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Für die erfolgreiche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Stärkung ihrer Selbstwirksamkeit ein entscheidender Faktor. Die Sozial-Kognitive-Psychologie bietet hier viele theoretische Ansätze, die ihren Weg in die Schule jedoch erst noch finden müssen. Als Ratgeber für die Schulpraxis stellt das Buch Psychologie und Schule die Potenzialentfaltungsbox als Diagnose- und Förderwerkzeug vor und gibt Lehrkräften damit erstmals eine strukturierte Handlungsempfehlung zur nicht-fachlichen Förderung ihrer Schülerinnen an die Hand. Mit der Potentialentfaltungsbox können Lehrkräfte schulform- und fächerunabhängig die Potenzialentfaltung ihrer SchülerInnen fördern. Ausgehend von den Theorien zu Mindset (Carol Dweck) und zur Selbstwirksamkeit (Albert Bandura) wird gezeigt, wie Lehrkräfte gezielt die Einstellungen und Denkmuster ihrer SchülerInnen positiv beeinflussen und sie damit in ihrer Selbstwirksamkeit stärken können. Mit Hilfe von differenzierten Beispielen und konkreten Fördermaßnahmen werden die LeserInnen in die Lage versetzt, die Inhalte direkt auf ihren Schulalltag zu beziehen. Ein konkreter Stundenentwurf sowie diverse Kopiervorlagen erleichtern zudem die sofortige Anwendung in der Unterrichtspraxis.
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2017
www.tredition.de
Dr. Tim Breker
SchülerInnen mit der Potenzialentfaltungsbox fächerunabhängig fördern
© 2017 Dr. Tim Breker, Berlin
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7439-0485-9
Hardcover:
978-3-7439-0486-6
e-Book:
978-3-7439-0487-3
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Für eine stärkere schulische Arbeit an Denkmustern und Einstellungen von Kindern und Jugendlichen
Tim Breker hat zwei Jahre als Teach First Deutschland Fellow an einer Hauptschule in Langenfeld bei Köln mit SchülerInnen aus einem schwierigen sozialen Umfeld gearbeitet und anschließend das Sozialunternehmen em-Schülerfirmennetzwerk für die Förderung von Unternehmertum bei SchülerInnen gegründet. Im Rahmen seiner Dissertation an der Europa-Universität Vadrina zu Frankfurt (Oder) hat er die in diesem Buch beschriebene Potenzialentfaltungsbox zur Stärkung der Selbstwirksamkeit von SchülerInnen entwickelt. Sie soll Lehrkräfte dabei unterstützen, im schulischen Alltag die Potenzialentfaltung ihrer SchülerInnen systematisch zu fördern.
Abbildung 1: Ebenen der Lehrkraft-Schüler-Interaktion
Abbildung 2: Von Lehrkräften (nicht) beeinflussbare Schüler- und Schulmerkmale
Abbildung 3: Potenzialentfaltungsbox
Abbildung 4: Unterscheidung von Selbstwirksamkeit und Ergebniserwartung
Abbildung 5: Unterscheidungsmerkmale von Schülern mit stat. und dyn. Mindset
Abbildung 6: Skala zur Erfassung des Mindsets von Schülern
Abbildung 7: Unterscheidung von Schülern mit hoher und niedriger Selbstwirksamkeit
Abbildung 8: Skala zur Erfassung der unterrichtsfachspezifischen Selbstwirksamkeit
Abbildung 9: Übersicht beispielhafter Schülertypen in der Potenzialentfaltungsmatrix
Abbildung 10: Beispiel-Szenarien zur Erhebung der Mindset-Ausprägung
Abbildung 11: TOP 5 Maßnahmen zur Mindset Förderung
Abbildung 12: Handlungsmöglichkeiten zur Verwirklichung ind. Bezugsnormorientierung
Abbildung 13: TOP 5 Maßnahmen zur Förderung der Selbstwirksamkeit
Abbildung 14: Unterrichtsentwurf zur Vermittlung eines dynamischen Mindsets
Abbildung 15: Grundbestandteile einer dynamischen Schulkultur
Abbildung 16: „Dos and Don‘ts“ bei Rückmeldungen von Lehrkräften an Schüler
Im Anschluss an mein Bachelorstudium der Betriebswirtschaftslehre hatte ich die – vielleicht verrückte – Idee, nicht als Betriebswirt sondern stattdessen als Lehrkraft zu arbeiten. Als Fellow der gemeinnützigen BildungsinitiativeTeach First Deutschlandhabe ich daraufhin zweieinhalb Jahre an einer städtischen Hauptschule in Langenfeld unterrichtet und diverse Projekte mit Schülern1 durchgeführt.
