Professor Zamorra 1291 - Rafael Marques - E-Book

Professor Zamorra 1291 E-Book

Rafael Marques

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Je näher Nicolás seinem besten Freund Marco kam, desto intensiver nahm er den süßlichen Geruch wahr, der ihm schon direkt nach Betreten des Weinkellers in die Nase gestiegen war.
Der 14-Jährige mit den kurzgeschorenen, schwarzen Haaren streckte die linke Hand nach der rauen Wand aus und fuhr vorsichtig über sie hinweg. Als er sie wieder zurückzog, hing zwischen seinen zitternden Fingern eine dunkelrote, klebrige und sogar schwach leuchtende Masse.
"Verdammt, das ist Blut", stieß Marco fassungslos hervor. "Die Wand blutet."


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 133

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Henkersblut

Leserseite

Vorschau

Impressum

Henkersblut

von Rafael Marques

Etwas veränderte sich dort oben. Ein gewaltiger Schatten schob sich über die beiden hinter den Wolken leuchtenden Sonnen und verdunkelte den gesamten Himmel. Nein, das war kein Späher oder Jäger, das war ein ausgewachsenes Schlachtschiff. Ein schwarzer Koloss, der keinem Bauplan entsprach, der ihm jemals zu Gesicht gekommen war und gegen den die eigentlich sehr eindrucksvolle Flotte der Zaarnaer kaum eine Chance haben würde.

Nur Sekunden später eröffnete das Kriegsschiff das Feuer.

Erinnerungen an Zaarna

Marrkaths Blick in Richtung Himmel war gleichzeitig ein Blick in sich selbst. In dem Grau der Wolken schien sich sein Leben zu manifestieren, von dem er behaupten konnte, alles erreicht zu haben und dennoch nicht zufrieden zu sein. Seine Karriere hatte ihren Höhepunkt erreicht, seine wunderschöne Frau kümmerte sich um die bald das Haus verlassenden Kinder und liebte ihn wie am Tag ihrer Zusammenführung. Warum war er dann nicht glücklich?

Gedankenverloren stieg er aus dem Ban, wie die gläsernen, kreisrunden Kugeln von knappen fünf Metern Durchmesser genannt wurden, die auch dank seiner Mithilfe dem größten Teil von Zaarnas Bevölkerung als Fortbewegungsmittel dienten. Dhyarra-Energie, verbunden mit dem planetaren Magnetismus und den Para-Fähigkeiten seines Fahrers, dienten als Antrieb. Dadurch sparte der Große Rat jedes Sonnenjahr Milliarden, die nicht in die Produktion konventioneller Energien investiert werden mussten. Die Schattenseite seiner Erfindung bildete allerdings eine um sich greifende Massenarbeitslosigkeit, da gerade in diesem Segment tausende Firmen schließen und ihre Angestellten entlassen mussten.

Das war auch der Grund, warum vor seinem vom Großen Rat als Wohnform der Elite festgelegtem, würfelförmigen Haus mit transparenten Wänden zwei bewaffnete Sicherheitskräfte Wache hielten. Wie viele Morddrohungen er in den letzten Sonnenjahren erhalten hatte, vermochte er inzwischen gar nicht mehr zu zählen. Sie gehörten zu seinem Alltag wie die tägliche seelische Reinigung per Meditation, die zärtlichen Berührungen mit seiner Frau oder die stündlichen Huldigungen an die Weisheit des Rates, die er in eines der quasi überall zu findenden digitalen Kontaktmodule sprechen musste.

»Hallo, Professor«, begrüßten ihn die hochgewachsenen, uniformierten Gardisten, die das Militärkonzil für ihn abgestellt hatte. Dagon, sein väterlicher Freund und General des Konzils, ließ ihn auch in dieser Beziehung nicht im Stich. Oder nicht aus den Fängen seines Erzeugers, der auch dreißig Sonnenjahre nach seinem Tod immer noch seine Marionettenfäden über ihn hielt.

»Hallo«, erwiderte er den Gruß, »und danke für Ihre Unterstützung.«

»Es ist unser Job, Professor.«

Das stimmte zwar, doch anders, als es ihm das Protokoll vorgab, drängte es ihm danach, mit jenen Personen zu kommunizieren, die nun schon so lange Zeit für die Sicherheit seiner Familie sorgten und Tag für Tag damit verbrachten, vor seiner Tür zu stehen und ihr Leben zu riskieren.

