Professor Zamorra 1144 - Anika Klüver - E-Book

Professor Zamorra 1144 E-Book

Anika Klüver

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Beschreibung

Das Feuer war überall. Um sie herum loderten Flammen. Sie wusste nicht, ob es dahinter noch eine Welt gab. Das Feuer war zu ihrer Welt geworden. Und in dieser Welt tanzten Wesen, die noch viel schrecklicher waren als die Flammen. Grinsende Fratzen starrten ihr entgegen. Sie sah Münder, die sich zu weit öffneten, und Augen, die aus brennenden Kugeln in leeren Höhlen bestanden. Die Wesen hatten sie umzingelt und kamen immer näher. Ihre Haut schmerzte bereits von der Hitze des Feuers. Sie musste etwas unternehmen, sonst würde sie bei lebendigem Leib verbrennen. Es gab nur einen Ausweg. Nicole Duval stürzte sich in das brennende Inferno.

Zamorra ist Larcos tödlichen Intrigenspiel fürs Erste entkommen - doch der Magier als auch sein Herr und Meister Chrynos verfolgen weiter ihren Plan, Zamorra zu vernichten ...

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Seitenzahl: 154

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Inhalt

Cover

Impressum

Erbe der Vergangenheit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Francesco Faconti / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5948-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Erbe der Vergangenheit

von Anika Klüver

Das Feuer war überall. Um sie herum loderten Flammen. Sie wusste nicht, ob es dahinter noch eine Welt gab. Das Feuer war zu ihrer Welt geworden. Und in dieser Welt tanzten Wesen, die noch viel schrecklicher waren als die Flammen. Grinsende Fratzen starrten ihr entgegen. Sie sah Münder, die sich bedrohlich weit öffneten, und Augen, die aus brennenden Kugeln in leeren Höhlen bestanden. Die Wesen hatten sie umzingelt und kamen immer näher. Ihre Haut schmerzte bereits von der Hitze des Feuers. Sie musste etwas unternehmen, sonst würde sie bei lebendigem Leib verbrennen. Es gab nur einen Ausweg.

Nicole Duval stürzte sich in das brennende Inferno.

Technoclub Womb, Tokio, Bezirk Shibuya

Laserstrahlen stachen grell durch die Dunkelheit und erhellten für Sekundenbruchteile Körper und Gesichter. Nackte Haut leuchtete in allen möglichen Farben auf, wenn das Licht auf sie traf. Die Luft war stickig und viel zu warm. Aus den Lautsprechern dröhnten elektronische Bassklänge, die man eher spürte als hörte. Jeder Ton durchdrang Haut, Muskeln und Knochen und ließ den ganzen Körper vibrieren.

Im flackernden Licht wirkten die Bewegungen der Menschen zuckend und abrupt. Wie ein einziges großes Wesen bewegte sich die Masse aus Körpern im Takt der Musik auf und ab. Hier dachte man nicht nach. Hier gab mit sich einfach nur mit Leib und Seele der Musik hin und ließ sich von ihr mitreißen, bis man alles andere vergaß.

Aidan Murphy liebte dieses Gefühl. Er hatte schon viel über den Club gehört. Und nun, da er ihn endlich gefunden hatte, wurde er nicht enttäuscht. Sein Weg durch Shibuya war wie eine Reise durch einen riesigen Vergnügungspark gewesen. Abends verwandelte sich der Tokioer Bezirk in eine gewaltige Party. Die bunten Lichter sorgten schnell dafür, dass man die Orientierung verlor. Und alles war so viel größer als zu Hause.

Nicht dass Dublin kein reges Nachtleben gehabt hätte. Aidans Heimatstadt hatte ebenfalls einiges zu bieten, wenn man sich abends amüsieren wollte, und er hatte diese Angebote oft genug genutzt. Regelmäßig war er mit seinen Kumpels um die Häuser gezogen und hatte bis zur Sperrstunde in den Pubs getrunken. Und danach war noch lange nicht Schluss gewesen. Sobald die Pubs geschlossen hatten, waren die Straßen zu ihrer Partyzone geworden – oftmals bis weit in die frühen Morgenstunden hinein.