In dieser Zeit konnte ich rund 150 Schüler regelmäßig in unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Situationen beobachten und habe so vielfältige Erfahrungen gesammelt, wie und unter welchen situativen Rahmenbedingungen Schüler motiviert sind, im Unterricht mitzuarbeiten und etwas zu lernen. Im Rahmen von Hospitationen und Team Teaching konnte ich zudem auch verschiedene erfahrenere Lehrer im Umgang mit Schülern erleben. Ich bilde mir ein, vor allem von den Besseren ganz viel gelernt zu haben und dafür bin ich dankbar.
Vor und während meines Schuleinsatzes habe ich mich zudem im Selbststudium und dank der (Weiter-) Qualifizierungsmaßnahmen von Teach First Deutschland intensiv auch mit wissenschaftlicher Literatur zum Unterrichten beschäftigt. Dabei sind insbesondere sozialkognitive Theorien aus der Psychologie in den Mittelpunkt meines Interesses gerückt, weil deren direkte Wirkung auf die Motivation und die Schulleistungen von Jugendlichen durch umfangreiche empirische Forschung vielfach nachgewiesen ist. Dabei konnte ich mich insbesondere für die Theorie zur Selbstwirksamkeit von Albert Bandura und die Mindset Theorie von Carol Dweck begeistern und sie in meiner eigenen Praxis anwenden. Beide Theorien sind daher die Hauptbestandteile der Potenzialentfaltungsbox und werden inklusive praktischer Umsetzungsvorschläge in diesem Buch detailliert vorgestellt.
Nach meinem Einsatz als Teach First Deutschland Fellow habe ich das Bildungsprojekt em-Schülerfirmennetzwerk als selbstständiger Sozialunternehmer gegründet, um Jugendlichen an verschiedenen Schulen die Teilnahme an Schülerfirmen zu ermöglichen. Ich wollte besser verstehen, welche konkreten Auswirkungen die Mitarbeit in einer Schülerfirma auf die Selbstwirksamkeit von Jugendlichen hat und wie man Schüler mit Hilfe von Selbstwirksamkeit optimal fördern kann.
Generell beschreibt Selbstwirksamkeit die persönliche Einschätzung eines Menschen, mit seinen Fähigkeiten eine vorliegende Anforderungssituation erfolgreich bestehen zu können und diese in Angriff zu nehmen.
Schließlich habe ich mich in der Abschlussarbeit meines Master of Public Policy Studiums an der Humboldt-Viadrina School of Governance intensiv mit Albert Banduras Theorie der Selbstwirksamkeit beschäftigt und mit Hilfe von 17 dreißig- bis vierzigminütigen Schülerinterviews empirisch untersucht, inwiefern die Mitarbeit in einer Schülerfirma die Selbstwirksamkeit von Schülern stärkt.
Die Ergebnisse meiner Masterarbeit legen nahe, dass die Mitarbeit in einer Schülerfirma die allgemeine Selbstwirksamkeit und die spezifische Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf die Arbeit in Teams bei den beteiligten Schülern positiv beeinflusst. Eine Auswirkung auf die spezifische Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf eine spätere Unternehmensgründung konnte ich hingegen nicht nachweisen.
Neben der Theorie zur Selbstwirksamkeit hat mich in meiner Arbeit an und mit Schulen vor allem auch die Mindset Theorie von Carol Dweck inspiriert, die in der deutschsprachigen Literatur auch unter den Begriffen Selbstbild oder Implizite Fähigkeitstheorie bekannt ist.2 Das Mindset beschreibt eine Art Grundhaltung des Menschen oder zumindest seine Tendenz, Eigenschaften wie Intelligenz oder schulische Fähigkeiten entweder als weitestgehend stabil oder aber als mit Hilfe von Aufwand und Engagement veränderbar anzusehen. Unterschiede in dieser subjektiven Grundhaltung – unabhängig davon, was objektive bzw. wissenschaftliche ‚Wahrheit‘ ist – haben deutliche Einflüsse auf die Motivation und Leistungsergebnisse von Schülern.
