Promise Boys - Drei Schüler. Drei Motive. Ein Mord. - Nick Brooks - E-Book
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Promise Boys - Drei Schüler. Drei Motive. Ein Mord. E-Book

Nick Brooks

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Beschreibung

Nach außen hat die Urban Promise Prep School ein makelloses Image. Sie verspricht, aus gefährdeten Jugendlichen anständige Erwachsene zu machen. Die Schüler J. B., Ramón und Trey kennen die Regeln genau: gebügelte Hemden, »Ja, Sir« und »Nein, Ma’am«, keine Raufereien, kein Fluchen, keine Rap-Musik ... Doch ist das strenge Programm der Schule wirklich erfolgreich? Denn als der Schuldirektor ermordet wird, sind J. B., Ramón und Trey die Hauptverdächtigen. Sie alle hätten ein Motiv gehabt - und möglicherweise auch Zugang zur Mordwaffe. Die drei tun sich zusammen, um den Mordfall aufzuklären und ihre Namen reinzuwaschen. Oder versteckt sich der Schuldige etwa doch unter ihnen?

ONE OF US IS LYING meets THE HATE U GIVE

»Spannend, fesselnd und messerscharf.« - KAREN M. MCMANUS, Bestsellerautorin von ONE OF US IS LYING

»Ein brillanter Krimi, in dem die Dinge beim Namen genannt werden.« Adam Silvera, Bestsellerautor von AM ENDE STERBEN WIR SOWIESO

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 319

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

EILMELDUNG: BELIEBTER SCHULLEITER (43) ERMORDET

TEIL EINS - J.B.

Heute

Niemand

Keyana Glenn

Schwester Robin

Becca Buckingham

Unk

Dean Wilson Hicks

Bando

Mr. Reggie

Ms. Williamson

J.B.s Befragung

Ein Tag vor dem Mord - J.B.

Kapitel eins – Blödmann

Kapitel zwei – Fester Freund

Der Tag des Mords - J.B.

Kapitel drei – Die Knarre

TEIL ZWEI - Trey

THE WASHINGTON POST DIE MOORE-METHODE RETTET LEBEN

Heute

Solomon Bekele

Stanley Ennis

Brandon Jenkins

Onkel T

Coach Robinson

Antoine Betts

Mrs. Hall

Treys Befragung

Ein Tag vor dem Mord - Trey

Kapitel vier – Zu spät

Kapitel fünf – In der Klemme

Der Tag des Mordes - Trey

Kapitel sechs – Ein Problem!

TEIL DREI - Ramón

Heute

Rachel Barnes

Anthony »Tony« Barnes

César

Doña Gloria

Magdalena Peña

Niemand

Ramóns Befragung

Ein Tag vor dem Mord - Ramón

Kapitel sieben – Schuldig

Kapitel acht – Die Polizei

Der Tag des Mords - Ramón

Kapitel neun – Manche kehren zurück

TEIL VIER - Lügen

Nach dem Mord

Kapitel zehn – Hausarrest

Kapitel elf – Die Verdächtigen

Niemand

Kapitel zwölf – Das Komplott

Doña Gloria

Kapitel dreizehn – Die Verräterin

Keyana Glenn

Kapitel vierzehn – Omar

Kapitel fünfzehn – Engel

Kapitel sechzehn – Die Übergabe

Planänderung

BRIEFING DER KONGRESSABGEORDNETEN MS. FORD

Gute Nacht, Primo

Kapitel siebzehn – Vertrauen

E-MAILS VON DIREKTOR MOORES DESKTOP

Kapitel achtzehn – Mitverschwörer

URBAN PROMISE PREP PRESSEMITTEILUNG ZUR SOFORTIGEN VERÖFFENTLICHUNG

TEIL FÜNF - Die Wahrheit

Kapitel neunzehn – Der Einbruch

Kapitel zwanzig – Das Gespräch

Kapitel einundzwanzig – Nico

EILMELDUNG: ERMITTLUNG IM PROMISE-MORD

Kapitel zweiundzwanzig – Verwirrung

Magdalena Peña

Niemand

Keyana Glenn

Kapitel dreiundzwanzig – Die Konfrontation

Brandon Jenkins

E-MAIL AN J.B., TREY & RAMÓN

Niemand

Kapitel vierundzwanzig – Enthüllungen

Kapitel fünfundzwanzig – Die Geheimoperation

Kapitel sechsundzwanzig – Gleich ist Showtime

Kapitel siebenundzwanzig – Das große Finale

Keyana Glenn

MORDFALL KENNETH MOORE

PROMISE PREP PAPER

Danksagung

Nick Brooks

Übersetzung aus dem amerikanischen Englischvon Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Promise Boys«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2023 by Cake Creative LLC

Published by Arrangement with ELECTRIC POSTCARD ENTERTAINMENT INC.

c/o NEW LEAF LITERARY & MEDIA, 110 West 40th Street, Suite 2201, NEW YORK, NY 10018 USA

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright ® 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Textredaktion: Helena Küster

Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign, München

Umschlagmotiv: © Johannes Wiebel | punchdesign/AdobeStock, © nd700 – stock.adobe.com; javarman – stock.adobe.com; Dmitriy Kosterev – stock.adobe.com; David Bryan – stock.adobe.com; Kurhan – stock.adobe.com; insta_photos – stock.adobe.com; Dog Paw Productions – stock.adobe.com

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-5576-4

one-verlag.de

luebbe.de

Für die Jungen von Chocolate City

In meinen fünfundzwanzig Jahren als Lehrer ist mir ein faszinierendes Phänomen aufgefallen: Schulen und Unterricht werden für die großen Unternehmen auf dem Planeten beständig irrelevanter. Keiner glaubt mehr, dass Forschende im Naturkundeunterricht ausgebildet werden, Abgeordnete in den Politikstunden oder Dichter und Dichterinnen in Englischkursen. Tatsache ist, dass Schulen eigentlich nichts mehr vermitteln, außer, wie man Befehle befolgt. Was mir ein Rätsel ist, arbeiten doch Tausende aufrichtig engagierte Menschen in Lehre und Verwaltung an Schulen. Doch die abstrakte Logik der Einrichtung überwiegt den individuellen Beitrag. Lehrkräfte mögen verantwortungsvoll und human arbeiten, aber die Institution an sich ist psychopathisch und ge‍w‍i‍s‍sen‍los.

