Professor Zamorra 1114 - Simon Borner - E-Book

Professor Zamorra 1114 E-Book

Simon Borner

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Beschreibung

Zoff im Hause Ewigk! Das an sich ist ja nichts Neues, aber wie heißt es so schön: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Wenn jemand ihrem Ted ans Leder will, muss er nicht nur mit einem ehemaligen ERHABENEN der Dynastie der EWIGEN rechnen, sondern eben auch mit der ehemaligen Herrscherin der Kuppel! So sollte sich auch der, der hinter den geheimnisvollen Dimensionsrissen im Vatikan steckt, besser warm anziehen, denn wer sich mit einem der beiden Unzertrennlichen anlegt, hat sie beide gegen sich.

Und diesmal mischt sogar Madame Claire, die Köchin auf Château Montagne, noch mit ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Grab der Vergangenheit

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Arndt Drechsler

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4307-6

www.bastei-entertainment.de

Grab der Vergangenheit

Von Simon Borner

Massimo Benuzzi ging auf die Knie. Seine Finger strichen über die schwarze Locke Stygias, seinen wohl heiligsten Besitz.

»Was einst war«, wisperte er mehr in Gedanken als in Lauten, als er nach den Haaren griff, »soll ewig bleiben. Was einst lebte, soll auferstehen.«

Vorsichtig legte er die Locke zurück an ihren Platz. Dann drehte er sich um und sah zu der benommen und wehrlos vor ihm liegenden Frau. Dem Opfer dieser Nacht. Einem von vielen.

Er sagte den Lobpreis, hob den Dolch mit beiden Händen und rammte ihn der Frau mit den schwarzen Haaren tief in den Hals!

»Wovor fürchtete er sich? Nicht vor der Angst oder Furcht. Sondern vor einem Nichts, das er viel zu gut kannte. Es war doch alles ein Nichts, auch der Mensch. Nichts als Nichts war er, und Licht war alles, was er brauchte, und eine gewisse Ordnung und Sauberkeit.«

Ernest Hemingway

Kapitel 1 Das dunkle Herz der Stadt

Vor wenigen Tagen

Sie waren gekommen, um ihn zu holen. Massimo Benuzzi sah auf und in die ausdruckslosen Visagen zweier wandelnder Leichen. Die Wesen, die ihm gegenüberstanden, hatten keine Körper im menschlichen Sinne. Es waren Skelette – brennende Skelette noch dazu. Sie trugen pechschwarze Kutten, deren Material aus unerfindlichem Grund nicht den Flammen zum Opfer fiel. Dank einer Prise Schwarzer Magie vermochten sie sich unter bestimmten Umständen auch in Unsichtbarkeit zu kleiden, wenn auch nur auf Zeit. Doch sie hatten keine Haut, keine Adern, kein Herz. Da waren nur nackte Knochen, leere Augenhöhlen und kahler Schädel. Und über all das tanzten, Elmsfeuern gleich, immerwährende Flammen. Es war, als wären die Feuer der Hölle von einst auf diese Wesen umgesiedelt, als die Hölle fiel. Auf ihnen – auf ihren unheiligen, unheimlichen und für den Großteil der Schöpfung auch absolut unerklärlichen Leibern – brannten die Höllenfeuer der Vergangenheit noch heute. Stark und hungrig. Ewiglich.

»Ist es also soweit?«, fragte Benuzzi. Er ahnte, weshalb sie gekommen waren. Seufzend erhob er sich von dem nackten Fußboden, auf dem er in seiner Meditation gesessen hatte. »Ist dies der Tag?«

Niemand antwortete. Sie hatten noch nie gesprochen, auch das wusste Benuzzi. Ihre leeren Augen und ihre brennenden Schädel sagten ohnehin mehr als Worte je vermocht hätten.

»Nun denn.« Benuzzi seufzte. Er zog die Kapuze seiner eigenen Kutte vom Kopf und ergab sich der Situation. »Beginnen wir.«

Die zwei Unheimlichen drehten sich um und gingen voraus. Benuzzi folgte ihnen. Er kannte den Weg im Schlaf, und doch überließ er den Flammenschädeln die Führung. So hatte es seine Ordnung. So sollte es sein.

