer?

© Klaus Grittner/Kosmos

Ballschleuder, Dummyweste, Leckerlibeutel und Pfeife – die „Grundausstattung“ eines Hundehalters?

Veränderungen der Zucht

Auch wenn sich der Hund im Laufe der letzten Jahrzehnte natürlich verändert hat, ist er dennoch das geblieben, was er immer schon war: ein domestiziertes Raubtier! Die Veränderungen beim Hund sind aber gerade in Bezug auf das Äußere gravierend. Hierzu muss man sich nur die Rassefotos vieler Hunde aus den Anfängen der Zucht anschauen. Die heute präsentierten Rassevertreter haben häufig kaum noch etwas mit ihren Urahnen gemeinsam. Stand früher der Arbeitseinsatz der Hunde im Vordergrund, mussten die Hunde also sowohl geistig als auch körperlich den Ansprüchen genügen, welche die Menschen an sie als Helfer bei der Jagd, beim Hüten oder beim Bewachen von Haus und Hof stellten, ist heutzutage oft ein sehr persönliches Schönheitsideal ausschlaggebend. Da werden Hunde für die Zucht bevorzugt, die möglichst viel Masse mit sich bringen. Extreme Winkelungen der Hinterhand, stark verkürzte Nasen, sehr kleine oder sehr große Exemplare, alles was besonders viel hermacht oder sehr selten und damit besonders ist, scheint sich durchzusetzen. Doch leider wird hierbei der gesundheitliche Aspekt oftmals vergessen. So können viele dieser Hunde z. B. kaum noch über einen längeren Zeitraum laufen oder ohne Probleme atmen.

© Klaus Grittner/Kosmos

Martin erklärt, welche Bedürfnisse die Kromfohrländer-Hündin Amy hat und wie diese im Alltag und gemeinsamen Training erfüllt werden können.

Zu hohe Erwartungen an den Hund

Sogenannte Problemhunde entstehen häufig einfach durch falsche Erwartungen des Menschen an seinen Hund! Das beginnt damit, dass der Mensch sich häufig nicht gut genug vorab bei der Anschaffung informiert, welcher Hund eigentlich am besten zu ihm und seiner Familie passt. Daher kann ich nur raten, das Angebot der Beratung vor der Auswahl und Anschaffung eines Hundes in unseren Hundeschulen zu nutzen. Ein guter Hundetrainer wird genau nachfragen, welche Vorstellungen du von deinem Hund hast, welche Ansprüche du an einen Hund stellst und wie das Leben bei dir bzw. in deiner Familie abläuft. Er wird dir dann dementsprechend mögliche Rassen vorstellen und dir auch bei der Auswahl eines Welpen bei einem Züchter helfen. Alternativ kann er mit dir im Tierheim passende Hunde in Bezug auf deine Ansprüche testen. Auf jeden Fall solltest du dir bei der Auswahl des Hundes Zeit lassen, ein übereilter Kauf hilft niemandem. Schließlich möchtest du mindestens die nächsten 12 bis 15 Jahre gemeinsam mit deinem Vierbeiner verbringen bzw. bei einem erwachsenen Hund die restlichen Jahre gemeinsam erleben, bis er hoffentlich dieses hohe Alter erreicht hat. Doch gerade beim Ersthund sind die Vorstellungen vieler Menschen sehr romantisch. Der Mensch möchte mit seinem Hund die Natur erleben. Entspannte Spaziergänge, bei denen man einfach einmal die Seele baumeln lassen kann, sind wohl nicht zu viel erwartet. Natürlich soll auch der Hund auf seine Kosten kommen, indem er neue Bekanntschaften schließt. Und man selbst ist ja auch offen und freut sich über neue Bekannte, die das gleiche Hobby teilen. Während man den Hunden beim netten Spiel zuschaut, kann gefachsimpelt werden, man kann sich über das neueste Hundefutter austauschen oder einfach nur das gemeinsame Zusammensein genießen. Zuhause liegt der Hund dann zufrieden und glücklich in seinem Körbchen und wartet brav darauf, dass es am Nachmittag noch einmal nach draußen geht.

© Klaus Grittner/Kosmos

Simone und ihr Mischlingsrüde Shadow verstehen sich gut. Beide lieben die gemeinsamen Spaziergänge.

Ganz so einfach ist es nicht

Die Realität sieht dann meist ganz anders aus ... Der Hund jagt alles, was er in die Nase bekommt, und man befindet sich auf dem Spaziergang allein, kaum dass er abgeleint ist. An der Leine lässt sich der Hund auch kaum führen, er zieht wie ein Berserker, sodass man bereits chronische Schmerzen im Schultergelenk hat. Trifft man auf andere Hunde, stürmt „Waldemar“ mit lautem Gebell los, und oftmals endet das Zusammentreffen blutig.

Zuhause nimmt der Vierbeiner das Haus auseinander, allein bleiben kann er gar nicht und Besucher werden laut verbellt, wenn sie überhaupt ins Haus hinein dürfen. Wofür hatte man sich noch mal den Hund angeschafft?

Glücklicherweise trifft das gerade beschriebene Szenario in dieser Komplexität auf die wenigsten Hunde zu. Doch die ein oder andere Baustelle hat wohl jeder Hund. Und das ist auch ganz normal!

© Klaus Grittner/Kosmos

Der acht Monate alte Labrador-Rüde muss noch viel lernen, damit Spaziergänge entspannt verlaufen.

Hunde sind nicht perfekt!