Da schrillt eine Glocke, und ein junger Mann, der gerade ein Gedicht verfasst, muss sein Heft zuschlagen und in eine andere Zelle gehen, wo er sich merken soll, dass Menschen und Affen von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen.

John Taylor Gatto

Why Schools Don't Educate

EILMELDUNG:BELIEBTER SCHULLEITER (43)ERMORDET

Die Polizei untersucht einen Mordfall in Northeast Washington, D.C. Kenneth Moore, Gründer und Leiter der Urban Promise Prep, wurde am Freitag, dem 10. Oktober, auf dem Schulgelände erschossen. Er war ein beliebtes Mitglied der Gemeinde.

Ein Kollege fand Mr. Moores Leiche am frühen Freitagabend und wählte den Notruf.

Als die Polizei eintraf, stellte sie fest, dass Mr. Moore eine einzelne Schusswunde an der Schläfe erlitten hatte. Er wurde noch vor Ort für tot erklärt.

Die Detectives ermitteln zu Motiv und Verantwortlichen, und Berichten zufolge werden gegenwärtig drei Schüler vernommen.

Wer Informationen zur Tat hat, möge sich bitte bei der Mordeinheit des District of Columbia Police Department melden, Telefon 202 – 555 – 4925.

Für Hinweise, die zu einer Verhaftung und Anklage in diesem Fall führen, ist eine Belohnung von bis zu 65.000 Dollar ausgesetzt.

TEIL EINS -J.B.

Heute

Niemand

Schüler der Urban Promise Prep

Angeblich hat ein Schüler am Tag des Mords eine Waffe mit zur Schule gebracht. Aber das habt ihr nicht von mir.

Keyana Glenn

Schülerin der Anacostia High School

Wir können nicht an das glauben, was wir sehen, sondern nur an das, was wir fühlen. Ich habe gedacht, dass ich J.B. glauben kann, weil ich gespürt habe, wie sehr er mich mochte. Oder zumindest dachte ich das, bis er mich versetzt hat. Einen Tag, nachdem wir uns so nahegekommen sind. Nachdem er mir versprochen hat, dass wir uns nach der Schule treffen und zusammen zu dem Spiel gehen. Dass wir zusammen wären. Offiziell.

Er hat geschworen, dass er anders ist. Nicht wie die meisten Jungs. Besser. Und obwohl ich vorsichtig sein wollte, hat er mich dazu gebracht, ihm zu vertrauen. Tue ich das vielleicht noch? In meinem Kopf herrscht das totale Chaos, und ich weiß im Moment gar nichts sicher.

Ach, ich komme mir so blöd vor! Ich bin benutzt worden, ausgetrickst. Jetzt mache ich mir Vorwürfe, und das ist unfair. Wenn ich nur daran denke, bin ich schon angefressen.

Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, läuft in meinem Kopf der Abend wieder ab. Wie ich ganz alleine zu dem Spiel gehe und J.B. die Meinung sagen will. Aber als ich hinkomme, sehe ich ihn, blutüberströmt.

Ich bin direkt am Schultor erstarrt.

Sind wir beide.

Alles, was ich ihm entgegenschreien wollte, blieb mir auf einmal im Hals stecken.

Das Blut.

Meine Gedanken rasten. War er verletzt? Hat er mich deswegen nicht wie versprochen abgeholt? Und auch nicht zurückgerufen oder getextet?

»Das war nicht meine Schuld ...«, hat er atemlos geflüstert. Dann ist er weggerannt. Er war eindeutig nicht verletzt, so schnell wie er war.

Er ist in der Dunkelheit verschwunden.

Natürlich wusste ich da noch nichts von Direktor Moore. Alle sagen, J.B. hat den Mann umgebracht, aber ein Teil von mir kann das nicht glauben.

Andererseits weiß ich, was ich gesehen habe. J.B. mit seinem Hemd voller Blut, und immer wieder höre ich seine Worte in meinem Kopf: »Das war nicht meine Schuld.«

Jedes Mal, wenn ich anfange, an etwas zu glauben, werde ich daran erinnert, dass alle hier so fake sind. Ich schätze, man kennt niemanden je wirklich.

Ich hoffe, dass ich mich irre. Ich hoffe, J.B. ist unschuldig.

Schwester Robin

Angestellte der Urban Promise Prep

Versteht mich nicht falsch, meine Arbeit bedeutet mir viel. Ich kann nur diese Schule nicht ertragen.

Als ich meinen Freundinnen erzählte, dass ich einen Job an der Urban Promise Prep antrete, haben mich alle gewarnt, weil es eine reine Jungenschule ist. Aber ich dachte, dass ich damit klarkomme. Ich muss schließlich vierundzwanzig Stunden am Tag mit fiesen Männern klarkommen. An allen Schulen, an denen ich gearbeitet habe, bei jeder Busfahrt, jedem Trip zum Supermarkt, immer wenn ich auf die Straße gehe ... überall machen mich Männer blöd an. An der Promise Prep konnte es ja kaum schlimmer sein, oder?

Falsch.

An der Urban Promise habe ich mich unglaublich unwohl gefühlt, nervös; ihr kennt das Gefühl. Direktor Moore hat da einen brodelnden Kessel voller fragiler und toxischer Maskulinität geschaffen. Und ich spreche nicht von den Schülern. Die Kids sind Kids, sie können nicht anders. Es geht um die Erwachsenen. Die Lehrer, das Sicherheitspersonal, die Leitung.

