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Adhamh ist ein Dämon, der von dem hilflosen Mädchen Raven mitten in einer Mathearbeit beschworen wird, um ihr zu helfen. Doch leider ist Adhamh das Wissen über Integrale völlig fremd, genauso wie die restliche Welt. Schafft es Adhamh, der ohne Erfahrungen auf die Welt (voller Corona) kommt, dem guten Pfad des Sternenlichts zu folgen, auch wenn es Dämonen gibt, die ihn davon abhalten wollen? Die "Rabenrätsel - reines Herz" Neuauflage des alten Titels "Rabenrätsel" mit farbigen Illustrationen und verbessertem Buchinhalt. Möglicher Trigger: das Thema "Selbstmord" wird behandelt. Dieser Trigger hat keine düstere Auswirkung auf das Gesamtwerk.
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Seitenzahl: 313
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vielen Dank an Ronahi dafür, dass du dir stets meine
Ideen angehört, mir Vorschläge gegeben und dir das
Buch vor der Veröffentlichung durchgelesen hast.
Vielen Dank an Annika dafür, dass du mir geholfen
hast, Autorin zu werden.
Die ersten zehn Kapitel dieses Buches sind Teil eines
Zeitvertreib-Wettbewerbs unter Hobbyautoren gewesen,
in dem es darum ging, unter Berücksichtigung einiger
Vorgaben eine Kurzgeschichte zu schreiben. Diese
Kurzgeschichte habe ich nach dem Wettbewerb
weitergeführt. So entstand Rabenrätsel.
ADRESSBUCH DER SELTSAMSTEN
NAMEN BEI DENEN DER LESER
NICHT WEISS, OB ER WEINEN
ODER LACHEN SOLL
Raven
ein satanistisches Mädchen
Falko
Ravens jüngerer Bruder
Ravens Mutter
eine Mutter. Gibt ihren Kindern gerne Vogelnamen
Ravens Vater
ein Vater. Befürwortet Vogelnamen
James
Karl Olaf Frederik Kevinskopf, ein Mathelehrer und Hobby-Polizist
Ernst Haft
ernsthafter Hobby-Dämonenjäger und Inhaber einer Fantasy-Convention
Tessa Verkaufviel
eine Geschäftsfrau, die gerne verkauft
Günther Hühnchen
…
Keanu
Nerd, stolzes Muttersöhnchen
Axel
Nerd Nummer 2, stolzes Muttersöhnchen
Fußlinda
Fuß
Conall
ein Dämon, der vom Himmel gefallen, aber mit Stil gelandet ist
Carden
ein Dämon, der vom Himmel gefallen und auf den Kopf gelandet ist
Shaun
ein Dämon, der vom Himmel gefallen und auf einem Motorrad gelandet ist
Brietta
eine Dämonin, die vom anderen Ende der Welt, der Hölle, gefallen ist und irgendwo dort landete, wo Conall, Carden und Shaun landeten
Adhamh
ein Dämon, der nicht vom Himmel gefallen ist, sondern von sanften Engelsflügeln nach unten getragen wurde
Und:
Der Meister
Leben
Prolog
Kapitel 1: EIN LICHT FÄLLT
Kapitel 2: HILFE, ICH BIN AUF EINER FANTASY-CONVENTION!
Kapitel 3: RABENFEDER
Kapitel 4: ICH HASSE ES, EIN DÄMON ZU SEIN
Kapitel 5: ICH HASSE DÄMONEN UND DIE POLIZEI
Kapitel 6: LEHRER-PROBLEME
Kapitel 7: HANDY UND PIZZA
Kapitel 8: DAS LEBEN
Kapitel 9: STERNENLICHT
Kapitel 10: BUCHKLUB UND HOLZFIGUR
Kapitel 11: RAN AN DIE ARBEIT!