Schon beim Aussteigen hatte er Sava, seine Frau, bemerkt, die gerade Essen für ihn kochte. Zu den standardisierten Lebensvorgaben des Großen Rates zählte das ›offene Haus‹. Jeder Bewohner von Zaarna musste seine Existenz ohne jegliche Privatsphäre bewältigen, allein das Wort auszusprechen war schon vor langer Zeit strengstens verboten worden. Die Zaarnaer sollten eine Gemeinschaft sein, in der es keine Geheimnisse voreinander und vor der allgegenwärtigen Ratspolizei gab, die die Einhaltung jeglicher Vorgaben überwachte. Manch einer, auch aus seinem Stand, versuchte, diese mehr oder weniger geschickt zu umgehen, er dagegen folgte ihnen treu und ergeben.

So wie immer in seinem Leben. Der große Wunsch seines Vaters war es gewesen, dass sein Sohn eines Tages in seine Fußstapfen treten und die Forschung im Bereich neuartiger Antriebe und Fortbewegungsmittel vorantreiben würde. Damit waren nicht nur zivile Transporteinheiten gemeint, sondern auch militärische, die größtenteils der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlagen. Was wiederum bedeutete, dass seine Familie und er selbst unter Zaarnas Elite in gewisser Weise sozial isoliert blieben.

Dabei hatte er etwas ganz anderes mit seinem Leben anfangen wollen, doch seine Träume waren an einem Bollwerk namens Dagon gescheitert. Der beste Freund seines Vaters hatte Marrkath nach dessen frühem Tod unter seine Fittiche genommen und so geformt, wie sein Vater es bereits dem Rat angekündigt hatte. Und so war aus einem schüchternen Träumer einer der höchstdekorierten Wissenschaftler des Planeten geworden.

»Liebster«, begrüßte ihn seine Frau, als er die Tür per Gedankenbefehl aufgleiten ließ, wobei sie die flache Hand anhob und sie ihm aufrecht entgegenhielt. Er lächelte, und bald trafen sich ihre mit kristallin funkelnder Haut überzogenen Fingerglieder, woraufhin ein schimmernder Farbenkranz um ihre Hände entstand. In den Standardvorgaben des Rates galt dies als höchste Form der Zuneigungsbekundung.

»Liebste«, erwiderte er den Gruß und schob sich an seiner Frau vorbei, um die Aktentasche mit seinem Tablet abzulegen. »Das riecht ja wieder köstlich.«

»Natürlich, es ist ja schließlich dein Leibgericht.«

»Und Ramh und Kani? Sind sie noch in der Sportgruppe?«

Sava nickte. »Anschließend sollen sie noch der Treueversammlung beiwohnen. Keine Sorge, sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen, man hat sie lediglich zufällig ausgewählt.«

Ein beruhigter Seufzer verließ Marrkaths lippenlosen Mund. In den Treueversammlungen konkretisierten Boten des Rates die Werte und Prinzipien, die Zaarnas Herrscher mit ihren Standardvorgaben bewahren wollten. Häufig wurden dabei eine oder mehrere Personen, die gegen diese verstoßen hatten, öffentlich zur Schau gestellt und entsprechend ihres Vergehens bestraft. Die Zuschauer der Treueversammlungen wählte man stets per Zufallsprinzip aus. Er war mehr als froh, dass seine Söhne nicht zu den Sündern gehörten, was leider nicht immer der Fall gewesen waren.

»Nicht grübeln, Liebster«, holte ihn Sava in die Gegenwart zurück. »Das Essen ist so gut wie fertig.«

»Ich komme gleich.«

Sava sah ihn nur kurz verunsichert an, bevor sie sich abwandte und wieder in die Küche trat. Ihre Sorge war nicht ganz unbegründet, denn durch sein hohes Para-Potenzial und der Tatsache, dass er tägliche hohen Dosen an extrem starker Dhyarra-Magie ausgesetzt war, hatte er mit der Zeit eine hohe Sensibilität für die kleinste Veränderung in seiner nahen und fernen Umgebung entwickelt. Schwingungen, die nicht der Norm entsprachen, brachten ihn sofort aus dem Rhythmus und steigerten seine Nervosität. Und jene Welle an Unsicherheit, die ihn gerade erfasste, war von einer Intensität, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.