Sie fördern das Benehmen. Letztes Jahr hat ein Junge ein unanständiges Video von einem Mädchen herumgeschickt. Da haben die Sicherheitsleute seine Sachen durchsucht und sein Handy beschlagnahmt. Was ja richtig so war. Aber er musste weder nachsitzen, noch wurde er suspendiert. Nicht mal einen Klaps auf die Finger hat er bekommen! Und was noch schlimmer ist: Ich habe beobachtet, wie die Sicherheitsmänner im Pausenraum das verdammte Handy herumgereicht und sich das Video angesehen haben, ehe sie es löschten. Gekichert haben sie, über etwas, was de facto Kinderpornografie war, und Witze über das Mädchen in dem Video gerissen. Ohne auch bloß darüber nachzudenken. Es gibt einfach keinen Sinn für ... Anstand an der Urban Promise, was Frauen angeht.

Und Moore war das egal. Solange die Jungen gespurt haben, konnten sich diese Männer wie Idioten aufführen. Übrigens mag Moore nach außen hin makellos wirken, aber er war auch nicht blitzsauber. Da waren Kleinigkeiten, die er gemacht hat, wie mich ein bisschen zu lange zu umarmen oder mir eine Hand unten auf den Rücken zu legen, wenn er im Flur mit mir geredet hat.

Außerdem könnt ihr mich ruhig lächerlich oder so nennen, aber ich schwöre, dass er ein Alkoholproblem hatte. Ich habe schon reichlich Patienten mit ungesunden Trinkgewohnheiten behandelt, und Moore entspricht genau dem Muster. Seine Stimmung konnte von jetzt auf gleich umschlagen. Mal war er supernett, charmant und umgänglich, hilfsbereit und freundlich. Dann wieder habe ich mitbekommen, wie er die Kids, Lehrkräfte oder sogar Dean Hicks angeblafft hat. Und in letzter Zeit war es noch schlimmer als sonst.

Jedenfalls könnte man wohl sagen, dass ich seinen Tod für keinen so großen Verlust halte wie andere Leute.

Was die Jungen angeht, die sie zu dem Mord befragen, die kenne ich eigentlich kaum. Aber J.B. hatte ich an dem Tag gesehen. Er war zu mir gekommen, um sich die Hand verbinden zu lassen. Die war an den Knöcheln übel aufgeschürft, weil er auf irgendwas eingeschlagen hatte.

»Was ist passiert?«, habe ich ihn gefragt. Er hat die Fäuste so fest geballt, als wollte er sich die Fingernägel in die Haut bohren. Das dunkle Braun war ganz blutverschmiert.

»Nichts«, hat er nur gemurmelt.

»Es kann nicht nichts sein, wenn deine Hand so aussieht.« Ich habe ihn angelächelt im Versuch, ihn etwas aufzumuntern, bei der üblen Verletzung.

Dann hab ich die Wunden so gut gereinigt, wie es ging, aber J.B. wollte die Hand nicht locker machen. Die ganze Zeit nicht, die er bei mir im Dienstzimmer saß. Er hat einfach nur wütend in die Ferne gesehen, die Zähne zusammengebissen, als könnte er es kaum erwarten, noch mehr mit dieser kaputten Faust zu tun.

Ich bin rückwärts zu meinem Schreibtisch gegangen, bevor ich ihm gesagt habe, dass er gehen kann. Das war aus so einem merkwürdigen Instinkt heraus, ich wollte ihm nicht den Rücken zukehren. Nicht bei all der Wut, die wie Hitze von ihm ausströmte. Als könnte er jederzeit wieder zuschlagen, als bräuchten seine Hände einen Boxsack oder sonst irgendwas, auf das sie in dem Moment einschlagen können. Das ist ein Junge, der an Gewalt gewöhnt ist. In dem Alter. Da kriege ich das Grausen.

Also, ja, ich suche nach einer neuen Stelle an einer anderen Schule.

Becca Buckingham

Schülerin der Mercy Academy for Girls

Die armen Jungs. So voller Wut. Aber das ist wegen ihrer Lebensumstände, oder? Ich meine, man muss sich mal vorstellen, in Armut zu leben, diskriminiert zu werden und ein Opfer systemischer Ungleichheit zu sein. Da wäre ich auch wütend. Deshalb habe ich beschlossen, Nachhilfe an der Promise zu geben. Um etwas zu bewirken. Weil ich weiß und privilegiert bin, sehe ich es als meine Pflicht.

Trotzdem verstehe ich nicht, warum sie Direktor Moore umbringen sollten. Erst recht nicht nach allem, was er für sie getan hat. Das ist echt eine Tragödie.

Es heißt, sie haben drei Verdächtige. Alle reden darüber, und Washington, D.C. ist kleiner, als man denkt. Neuigkeiten sprechen sich schnell herum. Ich habe sogar einem von den Jungen Nachhilfe gegeben.

Ramón Zambrano.

Ramón ist unglaublich nett. Er hat etwas ... Engelsgleiches an sich. Ich liebe es, wie, na ja, authentisch er seine Kultur auslebt. Er macht ... ich glaube, Papuhsas heißen die. Diese kleinen Küchlein? Ich habe gehört, dass er die mit seiner Oma backt. Wie süß ist das denn?

Ich habe mich richtig reingekniet, damit er fließend Englisch lernt, weil er dann mehr Möglichkeiten hat. Ganz abgesehen davon, dass es meine Pflicht war. Und Ramón hat wirklich gut mitgemacht. Vor einigen Wochen hätte ich noch gesagt, dass er auf keinen Fall schuldig ist. Und irgendwie glaube ich das immer noch. Obwohl ich gesehen habe ... ähm, sagen wir, ich habe gehört, dass er auch ausflippen kann.

Aber für ihn gibt es noch Hoffnung. Wahrscheinlich ist es einer von den anderen Jungen gewesen, die sie verhaftet haben.

Zum Beispiel ... Trey Jackson.

Geredet habe ich eigentlich nie mit ihm. Aber ich habe gehört, dass er komisch ist. An der Mercy finden ihn viele Mädchen heiß, und er spielt Basketball, also, ihr wisst schon. Er könnte später mal in die NBA kommen – und wer würde nicht mit so einem Typen zusammen sein wollen?

Ich.

Sportler sind Mistkerle, und sicher ist Trey nicht anders. Da fällt mir ein, ich habe gehört, dass er andere mobbt, ständig Witze über Kids reißt und sie runtermacht, um sich selbst groß zu fühlen.