Aber das alles war nichts im Vergleich zu dem hier. Japan hatte seine ganz eigene Feierkultur. Sie war genauso exzentrisch wie der Rest von Tokio. Und Aidan hatte vor, sie ausgiebig zu genießen, bevor er weiterzog. Schließlich würde er so bald nicht noch mal nach Japan kommen. Denn wenn er erst mal studierte und danach einen Job hatte, würde ihm keine Zeit mehr dafür bleiben, in der Welt herumzureisen.

Genau deswegen hatte er sich für die Backpackingtour durch Asien entschieden. Bevor für ihn der Ernst des Lebens begann, wollte er sich noch mal so richtig austoben. Natürlich würde er unterwegs auch arbeiten müssen, um seine Reise zu finanzieren. Aber daran wollte er momentan nicht denken. Die nächsten paar Tage würde er erst mal durchfeiern, so viel stand fest.

Ein lauter Knall holte ihn in die Wirklichkeit des Technoclubs zurück. Die Musik setzte aus, und gleich darauf ertönte ein ohrenbetäubendes Kreischen. Die Laserstrahlen zuckten wie wild, und Aidan sah, dass alle den Kopf zur Decke hoben. Auch er schaute nach oben.

Für einen Augenblick glaubte er, das Dach des Gebäudes wäre explodiert. Millionen funkelnder Splitter regneten auf die Clubbesucher herab. Das Dröhnen der Musik setzte wieder ein, und Aidan erkannte, dass es sich bei dem Splitterregen um Flitter handelte. Ein Mechanismus in der Decke hatte die schmalen Streifen aus glänzendem Papier abgeworfen. Die tanzenden Gäste reckten die Arme nach oben, um den Flitter willkommen zu heißen. Und Aidan tat es ebenfalls.

Seit er den Club betreten hatte, liefen viele seine Reaktionen automatisch ab. Er ließ sich einfach treiben und genoss die Musik. Die Beats aus den Lautsprechern wurden schneller, und er fing wieder an zu tanzen. An seiner schweißnassen Haut klebte überall Flitter. Auch die anderen Gäste waren damit bedeckt.

Mittlerweile hatte Aidan jegliches Zeitgefühl verloren. Gab es hier überhaupt eine Sperrstunde? Es kümmerte ihn nicht. Er würde bis zum nächsten Morgen tanzen. Während er sich im Takt der Musik auf und ab bewegte, ließ er den Blick durch die Menge schweifen. Die meisten anderen Gäste waren jung, genau wie er. Sie trugen bunte Kleidung und allerlei ungewöhnlichen Schmuck. Auch ihre Haare waren teilweise bunt und zu fantasievollen Frisuren gestylt.

Fast alle um ihn herum waren Japaner, soweit er es beurteilen konnte. Hier und da entdeckte er auch europäisch anmutende Gesichter, doch die waren eher die Ausnahme. Hier war er der Exot. Und das mochte sich durchaus als Vorteil herausstellen.

Aidans Blick blieb an einer Gruppe junger Frauen hängen. Sie trugen extrem knappe Kleidung. Die Oberteile erinnerten eher an Stoffbänder als an Tops. Zwei von ihnen hatten die Haut außerdem mit Leuchtfarbe bemalt, die im Licht des Clubs fremdartig glühte. Als sie bemerkten, dass er sie beobachtete, steckten sie die Köpfe zusammen. Und Aidan sah seine Chance.

Er winkte ihnen zu und bedeutete ihnen, zu ihm herüberzukommen. Und tatsächlich bewegten sich die Mädchen auf ihn zu. Sie bahnten sich einen Weg durch die zuckenden Körper und kamen ihm mit jedem Aufblitzen der Lichter ein Stück näher.