Noch einmal verließ Marrkath das Haus und blickte in Richtung Himmel. Warum er das tat, wusste er selbst nicht so genau. Entsprechend verwunderte Blicke erntete er von den Gardisten, die es jedoch nicht wagten, sein Handeln zu hinterfragen.

In der grauen Wolkendecke tat sich nichts. Kein Späher oder Jäger, die kleinsten zur Verfügung stehenden Raumschiffe, erschien, um das Feuer auf sein Heim zu eröffnen, wie er es vor zwei Sonnenjahren schon einmal erlebt hatte. Damals waren seine Familie und er nur knapp mit dem Leben davongekommen. Vier durch seine Erfindungen entlassene Solartechniker hatten einen Jäger des Konzils gekapert und wurden später für ihre Verbrechen von den Henkern des Großen Rates öffentlich hingerichtet. Für einige Zeit war er danach unbehelligt geblieben, leider flammte der sich gegen ihn richtende Hass immer wieder auf.

Nach einer Weile schüttelte Marrkath den Kopf und ging wieder ins Haus zurück. Sava erwartete ihn bereits und legte ihre Hände auf seine selbst für sein Volk zierlichen Schultern. Sie musste nichts sagen, die Berührungen allein genügten, um mit ihren Para-Sinnen ihre Gefühle auszutauschen und das Handeln des jeweilig anderen zu verstehen. Nur ihre gegenseitige Zuneigung ermöglichte diese starke geistige Verbindung.

Das Summen des neben der Garderobe angebrachten, mit einem Mikrofon und einem kleinen Bildschirm ausgestatteten Kontaktmoduls riss sie aus ihrer Zweisamkeit. Die Farbe, in der das in die Wand eingelassene Gerät leuchtete, teilte ihnen mit, ob es sich um einen privaten Anruf oder den des Rates oder einer seiner ausführenden Organe – etwa die Polizei, die Militärgarde oder das Treuekommando – handelte. In diesem Fall blinkte es blau, die Signalfarbe des Rates.

»Hoffentlich haben die Jungs nicht doch etwas angestellt«, murmelte Marrkath und löste sich aus der Umarmung seiner Frau. Nach zwei Schritten hatte er das Kontaktmodul erreicht und nahm den Anruf per Gedankenbefehl an.

Zu seiner Überraschung erschien das Gesicht eines Mannes mit bräunlich eingedunkelter Kristallhaut, die sich je nach Alter eines Zaarnaers veränderte. In diesem Fall wies sie eine Person aus, die bereits über zweihundert Sonnenjahre erlebt hatte und offenbar nie müde wurde, dem Militärkonzil mit seiner Führungskraft stets neue Impulse zu geben.

»General«, begrüßte Marrkath seinen Ziehvater.

Dagon spreizte die Finger der linken Hand und hielt sie in die Höhe, ein Gruß unter engsten Freunden, den der Wissenschaftler sofort erwiderte. Die Strenge und tief verborgene Güte, die sich sonst in seinen Zügen abzeichnete, waren einer Emotion gewichen, die er von der Person nicht kannte: Angst. Ja, der General des Militärkonzils fürchtete sich.

»Das ist kein offizieller Anruf, Marrkath«, sprach Dagon so leise, dass er ihn kaum verstand. Fast so, als fürchtete er, jemand könnte mithören, was er ihm mitteilen wollte. »Eigentlich dürfte ich gar nicht mit dir sprechen, aber im Moment ist mir alles egal. Du bist mein Sohn oder der Sohn, den ich nie hatte, deshalb setze ich bei dir andere Maßstäbe.«

»Was ist passiert?«

»Wir werden angegriffen. Nicht das Konzil, nicht der Große Rat, sondern der ganze Planet. Ich habe dich in die Liste schützenswerter Zivilpersonen aufgenommen, die einen unserer Bunker betreten dürfen. Nimm deine Familie mit, es bleibt nicht mehr viel Zeit, bis ...«

Augenblicke später brach die Verbindung ab. »Dagon? Dagon?«, rief Marrkath noch mehrere Male ins Mikrofon hinein, natürlich ohne Erfolg.

»Was hat das zu bedeuten, Liebster?«, fragte Sava besorgt.