Aber es heißt auch, dass er bei seinem Onkel wohnt, der beim Militär ist und ziemlich unangenehm. Manchmal werden Jungs, die eine fiese Vaterfigur haben, selbst fies, nicht? Aber wenigstens hat er eine Vaterfigur. Auch wenn ich das nicht genau weiß, wette ich, das ist bei den Jungs an der Schule nicht sehr oft der Fall.

Und dann ist da noch J.B. Williamson.

Ihn kenne ich auch nicht besser als Trey, aber ich habe gehört, dass J.B. ziemlich schlau ist. An den Nachhilfetagen habe ich ihn oft in der Schule gesehen, und ich erinnere mich hauptsächlich an ihn, weil er riesig ist. Ungefähr eins neunzig! Und große Jungen finde ich immer sexy. Aber er hat nie gelächelt. Ganz egal, wie oft ich ihm zugelächelt oder Hi zu ihm gesagt habe, er hat mich einfach ignoriert. Das hat sich irgendwie schräg angefühlt, versteht ihr?

Alle fragen mich nach dem Tag an der Promise. Da habe ich den ganzen Nachmittag lang im Englischraum Nachhilfe gegeben. Einmal bin ich raus, um mir Wasser zu holen, und da standen sie: J.B. und Direktor Moore, und sie haben sich gestritten.

Ich war wie erstarrt, und alle anderen auch. J.B. war halb über Direktor Moore gebeugt, und da war eine große Delle links hinter ihm an einem Schließfach. Von J.B.s aufgerissener Haut an den Handknöcheln ist Blut auf den PVC-Boden getropft. Ich konnte die Anspannung quer durch den Flur fühlen.

J.B. hat Direktor Moore angeschnauzt, gewartet, dass er zuckt oder sich wegduckt. Aber Direktor Moore hat gelacht und sich nicht gerührt. Mein Herz hat so gerast und mein Puls so gedröhnt, dass ich kaum verstehen konnte, worum es ging.

Direktor Moore hat die Hand gehoben und J.B. ein Zeichen gegeben, dass er gehen soll. Und als J.B. an mir vorbeigestampft ist, total aggressiv und wütend, habe ich ihn murmeln gehört: »Wir sehen uns noch.«

Das habe ich schon von anderen Jungen an der Promise aufgeschnappt. Anscheinend ist das der letzte Spruch nach einem Kampf. Wenn die Sicherheitsleute die Jungs auseinanderreißen, schreien die sich das immer wieder zu. Als Warnung. Und man kann sicher sein, später wird sich rumsprechen, dass es im Viertel eine Schlägerei gegeben hat, und mal wieder sind es die Promise Boys gewesen.

Aber jetzt höre ich die vier Wörter in Endlosschleife in meinem Kopf. Nur Stunden, nachdem J.B. die gesagt hat, war Direktor Moore tot.

Unk

Ein Typ aus dem Viertel

Der Direktor da is mir scheißegal.

Das bin ich ihm ja auch.

Hä?!

Der Mann hat mich nich mal angeguckt, so als ob ich Luft bin.

Nur ein verdammtes Mal hat der mit mir geredet, da hat er mich angebrüllt, ich soll mich von seiner Schule verziehen.

Aber ich komm von hier, Mann. Ich war zuerst hier! Was redest du?

Schwarze Scheißschnösel übernehmen die ganze Gegend, genauso wie die Weißen.

WILLKOMMEN IM VIERTEL, BABY. HAHAHAHAHAA!

Alles klar?!!

LANG LEBE CHOCOLATE CITY!!!!

Dean Wilson Hicks

Konrektor an der Urban Promise Prep

O Gott.

Ich habe ihn tot aufgefunden.

O Gott, warum ich?

Ich habe noch nie so viel Blut gesehen. Ein roter Fluss, der über die Schreibtischkante gerauscht ist.

Leere, starrende Augen.

Ich bin näher herangegangen. »Kenneth! Kenneth!«

Und ich habe ihn genauer angesehen, konnte aber nicht erkennen, woher das Blut kam. Ich musste mir die Nase zuhalten, weil es so sehr nach Exkrementen gerochen hat, und da wusste ich, er ist tot. Kenneth hatte sich eingekotet. Ich habe schon oft gehört, dass das passiert, wenn man stirbt, aber ich hatte es bloß für einen Mythos gehalten.

Ich bin rückwärts weggestolpert. Dabei habe ich gefühlt, wie mein Gesicht rot wurde und mir Schweiß über die Schläfen lief. Lauter Fragen kamen mir in den Sinn: Wie waren Kenneths letzte Momente gewesen? Wie viel Angst hatte er, als der Abzug gedrückt wurde? Hat er sehr gelitten? Hatte er Angst vor dem Sterben?

Aber die Antworten werde ich nie erfahren.

Auch jetzt noch, wenn der Abend wieder in meinem Kopf abläuft, kommt alles zurück. Hätte ich etwas anders machen sollen? Hätte ich das verhindern können?

Waren wir beste Freunde? Nein. Rein technisch war er mein Chef. Doch als Kenneth die Urban Promise Prep gründete, war ich der Erste, den er eingestellt hat, und zusammen haben wir etwas wahrhaft Beachtliches aufgebaut. Über seine oder sogar meine Methoden kann man sagen, was man will, aber wir haben Resultate geliefert. Klar waren wir hart zu den Kids, aber wir haben nie Grenzen überschritten. Uns waren diese Jungen wichtiger als den meisten anderen, und wir wollten nur das Beste für sie. Wir wollten sie zu Königen machen. Deswegen haben wir den Promise-Fonds eingerichtet, um Stipendien für Kids zu finanzieren, die sich das College sonst nicht leisten können. Aber einige Leute haben nicht begriffen, dass wir Männer formen wollten, und nicht kleine Jungen verhätscheln.

Leider weigern sich manche Schüler schlicht, erwachsen zu werden.

J.B. Williamson, Ramón Zambrano und Trey Jackson, das sind alles Jungs, die nicht erwachsen werden wollen.

