Professor Zamorra 1124 - Simon Borner - E-Book

Professor Zamorra 1124 E-Book

Simon Borner

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Beschreibung

Im Ministerium für Transdimensionale Sicherheit, dem Geheimkeller des Pentagon, schrillen die Alarmglocken! Irgendetwas geschieht in Kalifornien, und es ist nichts Gutes. Der ebenso patente wie schrullige Minister - Galchobhar Thaddeus Boone III. - will Zamorra gerade warnen, da wird er von Unbekannten überwältigt ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Höllenwölfe

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Arndt Drechsler

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4911-5

www.bastei-entertainment.de

Höllenwölfe

Von Simon Borner

Es geschah wahnsinnig schnell: Die Stadt der Engel mutierte in Sekunden von einem Ort der Menschen voller Licht und Glanz hin zu einem unfassbar anderen Anblick!

Der Wolf sah Flüsse aus glühender Lava, wo eben noch Straßen gewesen waren. Felsklüfte aus pechschwarzem Stein. Flammensäulen reckten sich dem plötzlich sternenlosen Himmel entgegen. Dies war die Hölle! Das Reich LUZIFERs und seiner Dämonen, das vergangen war – aber nicht vergessen. So hatte es ausgesehen!

»Bist du jetzt zufrieden?«, erklang die Stimme der dunklen Frau ganz dicht an seinem Ohr. »Ist es das, was du sehen wolltest? Ist es das, was du ersehnst …?«

»Wann immer ein hübsches Mädchen in Hollywood seine Scheidung verkündet, eilen die Wölfe herbei. Frischfleisch für die Bestien, und die sind allzeit hungrig.«

Hedy Lamarr

Kapitel 1 Im Zentrum der Ohnmacht

Der Alarm war ohrenbetäubend. Laut und schrill plärrte er durch die unterirdischen Gänge und Säle, hallte von den Wänden wider und bohrte sich tief in die Gehörgänge. Galchobhar Thaddeus Boone III. seufzte und beschleunigte seinen Schritt.

»Ja, doch«, schimpfte der alte Mann mit dem nicht minder alt wirkenden Tweed-Jackett. »Ich komme schon, ich komme schon.«

Einmal mehr schwor er sich, die andauernd fehlfunktionierende Alarmanlage bei nächster Gelegenheit gründlich zu erneuern. Das schwor er sich allerdings schon seit Jahren, und bis heute hatte er die Zeit noch nicht gefunden. Das Leben war schwer, wenn man selbst sein einziger Angestellter war und so gut, wie alles allein erledigte.

Boones gar nicht mal kleines berufliches Reich lag unter der Erde – und zudem auch unter dem wohl mächtigsten Gebäude der Welt. Das sogenannte Ministerium für Transdimensionale Sicherheit, eine ultrageheime Abteilung des an geheimen Abteilungen nicht gerade armen US-Regierungsapparats, lag Dutzende von Metern unterhalb des Pentagons. Diesem gehörte es faktisch an, auch wenn so gut wie niemand der übrigen Personen, die tagein und tagaus im Pentagon arbeiteten, von seiner Existenz wusste. Niemand Geringeres als George Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hatte das MTS seinerzeit gegründet, aus durchaus mehr als berechtigter Angst vor den Mächten des Übersinnlichen. Und er hatte auch angeordnet, dass das Ministerium stets im Verborgenen agieren sollte. Washington war sehr weise gewesen.

Boone, dem trotz seiner zahlreichen Lenze nach wie vor amtierenden Minister, war diese Geheimhaltung nur recht. Boone neigte nicht zu öffentlichen Auftritten. Er liebte seinen Arbeitsplatz im Keller, ebenso wie er die Ruhe und den Frieden hier unten liebte. Sofern man von Ruhe sprechen konnte, wenn im zum MTS gehörenden »Zoo« für sichergestellte und weggesperrte Fabelwesen, Aliens und höllische Kreaturen ständig tierischer Lärm aufbrandete. Und sofern man von Frieden sprechen konnte, wenn alle Nase lang diese elende, überaltete und ganz und gar nervige Alarmanlage grundlos in Aktion sprang.