Hunde sind Lebewesen, sie sind nicht „perfekt“. Wir schaffen uns einen Hund aus Fleisch und Blut an, keinen Roboter, der nur entsprechend unserer Bedürfnisse programmiert werden muss und dann zuverlässig funktioniert. Hunde sind soziale Lebewesen, die ihre individuellen Stärken und Schwächen haben! Und als diese müssen wir Menschen sie auch wahrnehmen und akzeptieren. Natürlich heißt das nicht, dass du mit dem Problem deines Hundes für immer leben musst. Wenn dein Hund an der Leine zieht, kannst du ihm über ein gut aufgebautes und auf ihn abgestimmtes Training beibringen, an lockerer Leine zu laufen. Das kann jeder Hund lernen! Zumindest in den meisten Situationen. Denn natürlich kann selbst der besterzogenste Hund einmal vergessen, was eigentlich von ihm erwartet wird. Wir Menschen kennen das auch von uns selbst. Man ist freudig erregt und kann sich nicht mehr zurückhalten, oder hat große Angst und möchte nur noch weg, ohne weiter nachzudenken. Auch dein Hund wird gegebenenfalls in solchen Situationen nicht mehr daran denken, dass du eigentlich mit ihm vereinbart hattest, an lockerer Leine zu laufen. Dein Hund ist deswegen jedoch noch lange kein Problemhund. Du musst ihm aus der für ihn schwierigen Situation hinaushelfen und wirst dann erleben, wie die gemeinsame Bewältigung eure Beziehung stärkt.

Nicht nur negativ denken

Doch nicht immer kann durch ein Training jedes Problem gelöst werden. Hunde haben Charaktereigenschaften, die sich auch durch ein noch so gutes Training nicht verändern lassen. Den hochspezialisierten Jagdhund wird man wohl niemals vollkommen entspannt frei laufen lassen können. Natürlich kannst du die zuverlässige Rückrufbarkeit trainieren, deinen jagdlich hoch motivierten Hund mit alternativen Beschäftigungsformen auslasten, dennoch wirst du ihn vermutlich auf dem Spaziergang immer im Auge behalten müssen, um im Falle des Falles schnell eingreifen zu können. Genauso wenig wirst du durch noch so intensives Training aus einem sehr ängstlichen Hund einen Draufgänger machen. Du kannst lernen, Angstzustände deines Hundes zu erkennen, deinen ängstlichen Hund sicher zu führen oder ihm aus einer Angstsituation zu helfen. Dein Hund kann die Erfahrung machen, dass es Sinn macht, sich an dir zu orientieren. Dennoch wird es immer wieder zu Situationen kommen, in denen er ängstlich reagiert.

Kommt es zu einem solchen „Rückschlag“, sind viele Menschen enttäuscht. Sie denken, dass sie selbst vermutlich nicht hart und konsequent genug trainiert haben, denn es muss ja einen Grund für das erneute Versagen geben. Alle anderen scheinen es doch auch zu schaffen, haben ja offensichtlich perfekte Hunde. Denn auch das spielt beim Bild, das man von seinem Hund hat, eine große Rolle: die Erwartungen, die das Umfeld offensichtlich oder auch nur scheinbar an einen selbst als Hundehalter bzw. an den Hund hat. Hunde sollen in unserer Gesellschaft funktionieren. Sie sollen nicht auffallen, keine anderen Menschen belästigen. Der Hund, der einen Menschen anbellt, fällt auf. Unerwünschtes Verhalten wird schnell anstößig kommentiert. So passiert es schnell, dass man ebenfalls nur noch die negativen Seiten seines Hundes sieht. Alles, was man bereits erreicht hat, ist vergessen, spielt kaum eine Rolle im Vergleich zu dem, was man noch nicht geschafft hat.

Positive Eigenschaften sehen

Daher ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, welche wundervollen Eigenschaften der eigene Hund hat. Gerade wenn du mit einem Problem kämpfst, solltest du dir einmal die Zeit nehmen und positive Eigenschaften deines Hundes sowie tolle Erlebnisse mit ihm aufschreiben. Du wirst erstaunt sein, wie lang die Liste wird. Denn nicht umsonst hast du dich damals für deinen Hund entschieden. Hätte er schon zu Beginn keine positiven Eigenschaften oder liebenswerten Merkmale gehabt, hättest du ihn vermutlich auch nicht in deine Familie aufgenommen. Denn wer will schon mit jemandem jahrelang eng zusammenleben, den er hässlich, abstoßend und offensichtlich einfach nur unmöglich findet?

Idealbild und Realität

Mach dir zuerst einmal bewusst, dass das Idealbild deines Hundes niemals mit der Realität übereinstimmen kann. Und mal Hand aufs Herz: Wäre das Leben mit dem perfekten Hund nicht viel zu langweilig? Denn dann hätten wir uns alle doch einfach nur Roboter anschaffen können. Ein Hund reagiert nicht immer so, wie wir es erwarten, aber genau das macht das Training und Zusammenleben erst spannend. Denn damit müssen auch wir Menschen geistig aktiv bleiben und uns immer wieder von neuem auf unseren Hund und auf die momentane Situation einstellen! Akzeptiere deinen Hund daher so wie er ist, mit all seinen Stärken und Schwächen. Hilf ihm dabei, sich zu entwickeln, aber lerne auch seine Grenzen kennen. Versuche auf keinen Fall, ihn zu biegen oder zu brechen, denn das, was seine Persönlichkeit ausmacht, wirst du nicht verändern können.