Kapitel 12: KÜHLSCHRANK, COMPUTERSPIELE UND FÜSSE
Kapitel 13: BOTSCHAFT AN DEN MEISTER
Kapitel 14: NOCH EINE NACHRICHT AN DEN MEISTER
Kapitel 15: WARUM ZEITUNG SPASS MACHT
Kapitel 16: ICH HASSE MENSCHEN
Kapitel 17: DAS REINE SEIN
Kapitel 18: NUDELN SCHMECKEN WARM
Kapitel 19: PANIK UND RUHE
Kapitel 20: WENN IHR NACHTS KLATSCHEN WOLLT, DANN BITTE LEISE
Kapitel 21: HERR ADHAMH
Kapitel 22: BARFUßKLASSE
Kapitel 23: TRAUMWOLKEN
Kapitel 24: EIN FREUNDLICHER BESUCH
Kapitel 25: TRAUMSTÖRUNGEN
Kapitel 26.1 EIN DATE MIT RAVEN
Kapitel 26.2 UND DAS ETWAS ANDERE DATE
Kapitel 27: DÄMONEN UND MENSCHEN
Kapitel 28: ALTES NEUES LEBEN
ENDE, CORONA?
Haaach. Wer schon andere Bücher des Sterniversums gelesen hat, weiß schon, was jetzt kommt. Wer jedoch die Unverschämtheit genießt, bisher keins gelesen zu haben, der bekomme nun eine freundliche Kurzfassung in Stichpunkten: Planeten. Götter. Sterne. Kreativ. Göttliche Urheberrechtsverletzungen. Interstellarer Krieg. Christmette das Sternenmädchen. Nun eine Idee bekommen? Gut. Fahren wir fort.
Wir begeben uns hier auf den Planeten der Menschen. Urheber des Menschenplaneten ist natürlich ein Gott, auch bekannt als Leben, Vita und unter allen anderen göttlichen Synonymen. Zuerst gehörte der Menschenplanet dem Leben von nebenan, das nun einen Feenplaneten erzieht. Als der jetzige Feengott seine Menschen aufgab, übertrug er seine Rechte an den Menschen gleich einer Auktion mit dem besten Angebot auf den Gott, auf dessen Planeten wir uns in dieser Geschichte begeben.
Seit er gewonnen in seine interstellaren Sternenhände geklatscht hatte, war er der Meinung, dass die Menschen nun ausschließlich ihm gehörten – wie ein Kunstsammler, der rücksichtslos die Kunstwerke berühmter Künstler als die seine betitelte und präsentierte.
Ein sehr egoistischer Gott, der sofort interstellaren Krieg anfangen, der zum Ende des Sterniversums führen würde, sollte ein fremder Gott jemals Menschen irgendwo anders planetenweit erschaffen.
Jedoch war dem Leben nicht bewusst, dass die Menschen eigentlich frei von Urheberrechten sind … denn sie sind das reine Sein. Das ultimative Lebewesen. Das originale Lebewesen, aus dem alle anderen Kreationen wie Vampire, Werwölfe und sogar Meerjungfrauen entstehen. Aber was diesen Krieg zwischen Recht und Unrecht betrifft … soll in einer anderen Geschichte zu Ende geführt werden. Soll ich euch einen Tipp geben? Achtung, Werbung! Am Ende von Vampirölfe findet diese Streitfrage zu einer gerechten Lösung.
Aber was ist schon gerecht?
Für die einen ist Gerechtigkeit, dass in Sport jeder eine Eins kriegt. Für die anderen ist Ungerechtigkeit, dass in Sport jeder eine Eins, sogar der Schüler ganz hinten, der eigentlich null mitmacht und sich nur schleppend im Fußball fortbewegt, sich nicht einmal richtig bemüht, ein Tor zu schießen und was den Hügel der Sünden noch die gebührende Trophäe gibt – jedes Mal die Sportsachen vergisst – kriegt.
So ähnlich funktionierte das philosophische Gerechtigkeitskonzept auch unter den Göttern und unter allen anderen Lebewesen im Sterniversum.
Aber weiter zur Sache.
Der urheberrechtsverrückte Menschengott liebte wie die meisten anderen Götter seine Lebewesen, seine Kinder, für die er sich sogar opfern würde, wenn er könnte. Er liebte seine Menschen so sehr, dass er Selbstmördern eine zweite Chance gab. Eigentlich ist Selbstmord die schwerste Sünde des Sterniversums, weil man nicht mehr beichten kann, wenn man tot ist. Außerdem zerstört man so den Glauben an das Leben, was das Sterniversum zerstören kann – denn Sterne und Licht sind Leben. Jeder hat Sterne, Licht und Leben in sich, und wenn man sich selbst zerstört, bekommt das Sterniversum Risse. Hat es zu viele Risse, wird das Sterniversum von Dunkelheit heimgesucht und kann nicht mehr weiterleben.