»Hi«, sagte er, als sie ihn erreichten. Sie waren zu sechst und umringten ihn. Mit ihren hübschen Mandelaugen musterten sie ihn neugierig. Aidan fühlte sich plötzlich ein wenig unsicher. Bislang war er ein Teil der Masse gewesen, doch nun stand er plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Und zwar der Aufmerksamkeit hübscher Frauen. Jede Einzelne von ihnen sah absolut umwerfend aus und schien beinahe nicht von dieser Welt zu sein. Die Leuchtfarbe, die bunten Haare und das knallige Make-up sorgten dafür, dass die Mädchen irgendwie unecht aussahen – wie Aliens oder Roboter in Menschengestalt.

Bevor Aidan Angst vor der eigenen Courage bekommen konnte, streckte er einer der jungen Frauen eine Hand entgegen. Sie hatte blau bemalte Lippen und pinkfarbenes Augen-Make-up. Auch der Rest ihres Körpers wies bunte Bemalungen auf. »Ich bin Aidan.«

Die Frau starrte seine Hand an und sah dann zu ihren Freundinnen. Sofort brachen sie alle in Gekicher aus. Dann plapperten sie alle gleichzeitig los. Ein Schwall Japanisch drang auf Aidan ein. Er verstand kein Wort, denn abgesehen von ein paar einfachen Begrüßungsfloskeln und nützlichen Äußerungen wie »Bitte« und »Danke« sprach er kein Japanisch.

Auch wenn er sich dabei ein wenig albern vorkam, legte er eine Hand auf die Brust und nannte erneut seinen Namen. »Aidan.«

»Ei-den«, wiederholte eins der Mädchen unbeholfen, aber eifrig.

»Genau«, lobte Aidan. Sofort kicherten die Mädchen wieder, und jedes bemühte sich, den Namen auszusprechen.

»Ich komme aus Irland und befinde mich auf einer Reise durch Asien«, fuhr er fort. »Ich werde nicht lange in Tokio bleiben. Nur ein paar Tage, dann ziehe ich weiter. Aber das muss ich euch eigentlich gar nicht erzählen, oder? Ihr versteht mich ohnehin nicht.«

Die Mädchen lächelten höflich. Irgendwie war es befreiend, wenn man sagen konnte, was man wollte, weil die Gesprächspartner nicht dieselbe Sprache beherrschten. Das reduzierte die Unterhaltung auf die wichtigen Dinge.

Aidan deutete mit einer Geste die Frage an, ob sie etwas mit ihm trinken wollten. Die Handbewegung für »trinken« erschien ihm universal genug. Sofort plapperten die Mädchen wieder los und nickten heftig. Dann zog eine von ihnen etwas aus ihrer Tasche.

»Hast du etwa einen Flachmann dabei?«, fragte Aidan. Wenn sie ihren eigenen Alkohol mit in den Club gebracht hatten, würde er natürlich deutlich günstiger davonkommen. Sein Budget für die Reise war nicht besonders groß, und er wollte es nicht schon am ersten Abend vertrinken. Aber er wollte auch nicht auf die Gesellschaft der Mädchen verzichten.

Doch das, was seine neue Bekanntschaft da aus ihrer Tasche gezogen hatte, war kein Flachmann. Es handelte sich um ein kleines Döschen, auf dem das Gesicht der in Japan – und mittlerweile auch überall sonst auf der Welt – allgegenwärtigen Hello-Kitty-Figur prangte. Strahlend hielt sie ihm das Bild des stilisierten weißen Katzengesichts entgegen.

»Was soll ich damit?«, fragte er.

Das Mädchen gestikulierte energisch, und die anderen redeten auf ihn ein.

»Ich habe keine Ahnung, was ihr von mir wollt«, sagte er ein wenig hilflos. »Ich dachte, wir trinken einfach was zusammen.« Wieder führte er seine Hand an den Mund und vollführte eine pantomimische Trinkgeste.