© Klaus Grittner/Kosmos

Die kleine Terrier-Mischlingshündin Shila verzaubert alle Menschen mit ihrem charmanten und freundlichen Wesen und ist immer für einen Spaß zu haben.

Probleme erkennen

Im Gespräch mit Martin werden die Ursachen für die Probleme im Alltag mit Australian Shepherd-Rüde Anton sichtbar – er hat nicht gelernt, zu warten.

© Klaus Grittner/Kosmos

Während desGesprächs steht Anton nicht im Mittelpunkt, er bekommt keine Aufmerksamkeit von seiner Familie.

© Klaus Grittner/Kosmos

Frustriert beginnt er, in die Leine zu beißen, um durch Zerren die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

© Klaus Grittner/Kosmos

Da er immer noch keine Aufmerksamkeit bekommt, wird er deutlicher und springt den Vater der Familie an.

© Klaus Grittner/Kosmos

Seinen Frust darüber, dass die Familie seinen Wünschen nicht nachkommt, zeigt er nun auch durch Beißen in den Arm.

Probleme lösen

Auch der Mensch darf in der Beziehung Mensch-Hund nicht vergessen werden. Denn auch er ist ein Individuum mit Stärken und Schwächen. Dein Hundetrainer hat dir z. B. geraten, deinen Hund einige Zeit lang zu ignorieren. Und dann kommst du nach einem stressigen Arbeitstag nach Hause und brauchst einfach die gemeinsame Kuschelzeit mit deinem Hund auf dem Sofa ... Niemand ist perfekt, kein Mensch kann immer hundertprozentig funktionieren. Und auch Menschen haben Bedürfnisse, die sie gern erfüllt haben möchten. Ein gutes Hundetraining ist daher immer sowohl auf den Hund und dessen Eigenschaften und Bedürfnisse abgestimmt, als auch auf den Menschen. Es spricht also nichts dagegen, an Problemen zu arbeiten! Doch was ist überhaupt ein Problem?

Wichtig

Was ist ein Problem?

Ein Problem ist immer nur das, was im Miteinander stört. Ein Wachhund, der fremde Menschen auf dem Grundstück verbellt, ist sehr erwünscht. Würde der gleiche Hund im Haus bei einer großen Familie leben und jedes zu Besuch kommende Kind verbellen, gäbe es ein Problem. Damit ist klar: „Den Problemhund an sich“ gibt es eigentlich gar nicht. Problematisch ist immer nur das, was vom Menschen als störend, als nicht passend für den Alltag, die Beziehung, das Umfeld, angesehen wird. Aus diesem Grund sprechen wir auch nicht von Problemen mit Hunden, sondern von un-erwünschtem Verhalten bzw. Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden!

Fallbeispiel: Missverständnis

Tina Bär kommt mit ihrem stark an der Leine ziehenden Hund zum ersten Termin auf den Hundetrainingsplatz. Der Hundetrainer begrüßt sie und ihren hechelnden Hund mit den Worten: „Ich sehe schon, wo das Problem liegt.“ Tina wundert sich, dass der Hundetrainer scheinbar hellseherische Fähigkeiten hat. Sie antwortet mit den Worten: „Ja genau, mein Hund soll endlich lernen, unsere Pferde nicht mehr zu jagen, wie haben Sie das denn erkannt?“ Nach einem kurzen Gespräch klärt sich das Missverständnis auf. Tina Bär wohnt auf einem Pferdehof in einer ländlichen Gegend. Der nächste Nachbar befindet sich mehrere Kilometer weit entfernt. Daher darf der Hund auf dem Hof frei laufen. Allerdings hat er seit kurzem begonnen, die Pferde auf der Weide zu jagen. (Wie sich später herausstellt, zeigt der Australian Shepherd einfach nur in ihm veranlagtes Hüteverhalten, das er auf der Pferdekoppel zeigt.) Mit der Leinenführigkeit hat Tina kein Problem, denn bis auf nur wenige Ausnahmen wie den jährlichen Besuch beim Tierarzt, muss der Hund nie an der Leine laufen. Und deshalb wurde die Leinenführigkeit auch nie mit dem Australian Shepherd trainiert.

Für ein erfolgreiches Hundetraining müssen sich Hundetrainer und Hundehalter miteinander austauschen. Es müssen die Bedürfnisse in der Familie und beim Hund besprochen werden.

© Klaus Grittner/Kosmos

Australian Shepherd-Hündin Phoebe muss noch lernen, an lockerer Leine zu laufen.

Verhaltensauffälligkeit kontra Verhaltensstörung

Hunde, die mit dem Menschen zusammenleben, wurden in den sozialen Verband aufgenommen, um die Bedürfnisse und die Ansprüche des Menschen zu erfüllen, und das heute oftmals mehr als zu Beginn der Domestikation des Hundes. Hunde können ihre Bedürfnisse nicht frei ausleben. Sie dürfen weder unbegrenzt jagen, noch selbst über sexuelle und soziale Kontakte entscheiden und auch kein Territorium ihr Eigen nennen. Sie sind auf den Menschen angewiesen, der über das Leben der Hunde verfügen kann. Bei domestizierten Tieren ist der Begriff „artgerecht“ damit eigentlich paradox.