Nun genug der Risse.
Selbstmördern schenkt der Menschengott eine zweite Chance. Er greift für ihre Seelen ins Feuer der Hölle und zerrt diese gewaltvoll wieder heraus. Dann gibt er der Seele, die sich selbst mordete, eine Schelle links und rechts, damit diese endlich begann, das Licht im Leben zu sehen. Diesen Seelen gibt er dann eine neue Identität, einen neuen Namen, eine neue Mission, ein neues Leben. Er nennt wiederbelebte Selbstmörder Dämonen, weil Dämonen laut Fantasylexikon wiederbelebte Seelen mit Superkräften sind.
Ja, er stattet seine Dämonen mit Superkräften aus, damit sie sozusagen einen Freipass auf grenzenlose Cheats, Mods und andere Hackmethoden wie in Videospielen – nur im echten Leben – haben. Mit grenzenlosen Möglichkeiten – sei es Luxus wie den Akku eines Handys ohne Ladekabel aufzuladen – sollen sie den Spaß und die Freude am Leben wiederentdecken, damit die Risse des Sterniversums verschwinden. Klingt logisch, oder?
Klingt Folgendes für euch auch noch logisch?
Der Gott der Menschen dachte sich eine eigene Zeitberechnung für seinen Planeten aus (was sehr beeindruckend ist, wenn man berücksichtig, dass der Gott eigentlich eine Matheschwäche hat. Ja, auch Götter haben heimliche Schwächen (und deshalb können die meisten Menschen kein Mathe, weil der Gott aufgrund seiner Schwäche keinen damit segnen konnte)). Diese Zeitberechnung nannte er Numerologiejahre (von anderen Göttern vorzugsweise Sternenjahre genannt), die irgendwas mit Zahlen und Zirkulationen zu tun haben. Diese Jahre sollen von eins bis neun gehen. Ohne null. Weil eine Null eine Null ist. Menschen glauben an das Magische und denken, dass jedes Numerologiejahr eine besondere Bedeutung für die Welt hat (außer die null) – ähnlich wie das chinesische Neujahr mit neuem Tier und so.
Logisch?
Für die anderen Götter des Sterniversums nicht. Sie konnten nicht verstehen, warum der Gott der Menschen sich von den üblichen Jahreszeiten des Sterniversums wie DeJanFeb, MärPrilMai, JunLiGust und SeptOktoVember distanzierte (Sterniversum-Übersetzer: im Sterniversum sind alle zwölf Monate zusammengemixt. Demzufolge dauert eine Sterniversumjahreszeit circa neunzig Tage. Jemand, der am 90. JunLiGust Geburtstag hat, hätte also am 29. August Geburtstag). Aber alle Götter wollen kreative Wesen sein und so versuchte der Menschengott seine Matheschwäche mit kreativer Zeitberechnung wettzumachen.
Alle Lebensformen der Welt reden sich Sachen ein, die sie eigentlich nicht sind. Sie wollen Lebewesen sein, die ihre Defizite auf kreative Weise verbergen und in Stärken umwandeln.
Das ist das Leben.
Oder eine Form so zu leben.
Das hier ist der Planet, der die Geschichte von Adhamh und Raven und von vielen anderen Wahnhaften erzählt – und das erste Numerologiejahr nach Menschenglauben hatte gerade erst begonnen.
Die Eins steht für den Ursprung des Lebens – für Gott und Neuschöpfung und das reine Herz. Doch wie kann ein selbstzerstörtes Herz rein werden?
Du bist Adhamh«, verteilte ein Schuldirektor in intergalaktischen Höhen neue Identitäten an seine Schüler … oder an seinen einzigen Schüler.
Bis vor eben noch war alles duster gewesen und es gab kein Leben, worüber das Wesen nachdenken konnte. Doch jetzt war plötzlich ein Licht aufgegangen und das Wesen verstand so allmählich was vom Leben. Leben bedeutete da zu sein.
Die Du-Bist-Adhamh-Stimme installierte eine Festplatte mit Worten und Fähigkeiten in den Verstand des Wesens, damit es schnell intelligent und gleich eines Vogels aus dem Nest der Sterne gestoßen werden konnte – hinunter in eine große Welt, die es eigenständig zu bewältigen hatte.