In der empirischen Forschung zu Selbstwirksamkeit und Mindset wurden positive Einflussmöglichkeiten auf Schülermotivation und -leistung in diversen Studien nachgewiesen. Das Wissen darum stand jedoch im krassen Gegensatz zu meinen persönlichen Erfahrungen an den Schulen, an denen ich gearbeitet habe und in denen Lehrkräfte in der Regel nicht gezielt an der Selbstwirksamkeit und dem Mindset ihrer Schüler gearbeitet haben. In meiner Dissertation habe ich mich deswegen mit der Frage beschäftigt, wie Lehrkräfte Sozial-Kognitive-Psychologie nutzen können, um Schule und Unterricht so zu gestalten, dass Schüler optimal motiviert sind und ihr volles Leistungspotenzial abrufen.
Die Ergebnisse dieses Prozesses und vor allem ihre Umsetzung durch Lehrkräfte in der Praxis sind in diesem Buch aufbereitet. Damit möchte ich zu einer sinnvollen Anwendung der bisherigen Forschungsergebnisse zu Mindset und Selbstwirksamkeit in der deutschen Schulpraxis beitragen. Forschungsergebnisse legen nahe, dass so die Lerngeschwindigkeit
und der Lernerfolg eines jeden Schülers verbessert und jeder Lehrer zufriedener gemacht werden kann.3 Darüber hinaus scheint es, als würde mit Hilfe von Mindset und Selbstwirksamkeit auch die vielfach in Bildungsstudien angeprangerte starke Abhängigkeit zwischen Bildungserfolg und sozio-ökonomischer Herkunft eines Schülers reduziert werden können. Denn nach ersten Erkenntnissen profitieren sozial benachteiligte Schüler in besonders starkem Ausmaß von Maßnahmen, die auf Sozial-Kognitiver-Psychologie basieren.4
Die Erkenntnisse aus diesem Buch sind daher nicht nur für Lehrkräfte und Schüler, sondern insbesondere auch für angehende Lehrkräfte, Schulleiter, Schulverwaltungen, (Bildungs-) Politiker und Eltern von großer Bedeutung.
Mein persönliches Verständnis von Schule, Unterricht und der Rolle der Lehrkraft basiert auf den Erlebnissen und Erfahrungen aus meiner eigenen Schulzeit sowie aus meiner Arbeit an und mit Schulen. Jede Lehrkraft unabhängig vom unterrichtenden Fach prägt nicht nur das Wissen ihrer Schüler, sondern auch die Schüler als Menschen. Meine Grundannahme ist, dass Lehrer und Schüler stetig auf einer fachlichen und einer nicht-fachlichen Ebene miteinander interagieren.
Abbildung 1: Ebenen der Lehrkraft-Schüler-Interaktion
Auf fachlicher Ebene entscheidet die Lehrkraft mit Hilfe der Fachdidaktik, welche Fachinhalte sie in welcher Reihenfolge ihren Schülern beibringen möchte. Ziel ist es, den Schülern möglichst viel Fachwissen zu vermitteln, so dass diese eine Wissensabfrage – sei es eine Übung oder ein Test – erfolgreich bestehen können und schlussendlich einen Schulabschluss machen. Dieser Prozess der Wissensvermittlung erfolgt in der Regel sehr gezielt und systematisch, denn die Lehrkraft ist sich bewusst, über welches konkrete Wissen die Schüler zu welchem Zeitpunkt verfügen sollten. Lehrpläne, Schulbücher und das bereits bei den Schülern vorhandene Vorwissen unterstützen die Lehrkraft bei diesem Aufbau von Wissen.
Auf nicht-fachlicher Ebene gibt es in der Regel weniger (konkrete) Hilfsmittel5, die Lehrkräfte dabei unterstützen, ihre Schüler positiv zu beeinflussen und eine Richtung vorgeben. Auch die Ziele sind nicht einheitlich und explizit, sondern können sich von Lehrkraft zu Lehrkraft zum Teil stark unterscheiden. Lehrkräfte können beispielsweise auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Erziehung, die Motivation und/oder weitere Aspekte des Schülers abzielen und dabei untereinander sogar teilweise diametrale Absichten verfolgen6. Hinzukommt, dass die Beeinflussung von Schülern auf nicht-fachlicher Ebene (bisher) zu großen Teilen unbewusst und zufällig passiert, ohne dass die Lehrkraft sich entsprechende Ziele gesetzt hätte oder speziell auch dafür ausgebildet worden wäre.
