Professor Zamorra 1167 - Anika Klüver - E-Book

Professor Zamorra 1167 E-Book

Anika Klüver

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Beschreibung

Ophelias Rache
von Anika Klüver

Der Speer stach in seine Richtung, und nur ein beherzter Sprung zur Seite bewahrte Ted Ewigk davor, aufgespießt zu werden. Er hechtete hin und her, doch seine Gegner waren ebenso schnell und wendig. Und sie waren römische Soldaten aus der Antike, was absolut keinen Sinn ergab. Wo in aller Welt waren sie hergekommen? Ted überwand seine Verblüffung. Er wirbelte herum und versuchte, einen weiteren Angriff abzuwehren. Doch er war nicht schnell genug. Eine Speerspitze erwischte ihn an der Seite. Kaltes Eisen schnitt durch seine Kleidung und in sein Fleisch. Ted schrie auf. Die Römer hatten ihn umzingelt. Es gab kein Entkommen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Ophelias Rache

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Dennis Simcott

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7664-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ophelias Rache

von Anika Klüver

Der Speer stach in seine Richtung, und nur ein beherzter Sprung zur Seite bewahrte Ted Ewigk davor, aufgespießt zu werden. Er hechtete hin und her, doch seine Gegner waren ebenso schnell und wendig. Und sie waren römische Soldaten aus der Antike, was absolut keinen Sinn ergab. Wo in aller Welt waren sie hergekommen? Ted überwand seine Verblüffung. Er wirbelte herum und versuchte, einen weiteren Angriff abzuwehren. Doch er war nicht schnell genug. Eine Speerspitze erwischte ihn an der Seite. Kaltes Eisen schnitt durch seine Kleidung und in sein Fleisch. Ted schrie auf. Die Römer hatten ihn umzingelt. Es gab kein Entkommen …

Tate Britain, London

Die Minuten kurz nach der allabendlichen Schließung des Museums waren für George Abbott die schönste Zeit des Tages. Sobald die letzten Besucher die Ausstellungsräume verlassen hatten, wurde alles herrlich ruhig. Natürlich hatte George nichts gegen die Besucher, im Gegenteil, er mochte das bunte Treiben, das sie mit sich brachten. Außerdem waren Besucher notwendig, um ein Museum am Laufen zu halten. Schließlich bestand der Sinn einer Ausstellung darin, dass Leute sie sich anschauten.

Aber nach einem Tag voller Reisegruppen, Schulklassen und Dauerkartenbesitzer war George froh, wenn ein wenig Ruhe einkehrte. Er war nicht mehr der Jüngste, und die Stunden, die er im Dienst verbrachte, machten ihm immer mehr zu schaffen. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber lange würde er die Arbeit nicht mehr ausüben können. Er war bereits dreiundsiebzig und damit weit über das Rentenalter hinaus. Aber er hatte nicht viel, womit er seine freie Zeit hätte verbringen können.

Als überzeugter Junggeselle war er nie verheiratet gewesen, und er bereute es nicht. Aber die Vorstellung, den ganzen Tag allein in seinem kleinen Reihenhaus zu sitzen und wie all die anderen Rentner auf die Straße zu starren, immer in der Hoffnung, dass mal etwas passierte, war ganz und gar nicht das, was er sich für seinen Lebensabend ausgemalt hatte. Also hatte er eine Übereinkunft mit der Museumsleitung getroffen. Er durfte die Arbeit, die er jahrzehntelang gemacht hatte, weiterhin ausüben, bis es ihm körperlich nicht mehr möglich sein würde. Er erhielt ein kleines Gehalt, das für ihn vollkommen ausreichend war, und kam niemandem in die Quere.

George liebte seine Arbeit. Nach so vielen Jahren war er nicht nur gut mit fast allen Museumsmitarbeitern befreundet, sondern kannte auch viele Besucher, die immer wieder kamen, weil sie für ein bestimmtes Exponat schwärmten. Er unterhielt sich gern mit den Leuten, denn viel zu tun gab es für ihn eher selten. Die meisten Besucher wussten sich zu benehmen. Nur ab und zu musste er allzu übermütige Kunstfreunde darauf hinweisen, dass das Berühren der Exponate nicht gestattet war.