»Es ist ja gut«, rief der Alte ihr entgegen.

Schnellen Schrittes eilte Boone aus dem Bereich des Zoos hinüber in sein Büro und in die Schaltzentrale des Ministeriums. Diese sah wie der Salon eines viktorianischen Herrenhauses aus, wenngleich wie ein komplett fensterloser. Es gab einen großen offenen Kamin, und die Wände waren allesamt mit edlem Holz vertäfelt. Dicke Teppiche lagen auf dem Boden, Chesterfield-Möbel luden zum gemütlichen Sitzen ein. Säbel, Masken und andere Souvenirs früherer Einsätze prangten an den Wänden, Gaslampen verströmten angenehm warmes Licht, und ein Globus, der in der Raumecke stand, zeigte die gesamte Welt – also auch die Ecken und Länder derselben, von deren Existenz die Normalsterblichen draußen in Washington und die in den überirdischen Etagen des Pentagons überhaupt nichts wussten.

Die eigentliche Schaltzentrale des MTS lag allerdings hinter den holzverkleideten Wänden, und sie blinkte bereits in allen Signalfarben des Regenbogens. Die Verkleidung der östlichen Wand hatte sich selbsttätig zur Seite geschoben und den Blick auf die Menge an Hightech freigelegt, die sich hinter dem Holz verbarg. Vom Fußboden bis zur Decke reichten die diversen Monitore, Interfaces, Lämpchen und Scanner. Kreisrunde Radarfenster zeigten Schlieren und Kurven, mehrere Datenreihen scrollten in gewohnt hohem Tempo von unten nach oben. Streng geheime Überwachungskameras übertrugen Momentaufnahmen aus zahlreichen Bundesstaaten. Dimensionstore konnten von hier aus genauso kontrolliert werden wie Bigfoots jüngste Eskapaden, Kultisten konnten genauso observiert werden wie die in den USA immer stärker zunehmende Schar von Mutanten.

Dies war das wahre Herz des Pentagon, zumindest soweit es Boone betraf. Hier, vor dieser Wand aus Technik, entschied sich das eigentliche Wohl und Wehe der freien Welt.

Vorausgesetzt, die Wand drehte mal nicht durch …

»Ein Eindringling?« Boone sah die Warnmeldung schon, als er den Salon betrat. Und er schnaubte. »Was für ein Unfug. Hier unten hat es noch nie einen Eindringling gegeben. Das ist vollkommen unmöglich. Du spinnst, Computer!«

Man erreichte das MTS nur über einen einzigen Fahrstuhl. Und von dessen Existenz wusste im gesamten Pentagon fast nur Boone selbst. Nicht einmal der Präsident hatte einen Schimmer von ihm – und vom MTS als solchen. Nein, auch auf magischem Weg – angesichts der Gegner, gegen die Boone hier unten kämpfte, durchaus eine veritable Option – konnte man nicht in Boones Machtzentrale vordringen. Denn Boones Vorvorgänger hatten den gesamten Keller schon vor Generationen mit allen Bannzaubern und Schutzsprüchen gesichert, die es überhaupt gab. Es war schlicht unmöglich, die Anlage uneingeladen zu betreten.

Doch genau das sei soeben geschehen, behauptete der Computer. Überdeutlich blinkte Boone die Warnung entgegen.

»Unnützes Stück«, murmelte der von Altersstarrsinn gezeichnete Minister, als er den Alarm ausschaltete. »Du bist inzwischen wohl genauso alt und tattrig geworden wie ich, hm?«

Endlich kehrte wieder Ruhe in das Ministerium ein. Boone atmete erleichtert auf.

Dann hörte er das Knurren.

Es war ein tiefer, animalischer Laut. Voller Gier und Hass. Ein Laut, der keine Gnade kannte. Und er erklang direkt hinter dem Alten!