»Du-bist-Adhamh, okay«, identifizierte sich das Wesen und wartete wie ein neugieriger Schüler auf die neuen Anweisungen seines Lehrers.
»Adhamh bedeutet: aus der Erde«, erklärte die Stimme machtvoll.
»Das ist ein schöner Name«, merkte Adhamh der Stimme freundlich an.
»Ich schicke dich jetzt auf diesen Planeten hinunter«, sagte die große Stimme anspruchsvoll.
Das Wesen sah auf die kosmische Welt herab und fand eine perfekt geformte Kugel inmitten einer Sternenstraße, die zu anderen Kugeln führte. Das Wesen hatte keine Ahnung, was die magische Stimme von ihm wollte, aber es entschied sich dazu, seinem Meister mit einem wissenden Nicken zu antworten. Der Rest würde sich einfach von selbst erklären.
Wie beim Sportunterricht. Der Lehrer redet und erklärt die wichtige Bedeutung eines Spiels. Und dann, wenn das Spiel beginnt, steht man ganz unbeholfen da und belästigt seinen nächstbesten Nachbar mit der Frage, ob er das Spiel verstanden hatte. Meistens folgte darauf ein aussichtsloses Kopfschütteln.
»Merke dir Adhamh, dass du ein Dämon bist. Du hast außergewöhnliche Fähigkeiten, gebrauche sie klug. Du hast wichtige Aufgaben zu erfüllen und geh bitte nicht in das Sternenlicht, sonst wirst du zu einem gewöhnlichen Menschen und dann bin ich böse auf dich.«
Das verwirrte das Wesen noch mehr, aber weil es wusste, dass diese Information Schlechtes bedeutete, antwortete es neutral und schlicht: »Oh. Das ist …«, Adhamh wühlte in seinem neuen Vokabular nach einem aussagekräftigen Wort für seinen Meister, um pflichtbewusst zu wirken. »Das ist Dreck.«
»Hast du alles verstanden? Ich will mich nicht wiederholen.«
»Natürlich.«
»Ich kann dir ab da unten nicht mehr so direkt helfen. Also wenn du Fragen hast, dann stelle sie jetzt. Es gibt keine dummen Fragen.«
Das Wesen hatte keine Fragen, weil es wusste, dass die Sache mit Es gibt keine dummen Fragen, eine Lüge war. Wie oft kam der Satz schon von Lehrern und dann, wenn ein Schüler mal fragte, ob Schokoladenmilch von einer braunen Kuh oder einer schwarz-weißen Kuh stammt, konnte er sofort mit einem Biologiebuch zu Hause Überstunden machen.
»Nein. Keine Fragen.«
Und das war der Moment, an dem Adhamh bereut hatte, nicht gefragt zu haben.
Sofort wurde Adhamh in das Bewusstsein eines Mädchens geschleust und sah die Welt aus seinen Augen. Er wusste, dass es ein Mädchen war, weil das nicht sein richtiger Körper war. Adhamh konnte sich nicht wirklich als Mädchen identifizieren, denn er wusste, dass diese anders aussahen. Er fühlte sich wie bestellt und angekommen. Bestellt von einem neuen Meister, den er anhören sollte. Es war ein Zimmer mit vielen Einzeltischen, vielen Stühlen mit Personen drauf, vielen Stühlen mit Personen nicht darauf, einer großen Person ganz vorne, die tödliche Blicke in die Runde warf und eine beunruhigend ruhige Raumatmosphäre. Plötzlich wusste er alles über das Mädchen. Er wusste mehr über den fremden Körper als von sich selbst. Das Mädchen hieß Raven und war achtzehn Jahre alt. Er wusste noch mehr, aber er glaubte, dass diese intensiven Informationen nicht öffentlich gemacht werden durften.
Durch Ravens Augen blickte er auf ein Papier mit Buchstaben und Zahlen drauf. Da er das Alphabet gerade gelernt hatte, konnte er entziffern, was darauf stand:
I-N-T-E-G-R-A-L-R-E-C-H-N-U-N-G.
Adhamh fühlte sich in ihrem Körper wohl, denn er war warm – vor Panik. Und aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass dies seine erste wichtige Aufgabe als sogenannter Dämon war.