Fotografieren durfte man in der Tate mittlerweile, was George nach wie vor ein wenig irritierend fand. Schließlich kam man her, um sich die Bilder und Skulpturen in echt anzuschauen. Bilder davon fand man zuhauf in Büchern und im Internet. Aber die Leute fotografierten sie trotzdem mit ihren Handys, als nähmen sie an einem Wettbewerb für das beste Foto teil. Dabei entging ihnen die eigentliche Schönheit eines Museumsbesuchs, fand George. Denn die bestand seiner Meinung nach darin, die Kunst ganz unmittelbar zu erleben und sich mit allen Sinnen darauf einzulassen. Aber wen interessierte schon seine Meinung? Er war schließlich nur ein alter Mann.

Besonders freute sich George immer dann, wenn ihn tatsächlich mal jemand nach seiner Meinung fragte oder sein Wissen bemühte. Er mochte kein studierter Kunstexperte sein, aber er hatte Jahrzehnte seines Lebens in diesem Museum verbracht. Da schnappte man schon das ein oder andere auf. Außerdem sah er die Exponate jeden Tag und kannte winzige Details, die man beim flüchtigen Betrachten leicht übersah. Es bereitete ihm große Freude, interessierte Besucher auf »dieses kleine Rotkehlchen dort am linken Bildrand« oder »das heruntergefallene Blütenblatt unter dem Tisch in der vorderen rechten Ecke« hinzuweisen. Dann war das Staunen immer groß, und George war zufrieden.

George betrat den nächsten Flügel des Gebäudes. Er machte den Rundgang jeden Abend. Eigentlich war das nicht unbedingt nötig, aber George war gern gründlich. Er wollte sich persönlich davon überzeugen, dass alles seine Ordnung hatte, bevor er nach Hause ging. Oft war er der einzige Mitarbeiter, der sich dann noch in diesem Teil des Gebäudes befand.

Hin und wieder stieß er auf Besucher, die er freundlich auffordern musste, umgehend den Ausgang aufzusuchen, da sie die Zeit vergessen und nicht mitbekommen hatten, dass das Museum bereits geschlossen hatte. Weit häufiger entdeckte er bei seinem Rundgang jedoch Taschen, Jacken, Handschuhe, Schals, Regenschirme und andere vergessene Gegenstände, die er dann einsammelte und ins Büro der Museumsverwaltung brachte, damit die Besitzer sie später abholen konnten.

Etwas wirklich Aufregendes war ihm in seiner Zeit als Museumswächter jedoch noch nie passiert. Und das war ihm auch ganz recht so. George mochte keinen Trubel. Auch deswegen hatte er sich für den Beruf entschieden und übte ihn immer noch aus.

Sein Weg war jeden Abend der gleiche. Er kannte das Museum wie seine Westentasche und ließ sich selbst von wechselnden Ausstellungen nicht aus der Ruhe bringen. Mit geübtem Blick, der mittlerweile vielleicht nicht mehr ganz so wach war wie früher, trottete er durch die einzelnen Räume und schaute sich dort um. Wenn er nichts fand, ging er weiter, bis er das ganze Museum überprüft hatte und wieder im Eingangsbereich ankam.

Natürlich hatte George seine Lieblingsräume. Am liebsten verbrachte er seine Schichten in dem Bereich, in dem die Gemälde der Präraffaeliten ausgestellt wurden. Er wusste nicht, woran es lag, aber die sehnsüchtigen Motive der Künstler, die zu ihrer Zeit mit ihrem Stil durchaus als rebellisch gegolten hatten, sprachen etwas in ihm an. Es war nicht nur ihre sanfte Schönheit, sondern auch die symbolische Bedeutung des Dargestellten, die George gefiel. Man musste auf die kleinen Details achten, um die Bilder zu verstehen. Hinter ihnen verbarg sich mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.

Und selbstverständlich war George auch den schönen jungen Frauen nicht abgeneigt, die die Maler in ihren Szenen verewigt hatten. Manchmal glaubte er, dass er deswegen nie geheiratet hatte. Weil keine echte Frau je an die zarten Schönheiten heranreichen konnte, die die Präraffaeliten mit Ölfarbe und ihren Fähigkeiten auf die Leinwände gebannt hatten.