Wieder sah Marrkath in Richtung Himmel, der durch die transparente Decke gut zu erkennen war. Dennoch störten ihn die Wände, weshalb er erneut ins Freie stürzte und eisern in Richtung der Wolkendecke starrte.

Etwas veränderte sich dort oben. Ein gewaltiger Schatten schob sich über die beiden hinter den Wolken leuchtenden Sonnen und verdunkelte den gesamten Himmel. Nein, das war kein Späher oder Jäger, das war ein ausgewachsenes Schlachtschiff. Ein schwarzer Koloss, der keinem Bauplan entsprach, der ihm jemals zu Gesicht gekommen war und gegen den die eigentlich sehr eindrucksvolle Flotte der Zaarnaer kaum eine Chance haben würde.

Nur Sekunden später eröffnete das Kriegsschiff das Feuer.

Gegenwart, Loire-Tal

»Du hattest schon zwei Croissants, chérie«, mahnte Zamorra.

Nicole verharrte in der Bewegung und funkelte ihn böse an. »Was genau willst du damit andeuten, Chef?«, fragte sie wie eine Schlange, die kurz davor stand, sich auf ihre Beute zu stürzen. »Dass ich zu viel gegessen habe und langsam dick werde?«

»So etwas wäre mir nie eingefallen.«

»Pass auf, dass du mich mit deiner Nase nicht erstichst. Sie wird länger und länger.«

Professor Zamorra wurde eher kleiner und kleiner, während er seiner Partnerin am Frühstückstisch gegenübersaß und sich lieber um das Glas Orangensaft kümmerte, das Butler Thomas gerade serviert hatte. Seine Miene verzog sich angesichts der Tatsache, dass sich Nicole mal wieder in ihrem dünnen Morgenmantel sehr leicht bekleidet zeigte, nicht um einen Deut. Als jahrzehntelanger Bewohner von Château Montagne war er es gewohnt, mit so manch nackter Haut konfrontiert zu werden.

Tatsächlich wunderte es ihn schon ein wenig, warum Nicole derart zuschlug, gerade was die Süßspeisen anging. Schwanger war sie jedenfalls nicht, das schloss schon die Tatsache aus, dass sie wie er aus der Quelle des Lebens getrunken und so die relative Unsterblichkeit erlangt hatte. Da er den restlichen Morgen ganz entspannt verbringen und keine weiteren eisigen Blicke provozieren wollte, behielt er seine Gedanken für sich und kümmerte sich weiter um den reich gedeckten Tisch.

Nicole verschlang auch das dritte Croissant mit Wonne, nicht ohne den Professor dabei kurz zu fokussieren. »Kein Kommentar?«, fragte sie lauernd.

»Ich bin ja nicht lebensmüde.«

»Schade.«

»Ach, so ist das. Du legst es darauf an, chérie.«

Der Seufzer, der seiner Gefährtin angesichts seiner Erkenntnis entfuhr, sprach für sich. Etwas heckte sie also tatsächlich mit ihrer ungewöhnlichen Verhaltensweise aus, und er war töricht genug gewesen, ihr in die Falle zu gehen.

»Also, was heckst du aus, Nici?«, stocherte er nach und griff beiläufig nach dem Schälchen mit Marmelade, die Madame Claire von einem kleinen Betrieb in der Nähe bezog.

»Wir wollten doch heute zusammen nach Lyon, da du mich tatsächlich auf eine meiner Touren begleiten wolltest.«

»Eine deiner üppigen Shopping-Touren«, bestätigte er.

»Und genau da liegt der Schleichhase im Pfeffer.«

Zamorra zögerte kurz, bevor er etwas erwiderte. Dunkel dämmerte es ihm, dass er am vergangenen Tag einen kurzen, bissigen Kommentar zu den zuletzt immer wieder ausufernden Abbuchungen für sündhaft teure Schuhe und Kleider abgegeben hatte. Nicht dass er Nicole nicht jeden Wunsch erfüllen würde und sie sich ernsthaft Sorgen um ihre finanzielle Situation machen müssten, andererseits tat ihm der Anblick der vielen Nullen vor dem Komma schon ein wenig weh.