»Ich bin normalerweise keine Satanistin, aber bitte, bitte, hilf mir bei der Matheklausur! Mein Abitur hängt davon ab.«
Das war die Stimme von dem Mädchen Raven, die er hören konnte. Sie klang fröhlich und aufgeregt, glaubte er.
Adhamh sah sich das schwierige Papier an. »Wer hat dir gesagt, dass ich Mathe kann?«, fragte der Dämon.
Adhamh spürte, dass das aggressive Blut in ihrem Körper ihre Ohren heiß, wie Lava werden ließ.
»Na ja, du bist doch ein allmächtiges Wesen mit Superkräften! So eine Mathearbeit ist für dich doch ein Kinderspiel. Dafür habe ich dich beschworen.«
Und Adhamh versuchte es. Raven ließ ihre Gliedmaßen erschlaffen, damit er sie steuern konnte. Adhamh griff nach dem Kugelschreiber, ließ ihn fallen, da er es nicht gewohnt war, nach Sachen zu greifen. Adhamh fragte sich, ob er bald einen eigenen Körper bekommen würde. Adhamh bereute es, die magische Stimme vorher nicht gefragt zu haben, wie Mathe geht.
Am liebsten würde Adhamh seine erste große Tat als sogenannten Dämon vergessen. Sicher war das eine dieser wichtigen Aufgaben, die die Stimme vorhin meinte und würde er wie im echten Arbeitsleben Lohn für seine dämonischen Aufgaben erlangen, hätte die magische Stimme ihm bestimmt schon eine Zahl von hinten oder vorne weggenommen.
Dieser Planet war schon ein komischer Fleck. Kaum, dass er seine Arbeit im Körper von Raven getan hatte, wurde seine Seele aus ihrem Körper gerissen. Er manifestierte einfach nach der Matheklausur irgendwo auf dem Schulgelände und spazierte seitdem durch die Straßen, um sein neues Leben auf der Suche nach neuen Aufgaben zu erkunden. Adhamh konnte nicht beurteilen, wohin er gehen konnte und wohin nicht. Er wusste nur, dass er nicht ins von seinem Meister genannte Sternenlicht gehen durfte. Es war hell hier trotz, dass die Wolken am Himmel sich zusammengetan hatten, um eine dunkle Schicht zu bilden. Die Dächer der Geschäfte spendeten noch einmal zusätzlichen Schatten, aber sonst entdeckte er nichts Außergewöhnliches, was seinen Meister wütend machen könnte, wenn er einen Fehltritt machte.
An seinen richtigen Körper musste er sich noch gewöhnen. Er wusste, dass es sein eigener Körper war, weil er diesmal nur sich selbst gehörte. Er musste mit keiner anderen Seele teilen. Adhamh sah aus wie alle anderen Menschen, nur dass er, wie er fand, viel schöner aussah als die meisten, als er sein Spiegelbild zufrieden in einem Schaufenster beobachten konnte, in dem eine Frau gerade die Schaufensterpuppen umdekorierte. Die langen und glatten, kupferbraunen Haare mit goldenen, schimmernden Akzenten, die er hatte, zauberten ihm ein Lächeln ins Gesicht. Und dieses ungewöhnliche dreieckige Muster auf seiner rechten Wange fand er besonders edel. Na ja, wenn ihn noch etwas von den Menschen unterschied war es der Teil, dass seine Ohren besonders auffällig waren, so groß und spitz.