Langsam drehte Boone sich um – und erstarrte. Mitten im Salon, auf den teuren Teppichen und im warmen Schein der Gaslaternen, stand eine Kreatur, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. In ihrer Gestalt erinnerte sie an einen Wolf: die vier Beine, die lang gezogene Schnauze mit den gewaltigen Hauern, das dunkelgrau-schwarze Fell. Doch das war kein Wolf! Bei Weitem nicht!

Die Kreatur war groß, fast ging sie Boone bis an die Brust. Sie maß gut und gern zweieinhalb Meter Länge. Und ihre Augen glühten so rot wie der Himmel über den Schwefelklüften der einstigen Hölle. Die Augen, deren unheimlicher Blick einzig und allein auf Boone ruhte.

»G … ganz ruhig«, wisperte der Minister, ohne den Blick von dem Ungeheuer zu nehmen. Er kannte sich mit höllischen Tieren aus, der »Zoo« des MTS war sein Leben. Er wusste besser als fast jeder Mensch auf Erden, wie man mit bedrohlichen Kreaturen umging, deren tierischer Verstand nur wenige Reize außer den bösen kannte und …

Der Wolf sprang vor. Ein äußerst geschickter Satz nach vorn, bis er nur wenige Zentimeter vor Boone landete.

Und der Alte begriff: Das war kein Tier. Zumindest keines mit rein tierischem Bewusstsein. Dieses Viech war ein gerissener Jäger, böse und verschlagen. Und es wollte mit seiner Beute spielen!

»Wo kommst du her, hm?«, murmelte Boone, bemüht um einen zwanglosen Tonfall, der ihm gehörig misslang. Allmählich wurde er mehr als nur nervös.

Ob das Monstrum seine Angst roch?

»Wie hast du hier reingefunden?«

Nicht auf normalem Weg, das stand fest. Und überhaupt: Diese Kreatur war durch und durch schwarzmagisch, ohne jeden Zweifel. Aber selbst das hätte ihr eigentlich keinen Zutritt zum Ministerium ermöglichen können. Nicht in Boones Allerheiligstes. Eigentlich.

Boone sah zur Tür, die in den Korridor und zum Fahrstuhl führte – ganz unauffällig und aus den Augenwinkeln. Er hatte vielleicht eine Chance, stellte er fest. Falls er schnell genug war. Drei, vier hastige Schritte, dann die Tür aufreißen und den Korridor hinunter. Ganz einfach. Der Lift musste noch unten stehen, oder? Er musste es einfach.

Der Wolf knurrte wieder. Heißer Atem schlug Boone entgegen wie ein drohendes Versprechen. Wie Todeshauch.

Das genügte. Boone setzte alles auf die einzige Karte, die ihm noch blieb. Ruckartig rannte er los, quer durch den Salon und zur Tür in der westlichen Wand, die zum Flur und zum Fahrstuhl führte. Ohne Blick zurück, ohne Zögern.

Das Monstrum reagierte sofort und hechtete ihm nach, aber noch hatte der Alte einen Vorsprung, und den wollte Boone nutzen! Zwei weitere Schritte, und er hatte schon die Klinke in der Hand. Einen halben Herzschlag mehr, und die Tür war schon offen. Ein stummes Gebet, und schon rannte Boone weiter, über die Schwelle und hinaus in …

Der zweite Wolf stand vor dem Fahrstuhl. Der Dritte erschien gerade mitten im Flur, materialisierte aus dem Nichts. Dann kam der Vierte hinzu. Der Fünfte.

Was geschieht hier?, keuchte Boone innerlich. Das Entsetzen lähmte ihn, genau wie die Ratlosigkeit. Das alles … das war absolut unmöglich. Niemand konnte ins Ministerium eindringen! Niemand!

Und dennoch waren die Monster da, so real und tatsächlich wie die teuren Teppiche und das knisternde Brennholz im Kamin. Sie waren da … und sie waren auf Blut aus!