Auf der einen Seite ist eine solche Vielfalt an unterschiedlichen nicht-fachlichen Zielen bei Lehrkräften positiv, denn die Diversität der Lehrerpersönlichkeiten führt dazu, dass Lehrkräfte authentisch sind und verschiedene Schülerpersönlichkeiten in der Schule bei unterschiedlichen Lehrkräften profitieren können.
Auf der anderen Seite darf es nicht sein, dass Lehrkräfte diesen wichtigen Teil ihres Berufes dem Zufall überlassen und sich keine Ziele setzen. Denn in der Schulpraxis lassen sich die Phasen der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung von Schülern für Lehrkräfte nicht klar voneinander trennen. Im Unterricht bestehen immer beide Ebenen: Die Schüler lernen fachliche Inhalte und machen gleichzeitig Erlebens- und Verhaltenserfahrungen, die ihre Persönlichkeit und ihre Handlungsmuster prägen. Die nicht-fachliche Interaktion ist daher mindestens genauso wichtig wie die fachliche Interaktion zwischen Lehrern und Schülern. In naher Zukunft wird die Beeinflussung auf der nicht-fachlichen Ebene wahrscheinlich sogar noch eine deutlich wichtigere Aufgabe für Lehrkräfte sein als die fachliche Wissensvermittlung, weil rein fachliches Wissen zukünftig immer schneller und kostengünstiger (online) verfügbar sein wird.
Die daraus resultierende Frage ist für die Lehrkräfte von heute und für die Lehrkräfte in der Zukunft dieselbe: Wie können wir systematisch und zielgerichtet auf der nicht-fachlichen Ebene auf unsere Schüler wirken, ohne die Vorteile der Diversität unserer Persönlichkeiten aufzugeben? Was ist der kleinste gemeinsame Nenner an Zielen, die alle Lehrkräfte unabhängig von ihren eigenen Persönlichkeiten bei der Arbeit mit Schülern auf der nichtfachlichen Ebene verfolgen sollten?
Die Antwort, zu der ich in der intensiven Auseinandersetzung mit diesen Fragen in den letzten Jahren persönlich gekommen bin, liegt in den beiden bereits angesprochenen
Theorien aus der Sozial-Kognitiven-Psychologie. Denn Sozial-Kognitive-Psychologie wird auf Schulebene, vor allem durch die gewählten Unterrichtsmethoden, die Lehrer-Schüler-Beziehung sowie die Schul- und Klassenkultur umgesetzt und wirkt nachweislich entscheidend auf die Motivation und die Schülerleistung ein. Ziele, der Umgang mit Herausforderungen, die Einstellung zu Fleiß sowie die Ursachenzuschreibungen für Erfolge und Misserfolge von Schülern und von Lehrern können mit Hilfe der Theorien aus der Sozial-Kognitiven-Psychologie beeinflusst werden.
Die Theorien zu Mindset und zu Selbstwirksamkeit sind die für die schulische Arbeit wichtigsten Forschungsbereiche der Sozial-Kognitiven-Psychologie. Auf der Grundlage dieser beiden Theorien und empirischer Untersuchungen zu ihnen lassen sich zwei konkrete Ziele für die nicht-fachliche Förderung von Schülern ableiten:
1. Schüler sollten stets von der Entwicklungsmöglichkeit ihrer Fähigkeiten überzeugt sein.
2. Schüler sollten sich zutrauen, die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten erfolgreich zu meistern und dabei Wirksamkeit empfinden.
In Bezug auf die Fähigkeit, Gedichte interpretieren zu können, bedeutet dies zum Beispiel, dass ein Schüler in seinem tiefen Inneren davon überzeugt ist, dass er lernen kann, (gute) Gedichtinterpretationen zu schreiben (1). Darüber hinaus empfindet er sich in diesem Lernprozess als wirksam, weil er wahrnimmt, dass er sich verbessert und sich seine Fähigkeit entwickelt. Nachdem er erst formale Merkmale wie das Reimschema lediglich erkennen konnte, kann er sie nach und nach auch sinnvoll mit dem Gedichtinhalt verknüpfen. Zudem identifiziert und interpretiert er immer häufiger Metaphern, die die Autoren in ihren Gedichten verwenden (2).