Ihr Weg führte durch alle Etagen des großen alten Anwesens. Aus dem geheimen und fensterlosen Keller, in dem Benuzzi meditiert hatte, ging es hinauf ins weitläufige, stockfinstere Erdgeschoss mit der breiten Freitreppe und den kostbaren Vasen, dann in die erste Etage, deren Schlafzimmer seit Generationen unbenutzt geblieben waren, und schließlich unters Dach. Überall waren die Fenster mit dicken Bohlen vernagelt. Kaum ein Lichtstrahl drang ins Gebäudeinnere. Auch das hatte seine Ordnung, seit Generationen schon. Von außen sah das Anwesen aus, als stünde es leer. Außen bröckelte der gelbe und sonnengebleichte Verputz von den alten Mauern, es nisteten Tauben unter dem Dachvorsprung und machten ihr Geschäft auf den marode gewordenen Fensterbänken. Außen prangten obszöne Graffiti an den Wänden und so manche Landstreicher und Straßenköter hatten schon an die Ecken uriniert. Ein kleiner dunkler Zauber, kinderleicht und doch immens effizient, sorgte dafür, dass niemand von ihnen Unterschlupf in dem Anwesen suchte. Nie. Nicht einmal im schlimmsten Sturm und dem eisigsten Frost.

Doch innen war das Haus alles andere als verlassen. Das war sein vielleicht größter Zauber: die Stadt, in der es stand, glauben zu machen, es habe keinerlei Wert und Bedeutung mehr. Unsichtbar zu sein, mitten unter den Menschen.

Benuzzi ließ sich von seinen beiden Führern in die zweite Etage geleiten. Sie bestand aus einem einzigen Raum von gut sechzig Quadratmetern Grundfläche, und der war kaum weniger spartanisch eingerichtet als der Keller. Nackte Wände, verrammelte Fenster. Auf den Bodendielen prangte ein gewaltiges Pentagramm, gezeichnet aus LUZIFER geweihter Kreide. Es verblasste nie, und doch wurden seine Linien in regelmäßigen Abständen erneuert. An den Spitzen des Pentagramms lagen die Säulen der Magie, die Benuzzi hier wirkte – repräsentative Vertreter dessen, was zu erreichen sein Lebensziel geworden war.

Eine mit brachialer Gewalt zerschlagene kleine Büste von Romulus und Remus, den legendenumwobenen Stadtvätern.

Ein Trinkglas voller Menschenblut. Auch das wurde regelmäßig erneuert.

Eine Locke Stygias, der einstigen Fürstin der Finsternis und Herrscherin über die Höllendimension. Benuzzi hätte es nie zugegeben, doch diese Locke war sein stolzester Besitz. Ihr Anblick erfüllte ihn stets aufs Neue mit einer Ehrfurcht, wie er sie nie zuvor gekannt hatte.

Die ledrige Haut eines niederen Dämonen der Hölle. Benuzzi hatte sie dem verlogenen Wicht vor Jahrzehnten selbst vom Leib gezogen. Und Benuzzi hatte jede einzelne Sekunde dieses Tuns aufs Innigste genossen.

Eine goldene Taschenuhr, die dank eines weiteren kleinen dunklen Zaubers nie stehen blieb.

Im Zentrum des Pentagramms lag der wohl schwierigste Bestandteil des Ganzen. Die Komponente, die immer wieder gänzlich neu besorgt werden musste und doch jedes Mal aufs Neue enttäuschte. Sie würde es auch heute tun. Benuzzi ahnte es.

Die Frau war nackt und vollkommen weggetreten. Rücklings lag sie auf dem Boden, Arme und Beine ausgestreckt, und ihr glasig gewordener Blick ging ins Leere. Sie musste Mitte dreißig sein, was Benuzzi mit stummem Tadel zur Kenntnis nahm. Sie hatte schwarzes Haar, einen schlanken Wuchs und blaue Augen.

Neben dem Pentagramm stand der kleine Tisch mit dem zeremoniellen Dolch.

»Also dann«, sagte Benuzzi.

Er sah zu seinen flammenden Begleitern und gab ihnen durch einen strengen Blick zu verstehen, dass er sie nicht länger brauchte. Die zwei Unheimlichen positionierten sich daraufhin rechts und links der Tür. Dort blieben sie reglos stehen, stumme Wachen und Beobachter.