Verhaltensauffälligkeit

Dennoch sollte ganz allgemein in der Tierhaltung die Verantwortung für ein Lebewesen den Menschen dazu bringen, der Tierart so gerecht wie möglich zu werden. Im Zusammenleben mit dem Menschen in nur teilweise artgerechter Haltung entwickeln sich jedoch „Sonderformen“ bestimmter Verhaltensweisen. Oft entsteht oder entwickelt sich ein solches Verhalten aus einem Funktionskreis heraus, das Verhalten hatte also ursprünglich eine biologische Funktion. Durch verschiedene Ursachen bleibt eine „sonderbare“, das heißt z. B. verstärkte, antrainierte oder verminderte Verhaltensweise bestehen. Entspricht das nun entstandene Verhalten nicht den Vorstellungen des Menschen, wird es unangebrachtes arttypisches Verhalten genannt, der Hund zeigt eine Verhaltensauffälligkeit.

So verändert sich beim Hund z. B. das aus dem Funktionskreis des Nahrungserwerbs kommende Verhalten des Milchtritts zum fordernden Stupsen mit der Pfote. Der Welpe tritt mit der Pfote gegen die Zitze der Hündin. Dadurch wird der Milchfluss angeregt und der Welpe bekommt Nahrung. Dieses Verhalten, also das Treten mit der Pfote, setzen viele Hunde später ein, wenn sie etwas bei ihrem Menschen einfordern möchten, sei es ein Leckerli, eine Streicheleinheit oder etwa ein Spiel. Wenn nun der Mensch diesen Forderungen des Hundes immer nachkommt, wird das Verhalten verstärkt und kann sich so zu einem sehr lästigen, unangebrachten – aber eben immer noch arttypischen – Verhalten des Hundes entwickeln, der Hund ist verhaltensauffällig!

Verhaltensabweichung

„Verhaltensabweichungen werden als Besonderheiten definiert, die den Tieren eine Anpassung an besondere Umweltbelastungen ohne Entwicklung neurotischer Symptome ermöglicht.“ (Feddersen-Petersen, Hunde-Revue „Ethologie“, 1995) Es kann unter bestimmten Lebensumständen für Hunde schwierig sein, sich ihrer Umgebung anzupassen. Als eine Verhaltensauffälligkeit bzw. Verhaltensabweichung bezeichnen wir daher ein Verhalten, das einer Verhaltensstörung nicht zugeordnet werden kann, da es durch eine Umgestaltung der Lebensumstände verändert bzw. abgestellt werden kann.

Unangebrachtes arttypisches Verhalten beim Hund wird vom sozialen Umfeld nicht akzeptiert, da es lästig, unerwünscht oder gefährlich sein kann. Zu den unerwünschten Verhaltensweisen gehören beispielsweise Anspringen, häufiges Bellen, Fressen von Kot oder verschiedene Formen der Aggression. Diese Verhaltensweisen müssen deutlich von der Verhaltensstörung abgegrenzt werden. Der Unterschied liegt darin, dass diese Verhaltensweisen vollkommen arttypisch, also „normal“ sind!

© Klaus Grittner/Kosmos

Die fünf Monate alte Große Schweizer Sennenhündin Emmy hat noch nicht gelernt, dass sie mit Betteln keinen Erfolg hat und so keine Leckerlis bekommt.

Verhaltensstörung

Gehört ein Verhalten nicht mehr zum Verhaltensrepertoire eines Tieres oder ist ein Verhalten nicht mehr biologisch funktional, kann von einer Verhaltensstörung gesprochen werden. Ein solches Verhalten läuft nicht mehr zweckgebunden ab. Wird ein Lebewesen durch Krankheit, Schock oder Trauma in seiner Entwicklung so stark geschädigt, dass der Organismus sich an das Umfeld nicht mehr anpassen kann oder mit dem Umfeld nicht mehr zurechtkommt, kann ebenfalls von einer Verhaltensstörung gesprochen werden. „Man kann sagen, dass bei echten Verhaltensstörungen das Verhalten nicht mehr zweckgebunden abläuft. Ab wann aber ein Verhalten aus dem normalen Verhaltensrepertoire nun als Verhaltensstörung gelten muss oder kann, lässt sich nicht eindeutig definieren. Übergänge von normalem zu gestörtem Verhalten laufen oft nicht eindeutig ab.“ (Schöning, 2001)

Bei Verhaltensstörungen unterscheidet man verschiedene Verhaltensmuster, dazu gehören z. B. Stereotypien, Verlust bestimmter Verhaltensmuster, Apathie/Depressionen sowie Reizempfänglichkeit.

Stereotypien

„Stereotypien sind monotone, periodische, ritualisierte, vermeintlich funktionslose Ersatzbewegungen, die Hunde (Tiere) wiederholt ausführen und die bis zur Selbstverstümmelung gehen können.“ (Luescher, Mc Keown und Halip, 1991; Literaturangaben bei Askew, 2003)

Bei Hunden findet man verschiedene Formen stereotypen Verhaltens wie z. B. Kauen von Füßen und Krallen, Flankensaugen, Lecken an fremden Gegenständen, Kratzen, Fixieren von bzw. Jagen nach nicht existierenden Objekten, Sich-selbst-Anknurren, Sich-um-sich-selbst-Drehen oder Mit-dem-Kopf-Pendeln.

Verlust bestimmter Verhaltensmuster

Bedingt durch ein Trauma kann es vorkommen, dass Hunde sich nicht mehr entspannen, also kein Komfortverhalten wie z. B. Strecken, Räkeln, Schütteln, Fellpflege mehr zeigen. Ebenso kann Spielverhalten wegfallen, wenn die Lebensumstände eine bestimmte Form der Entspannung nicht mehr entstehen lassen. Bei der Apathie kann mit der Interesselosigkeit auch das Erkundungsverhalten wegfallen.