Wenn ein Schüler in seinem Inneren fest daran glaubt, dass er sich verbessern kann (1) und merkt, dass er dabei Fortschritte macht, für die er selbst verantwortlich ist (2), dann entstehen daraus eine sich selbst verstärkende Motivation zu lernen und ein leistungsförderliches Verhaltensmuster.
Diesen Zustand zu erreichen, kann und sollte das Ziel jeder Lehrkraft sein. Mit Hilfe von systematisch ausgewählten Maßnahmen auf der nicht-fachlichen Ebene kann jede Lehrkraft dieses Ziel erreichen. Anregungen und Anleitung dazu möchte dieses Buch liefern.
Derzeit stehen der zielgerichteten und systematischen nicht-fachlichen Förderung von Schülern durch Lehrkräfte drei Hindernisse im Weg, die es zu überkommen gilt.
1. Der Irrglauben, dass Veränderungen von Schulstruktur, Ausstattung und anderen harten Faktoren mehr zu Lernfortschritten von Schülern beigetragen, als „weiche Faktoren“ wie Psychologie, Beziehungsarbeit und individuelle Haltungen.
2. Das Unterschätzen der eigenen positiven, über die Vermittlung von Fachwissen hinausgehenden Einflussmöglichkeiten auf Schüler bei den Lehrkräften.
3. Die unzureichende Qualifizierung im Bereich Psychologie während der universitären und praktischen Lehrerausbildung sowie die eigene, aus unerklärlichen Gründen bei Lehrkräften in Vergessenheit geratene, stetige persönliche und professionelle Weiterentwicklung.
Zu 1)
Obwohl verschiedene Untersuchungen zu dem eindeutigen Ergebnis kommen, dass „weiche Faktoren“ der richtige Hebel sind, um das deutsche Schulsystem zu verbessern und die Leistungen unserer Schüler zu stärken, wird in der bildungspolitischen Diskussion und in Gesprächen unter Lehrkräften über strukturelle Veränderungen diskutiert. So beinhaltet beispielsweise der Großteil der Lösungsvorschläge zur Beseitigung von Bildungsbenachteiligung in Deutschland überwiegend strukturelle Maßnahmen, die auf die Klassen- oder Schulebene abzielen und das Bildungssystem als Ganzes in den Blick nahmen.7
Dabei ist spätestens seit der Hattie-Studie8 klar, dass psychologische Faktoren wie die Leistungserwartungen von Schülern und Lehrern sowie die Lehrer-Schüler-Beziehung deutlich stärker zum Bildungserfolg von Schülern beitragen als strukturelle Faktoren wie die Klassengröße oder die finanzielle Ausstattung der Schule. Auch in dem von der Unternehmensberatung McKinsey durchgeführten Vergleich mit anderen Bildungssystemen in der Welt wird deutlich, dass eher ‚weichere‘ Faktoren wie das Wesen und die Qualität der schulischen Lehr- und Lernprozesse im Mittelpunkt von Veränderungsmaßnahmen stehen müssen, um aus dem guten deutschen Schulsystem ein hervorragendes zu machen.9
Aber warum glauben Lehrkräfte nicht an die Einflussmacht von weichen Faktoren?
Als Antwort auf diese Frage eignen sich dieselben beiden Gründe, die oben schon als Hindernisse für eine systematische und zielgerichtete nicht-fachliche Förderung von Schülern genannt sind. Ich denke, dass Lehrkräfte die psychologische Ebene unterschätzen, auf der sie Einfluss auf ihre Schüler haben können. Dies liegt unter anderem daran, dass nachhaltige nicht-fachliche Veränderungen bei Schülern schwierig auszumachen sind und diverse Einflussfaktoren bemerkte Veränderungen hervorgerufen haben könnten. Es erscheint der Lehrkraft als fast unmöglich, die nicht-fachlichen Entwicklungen bei Schülern mit den eigenen Maßnahmen und Verhaltensweisen in Zusammenhang oder gar in eine kausale Beziehung zu bringen. Hinzu kommt, dass psychologische Erkenntnisse nicht standardisierter Teil der Lehrerausbildung sind. Viele Lehrkräfte können also teilweise gar nicht wissen, welche Effekte sie auf der nicht-fachlichen Ebene auf Schüler erzielen könnten, weil ihnen die Ausbildung und ein Orientierungsrahmen in diesem Bereich fehlen.
Warum spielen weiche Faktoren bei Bildungspolitikern und in der Schulverwaltung so eine kleine Rolle?