George hatte heute in einem anderen Raum Dienst gehabt, doch nun näherte er sich der Präraffaelitenabteilung. Er freute sich darauf, die Bilder heute noch kurz zu sehen, bevor er Feierabend machte. Es war ein wenig albern, und er würde es niemandem gegenüber zugeben, damit man ihn nicht für einen merkwürdigen alten Kauz hielt. Aber er wünschte den Bildern gern eine gute Nacht, bevor er ging. Irgendwie waren sie im Laufe der Jahre so etwas wie Freude für ihn geworden. Er sah sie fast jeden Tag und kannte sie in- und auswendig.

Er bog um die Ecke und wollte gerade den Durchgang zum nächsten Raum durchqueren, als das Licht flackerte und schlagartig verlosch. Er stutzte und hielt inne. Ein Stromausfall kurz vor Feierabend? Na wunderbar. Darum würde er sich kümmern müssen, damit morgen früh wieder alles seinen gewohnten Gang gehen konnte.

George zückte seine Taschenlampe, die er immer bei sich trug, und machte sich auf den Weg zu dem Raum, in dem sich die Sicherungskästen befanden. Der Hausmeister war sicher längst nach Hause gegangen. Der Bursche tat nur das Allernötigste und war so gar nicht nach Georges Geschmack. Aber hierfür brauchte er ihn nicht. Das konnte er problemlos selbst regeln.

Es war nicht stockdunkel. Ein grünliches Schimmern lag über allem. George glaubte, dass das von den Notausgangschildern kam, doch dann fiel ihm auf, dass die ebenfalls verloschen waren. Das war seltsam. Die Notbeleuchtung wurde doch von einer anderen Stromquelle gespeist, weil sie auch dann funktionieren musste, wenn die restliche Elektrizität ausfiel. Und wo kam dann das seltsame Glühen her?

George war kein Feigling. Er hatte fast sein ganzes Leben lang im Bereich der Sicherheit gearbeitet. Ein verlassener, dunkler Raum machte ihm keine Angst. Trotzdem war es ein wenig unheimlich, wie eine so vertraute Umgebung plötzlich so fremd wirken konnte. Das fehlende Licht sorgte dafür, dass die Skulpturen größer und seltsam verzerrt wirkten. Und die Gemälde sahen aus wie finstere Löcher in der Wand, in denen sich schemenhafte Gestalten aus einer anderen Welt tummelten.

»Jetzt reiß dich mal zusammen, alter Mann«, murmelte George in seinen grauen Schnauzbart hinein, um sich zur Ordnung zu rufen. »Das ist nur ein Stromausfall, weiter nichts.«

Er musste nur den Raum mit den Sicherungskästen erreichen. Dann würde alles wieder beim Alten sein.

So schnell ihn seine alten Beine trugen, trottete er los. Nach dem langen Arbeitstag spürte er jeden einzelnen Knochen im Leib. Vielleicht wurde er doch langsam zu alt für diesen Job.

Das grüne Schimmern schien zuzunehmen. George leuchtete mit seiner Taschenlampe umher und suchte nach der Quelle des fremdartigen Lichts. Doch es war überall um ihn herum.

Und dann fiel der Strahl der Taschenlampe auf die Gestalt im Durchgang. George zuckte zusammen und ließ die Lampe vor Schreck fallen. Sie landete mit einem lauten Knall auf dem Boden und rollte ein Stück davon. George machte keine Anstalten, sie aufzuheben.

Stattdessen starrte er wie gebannt auf die Gestalt, die reglos vor ihm stand. Er hatte die Räume doch bereits überprüft. Wo hätte sich hier noch ein Besucher verstecken können? Er versuchte, im schwachen Licht mehr zu erkennen. Es schien sich um eine Frau zu handeln. Sie war schlank und hatte langes Haar, das rötlich schimmerte und irgendwie flach an ihrem Kopf und ihrem Körper zu kleben schien. Außerdem trug sie ein Kleid, das an ihrer schmalen Gestalt viel zu voluminös wirkte.

»Verzeihen Sie, Miss, aber das Museum hat bereits seit einer halben Stunde geschlossen. Ich muss Sie bitten, zum Ausgang zu gehen«, sagte George mit seiner freundlichen, aber bestimmten Museumswächterstimme.

Die Frau starrte ihn weiter an und reagierte nicht.

»Wir scheinen einen Stromausfall zu haben, deswegen werde ich Sie zum Ausgang begleiten«, bot er an und machte einen Schritt auf sie zu. Er hatte immer noch keine Ahnung, wo sie hergekommen war. Aber sie hatte hier nichts zu suchen, so viel stand fest.