Einer von ihnen hat das getan, vielleicht auch alle drei zusammen. Die Berichte zeigen, dass alle drei an dem Tag Streit mit Kenneth hatten.

Müsste ich um Geld wetten, würde ich auf J.B. als Täter setzen. Es sind immer die Stillen, um die man sich sorgen muss. Die ihre gewalttätige Ader unterdrücken. Außerdem kommt J.B. aus dem Wohnkomplex Benning Terrace. Ich weiß, was das für eine Gegend ist. Und was normalerweise aus den Kids wird, die da wohnen.

Bando

Ein Kleinganove aus dem Viertel

Mord, Alter? Ich hab den Jungen doch eben erst gesehen! Und jetzt sagen alle, dass er in Zukunft nur noch über Mord rappen wird? Nee, J.B. ist nicht so drauf. Ich mein, er hat auf der Straße abgehangen, aber keine krummen Dinger gedreht und nix. Kam mir immer wie ein liebes Kid vor. Aber ich weiß, dass der auch Power hatte. Wenn es sein musste, konnte der kämpfen und dich ins Krankenhaus bringen, wenn dich eine seiner Fäuste erwischte.

(Inhaliert)

Ich weiß noch, wie die Jungs und ich mal ein paar Körbe geworfen haben und J.B. am Sportplatz abhing. Er ist ziemlich groß, deshalb denkt man, der geht sicher ab beim Basketball, und dann stellt sich raus, dass er gar nicht spielt. Jedenfalls haben wir einen fünften Mann gebraucht, deshalb hab ich ihn überredet mitzumachen. Und ein bisschen blieb er auch dran. Aber weil er so groß ist, haben alle ihn dauernd genervt. Jedes Mal, wenn er durchziehen wollte, sind sie auf ihn los. Haben ihm auf die Arme geschlagen, um an den Ball zu kommen, sodass er voll dämlich ausgesehen hat.

J.B. ist aber cool, wollte nie wirklich Stress machen, nur klarkommen. Trotzdem hatte er seine Grenzen, wie jeder. Und als die anderen gecheckt haben, dass er gar nicht so aggressiv ist, haben sie erst recht losgelegt! Ein Dude hat J.‍B. mit dem Ellbogen erwischt, und auf einmal verpasst J.‍B. ihm den übelsten rechten Haken, den ich je gesehen habe. Das war fast wie ein Reflex. Überall ist Blut hingespritzt. Der hat dem die Nase gebrochen, und der Typ war schon ausgeknipst am Boden, bevor J.B. richtig kapierte, was er da gemacht hat.

(Bläst Rauch aus)

Doch sogar danach hätte ich ihn nie als Killer eingeschätzt.

(Inhaliert)

Na ja, aber ich kenne eine Menge Dudes, die keine Killer waren, bis sie jemanden gekillt haben. Und das mit gerade mal vierzehn, Alter. Echt, manchmal lauert der Scheiß einfach in dir, bis der richtige Moment kommt.

(Bläst Rauch aus)

Kann sein, schätz ich. Vielleicht hat J.B. den Scheiß gemacht. Vielleicht hat seine Wut das ausgelöst.

Mr. Reggie

Schulpolizist an der Urban Promise Prep

Nachsitzen ist an Spieltagen immer ruhig. Vor allem an dem Tag. Da waren die Play-Offs, glaube ich. Für die Jungs ist es so hart an der Urban Promise Prep: Nicht reden, nicht lachen, keine Mädchen. Eigentlich ist unser Basketballteam ihr einziges Ventil.

Jeder darf bei den Spielen zugucken, und in diesem Jahr sind wir sogar ziemlich gut, deshalb kommen die Mädchen von überall in der Stadt, um die Jungs spielen zu sehen. Sie lieben das. Also habe ich gedacht, ich könnte mir vielleicht die Aufsicht beim Nachsitzen sparen und ausnahmsweise mal früh gehen, aber wie sich herausstellte, haben einige Kids doch noch beschlossen, sich Ärger einzuhandeln: J.B., Ramón und Trey.

J.B. war als Erster da, und ich muss gestehen, dass es mich geschockt hat. Ich kann beschwören, dass ich J.B. Williamson in meinen sechs Jahren an der Urban Promise noch nie beim Nachsitzen gesehen hatte. Ein stilles Kid, verdammt groß, aber sanft.

Als Nächstes ist Ramón aufgetaucht. Der muss immer mal wieder nachsitzen, meistens, weil er beim Würfeln oder Schwänzen erwischt wurde, nichts Wildes. Das Übliche. Blöder Kinderkram. An ihm gefiel mir, dass er Mumm hat. Wie er reinkam, sich das Haar bürstete, hat mich an Fonzie erinnert, diesen Typ aus der einen Serie. Und seit er mal meinen Fanbecher von den Baltimore Ravens gesehen hat, fragt er mich immer: »Hey, Mister, wie machen sich die Ravens?«

»Wir machen uns gut«, habe ich immer geantwortet, egal ob es stimmte oder nicht.

Mein Lieblings-Footballteam war ihm natürlich egal, aber er hat gewusst, dass er sich gut mit mir stellen sollte, falls er später wieder bei mir nachsitzen muss. Der war eben schlau. Manipulativ sogar. Aber nett.

Also kommt Ramón an dem Tag zum Nachsitzen und fragt mich nach den Ravens. Und er hat mit den Zähnen geknirscht, war ein bisschen angespannt. Normalerweise ist er kein wütendes Kid, aber ich konnte sehen, dass was an ihm genagt hat. Ich habe ihn gefragt, ob er reden will, doch er hat bloß eine Grimasse geschnitten. Aber damit konnte ich umgehen – auch wenn er wütend war, war er bloß Ramón.

Selbst bei seiner miesen Stimmung dachte ich noch, das würde eine eher harmlose Aufsicht werden, bis ... Trey Jackson reinkommt. Trey ist IMMER hier. Wir sind ständig aneinandergeraten, jeden Tag. Obwohl er sich dann so benahm, als wäre es witzig. Irgendein Spiel, das er mit allen Schulpolizisten veranstaltet.