Dann schritt Benuzzi auf das Pentagramm und den kleinen Tisch zu. Schweigend besah er sich den Aufbau, den seine gesichtslosen Gehilfen vorbereitet hatten. Es war, wie es sein sollte, und doch war es falsch. Zu wenig. Zu simpel.

Aber es würde genügen. Zumindest für diese Nacht.

Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut, dachte Benuzzi, und plötzlich musste er lachen. Seine tiefe Stimme hallte durch den ansonsten grabesstillen Raum wie ein Echo der Vergangenheit.

Einem plötzlichen Impuls nachgebend, brach Benuzzi mit dem Protokoll. Er ließ das Pentagramm Pentagramm sein. Stattdessen ging er an ein Fenster des großen Raumes. Mit zwei gezielten, von einiger Stärke kündenden Handgriffen gelang es ihm, eines der Bretter zu lockern. Benuzzi riss es aus seiner Halterung, zog es ins Gebäudeinnere und ließ es achtlos fallen. Dann hatte er freie Sicht auf die Stadt.

Sie nannten sie die Ewige Stadt: Rom, Weltmetropole am Tiber und Hauptstadt gleich mehrerer Reiche und Nationen der Weltgeschichte. Stadt der Widersprüche und der Einheit, des Hasses und der Liebe. Die Menschen nannten sie die Ewige Stadt.

Doch die Menschen irrten. Denn sie wussten nicht, was Ewigkeit wirklich bedeutete. Niemand von ihnen konnte das wissen. Für eine derartige Erkenntnis waren ihre beschränkten Gehirne schlicht nicht ausgestattet. Sie würde sie in den Wahnsinn treiben.

Einzig Benuzzi wusste es. So, wie es auch seine Vorgänger gewusst hatten. Und genau wie diese, hatte auch er dieser heiligen Wahrheit sein Leben und seine ganze Kraft gewidmet.

Herr?

Die Stimme erklang in Benuzzis Kopf. Laut und doch zaghaft, fragend und doch streng. Benuzzi hob eine Braue. Für einen kurzen Moment war er versucht, den Flammenschädel dorthin zurückzuschicken, von wo er gekommen war. Denn es schickte sich nicht, seinen Herrn in seinen Gedanken zu unterbrechen, verdammt! Nie zuvor war solch ein Frevel vorgekommen.

Doch dann ließ er den Vorfall unkommentiert. Es half nichts, die Dämonischen zu züchtigen. Sie würden dadurch keine Vernunft annehmen und daraus auch keine Lehren ziehen. Sie waren zum Handeln da, nicht zum Denken.

Genauso gut könnte man die Luft tadeln, dachte er spöttisch, oder den Regen.

Benuzzi sah hinaus auf die nächtliche Stadt. Er sah die Dächer mit ihren kleinen Schornsteinen, die Kuppeln und Türme der Gotteshäuser, die Lichter der Straßen. Das Bild sprach von Zivilisation, von Struktur und Beständigkeit und Sicherheit.

Das Bild wusste ja nicht, dass es log.

»Beginnen wir«, sagte Benuzzi. Er drehte sich um und ging zum kleinen Tisch. Dort nahm er den zeremoniellen Dolch. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er den ersten Zauber sprach, ganz leise und für sich. Als dies geschehen war, trat er zwei Schritte vor und ins Innere des weißen Pentagramms. Er bückte sich nach dem Glas und führte es an den Mund. Das Blut schmeckte salzig und frisch, war sogar noch leicht warm. Immerhin das. Danach ging er neben der Uhr in die Hocke. Während seine Finger über das Glas oberhalb des Zifferblattes strichen, schloss Benuzzi die Augen und murmelte den zweiten Zauber. Bei Romulus und Remus an der dritten Spitze verharrte er nur kurz, und auch die Haut des unnützen Kleindämons ignorierte er heute weitestgehend. Erst die Locke ließ ihn wieder innehalten.

»Was einst war«, wisperte er mehr in Gedanken als in Lauten, als er nach den Haaren griff, »soll ewig bleiben. Was einst lebte, soll auferstehen.«

Die Berührung dieser Locke ging Benuzzi bis ins Mark. Jede Faser seines Seins frohlockte bei dem Kontakt, und mit einem Mal erfüllte ihn ein Feuer, das keiner der Flammenschädel, aber auch keiner der Pfaffen, an denen Rom nicht arm war, jemals kennen würde. Benuzzi hatte eine Mission, und die Locke bewies es. Sie war der Sinn seines Daseins, das Ziel all seines Strebens.