Apathie/Depression

Apathie entwickelt sich durch chronischen Stress, der z. B. durch Anpassungsschwierigkeiten des Hundes an eine Lebenssituation entsteht. Der chronische Stress führt zu physiologischen Veränderungen und zu Verhaltensänderungen. Die Symptome von Apathie sind Teilnahmslosigkeit, Interesselosigkeit, wenig bis kaum in Kontakt treten zur Umwelt, verlangsamte Bewegung bis zur Bewegungslosigkeit. Erstarren ist eine Funktionsstörung ohne das Vorhandensein von Lähmungen. Es kommen weitere Symptome wie z. B. Durchfall, Erbrechen, hohe Fluchtbereitschaft und nächtliche Unruhe hinzu (vgl. Feddersen-Petersen, 2004).

Apathische Hunde werden selten zum Training gebracht, denn sie verhalten sich unauffällig und machen ihrem Halter kaum Probleme. Zeigen sich organische Auffälligkeiten, werden solche Hunde eher von Tierärzten behandelt.

Reizempfänglichkeit

Bei reizempfänglichen oder sehr sensiblen (hypersensiblen) Hunden können normale Alltagsreize zu chronischem Stress führen, was physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen hervorruft. Symptome können ständige Unruhe, Schlafstörungen oder Abmagerung sein.

© Klaus Grittner/Kosmos

Bella kommt aus einer Massenzucht. Sie hat kaum etwas kennengelernt, sodass sie schnell gestresst ist.

Vorbeugen ist besser als behandeln

Um bei Hunden die Entstehung von Verhaltensstörungen oder auch Verhaltensauffälligkeiten zu verhindern, müssen die Grundbedürfnisse des Hundes befriedigt werden. Nur so ist eine normale Entwicklung überhaupt möglich.

Grundbedürfnisse des Hundes

Zuchtbedingungen und -ziele müssen sich an der Verhaltensforschung und deren Erkenntnissen orientieren. Sie müssen darauf ausgerichtet sein, dass Hunde sich ihrem Lebensumfeld anpassen können.

Da Hunde soziale Lebewesen sind, ist es wichtig, dass sie in sozialen Gruppen leben, die klar strukturiert sind. Innerhalb des sozialen Verbandes muss es eine sinnvolle Aufgabenteilung geben, die dem Hund keine Aufgaben überträgt, mit denen er überfordert ist.

Neben dem Kontakt innerhalb der sozialen Gruppe, die auch aus anderen Lebewesen, z. B. Menschen, bestehen kann, müssen Hunde Sozialkontakt zu Artgenossen haben.

Das Training bzw. die Erziehung muss sich an den Bedürfnissen und Veranlagungen des Hundes orientieren. Hierzu gehört auch die individuelle Förderung der rassespezifischen Eigenschaften. Neben der körperlichen Auslastung ist eine geistige Beschäftigung unerlässlich!

Die Körpersprache und Kommunikation des Hundes muss beachtet bzw. vom Menschen erlernt werden. Es darf nicht zu einer Vermenschlichung des Hundes kommen.

Wichtig

Bedürfnisse

•Zucht nach neuesten Erkenntnissen der Forschung

•Leben in sozialen Gruppen

•Kontakt zu Artgenossen

•Erziehung / Training entsprechend Bedürfnis / Veranlagung des Hundes

•Eingehen auf Körpersprache / Kommuni- kation des Hundes

© Klaus Grittner/Kosmos

Hunde brauchen Kontakt zu Artgenossen. Ein ausgelassenes Spiel gehört einfach zum Leben dazu.

© Klaus Grittner/Kosmos

Apportierspiele festigen die Mensch-Hund-Beziehung und befriedigen die jagdlichen Bedürfnisse des Hundes.

Frühzeitige Symptomerkennung

Durch frühzeitiges Erkennen von Symptomen, die auf eventuell gerade entstehende Verhaltensprobleme hinweisen, können dem Hund und seinem Menschen viele Probleme erspart bleiben.

Mögliche Symptome, die auf Verhaltensstörungen/Verhaltensauffälligkeiten hinweisen:

Häufiger Durchfall oder oft weicher Kot/ ständiges Erbrechen

Veränderte Flüssigkeits- oder Nahrungsaufnahme: reduziert, vermehrt, abartig

Nicht-zur-Ruhe-Kommen: im Haus oder draußen

Unausgeglichenheit: Verhaltensschwankungen, wie z. B. häufiger und schneller Wechsel von Apathie zu Reizempfänglichkeit oder von Freundlichkeit zu Aggression

Lautäußerungen, die einer Situation nicht angemessen sind: übersteigertes Bellen, Jaulen oder Heulen

Unvermögen, sich zu konzentrieren: Beim Training sind hier z. B. keine langen, ruhigen Übungen möglich, aber auch die Gesamttrainingszeit muss stark reduziert werden.