Und an dem Tag hat Trey dauernd gefragt, ob er mal zum Klo darf, wieder und wieder und wieder. Der Junge muss mich für blöd gehalten haben! Wir beide wussten, dass er bloß zur Sporthalle gehen und nach dem Spiel sehen wollte. Aber Trey hat nicht lockergelassen, alle paar Sekunden den Arm gereckt und durch die Zähne Luft eingesogen, da habe ich ihn einfach gehen lassen.

Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber nachdem einige Zeit vergangen war, wurde mir klar, dass ich nach ihm sehen muss. Ich dachte, J.B. und Ramón alleine lassen wäre okay, weil das ja halbwegs anständige Jungs waren. Die würden bleiben, wo sie waren, sich an die Regeln halten, damit sie das Nachsitzen schnell hinter sich haben.

In der ganzen Schule habe ich gesucht, aber nichts.

Trey war nirgends zu finden.

Und dann hörte ich den Knall. Chaos brach aus. Schreie hallten durch die Flure und aus der Sporthalle. Ich rannte mit den anderen Schulpolizisten in die Richtung, aus der das Schussgeräusch gekommen war. Dann hab ich sie zum Nachsitzraum geführt.

Als wir reingestürmt sind, waren J.B. und Ramón weg. Nebenan brüllte Dean Hicks um Hilfe, und da haben wir gesehen, dass Direktor Moore erschossen worden war. Wir haben sofort den Notruf gewählt und versucht, die Leute auf Abstand zu halten.

In all meinen Jahren als Schulpolizist habe ich bei den Kids nie nachgegeben, und das eine Mal, dass ich es doch tue, kommt jemand ums Leben.

Ich fühle mich furchtbar. Ganz egal, wie ich es drehe und wende, ich bin verantwortlich. Hätte ich Trey an dem Tag nicht gehen lassen, wäre das vielleicht nie passiert. Selbst wenn es einer von den anderen Jungen war. Hätte ich meinen Job gemacht und wäre auf meinem Posten geblieben, hätten sie nicht die Gelegenheit gehabt. Und wenn es keiner von ihnen war, wenn ich im Nachsitzraum neben Moores Büro geblieben wäre, hätte ich den Schützen vielleicht schnappen können. Oder Moores Leben retten.

Auf der anderen Seite ... vielleicht ist es ein Segen, dass ich nicht da war. Vielleicht wäre ich sonst auch erschossen worden. Vielleicht hat Trey mir das Leben gerettet. Ich weiß es nicht.

Egal wie, ich krieg das alles nicht aus dem Kopf. Vor allem nicht, was ich in Moores Büro gesehen habe, unter seinem Schreibtisch. Da ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Keine Ahnung, ob es sonst noch jemand bemerkt hat. Aber als die Sanitäter Moore rausgerollt haben, lag da Ramóns Haarbürste. Wie ist die da hingekommen, wenn Ramón nicht in dem Raum war?

Ich habe den Cops nichts gesagt, weil ich ja nicht weiß, was passiert ist, und das Letzte, was ich will, ist denen helfen, noch einen braunen Jungen hinter Gitter zu bringen. Aber, verdammt, es macht mich fertig.

Könnte Ramón das getan haben? Er soll doch einer von den Guten sein.

Ms. Williamson

J.B.s Mom

Lieber Gott im Himmel,

segne bitte meinen kleinen Jungen. Mein einziges Baby. In Demut bitte ich dich, Gott, vergib meinem wunderschönen Sohn die Sünden, die er begangen hat, und lass die Wahrheit ans Licht kommen. Die Wahrheit wird seine Unschuld beweisen.

Hab Erbarmen, o Herr. J.B. ist ein gutes Kind, ein richtig gutes Kind. Er treibt sich nicht mit den anderen Kids draußen rum, er hat gute Noten, und er bringt sich nicht in Schwierigkeiten. Ich weiß, dass einer von den anderen Jungen das mit Mr. Moore war. Das kann nicht mein J.B. gewesen sein.

Bitte, Gott, beschütze mein Baby.

Amen

J.B.s Befragung

(Transkript des offiziellen Verhörs)

DETECTIVE BO: Sag bitte deinen Namen für das Protokoll.

J.B.: J.B.

DETECTIVE ASH: Den vollen Namen.

J.B.: Jabari Williamson.

DETECTIVE BO: Wo wohnst du?

J.B.: Simple City.

DETECTIVE BO: Dann hängst du mit den Choppa Boyz ab?

J.B.: Nein, tu ich nicht.

DETECTIVE ASH: Wo bist du am zehnten Oktober ungefähr um halb sieben abends gewesen?

J.B.: ...

DETECTIVE BO: Du musst die Frage beantworten.

J.B.: In der Schule.

DETECTIVE BO: Wo in der Schule?

J.B.: Im Nachsitzraum.

DETECTIVE BO: Warum musstest du nachsitzen? Handelst du dir gerne Ärger ein?

J.B.: NEIN! Ich meine, nein, mach ich nicht. Ich hatte nicht mal was getan. Ich hätte gar nicht da sein sollen. Das war das allererste Mal, dass ich überhaupt nachsitzen musste.

DETECTIVE ASH: Was hast du gehört?

J.B.: Nicht viel. Bloß den Schuss.

DETECTIVE BO: Und du hast niemanden in Moores Büro gehen oder rauskommen gesehen?

J.B.: Nein.

DETECTIVE ASH: Hast du Direktor Moore gemocht?

J.B.: ...

DETECTIVE ASH: ICH HABE GEFR–

J.B.: Ich habe Sie verstanden!

DETECTIVE ASH: Dann beantworte die Frage.

J.B.: Weiß ich nicht, Mann.

DETECTIVE BO: Und wie fühlst du dich jetzt, wo er tot ist? Immerhin hat dich die Moore-Methode gerettet.

J.B.: Moores Methode hat gar nichts für mich getan.

DETECTIVE BO: Hast du ihn deshalb umgebracht?

J.B.: Ich sag nichts mehr.