Als Reaktion darauf öffnete das Mädchen die Dose und hielt sie ihm erneut hin. Es musste an den verrückten Lichtverhältnissen hier im Club liegen, denn der Inhalt des kleinen Behältnisses schien zu glühen. Es handelte sich um violette ovale Kapseln, die in etwa die Größe einer Kidneybohne hatten. Obwohl Aidan so was noch nie gesehen hatte, ahnte er sofort, worum es sich handelte. Er war schließlich nicht blöd.

»Oh, ihr habt sogar noch was Besseres als Alkohol dabei«, sagte er. Er hatte die Mädchen aufgrund ihres Verhaltens nicht so eingeschätzt, aber das hier war ein Technoclub. Zweifellos waren hier jede Menge Partydrogen im Umlauf. Die Drogengesetze in Japan waren zwar enorm streng – Aidan hatte sich vor seiner Abreise darüber schlau gemacht, um sich keinen Ärger einzuhandeln –, aber das bedeutete natürlich nicht, dass es hier keine Rauschmittel gab.

Und hier im Club war es relativ sicher. Die Polizei würde hier wohl kaum ausgerechnet heute Abend eine Razzia durchführen.

Das Mädchen hielt ihm die Dose weiter hin und redete mit drängendem Tonfall auf ihn ein. Das violette Glühen der Kapseln spiegelte sich in ihren dunklen Mandelaugen.

Plötzlich schienen das Innere des Clubs, die Tanzfläche und all die anderen Gäste in den Hintergrund zu rücken. Die Musik wurde zu einem dumpfen, beständigen Wummern. Doch Aidan war sich nicht mehr sicher, ob es tatsächlich die elektronischen Bassklänge waren oder ob das Pochen, das ihn durchdrang, sein eigener Herzschlag war. Er schluckte trocken.

Das Mädchen verzog die blau bemalten Lippen zu einem verheißungsvollen Lächeln. Dann nahm sie eine der Kapseln aus der Dose und hielt sie Aidan hin.

»Ist gut«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme.

»Hey, du sprichst ja doch meine Sprache«, erwiderte Aidan verblüfft. Doch als das Mädchen nur verlegen kicherte, wurde ihm klar, dass das vermutlich die einzigen beiden Wörter waren, die es beherrschte.

Er starrte die glühende Kapsel an. Normalerweise nahm er keine harten Drogen. Aber er war schließlich nicht um die halbe Welt gereist, um normale Dinge zu erleben. Das hier war seine letzte Gelegenheit, noch mal alles auszuprobieren, was das Leben zu bieten hatte. Und was war schon dabei? Vermutlich waren die meisten Leute um ihn herum high. Und wenn die zierlichen Japanerinnen das Zeug vertrugen, konnte es nicht so heftig sein. Wahrscheinlich würde alles nur ein bisschen bunter und die Party ein bisschen intensiver werden. Und dagegen war nichts einzuwenden.

Die Musik donnerte weiter aus den Lautsprechern, und die Menge um ihn herum tanzte immer noch wie besessen. Aidan öffnete den Mund und beobachtete gebannt, wie ihm die hübsche Japanerin wie in Zeitlupe die violette Kapsel zwischen die Lippen schob.

Er spürte die glatte Kapsel auf der Zunge. Sie schmeckte nach nichts und war weder warm noch kalt. Ein anderes Mädchen hielt ihm eine Flasche vor die Nase. Er hatte keine Ahnung, wo sie die plötzlich herhatte, aber er nahm sie an und trank einen großen Schluck daraus.

Er konnte nicht beurteilen, ob das Getränk Alkohol enthielt, weil es unfassbar süß schmeckte. Beinahe hätte er es samt der Kapsel wieder ausgespuckt. Was für ein widerliches Zeug! Natürlich kicherten die Mädchen, während er darum kämpfte, das Gesöff zu schlucken. Sie kicherten ständig. Taten sie überhaupt mal etwas anderes?