Veränderung des Körperpflegeverhaltens: reduziert, vermehrt, autoaggressiv

Übersteigertes Jagdverhalten: Fixieren oder Jagen von nicht existenten Objekten

Stereotype Bewegungsmuster: z. B. ununterbrochenes Auf-einer-Stelle-Springen, Kopf-Pendeln, Im-Kreis-Drehen, In-die-Rute-Beißen

Natürlich ist ein Hund nun nicht direkt verhaltensgestört bzw. verhaltensauffällig, wenn er ab und an eines dieser Symptome zeigt. So können Durchfall und Erbrechen auch einfach nur durch ein Virus verursacht werden und auf eine Magen-Darm-Erkrankung hinweisen. Junge Hunde, die manchmal nicht wissen, wohin mit ihrer Kraft, zeigen das „Sich-im-Kreis-Drehen“ oder „Rute-Fangen“ auch häufig nur, um Stress abzubauen. Einige Rassen bellen häufiger, weil dieses Verhalten durch Zuchtauslese bewusst verstärkt wurde und damit wiederum zum „Normalverhalten“ wird. Fixieren von Beute wird bei vielen Hunden unbewusst durch den Menschen verstärkt. Das lustige Spiel mit dem Laserpointer, bei dem der Hund den Laserstrahl verfolgen soll, führt z. B. oft dazu, dass der Hund auch auf Lichtreflexe durch Sonneneinstrahlung mit Fixieren reagiert.

Dennoch solltest du deinen Hund genau beobachten, wenn du eines dieser Anzeichen bemerkst. Zeigt dein Hund das Verhalten wiederholt? Sind gar mehrere Anzeichen erkennbar? Ist dein Hund im Augenblick des gezeigten Verhaltens nicht mehr ansprechbar oder kannst du das Verhalten noch durch Ansprechen oder Aufforderung zu einer alternativen Handlung unterbrechen? Gerade wenn es zu einer Häufung dieser Symptome kommt, diese ständig und ohne die Möglichkeit einer Unterbrechung gezeigt werden, solltest du in jedem Fall professionelle Hilfe in einer Hundeschule suchen.

Therapieverlauf bei Verhaltensauffälligkeiten

Im Hundetraining ist die Verhaltenstherapie eine Verhaltensberatung für den Menschen, die in der Regel zu einer Verhaltensänderung des Menschen führen soll, um damit eine Verhaltensänderung beim Hund zu bewirken. In einem speziell auf das Mensch-Hund-Team und dessen Bedürfnisse bzw. dessen Alltag abgestimmten Training soll der Hund innerhalb seiner Möglichkeiten lernen, sich anzupassen. Das Team Mensch-Hund steht dabei im Vordergrund, die Förderung der Mensch-Hund-Beziehung ist einer der wichtigsten Aspekte bei den unterschiedlichen Trainingseinheiten.

© Klaus Grittner/Kosmos

Die vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Hund steht beim Hundetraining im Vordergrund.

Anamnese / Erstgespräch

In einem ersten Gespräch wird sich der Hundetrainer ein genaues Bild vom Hund und seinem Menschen machen. An erster Stelle steht dabei natürlich eine möglichst genaue Beschreibung des Problems bzw. des unerwünschten Verhaltens durch den Hundehalter. Dieser soll beschreiben, welches Verhalten im Zusammenleben mit seinem Hund für ihn problematisch ist und welches Ziel er sich wünscht. Es ist wichtig, bereits zu Beginn das Ziel des Trainings genau zu definieren, damit es nicht zu Enttäuschungen beim Hundehalter kommt. Der Hundetrainer wird im Anschluss an die Problemerfassung bzw. Definition des Trainingsziels weitere Fragen zum Hund in Bezug auf den Alltag, den Umgang des Hundes mit fremden Menschen und Artgenossen, sowie bisherigen – das unerwünschte Verhalten betreffenden – Erfahrungen des Hundes und gegebenenfalls bereits erfolgten Trainingsmaßnahmen stellen. Zudem wird er Hund und Halter im gemeinsamen Umgang miteinander beobachten, um weitere Informationen bezüglich der Beziehung zwischen Mensch und Hund zu erhalten. Im Anschluss daran folgt – wenn möglich – eine Beobachtung des Hundes in der Situation, in der das unerwünschte Verhalten auftritt. Ist diese Beobachtung nicht möglich, da die Situation nicht adäquat nachgestellt werden kann oder sie für Hund und Halter oder andere beteiligte Lebewesen zu gefährlich wäre, erfolgt eine Beobachtung in ähnlichen, aber weniger gefährlichen Situationen. Möglich ist auch, dass der Halter des Hundes das unerwünschte Verhalten filmt und diese Aufnahmen dem Hundetrainer zeigt.

© Klaus Grittner/Kosmos

DOGS Coach Heike Kleinhans bespricht beim ersten Termin, welche Wünsche die Familie im weiteren Training mit der Großen Schweizer Sennenhündin Emmy hat.

Ursache des Verhaltens

Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die Ursache für das unerwünschte Verhalten des Hundes zu ermitteln, denn ein Training bei unerwünschtem Verhalten sollte nicht nur darauf ausgerichtet sein, Symptome abzustellen. Der Halter des Hundes ist dann zwar erst einmal zufrieden, der Hund zeigt das Verhalten, zumindest erst einmal, nicht mehr. Wenn die Ursache für das unerwünschte Verhalten jedoch nicht beseitigt wurde, wird der Hund entweder nach einer kurzen Zeit erneut dieses Verhalten zeigen oder aber, da er weiß, dass es eigentlich unerwünscht ist, ein anderes, in der Regel ebenfalls unerwünschtes, Verhalten. Häufig zeigen diese Hunde dann auch Anzeichen einer echten Verhaltensstörung wie z. B. autoaggressives Verhalten, indem sie sich die Pfoten aufbeißen und Stellen im Fell blutig lecken, oder aber auch Apathie und Einstellen von Spiel- und Komfortverhalten. In diesen Fällen ist der Halter zwar zufrieden, da der Hund das unerwünschte Verhalten nicht weiter zeigt, der Hund leidet jedoch weiter, häufig still und vom Menschen unbemerkt. Daher ist es wichtig, die Ursachen für ein unerwünschtes Verhalten herauszufinden, um so einen auf das Mensch-Hund-Team passenden Trainingsplan erstellen zu können, der sowohl die gezeigten Symptome als auch die Ursachen berücksichtigt und somit zu einem dauerhaften Erfolg führt.