DETECTIVE ASH: Lass den Mist, Junge! Wie kam das ganze Blut von Moore auf dich, wenn du nichts damit zu tun hast?

DETECTIVE BO: Und erzähl uns von deinem Streit mit Moore, vorher an dem Tag.

J.B.: Na ja ...

DETECTIVE ASH: Muss ich dich daran erinnern, dass es nicht gut für dich aussieht? Red keinen Scheiß mehr! Kein Weiß nicht, keine Lügen mehr. Du kannst deinen Arsch am ehesten retten, indem du anfängst zu reden. Vielleicht ist der Richter gnädiger, wenn du das machst ...

Ein Tag vor dem Mord -J.B.

Kapitel eins

Blödmann

J.B.

Ich sitze in der Klasse und warte, dass Mr. Finley uns aufstehen und rausgehen lässt. Wir dürfen uns erst bewegen, wenn der Lehrer den Zeigefinger hebt, aber von weiter hinten in der Klasse ist das schlecht zu sehen. Es sind vier Tischreihen mit jeweils acht Plätzen, und weil ich groß bin, werde ich immer in die letzte Reihe gesetzt.

Ich starre auf Brandon Jenkins' Kopf. Der hat die Form von einer Erdnuss. Richtig schlimm. Wenn Brandon aufsteht, stehe ich auf. Wie üblich.

Ich blicke zu der Wand über dem Smartboard. Von da glotzt mir das Schulmotto entgegen: WE PROMISE. Wir versprechen es.

Allein die zwei Worte zu sehen, reicht, damit in meinem Kopf die Schulhymne abläuft:

Wir versprechen es.

Wir sind die jungen Männer der Urban Promise Prep.

Wir sind zu Großem bestimmt.

Wir sind gerüstet für das College.

Wir sind bereit für den Erfolg.

Wir sind außergewöhnlich, weil wir uns anstrengen.

Wir sind respektvoll, zielstrebig, verlässlich und konzentriert.

Wir sind die Wächter unserer Brüder.

Wir sind für unsere Zukunft verantwortlich.

Wir sind die Zukunft.

Wir versprechen es.

Das mussten wir auswendig lernen, als wir in der Sechsten hergekommen sind. Dreimal am Tag und auf Kommando. Öfter als den Treueschwur.

Ich sehe zu den anderen Jungs und frage mich, ob die Hymne auch noch in ihren Köpfen abläuft. Allen von uns ist eine bessere Zukunft versprochen worden. Nicht, dass wir so ein Versprechen echt bräuchten. Viele von uns werden wahrscheinlich mal was erreichen, mit oder ohne Direktor Moores Hilfe. Aber was weiß ich schon?

Es ist so, dass die meisten hier landen, weil sie in der regulären Schule nicht klarkommen. Jungs, die keiner unterrichten will, die keiner versteht. Direktor Moore sagt dauernd, dass sie der Grund sind, warum er diese Schule gegründet hat. Angeblich.

Ich schätze mal, größtenteils funktioniert es.

Ich hatte in der gesamten Grundschulzeit Probleme. Nicht, weil ich nicht schlau war. Aber keiner hat sich die Mühe gemacht, mich so zu unterrichten, dass ich gut lernen konnte. Damals habe ich nicht mal gewusst, dass es verschiedene Arten zu lernen gibt.

Und als die weiterführende Schule anstand, hat meine Mom einen Riesenaufstand gemacht, dass es keine öffentlichen Schulen in unserem Viertel gibt, auf die sie mich schicken möchte. Dann hat ihr jemand von meiner alten Schule eine Broschüre der Promise gegeben, der besten Privatschule nur für Jungen in der Stadt.

Aber schon vom ersten Tag an hat es mir hier nicht gefallen. Die Uniform nervt. Wir dürfen uns nicht mit den anderen Schülern »verbrüdern«. Man darf nicht reden, es sei denn mit Lehrkräften oder Erwachsenen. Keine Musik oder Handys. Man darf nicht mal farbige Schuhe oder Socken anziehen!

Und im Klassenraum darf man nicht aufstehen, es sei denn, die Lehrkraft reckt den Zeigefinger.

Das Patentrezept, um junge Männer zu formen, sagt Direktor Moore immer.

Brandon steht auf, also mache ich es auch. Die ganze Klasse springt gleichzeitig auf, wie ein Armee-Zug. Wenn wir nicht alle gleichzeitig aufstehen, verlangen die meisten Lehrkräfte, dass wir uns wieder hinsetzen und noch mal aufstehen, bis es perfekt läuft. Ein Grundsatz der Moore-Methode: Mach alles ordentlich, vollständig, perfekt und mit Stolz.

Will man schnell hier rauskommen, steht man also gleich beim ersten Versuch richtig auf.

Mr. Finley hält zwei Finger in die Höhe. Das heißt, dass wir uns alle zur Tür drehen dürfen. Wenn er drei Finger zeigt, stellen wir uns in eine Reihe, die Hände auf dem Rücken.

»Dyson, das gibt einen Punkt Abzug«, ruft er.

Sind die Hände nicht korrekt auf dem Rücken verschränkt, bekommt man einen Minuspunkt.

Dyson zuckt mit den Schultern und saugt durch die Zähne Luft ein.

»Das macht zwei.«

Ich schüttle den Kopf. Das hätte er sich denken können.

Jedes Konto fängt morgens mit hundert Punkten an. Und handelt man sich einen Minuspunkt ein, senkt die Lehrkraft den Kontostand in einer blöden, lauten App auf einem Tablet.

Die ganze Zeit hallt es piep ... piep ... piep durch die Korridore. Schlimmer als Fingernägel auf einer Tafel. Das Beschissene ist, dass man sich keine Punkte zurückverdienen kann, sondern nur welche verlieren. Das ist unfair.

Dyson kassiert noch einen. Ich schüttle wieder den Kopf. Garantiert muss er nachsitzen.

Ich gehe hinter Brandon und konzentriere mich darauf, nichts falsch zu machen. Mr. Finley hätte bei Dyson nicht so hart sein müssen. Der macht normalerweise keine Probleme. Anscheinend hat er einen schlechten Tag. Aber solche Sachen sehe ich ständig an dieser Schule. Kram, von dem ich nicht sicher bin, ob er anderen Kids oder dem Personal auffällt.