Die Kapsel war nicht mehr in seinem Mund, also musste er sie geschluckt haben. Sehr gut, dann konnte die Party ja gleich richtig losgehen.

»Na kommt«, sagte er zu den Japanerinnen. »Lasst uns tanzen!« Er ließ sich wieder auf den beständigen Beat ein und sprang auf und ab. Zuerst war alles wie immer. Er hatte Spaß, aber den hätte er auch ohne irgendwelche Partypillen gehabt. Wenn das alles war, war es fast ein wenig enttäuschend. Er schaute zu den Mädchen, die ihn allesamt anlächelten. Auch sie tanzten nun wieder, aber sie ließen ihn dabei nicht aus den Augen. Sie schienen darauf zu warten, dass etwas passierte.

Und dann war da auf einmal ein Kribbeln, das sich vom Magen aus im ganzen Körper ausbreitete. Zuerst glaubte er, es wäre Übelkeit, aber das war unmöglich. Er fühlte sich gut, nein, er fühlte sich fantastisch! War das die Wirkung der Kapsel? Er nahm plötzlich alles viel extremer wahr, nicht nur seine Umgebung, sondern auch sich selbst. Er spürte das Blut, das durch seine Adern rauschte. Er spürte, wie sich die Haare an seinen Armen und Beinen und sogar die feinen Härchen in seinem Nacken alle gleichzeitig aufstellten und sein Körper unter Strom gesetzt wurde.

Es kribbelte überall. Es war, als wäre die Musik um ihn herum zu einem Teil von ihm geworden – oder als wäre er zu der Musik geworden. Er vibrierte förmlich. So was hatte er noch nie erlebt.

Am liebsten hätte er sich in winzige Klangpartikel aufgelöst und wäre durch den Raum geschwebt. So musste es sich anfühlen, wenn man nur noch aus Schallwellen bestand. Er war frei, und all die Menschen tanzten, weil er ihnen den Takt vorgab.

Das Kribbeln wurde immer heftiger. Mittlerweile war es so extrem, dass Aidan es kaum noch ertragen konnte. Es fühlte sich zu gut an. Er wirbelte herum und fuhr mit den Händen über seinen Körper, um die Anspannung unter Kontrolle zu bringen. Doch als er seine Arme berührte, spürte er nur eine schleimige Masse.

Die Beleuchtung im Club war nicht gut, aber sie reichte aus. Als Aidan sah, was geschah, schrie er auf. Doch aus seinem Mund kam kein Laut. Entsetzt starrte er auf seine Hände, an denen blutige Hautfetzen klebten. Die Haut hatte sich abgelöst! Sie hing ihm in Klumpen vom Körper, und der Juckreiz war so unerträglich, dass er seine ganze Willenskraft aufbringen musste, um sich nicht auch noch die verbliebene Haut vom Leib zu kratzen. Denn genau das wollte er tun, obwohl ihm beim Gedanken daran speiübel wurde.

Er drehte sich suchend um und entdeckte die sechs Mädchen. Sie starrten ihn an, wirkten aber nicht im Geringsten entsetzt, sondern eher verwundert. Sahen sie denn nicht, was mit ihm passierte? Auch die anderen Gäste des Clubs verhielten sich normal und tanzten weiter. Warum rief niemand einen Notarzt?

Er starrte wieder auf seine Arme und verschluckte sich vor Schreck. Die Haut war völlig unversehrt. Hatte er sich das etwa nur eingebildet? Ungläubig strich er über seine Arme und sein Gesicht. Alles war wie immer. Was hatte ihm die Tussi da für ein heftiges Zeug gegeben? Er hatte nicht übel Lust, sie deswegen anzuzeigen, aber dann würde er nur selbst Probleme bekommen, und seine Reise würde enden, bevor sie richtig angefangen hatte. Immerhin hatte er das Zeug freiwillig geschluckt – und zur Strafe den Höllentrip erlebt.