Wichtig

Therapiegespräch

•Problembeschreibung

•Definition des Trainingsziels

•Befragung des Halters zum Umfeld des Hundes

•Beobachtung Umgang Mensch-Hund

•Beobachtung des Hundes während des unerwünschten Verhaltens

•Erstellen eines Trainingsplans in Bezug auf Symptome und Ursachen

Medizinische Abklärung

Bei Verhaltensauffälligkeiten oder -störungen muss immer zunächst einmal eine medizinische Abklärung durch den Tierarzt erfolgen, auch wenn nur selten eine rein medizinische Ursache Auslöser für ein unerwünschtes Verhalten oder eine Verhaltensstörung ist. So kann starke Reizempfänglichkeit mit gesteigertem aggressivem Verhalten z. B. durch einen Hirntumor ausgelöst werden. Falls eine Operation noch möglich ist, wird sich nach dieser das Verhalten des Hundes deutlich ändern. Auch Probleme mit der Schilddrüse können zu starken Verhaltensauffälligkeiten führen. Hier hilft die lebenslange Einnahme eines Medikamentes, eine weitere verhaltenstherapeutische Behandlung ist in der Regel nicht mehr notwendig. Bei einigen Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden kann aber auch eine begleitende medikamentöse Therapie mit Psychopharmaka notwendig werden. Das folgende verhaltenstherapeutische Training kann dann auf die Diagnose bzw. die medizinische Behandlung abgestimmt werden.

Therapie mit Psychopharmaka

Früher bestand für Tierärzte keine Notwendigkeit, Verhaltensprobleme bei Hunden mit Psychopharmaka zu behandeln. Durch ihren Status als Arbeitstier, also z. B. Hof- oder Hütehund, wurde der Behandlung von Verhaltensproblemen keine Bedeutung zugemessen. Traten Probleme auf, verhielt der Hund sich nicht wie erwünscht, wurde er „entsorgt“, also z. B. erschossen, erschlagen oder eingeschläfert. Der Kauf eines neuen Hundes war zum einen wirtschaftlicher, zum anderen aber auch einfacher.

Erst durch den Status als Sozialpartner wurde die Verhaltenstherapie für Haustiere interessant und mit ihr auch die Verwendung von Psychopharmaka.

Allerdings sollten Verhaltensprobleme niemals ausschließlich medikamentös behandelt werden! Ein unerwünschtes Verhalten wie z. B. ausgeprägte Ängstlichkeit wird durch Psychopharmaka lediglich gedämpft oder unterdrückt, ohne begleitende Verhaltenstherapie kann in der Regel keine dauerhafte Veränderung des Verhaltens erreicht werden. Jedoch kann die Anwendung von Psychopharmaka gerade im Bereich der Bewältigung von Angsttraumata nötig werden, da ohne sie der Hund nicht in der Lage ist, neue Strategien zu erlernen. Hat der Hund z. B. starke Ängste, kann man diese mithilfe von Psychopharmaka dämpfen, um dem Hund das Erlernen alternativer Verhaltensweisen zu ermöglichen. Dann werden Schritt für Schritt die Medikamente abgesetzt, bis der Hund auch ohne sie die neuen Strategien anwenden kann. Sinnvolle Ergänzung zu einer Verhaltenstherapie sind Psychopharmaka daher bei Ängsten, Phobien und Traumata, bei sehr reizempfänglichen Hunden, bei Dauerstress oder bei Hunden, die nicht mehr ansprechbar sind und bei denen ein Trainingsansatz sonst kaum zu finden ist.

Modifikation der Umgebung

Unerwünschtes Verhalten des Hundes entsteht oft durch nicht erfüllte Bedürfnisse oder unpassende Haltungsbedingungen. Ein Hund, der den ganzen Tag allein im Zwinger verbringen muss, kann seine Bedürfnisse nach dem Leben im Sozialverband und Kontakt zu anderen sozialen Lebewesen nicht erfüllen. Wird der Hund ins Haus geholt, sodass er am Leben der Familie ausreichend teilnehmen kann, können sich unerwünschte Verhaltensweisen allein durch diese Veränderung reduzieren oder sogar ganz einstellen. Hat ein Hund im Zwinger z. B. den ganzen Tag durchgehend gebellt, egal ob sich Menschen dem Grundstück nähern oder nicht, und damit seine Halter sowie die gesamte Nachbarschaft viele Nerven gekostet, können sich dadurch, dass der Hund z. B. nicht mehr den ganzen Tag im Zwinger oder allein im Garten bleibt, sondern mit ins Haus darf, Verhaltensänderungen einstellen. In Bezug auf die Haltungsbedingungen müssen bei einer ersten Analyse daher sämtliche örtliche Gegebenheiten betrachtet werden. Dazu gehört z. B. der Liegeplatz des Hundes, die Futter- bzw. Wasserstelle, aber auch der Besitz von Ressourcen.