Galchobhar Thaddeus Boone III. war kein Narr. Er wusste, wann er verloren hatte.

Und er wusste, was zu tun war.

Sofort wirbelte er herum. Er rannte wieder zurück und sprang mit einer Leichtigkeit, die seinem Alter und seiner Statur Hohn sprach, über den ersten Wolf hinweg. Zurück im Salon angekommen, streckte er die Hände nach dem kleinen Telefon aus, das an der holzverkleideten Westwand hing – ein schöner, stilvoller alter Apparat mit Wählscheibe und Hörtrichter. Kein anderer hätte zu ihm gepasst. Die moderne Technik hatte keinen Stil.

Boone musste die Nummer nicht nachschlagen. Er vergaß nie etwas, das er sich einmal gemerkt hatte. Seine zitternden Finger wählten so schnell sie nur konnten. Ein Tuten, dann ein zweites. Endlich hob sie ab.

Nein, doch nicht. Nur der Anrufbeantworter.

Boone zögerte nicht. Es würde genügen müssen.

Es würde genügen.

Sofort redete er los, wahnsinnig schnell und wahnsinnig eindringlich, während hinter ihm das Rudel knurrte. Dann sprang der erste Wolf-der-kein-Wolf-war ihm in den Rücken. Boone spürte die scharfen Krallen in seinem Fleisch, den warmen Atem in seinem Nacken.

Als Nächstes kam der Biss.

Und irgendwann – nach vielen, vielen weiteren Bissen – endlich der segensreiche Tod.

***

Das Telefon klingelte mitten in der Nacht. Professor Zamorra stand gerade am Fenster seines Arbeitszimmers im Chateau Montagne und sah hinaus auf die dunklen Wiesen und den Waldrand nahe dem Ufer der Loire, als es seinen Radau begann.

Überrascht drehte er sich um. »Erwartest du einen Anruf?«

Nicole Duval, der die Frage galt, schüttelte den Kopf. Nicole, die in dieser Nacht auffallend schlechte Laune hatte, saß an einer der Arbeitsstationen des Zimmers. Seit mehreren Stunden kümmerten sie sich beide – anfangs noch unterstützt von Butler William, der inzwischen aber schlafen gegangen war – um einige dringend nötige Recherchearbeiten. Deswegen waren sie hier, und deswegen waren sie trotz der späten Stunde noch immer auf den Beinen.

»Ich erwarte niemanden«, antwortete Nicole. Sichtlich genervt schaute sie zum Telefon, das neben Zamorras Platz auf dem Schreibtisch stand. »Und die Nummer … irre ich mich, oder wird da eine amerikanische angezeigt?«

Zamorra kam zurück zum Tisch. Tatsächlich, erkannte er nach einem Blick auf das Display. Das waren die USA. Mehr noch: Das war die Chefabteilung der USA. »Washington ruft hier an?« Einigermaßen verdutzt wechselte er einen Blick mit seiner langjährigen Partnerin und Lebensgefährtin. Dann hob er ab. »Hallo?«

Schweigen. Nichts regte sich am anderen Ende der Leitung. Und dann klickte es, die Verbindung war wieder unterbrochen.

»Eigenartig«, murmelte Nicole.

Zamorra nickte und legte das Telefon zurück auf den Tisch. »Falsch verbunden?«

»Washington?« Sie wirkte nicht gerade überzeugt. »Meinst du echt, da verwählt man sich?«

»Vor allem da«, erwiderte er mit leisem Seufzen. Doch der galgenhumorige Moment verging so schnell, wie er gekommen war. Zamorra schüttelte den Kopf und setzte sich wieder. »Egal. Widmen wir uns einfach wieder dem, was uns eigentlich beschäftigt«, sagte er und deutete auf den Monitor seines Computers.