Sicher weiß ich es allerdings nicht, denn ich habe nicht viele Freunde an der Schule. Ich hab nie Basketball oder Football gespielt, deshalb gehöre ich nicht bei den Sportlern dazu. Und bei den Nerds, die die Promise lieben, noch viel weniger. Die feiern diesen Laden wie ein Fanclub oder so. Und ich mache eigentlich keinen Stress mehr, also erwischt man mich auch nicht bei den »Rowdys«, wie Direktor Moore sie nennt. Die einzige Lehrkraft, die ich leiden kann, ist Mrs. Hall, weil sie es easy mit uns angeht, sobald die Klassentür geschlossen ist. Bei ihr muss ich mir keine Sorgen um mein Punktekonto machen, solange wir mitarbeiten.

Schaff es einfach durch den Tag, denke ich. Und ich muss mich an meinen Plan halten: Nicht auffallen, gute Noten schreiben und dafür aufs College kommen, weit weg von hier.

Wir gehen der Reihe nach auf den Flur und dann alle in unterschiedliche Richtungen zu den Schließfächern.

»Auf, auf, junge Männer!«, ruft Direktor Moore, der seine übliche Runde macht. »Gelehrte vergeuden keine Zeit. Könige bewegen sich zielstrebig – und das seid ihr alle.«

Er ist ein großer Kerl, jedenfalls für die meisten. Ich bin einen Meter neunzig und noch ein Stück größer als er.

»Weiter geht's! Lasst uns einen vielversprechenden Tag genießen, junge Männer.« Seine tiefe Stimme hallt durch die Korridore. Er richtet seine Krawatte. Moore ist so ein Typ, der bis oben zugeknöpft ist. Immer. Der perfekte, blitzblanke schwarze Luxuswagen. Die perfekte Lederaktentasche mit seinen Initialen vorne drauf. Er zieht sich sogar perfekt an. Der Krawattenknoten, die blitzende Gürtelschnalle, das gefaltete Taschentuch vorn in seiner Brusttasche. Der Mann ist fresh. Aber voll gemein.

»Die Schuhe müssen geputzt werden, Malcolm. Hol dir Schuhcreme bei Ms. Tate in meinem Büro.«

»KeyShawn, da sind zu viele Falten in der Hose. Das kannst du doch besser. Lass dir das Bügeleisen von Dean Hicks geben und mach dich vorzeigbar.«

»Zeit für einen Haarschnitt, Hugh. Siehst ein bisschen verkommen aus. Das geht nicht. Komm nach dem Unterricht zu mir, ich entstaube mal meine Haarschneidemaschine.«

Spitzenleistung. Noch ein Grundsatz der Moore-Methode: Perfektion, Spitzenleistung und Disziplin. Aber wenigstens sind wir ihm nicht egal.

»Junger Mann, vermisst du deine Krawatte?« Direktor Moore ist über einen der kleineren Jungen gebeugt.

»Ja, Sir«, antwortet der Junge und sieht zu seinen Füßen.

»Halt den Kopf hoch.«

Das Kid tut es, vermeidet aber direkten Augenkontakt.

»Sollst du ohne Krawatte in der Schule sein?«

»Nein, Sir.«

»Also hast du entschieden, nicht nur dir selbst gegenüber respektlos zu sein, sondern auch der Schule?«

»Nein, Sir. Ich wollte zu keinem respektlos sein.«

»Niemandem«, korrigiert Direktor Moore.

»Es kommt nicht wieder vor«, murmelt der Junge.

»Das weiß ich. Wir sehen dich beim Nachsitzen.« Moore geht weg.

Wir alle gucken uns gegenseitig an. Der Junge tut uns leid, aber keiner kann ihn aufmuntern, wegen der stillen Flure und so. Ich werde meinen Punktestand bestimmt nicht riskieren.

Übrigens kenne ich den Jungen. Solomon. Ich bin mir nicht sicher, ob es Moore überhaupt interessiert, doch wie eine Menge Familien in dieser Stadt hat die von Solomon zu kämpfen. Ich weiß nicht, vielleicht hat er nur eine Krawatte und damit ist irgendwas passiert. Was natürlich für Moore keine Entschuldigung ist. Das ist ihm völlig egal. Das Krasse ist, dass Solomon zu den Kids gehört, die gerne an der Promise sind.

Aber ich habe keine Zeit, irgendwen zu retten. Ich hole meine Sachen aus dem Schließfach und kümmere mich um meinen eigenen Kram.

Ich muss hier raus.

Ich gehe durch die Schultür nach draußen, und es juckt mich in den Füßen, die perfekte Reihe zu verlassen. Trotzdem warte ich, bis wir auf dem Gehweg sind, damit wir nicht alles noch mal wiederholen müssen. Die Sonne scheint auf mich, und die vertrauten Stadtgeräusche umgeben uns. Nach einem Tag Stille tut dieser Soundtrack gut. Es gibt buchstäblich kein geileres Gefühl, als die Promise Prep hinter sich zu lassen. Das Gewicht, das ich den ganzen Tag mit mir rumschleppe, fällt von mir ab, und meine Schultern werden breiter.

Als das Schulgebäude immer weiter aus meinem Sichtfeld rückt, entspannt sich sogar meine Zunge und ich hab das Gefühl, dass ich wieder wie in meiner Gegend reden kann, in Southeast. Die Promise ist in Northeast, was kein tolles Viertel ist, aber auch nicht so schrecklich wie meine Hood, Benning Terrace.

Ich lockere meine Krawatte und kann es kaum erwarten, zu Hause zu sein und aus dieser Uniform raus. Aus dem marineblauen Blazer und der passenden, gerade geschnittenen Hose, die nicht zu weit oder tief sitzen darf. Dem blauen Hemd, zu dem eine gelb-blau-gestreifte Krawatte sein muss. Und den schwarzen Schnürschuhen mit harter Sohle, die das Ganze abrunden. Das ist echt zu viel.