»Du wolltest mich dazu bringen, dass ich mich zu einem bösen Kommentar hinreißen lasse«, stellte er ohne weitere Umschweife fest, »damit du beleidigt allein losziehen kannst. Und du wolltest mir damit ein schlechtes Gewissen einreden, damit ich mich nicht über die nächste Rechnung mokiere. Raffiniert, raffiniert.«

Trotzig wie ein kleines Mädchen verschränkte Nicole die Arme vor der Brust und wandte ihren Blick in Richtung Fenster. »Das zweite halte ich für ein Gerücht«, erklärte sie mit gespielter Entrüstung. »Bei dem anderen ...«

»... könnte ich recht haben«, vollendete er den Satz seiner Partnerin.

»Vielleicht.«

Der Professor erhob bereits tadelnd den Zeigefinger, als es an der Tür klopfte und Thomas hereintrat. »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sprach er sie an. »Madame Claire hat eine seltsame Beobachtung gemacht.«

»Geht ein Poltergeist in der Küche um?«, fragte Zamorra.

»Wenn es nur das wäre«, überging der Butler den müden Scherz des Professors ohne den Anflug eines Lächelns. »Sie hat einen Boten an der Zugbrücke gesehen.«

»Einen Boten?«

»Einen Post-Boten.«

Die Art, wie Thomas diese Tatsache betonte, ließ ihn ahnen, dass mit der Person etwas ganz und gar nicht stimmte. Postboten existierten schließlich viele, und nicht selten gaben sie auch Pakete im Schloss ab, die unter anderem auch einer ihrer Butler entgegennahm, ohne direkt ihren Arbeitgeber zu informieren.

Offenbar las Thomas ihm die Frage bereits vom Gesicht ab. »Sie sollten ihn sich einmal selbst ansehen, dann verstehen Sie es«, erläuterte er sein merkwürdiges Verhalten.

»Na gut.«

Zamorra und seine Partnerin zogen sich schnell etwas über, bevor sie Thomas über die Treppe in die Eingangshalle und von dort aus in den Innenhof des Schlosses folgten. An diesem Morgen herrschten in dem einsamen Seitental der Loire, in dem auch das Dörfchen Saint-Cyriac lag, ziemlich frostige Temperaturen. Zudem hing dichter Nebel über der waldreichen, von Fichten und Weinbergen dominierten Landschaft.

Bei dem Gedanken an die Rebstöcke fiel Zamorra automatisch André Goadec ein, der Pächter des zu Château Montagne gehörenden Weinbergs, den sie vor nicht allzu langer Zeit leblos im offenen Tor vorgefunden hatten, nachdem er von einem lebenden Skelett angegriffen worden war.1

In diesem Fall entdeckten sie an selbiger Stelle keinen am Boden liegenden Körper, sondern einen aufrecht stehenden Mann mit einem gelben Fahrrad, der wie ein Relikt einer längst vergangenen Zeit wirkte. Damals, als er in das zu dieser Zeit noch von Feuer-Dämonen beherrschte Schloss gezogen war, hatte er noch öfter diese mit einer dunkelblauen, stilvollen Uniform mit silbernen Knöpfen und dem gestickten Symbol der französischen Post bekleideten Postbeamten gesehen, die mit Schiebermütze und einer ledernen Umhängetasche von Dorf zu Dorf gefahren waren und Briefe und kleine Pakete verteilt hatten.

Dr Beamte trug sogar noch einen ausgeprägten Schnauzer, als wollte er damit den endgültigen Beweis erbringen, dass es sich um einen Zeitreisenden handelte – oder um jemanden, der noch etwas von Kostümen verstand. In jedem Fall schien er von seinem Vorhaben nicht ganz überzeugt zu sein oder er wurde von dem Anblick des nebelverhangenen Schlosses dermaßen eingeschüchtert, dass er sich keinen Meter mehr von der Stelle bewegte.

»So steht er da, seit Madame Claire ihn entdeckt hat«, berichtete Thomas.

»Alles klar«, sagte Zamorra und machte sich mit seiner Partnerin auf den Weg zur Burg. »Wir sehen uns den Burschen mal an.«

»Vielleicht sollten wir ihm eine Flasche Cognac mitbringen, zur Nervenberuhigung«, schlug Nicole vor.

»Etwas sagt mir, dass es nichts bringen würde.«

»Denkst du, er ist ein Geist, der die M-Abwehr überwunden hat? Oder ein Dämon?«