Manche lebenslustigen Kinder auf dem Bürgersteig deuteten auf seine Ohren und sagten Sachen wie: »Schau mal Mama! Eine Elfe!«
Und irgendwie motivierten Adhamh solche Bezeichnungen. Adhamh wusste zwar nicht direkt, was Elfen waren, aber als er in seinem mentalen Wörterbuch-Lexikon blätterte, stieß er auf diesen Begriff und fand heraus, dass Elfen wunderschöne und grazile Wesen waren, die eine schlanke menschenähnliche Gestalt hatten, so wie Adhamh. Von da an fand Adhamh, dass der Begriff ein sehr schönes Kompliment war. Nicht so wie der Begriff Dämon, der in seinem mentalen Wörterbuch-Lexikon eine böse Bedeutung hatte. Adhamh konnte sich nämlich gar nicht vorstellen, dass er ein vom Bösen befallenes Lebewesen, geschweige denn ein böser Geist war. Im Gegenteil. Er hielt sich für eine sehr liebevolle Person, die sein neues Leben mit Neugier auf all seine Aspekte untersuchen wollte. Genauso wie ein gutes Buch, in dem der begeisterte Leser intensiv jedes einzelne Wort verschlang und in sein Herz schloss. Aber um seinem Leben einen gebührenden Anfang zu schenken, brauchte er ein zu Hause, so wie jeder andere normale Mensch. Doch dafür brauchte er Papier. Bunte Scheine, die sich Geld nannten und das bekam er wohl nicht, wenn er ewig am Schaufenster stand. Adhamh machte sich darüber Gedanken. Nachdem er auf einer mentalen Bananenschale ausrutschte, dachte er an Raven. Die einzige Person, über die er alles – wirklich alles wusste, da er doch für eine Zeit lang in ihrem Unterbewusstsein gefangen war. Schließlich wollte Adhamh auch noch wissen, wie die Geschichte mit der Mathearbeit ausging – war seine erste Aufgabe als Dämon erfolgreich oder eher verwerflich? Es würde doch nicht schaden, wenn er sie diesmal persönlich kontaktieren würde, wo er doch wusste, dass sie nur ein paar Straßen weiter wohnte. Schließlich schien es ihr wichtig gewesen zu sein, seine Hilfe zu bekommen. Und Hilfe hatte nie ein Ende. Es gab immer neue Probleme, die gelöst werden mussten. Er konnte Raven und damit seine Chance, durch sie ins Leben eingeführt zu werden, einfach nicht wegwerfen.
Während Adhamh weiterhin so äußerst nachdenklich vor dem Schaufenster stand und die Frau darin immer noch nicht mit der Gestaltung der Schaufensterdeko fertig war, schob sie genervt die Vorhänge zu, da sie sich von Adhamhs abwesendem, aber intensivem Blick belästigt fühlte.
Ja. Probleme sollte man immer beim Ursprung anpacken. Er könnte Raven zum Beispiel mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten helfen, von denen der Meister im Himmel geredet hatte und Raven könnte ihm helfen, in dieser Welt zurechtzukommen.
»Hallo, Sir?«
Nur wie – wie sollte er am besten an Raven ran, ohne, dass sie ihn für einen … Wie sagte sein mentales Wörterbuch-Lexikon? Für einen … aufdringlichen Stalker hielt?
»Äh … Sir?«
Das war es. Das Zeichen für eine neue Aufgabe. Adhamh witterte seine neue Mission in Form einer hilflosen Stimme, die sich an ihn wandte. Der Dämon machte eine Drehung. Da standen tatsächlich zwei junge Burschen vor Adhamh, die seine Erscheinung aus glänzenden Augen musterten. Sie sahen aus wie kleine Zauberer in ihren spitzen Hüten und langen Roben. Vielleicht waren es Gleichgesinnte, die sich genau wie Adhamh nicht in der Welt zurechtfinden konnten! Schließlich fanden Leute mit den gleichen Interessen immer zueinander. Gespannt wartete Adhamh auf ihr Anliegen.
Einer der beiden Jungen räusperte sich ein wenig schüchtern. Doch er bemühte sich darum, die richtigen Worte zu finden. »Äh … also … äh … da ist diese Fantasy-Convention und … wir … wir wissen nicht, wie wir dahin kommen sollen und, weil Sie … aussehen wie ein Elfen-Cosplayer wollten wir fragen, ob Sie uns helfen könnten, zu der Convention zu kommen?«
Adhahm sah die beiden Kinder neugierig an. Sie hatten einleuchtend gesprochen und sofort spürte Adhamh, dass er zur Tat schreiten musste, was auch immer sie meinten. Zuerst war er Adhamh, dann ein Dämon, dann eine Elfe und jetzt ein Elfen-Cosplayer. Adhamh wusste, dass dies ein wahrhaftiger Fortschritt war, denn er konnte sich so allmählich selbst identifizieren. Eine mentale Karte öffnete sich in Adhamhs Kopf und er wusste abermals, wo sich der genannte Zielort befand. Er hielt es für richtig, den beiden verlorenen Seelen dabei zu helfen, wieder auf den richtigen Weg zu gelangen. Schließlich war das eine einfache Sache, die er keineswegs vergeigen konnte – anders als Mathe, welches wohl ein verbotenes Thema zu sein schien, dessen Wissen sein Meister ihn nicht übermitteln konnte – warum auch immer. Adhamh erkannte, dass an jeder Ecke vielleicht Geheimnisse warteten, die wohl unerklärlich bleiben würden.