Sobald er sich in Bewegung setzte, trat die Frau auf ihn zu und versperrte ihm den Weg. Was hatte sie vor?

»Miss, bitte folgen Sie mir zum Ausgang«, forderte er sie erneut auf. »Ich muss Sie außerdem bitten, mir Ihren Namen zu nennen. Sie verstoßen gegen die Hausordnung der Tate, indem Sie sich hier aufhalten. Ihnen sollte klar sein, dass wir Ihnen dauerhaftes Hausverbot erteilen können.« Letzteres war natürlich ein wenig übertrieben, schließlich hatte die Frau keinen Schaden angerichtet. Aber George hatte das Gefühl, sich irgendwie wehren zu müssen.

»John?«, ergriff die Frau so unvermittelt das Wort, dass der alte Wachmann erneut zusammenzuckte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie plötzlich sprechen würde.

»Bist du mir ausgewichen, John? Du kannst es ruhig zugeben, denn ich weiß, was du denkst.« Ihre Stimme klang heiser und brüchig. So als wäre sie erkältet oder hätte sie lange nicht benutzt.

»Ich fürchte, Sie verwechseln mich, Miss. Mein Name ist nicht John. Ich bin George Abbott und für die Sicherheit in diesem Museum verantwortlich. Und ich muss Sie einmal mehr auffordern …«

»Du fühlst dich schuldig, nicht wahr?«, fiel sie ihm ins Wort. »Deswegen bist du mir ausgewichen. Weil du weißt, was du getan hast. Deine Arbeit war dir wichtiger als alles andere, wichtiger als meine Gesundheit.«

Was redete diese Frau da nur? Sie schien geistig verwirrt zu sein. George griff nach dem klobigen Diensthandy an seinem Gürtel. Er würde einen Notarzt rufen und vielleicht auch die Polizei informieren müssen. Womöglich war diese Frau aus einer psychiatrischen Einrichtung weggelaufen. Sie brauchte eindeutig Hilfe. Er drückte auf eine Taste des Handys, doch das Gerät reagierte nicht. Es war tot. George erschauderte.

»Deinetwegen wäre ich fast gestorben, John!« Die heisere Stimme der Frau war nun schrill und hysterisch. »Ich habe nichts gesagt, weil ich deine Konzentration nicht stören wollte. Aber das war dumm von mir. Ich hätte etwas sagen sollen, denn ihr habt mich alle nur ausgenutzt. Ich wurde krank, weil du nicht weiter als bis zu deiner Leinwand gesehen hast. Immer ging es dir und den anderen nur um die Kunst.«

Sie kam einen weiteren Schritt auf George zu. Nun sah er, warum ihre Haare so seltsam platt wirkten. Sie waren nass und klebten schwer vom Wasser an ihr. Auch das Kleid war vollgesogen und tropfte. Um sie herum hatte sich bereits eine Pfütze auf dem Boden gebildet. Außerdem wirkte ihre ganze Gestalt irgendwie … durchsichtig.

»Was in aller Welt …?«, keuchte George. Er wollte zurückweichen, war jedoch starr vor Entsetzen. Er starrte in das schöne Gesicht der Frau. Sie war blass wie der Tod und furchtbar jung. Und er kannte sie. Er hatte dieses Gesicht schon oft gesehen, beinahe täglich begegnete es ihm bei der Arbeit. Aber das ergab keinen Sinn. Diese Frau, dieses … Wesen dort vor ihm konnte nicht real sein.

George wollte nur noch hier raus. Er wollte das Museum verlassen und nach Hause fahren, wo er die Tür hinter sich verschließen und sich verstecken konnte. Doch dafür musste er an ihr vorbei. Und er hatte immer noch keine Ahnung, was sie von ihm wollte.

»Ich habe lange genug geschwiegen, John«, sagte sie. »Ich habe so viel erduldet. Aber damit ist jetzt Schluss.«

Mit diesen Worten hob sie die Arme. Das grüne Schimmern wurde stärker und umgab die Gemälde im Raum. Bevor George wusste, wie ihm geschah, stand eine weitere Person da. Es war ein Ritter in einer schweren Rüstung. Er kannte den Ritter. Er war auf einem der Gemälde abgebildet. Und nun war er dem Gemälde entstiegen. Er hatte sich einfach von der Leinwand gelöst und stand im Raum, so real und greifbar wie ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Georges altes Herz hämmerte wie wild. Was ging hier nur vor? Das war doch vollkommen unmöglich! Der Ritter hob sein Schwert und kam auf ihn zu. George riss in einer abwehrenden Geste die Hände hoch, brachte aber kein Wort heraus. Seine Kehle war ein großer Klumpen aus Angst. Er bekam kaum Luft.