Und sie – nur sie – war wahrhaft heilig.

Massimo Benuzzi ging auf die Knie. Vorsichtig legte er die Locke zurück an ihren Platz. Dann drehte er sich um und sah zu der benommen und wehrlos vor ihm liegenden Frau. Dem Opfer dieser Nacht. Einem von vielen.

Er hob den Dolch mit beiden Händen, sagte den Lobpreis und rammte ihn der Frau mit den schwarzen Haaren tief in den Hals!

***

Einen Moment später erschien der Riss. Mitten im Raum, dicht oberhalb der zuckend ausblutenden Frau, entstand ein senkrechter Strich aus dem Nichts, eine flammende Linie, wo zuvor doch nur Luft gewesen war. Der Strich wuchs und wuchs, in Größe wie in Breite. Binnen weniger Sekundenbruchteile wurde er zum Oval, dann zum Ei, schließlich zum Quadrat. Ein quadratischer Rahmen aus vollkommen lautlosem Feuer, mitten in der Grabesstille des alten Anwesens.

»Was einst war«, wiederholte Benuzzi, »soll ewig bleiben. Was einst lebte, soll auferstehen.«

Und inmitten des Feuerrahmens erschien die Vergangenheit. Benuzzi sah die Hölle von einst, das Reich seiner Sehnsüchte und seines Glaubens. Der Rahmen zeigte ihm die Schwefelklüfte in all ihrer Ehrfurcht gebietenden Größe. Da war die Flammenwand, unfassbar glorreich und immens, dort warteten die teuflischen Archive mit ihrem legendenumwobenen Wissen. Dämonen verschiedenster Couleur schritten zwischen den Monumenten umher, und die Seelen der Verlorenen litten die Qualen der Gerechtigkeit. So, wie es sein sollte. So, wie es gewesen war seit Anbeginn. So, wie es richtig war.

Zu guter Letzt zeigte der Flammenrahmen ein paar niedere Dämonenwesen. Wie stets, wenn Benuzzi dieses Ritual durchführte. Es waren Wesen ohne nennenswerten Verstand, in dem Sinne ähnelten sie den brennenden Schädeln in ihren Kutten. Doch wo die Kuttenknochen für die Feinarbeit taugten, ließen sich diese niederen Wesen hervorragend für die groben, eher brachialen Einsätze nutzen. Vorausgesetzt, man wusste sie zu beschwören und den sonst so unerbittlichen Wächtern und Statuten der Zeit ein winzig kleines Schnippchen zu schlagen.

»Geht hinaus«, sagte Benuzzi in den Rahmen, der zugleich Fenster und Zeitenbrücke war. »Geht und bereitet den Boden. Denn was ewig ist, kann nicht enden.«

Die Wesen reagierten sofort. Sie konnten Benuzzi nicht sehen, denn seine Zeit war nicht die ihre. Sie hörten ihn auch nicht, schließlich trennte sie weit mehr als nur eine Dimensionsgrenze. Und doch spürten sie instinktiv, wenn er nach ihnen rief. Sie spürten es – und sie gehorchten. Denn sie waren tumb und stellten keine Fragen. Wer fragte, bremste nur den Fluss der Effizienz.

Zufrieden sah Benuzzi, wie sie ihre unheiligen Leiber in Bewegung setzten. Ihre Körper bestanden aus glühender Lava, und ihre Haut war verkrustetes, halbtrockenes Gestein. Sie hatten kein einziges Haar am Leib, lange Klauenhände und reißzahnbewehrte Mäuler, die an die Schnauzen von Wölfen erinnerten. Sie waren gnadenlose Killer. Genau deshalb hatte Benuzzi sie aus den Tiefen der Zeit ausgewählt. Sie erledigten ihre Aufträge schnell, präzise und ohne Murren. Ihre Gier war ihr Antrieb, ihr Hass ihre Motivation. Und der Erfolg war der einzige Lohn, den sie suchten. Darin ähnelten sie Benuzzi.