Aidan hatte genug für einen Abend. Er würde sich in die Jungendherberge aufmachen, in Ruhe ausschlafen und Tokio morgen verlassen. Er hatte plötzlich die Nase voll von der Stadt.

Er drehte sich um sich selbst, weil er sich nicht mehr sicher war, wo genau sich der Ausgang des Clubs befand. Nach seinem Trip war ihm noch ein bisschen schwindelig, und die Lichter und Farben um ihn herum verschwammen zu einem alles verschlingenden Wirbel.

Dann entdeckte er das leuchtende Schild, von dem er glaubte, dass es den Notausgang markierte. Auch gut, dachte er. Hauptsache, ich komme hier irgendwie raus.

Doch er kam nicht weit. Bevor er auch nur einen Schritt gemacht hatte, kippte die Welt zur Seite. Auf einmal hatte er keinen festen Boden mehr unter den Füßen.

Und dann waren sie über ihm. Mit grässlichen Fratzen starrten sie auf ihn herab. Der Hunger in ihren Augen war unverkennbar. Eben waren das noch ganz normale Clubbesucher gewesen. Jetzt hatten sie sich in Bestien verwandelt. Das waren keine Menschen mehr! Ihre Gesichter waren verzerrt und sahen aus wie die von Wachsfiguren nach einem Großbrand. Genau wie eben noch bei ihm, hing nun ihre Haut in Fetzen vom Körper.

Fangzähne schnappten nach ihm. Aus dem Augenwinkel nahm er blaue Lippen in einem entstellten Gesicht wahr. Das Mädchen, das ihm die Droge gegeben hatte, wollte sich auf ihn stürzen.

Er schrie und schlug um sich. Sie würden ihn nicht bekommen. Er würde hier nicht sterben! Nicht so!

Schreiend versuchte er, sich aufzurichten. Doch er wusste nicht mal genau, wo oben und unten war. Sein Körper gehorchte ihm nicht. Es war, als wäre er schlagartig gelähmt.

Die Fratzen kamen immer näher. Als er eine Berührung an seiner Schulter fühlte, rastete etwas in ihm vollkommen aus. Sie kamen ihn holen. Die Monster würden ihn bei lebendigem Leib fressen! Und er konnte nichts dagegen unternehmen.

Eine Stimme drang an sein Ohr. Sie war ebenso verzerrt wie die Gesichter. Er verstand nicht, was sie sagte. Er verstand nicht mal, welche Sprache es war. Er hörte nur noch sein eigenes panisches Gebrüll, das alles andere übertönte.

Dann sah er ein helles Licht, das ihn und die Bestien einhüllte. Es war überall, eine Welt aus Weiß. War das das Ende? Starb er gerade? Vielleicht war es besser so. Dann würden sie ihn nicht kriegen. Er wollte lieber tot sein, als den Ungeheuern zum Opfer zu fallen.

Doch die Gnade sollte ihm offenbar nicht zuteilwerden. Eines der Wesen zerrte an ihm und krallte sich in seine Brust. Es hockte sich auf ihn und drückte zu, als wollte es das Leben aus ihm herauspressen.

Aidan Murphy hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Er lag einfach da und ließ es geschehen. Er war ohnehin erledigt, also konnte er genauso gut darauf warten, dass der Tod kam und ihn erlöste. Er hoffte nur, dass es nicht allzu lange dauern würde.

***

Discovery Tower, New York

Die spiegelnden Fenster der Wolkenkratzer erinnerten ihn an seine Heimat. Auch dort gab es Türme aus Glas. Sie waren ganz anders als die hier, denn das Glas der Türme in seiner Heimat war pechschwarz und schimmerte matt. Und doch musste er an sie denken, wann immer er aus dem großen Panoramafenster seines Penthousebüros schaute und die Architektur der Menschen der Erde betrachtete.