Umfeld anpassen

Ein Hund, der aggressives Verhalten gegenüber Besuchern zeigt, sollte z. B. einen strategisch eher ungünstigen Liegeplatz haben. Ein Körbchen im Flur, bei dem er alle Bewegungen der Familienmitglieder beobachten kann und ankommende Besucher sofort registriert, ist daher eher ungeeignet. Mit der Zuweisung eines solchen Liegeplatzes wird ein so veranlagter Hund erst recht zum Wächter gemacht, er bekommt aus seiner Sicht die Aufgabe des Torwärters regelrecht zugewiesen. Verteidigt ein Hund Beute gegenüber den Familienmitgliedern, sollte Beute nicht frei zugänglich für den Hund sein. Denn so ergeben sich häufig unkontrollierbare Situationen, da man nie weiß, ob der Hund gerade eine Beute bewacht und daher aggressiv reagieren könnte, wenn man sich dem Hund nähert, oder nicht. Ein Hund, der aggressives Verhalten bei der Fütterung zeigt, sollte seinen Futterplatz in einer ruhigen Ecke haben. Der Flur eignet sich hier in der Regel weniger, auch wenn er der einzige geflieste Raum im Haus ist.

Je nach Problematik muss also das Umfeld des Hundes genauestens analysiert und gegebenenfalls in Bezug auf das jeweilige unerwünschte Verhalten angepasst werden.

Verhalten ändern seitens des Halters

Um unerwünschte Verhaltensweisen eines Hundes zu verändern, ist in der Regel eine Verhaltensänderung des Hundehalters und der gesamten Familie nötig. Schon kleinste Änderungen können viel bewirken, doch aus emotionalen Gründen oder aus Gewohnheit der Halter werden diese oft nicht, schlecht oder nur halbherzig umgesetzt. Hierzu gehören z. B. Veränderungen im Umgang mit dem Hund, also z. B. Forderungen des Hundes zu ignorieren, wie ihn z. B. nicht am Tisch zu füttern, ihn nicht zu streicheln oder auf das Sofa zu lassen, keine rauen Kampf- oder Zerrspiele durchzuführen, unerwünschtes Verhalten nicht unbewusst zu verstärken, Konfliktsituationen zu vermeiden.

Natürlich fällt es vielen Menschen z. B. schwer, den Hund zu ignorieren. Wofür hat man denn überhaupt einen Hund in die Familie geholt, wenn man sich nun nicht mit ihm beschäftigen darf? Und natürlich soll ein Hund nicht den ganzen Tag komplett ignoriert werden, Sozialkontakt und Integration in die Familie sind für einen Hund wichtig. Dennoch kann es sein, dass in bestimmten Situationen dem Menschen im Zuge einer Verhaltenstherapie dazu geraten wird, den Hund zu ignorieren. Sei es, damit der Hund forderndes Verhalten einstellt, bei einer Begrüßung den Menschen nicht anspringt oder aber lernt, bei der Mahlzeit der Menschen nicht mehr nach Essen zu betteln. In diesen Fällen muss als erstes der Mensch lernen, sein Verhalten zu ändern.

Entscheidungen treffen

Vielen Menschen ist auch überhaupt nicht bewusst, wie häufig der Hund ihr eigenes Verhalten bestimmt. Hier hilft es oft, eine Strichliste zu machen. Wer bewegt wen? Wer agiert, wer reagiert? Bei jeder Aktion gibt es dann einen Strich beim Menschen oder beim Hund. Fällt die Liste sehr zu Gunsten des Hundes aus, besteht Handlungsbedarf. Denn offensichtlich ist es in dieser Beziehung der Hund, der die meisten Entscheidungen trifft. Wie soll sich ein Hund aber am Menschen orientieren und sich an dessen Regeln halten, wenn dieser gar kein souveräner Entscheidungsträger ist? Denn Hunde unterscheiden nicht zwischen dem Alltag im Haus und wichtigen Situationen draußen.

© Klaus Grittner/Kosmos

Die Strichliste zeigt deutlich, wer hier wen bewegt: Reina fordert Marion häufig zu einer Aktivität auf.

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Vielen Menschen fällt gar nicht auf, wie oft ihr Hund ihr Handeln bestimmt.

Beziehungsaufbau

„Ignoranz“ und „Entscheidungen treffen“ sind die wichtigsten Aspekte beim Beziehungsaufbau zwischen Mensch und Hund. Auch Hunde regeln untereinander viele angespannte Situationen durch Ignoranz. Wird der Junghund aufmüpfig, läuft der souveräne Althund zunächst einmal unbeeindruckt weiter und tut so, als hätte er weder den Junghund noch sein Verhalten bemerkt. Zudem lässt sich der Althund nicht durch jede Spielaufforderung des Junghundes aus der Reserve locken. Oft bleibt er einfach entspannt auf seinem Liegeplatz liegen und reagiert gar nicht. Natürlich gibt es auch immer wieder einmal Situationen, in denen er auf eine Spielaufforderung eingeht oder sogar selbst ein Spiel mit dem Junghund initiiert. Denn Spiel und soziale Kommunikation sind wichtig für den Bindungsaufbau. Nur wer sich miteinander beschäftigt, wer gemeinsam Dinge erlebt, dabei aber auch Grenzen des Partners kennenlernt, kann eine gute Beziehung zu dem anderen aufbauen.

Mein Tipp

Souveräner Partner