Nachdem er die Gruppe niederer Dämonen instruiert hatte, ließ Benuzzi den Dolch abermals in den Leib der ausblutenden Frau fahren, mitten in die Brust. Die Klinge war von zielsicherer Hand geführt und zog zwischen ihren Rippen hindurch bis ins Herz. Dieser zweite Hieb brachte der Elenden endgültig den Tod.

Im selben Augenblick verging der Flammenrahmen über ihr. Das Bild in seinem Inneren verschwamm, dann zog sich das Quadrat aus Nichts wieder zu einem Ei zusammen, zu einem Oval, zu einem senkrechten Strich. All dies geschah absolut lautlos, und lautlos verschwand der Strich dann auch wieder aus der Wirklichkeit. Keine Spur blieb von ihm zurück. Es war vollbracht.

Benuzzi stand auf. Er schloss kurz die Augen und dankte, wie es das Ritual verlangte. Dann trat er zu dem kleinen Tisch, auf den er den Dolch legen wollte. Doch bevor er ihn ablegte, hielt er kurz inne. Abermals kam ein Impuls über ihn, den das altehrwürdige Protokoll so nicht vorsah, dem Benuzzi aber spontan folgen wollte: Er hob den blutigen Dolch erneut und führte ihn an seinen Mund. Genüsslich ließ er die Zunge über die Klinge fahren und schmeckte den so frischen, so ahnungslosen Lebenssaft.

Was einst war, dachte er, und ein Schauer der Ehrfurcht und des Entzückens fuhr über seinen Rücken, soll ewig bleiben. Was einst lebte, soll auferstehen.

Benuzzi schluckte den Saft hinunter und genoss es, ihn in sich zu wissen. Zufrieden legte er den Dolch, den er komplett abgeleckt hatte, zurück an seinen Platz. Dann drehte er sich um und ging zur Tür.

Die beiden Flammenschädel verharrten noch immer reglos rechts und links von ihr.

Benuzzi ging an ihnen vorbei und öffnete die Tür. Im Türrahmen angekommen, blieb er stehen und drehte sich zu den beiden Unheimlichen um. Diese hatten ihm soeben folgen wollen, blieben nun aber ebenfalls stehen.

»Ich bin zufrieden«, sagte er ihnen. »Das Ritual war ein Erfolg, auch euretwegen. Heute Nacht habt ihr gut gewählt. Dafür danke ich euch – und Er dankt euch ebenfalls.«

Die Unheimlichen quittierten dieses Lob mit derselben stoischen Ruhe, mit der sie auch sonst alles quittierten. Fast alles.

»Und jetzt habe ich einen letzten Auftrag für euch«, sagte Benuzzi. Er sah zum Rechten der beiden Knochenmänner und nickte in Richtung des Linken. »Du. Vernichte ihn.« Dann sah er zum Linken. »Und du vernichte ihn. Sofort!«

Benuzzi drehte sich um und ging. Er wusste, dass die Lodernden auch diesen Befehl ausführen würden, ohne zu zögern. Sie mochten Makel haben – und seinen Herrn aus den Gedanken zu reißen, weil die Zeit drängte, war in Benuzzis Augen definitiv ein arger Makel –, aber sie gehorchten. Sie erfüllten ihren Zweck.

Er war schon auf der zweiten Treppenstufe, als das Geräusch brechender Knochen an seine Ohren drang.

Benuzzi nickte anerkennend und ging einfach weiter.

Kapitel 2 Das Geheimnis liegt in der Soße

Jetzt

»Hattest du einen angenehmen Flug?«

Madame Claire zuckte zusammen. Sie hatte soeben den Flughafen Rom-Fiumicino verlassen, der gut dreißig Kilometer außerhalb der italienischen Weltstadt lag, und schon griff jemand nach ihrem Reisekoffer! Diese hier schon fast sprichwörtlichen Taschendiebe waren ja noch schneller als ihr Ruf! Halb entsetzt und halb entrüstet drehte sich die stämmige Köchin aus dem Château Montagne um – und atmete erleichtert aus.

»Mysati!« Lachend ließ sie den Koffer los und drückte die Frau, die ihr gegenüberstand, an sich. »Was für eine Freude. Wie lange ist das jetzt schon wieder her, Kindchen? Viel zu lange, so viel ist sicher.«