»Spürst du das, John?«, fragte die Frau. »Das ist Todesangst. Ich war dem Tod oft so nah, dass sie für mich eine alte Bekannte ist. Doch dir ist sie neu, nicht wahr? Aber ich kann dich beruhigen. Eure Bekanntschaft wird nicht lange währen.«

Als hätte er einen stummen Befehl erhalten, trat der Ritter hinter George. Das Schwert hatte er immer noch hoch erhoben.

»Bitte …«, brachte der alte Mann nun endlich hervor. »Ich habe doch nichts getan.«

Die Frau schenkte ihm ein kurzes Lächeln. Es war das Schönste und gleichzeitig das Traurigste, was George je gesehen hatte. Der Anblick brach ihm das Herz.

Dann sauste das Schwert auf seinen Nacken herab.

Das London Eye, London

»Das ist ja unglaublich. Man kann von hier aus tatsächlich bis nach Schloss Windsor sehen, obwohl es kilometerweit weg ist. Schau doch mal!«

Ted Ewigk wandte sich ein wenig zu schnell nach rechts und bereute es sofort. Um ihn herum drehte sich alles, und der Boden unter seinen Füßen schwankte. Er wusste, dass er sich das nur einbildete, aber das änderte nichts daran, dass ihm gerade speiübel wurde. Und das hier war nun wahrlich nicht der richtige Ort, um sich zu übergeben.

So hatte er sich seinen Urlaub eigentlich nicht vorgestellt. Nach dem letzten Abenteuer, das er erst kürzlich mit seinem alten Freund Professor Zamorra durchgestanden hatte, war er reif für eine Pause gewesen. Und da seine Lebensgefährtin immer leicht zu begeistern war, wenn es darum ging, neue Orte kennenzulernen, hatte er sie nicht lange überreden müssen, als er einen Kurztrip nach London vorgeschlagen hatte. Seine grünhaarige Freundin war Feuer und Flamme gewesen und hatte mindestens drei verschiedene Reiseführer eingepackt.

Spätestens da hätte Ted merken müssen, dass er in diesem Urlaub keine Erholung finden würde. Mysati war schon immer ein Wirbelwind gewesen. Die ehemalige Herrscherin lebte nun zwar schon seit einigen Jahren in der Welt der Menschen, aber für sie gab es immer noch viel zu entdecken. Das lag auch daran, dass sie so gut wie alles interessant fand, zumindest für eine Weile. Bei ihr konnte man nie wissen, wofür sie sich als Nächstes begeistern würde, aber langweilig wurde es mit ihr definitiv nie.

Ted hingegen hätte auf seine alten Tage nichts gegen ein wenig Langeweile einzuwenden gehabt. Er war nun nicht mehr ständig als Geisterreporter in der ganzen Welt unterwegs, um übernatürlichen Ereignissen nachzugehen. Hin und wieder ließen sich Verwicklungen in einen Fall nicht vermeiden, und seinen Freunden Zamorra und Nicole half er immer gern, wenn sie ihn brauchten. Aber eigentlich wollte er am liebsten in seiner Villa in Rom sitzen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.

Vielleicht wäre das ein besserer Vorschlag für den Urlaub gewesen. Stattdessen saß er nun hoch oben über dem Erdboden in einer größtenteils durchsichtigen Riesenradgondel und kämpfte darum, die Fish and Chips nicht wieder hochzuwürgen, die er zum Mittagessen gehabt hatte. Denn natürlich hatte Mysati auf ein traditionelles Gericht der Einheimischen bestanden, inklusive einer Zeitungsseite vom Vortag, in die alles eingewickelt wurde.

Nun drehte sich seine Freundin zu ihm um und starrte ihn entgeistert an.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte sie.

»Gar nichts. Es geht mir bestens«, erwiderte Ted ein wenig zu schnell. Er warf einen Blick zu der Familie mit den drei Kindern, die sich mit ihnen in der Gondel befand. Der Vater schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln. Auch er schien sich den Wünschen seiner Liebsten unterworfen zu haben. Allerdings würde sich Ted keine Blöße geben.