Die Erlebnisse der vergangenen Tage saßen ihm noch in den Knochen, und Nicole ging es da nicht anders. Die kräftezehrende Suche nach Branwen, die Zeit an der Seite des Silbermonddruiden Gryf, die Kämpfe gegen dieses abartig böse Einhorn und seine Spießgesellen aus der Anderswelt … nichts davon war spurlos an ihnen vorübergegangen, nicht einmal am Meister des Übersinnlichen. Er war ausgelaugt. Sie beide waren das. Und sie brauchten eine Pause, und sei es, um daheim in ihrem Chateau ihre üblichen Recherchen voranzutreiben, ihre getreuen Informanten überall auf der Welt abzufragen und generell wieder die Augen und Ohren offenzuhalten. Das Böse schlief ja schließlich nie.

Genau wie Nici und ich, dachte Zamorra bedauernd und wünschte sich, er hätte es so gut wie der seit Stunden friedlich schlummernde William.

Dann klingelte das Telefon abermals. Die Nummer war identisch.

Zamorra sah zu Nicole, die mit den Schultern zuckte. Also hob er ab. »Hallo?«

»Monsieur Zamorra, nehme ich an?«, erklang eine ganz und gar nüchterne – und höchst grimmig klingende – Männerstimme am anderen Ende der Verbindung.

»Wer spricht da?«

»Entscheidend ist weit eher, mit wem ich spreche«, fand sein Gesprächspartner. »Verzeihen Sie den Anruf von eben, aber unser Sicherheitsdienst musste erst grünes Licht für unser Telefonat geben. Bevor Sie hier auf meinem Monitor erscheinen – mit Ihrer Akte und mit unserer Satellitenzielfahndung –, darf ich Sie nicht ansprechen. So will es das Gesetz.«

»Welches Gesetz soll das sein?«, sagte Zamorra. Die überhebliche Art dieses Unbekannten ging ihm gehörig auf den Zeiger.

»Die des Pentagon, monsieur le professeur«, erwiderte dieser. »Sie reden soeben mit dem Verteidigungsapparat der USA. Und, ja, auch ich bin darüber höchst erstaunt.«

Pentagon? Nicole und Zamorra wechselten abermals einen Blick. Boone?, formten Nicoles Lippen. Doch Zamorra verneinte stumm. Das da war nie und nimmer der ebenso nette wie verschrobene Minister, den er aus dem riskanten Abenteuer mit den Hexen von Salem kannte, das nun auch schon mehrere Monate zurücklag. Boone war ein freundlicher alter Herr, nicht so ein arrogantes Arschloch.

»Wer ist da?«, wiederholte der Dämonenjäger ungeduldig. Nicole, die via Lautsprecher mithörte, lachte leise.

»Zollo«, antwortete die Stimme. »Jackson K. Zollo, General. Das ist alles, was Sie interessieren sollte.«

»Und was verschafft mir die zweifelhafte Ehre Ihres Anrufs, Mr Zollo?«

Der General seufzte. »Das wüsste ich auch gern, ehrlich gesagt. Monsieur Zamorra, Ihr Name liegt hier mitten auf meinem Schreibtisch – und zwar in einem höchst mysteriösen Kontext. Sagen Sie, kannten Sie einen …« Papier raschelte. »… Galchobhar Thaddeus Boone III? Mein Gott, was für ein alberner Name!«

Nicole erschrak und hob die Hand zum Mund. Auch Zamorra war entsetzt. »Kannte?«, wiederholte er. »Was meinen Sie damit, Mr Zollo?«

»Also ja«, übersetzte Zollo es sich. »Professor, in dem Fall habe ich eine traurige Nachricht für Sie. Boone ist tot. Und meine Bosse und ich wüssten liebend gern, wer Boone eigentlich war. Da wir Ihren Namen dick und fett in seinen Unterlagen fanden, wüssten wir es gern von Ihnen. Nun? Ich höre.«

»Was … was ist passiert?«, keuchte der Professor.

»Nichts, was wir uns erklären könnten. Boone war Minister, wussten Sie das? Grundgütiger, ich gehe seit Jahrzehnten in diesem Haus ein und aus, und nicht einmal ich wusste es. Ein Minister für … für Mumpitz und Mummenschanz!«

»Transdimensionale Sicherheit«, korrigierte Zamorra ihn streng. »Mr Boone sorgte dafür, dass Ihr Land – und längst nicht nur das Ihre – ein sichererer Ort war. Sie sind ihm zu Dank verpflichtet, General.«

»Ist mir klar, dass Sie das sagen.« Zollo schnaubte. »Ich habe Ihre Akte direkt vor mir, Professor. Studium an der Sorbonne. Parapsychologie. Selbsternannter Meister des Übernatürlichen. Angeblich im Kampf mit höllischen Mächten. Ha, dieser Spinner Boone und Sie waren vermutlich zwei vom gleichen Schlag, hm? Die Vorsitzenden des Clubs der Aluhüte!«

Zamorra schloss die Augen und zählte in Gedanken bis zehn. Es kam häufig vor, dass er bei Behörden und Entscheidern auf taube Ohren stieß, weil diese nicht an die Existenz des Übersinnlichen glaubten. Er kannte diese Art von Spott gut. Doch der Spott fußte auf Ahnungslosigkeit und Ignoranz und wurde weiß Gott nicht immer derart arrogant vorgetragen.

»Na ja«, fuhr Zollo derweil fort. »Jedenfalls sagt der Wisch, der mir im Falle von Mr Boones Ableben automatisch zugestellt wurde, klipp und klar, dass ich Ihnen Bescheid geben muss. Über selbiges Ableben. Das ist hiermit geschehen, und damit ist die Angelegenheit für mich beendet. Guten Tag, Monsieur Zam …«

»Einen Moment, bitte«, unterbrach Zamorra den Amerikaner. »Die Angelegenheit? Wie meinen Sie das? Wie ist Boone gestorben, General?«

»Das interessiert mich nicht die Bohne, Monsieur, und meine Bosse ebenso wenig.« Zollo schnaubte schon wieder. »Dass es dieses bizarre Ministerium überhaupt gab – bezahlt von Steuergeldern, das muss man sich mal vorstellen! –, war ein schlechter Scherz. Ein Schandfleck für diese Regierung und für die Demokratie als solche. Nun, da wir von seiner Existenz wissen, werden wir es selbstverständlich umgehend schließen.«

»Das können Sie nicht tun«, erschrak der Professor. »Boones Arbeit war von immenser Wichtigkeit!«

»Pff.« Der General lachte abfällig. »Sagt ein selbsternannter Dämonenjäger. Schon klar.«

»Mr Zollo, das Paranormale ist eine durch und durch reale Bedrohung, auch für Regierungen«, beharrte Zamorra. »Boone wusste das. Es war seine Lebensaufgabe, Ihr Land vor Schaden aus dieser Richtung zu bewahren, und er erfüllte sie mit Hingabe und großem Geschick.«

»Mhm. Ist das alles, was Sie mir über ihn sagen können?«

Der Dämonenjäger gab auf. Manche Stirnen waren schlicht zu dick, um die dahinter liegenden Gehirne ans Licht der Vernunft heranzuführen. »Nur, dass er ein großer Mann war. Einer, den ich gern besser gekannt hätte.«

Zollo seufzte gelangweilt. »In Ordnung, Professor. Uncle Sam dankt Ihnen für Ihre Zeit. Falls wir weitere Fragen haben, melden wir uns. Wir wissen ja jetzt, wer und wo Sie sind.« Sprach’s und legte einfach auf.

Einen Moment lang sagte niemand ein Wort. Zamorra legte den Hörer beiseite, Nicole schlug die langen Beine übereinander. Draußen vor dem Fenster regierte nach wie vor die Nacht.

»Boone ist tot«, murmelte Nicole schließlich.

»Du weißt, was das bedeutet«, brummte Zamorra.