Und gerade aus dieser einen dunklen Ecke beobachtete ihn ein rotes Augenpaar.
Seidiget ihr bereit, die Waffen der Rechenschaften an euche zu nehmigen?«
Die Menge tönte, die Menge jubelte und Adhamh war mittendrin in diesem lauten Getümmel voll bunter Kreaturen. Die Jungs an seiner Seite hatte er erfolgreich noch vor dem Start der sogenannten Fantasy-Convention hingeführt und ab da dankten sie und trennten sich von ihm, als sie durch die Schleusen der Ticketscanner gegangen waren.
Gerade als Adhamh seine Arbeit für getan hielt und sich weiterhin mit Raven beschäftigen wollte, sprach ihn eine Ticketverkäuferin an.
»Warum stehen Sie denn so herum? Cosplayer kriegen freien Eintritt. So, wie es in der Werbung steht … kleinen Moment.« Die Ticketverkäuferin kramte nach einer Schlaufe mit einer Art kleinem Pass daran und reichte sie dem verwunderten Adhamh. »Das ist der Freipass für Cosplayer. Halten Sie ihn beim Betreten und Verlassen der Messe bereit«, erklärte sie freundlich und lächelte Adhamh an, während sie sein Äußeres von oben bis unten auf das kleinste Detail musterte. Es fehlte ihr noch eine Lupe zur Hand, um auch noch wirklich das kleinste Detail an ihm sehen zu können.
Adhamh sah zur Frau, dann auf den Pass in seinen Händen. Das war sein Jackpot, um diese Welt von einer noch größeren Seite zu erfahren. Schließlich sah die Convention von außen so groß aus wie das Universum, das er zu seiner Geburtsstunde sah.
»Ziehet das Schwerte des Schicksales, um es zu führigen! Ziehet eure Schtäbe, um die pösen Mächte zu beschiegigen! In fünfen Minutigen brechiget ihr auf ihr Helden, die Tore der Fergeltigung!«
Adhamh folgte der lauten und vielversprechenden Durchsage-Stimme, doch er konnte nicht sehen, von wem sie kam. Vermutlich war das der Eintritt in eine neue Welt, denn es war eine Stimme, so ähnlich wie die seines Meisters. Der Meister, schlussfolgerte Adhamh. Und die Gruppe, in die er geriet, war bestimmt voller Dämonen, die das Wort des Meisters begehrten. Ein Zeichen der Hoffnung blühte Adhamh. Manche von den Dämonen warteten auf Klappstühlen, bis sie das Wort des Meisters erneut erreichte. Manche stellten sich auf Zehenspitzen, um nach ihm Ausschau zu halten. Manche standen da und unterhielten sich von Dämon zu Dämon.
Als Adhamhs forschender Blick von einer mentalen Glühbirne verdrängt wurde, erkannte er plötzlich, was diese Fantasy-Convention für ein Ort war. Es musste eine Versammlung sein. Eine Versammlung für Dämonen, um mit dem Meister zu kommunizieren. Wahrscheinlich hatte der Meister einen besonderen Weg gefunden, Nachrichten an seine Dämonen weiterzugeben. Adhamh hätte niemals gedacht, dass er so viele Artgenossen an einem Fleck treffen würde, schließlich war er damals allein in diesem einen magischen Universum gewesen. Je mehr er darüber nachdachte, befürchtete er umso mehr, eine totale Spätgeburt zu sein. Die anderen wussten sicher besser von der Welt Bescheid als er. Adhamh wusste, dass das seine zweite Chance war. Seine zweite Chance, eine Antwort auf die Fragen zu finden, die er noch hatte. Er musste unbedingt mit seinem Meister wegen der verbotenen Mathekunst sprechen.
Aus seinen Gedanken riss ihn schließlich ein Piepen, das musikalisch das Ende der Welt zählte.
Die Dämonen zählten mit dem Countdown: »FÜNF! VIER! DREI! ZWEI! EINS!«
PIIIIEEEEEP!
»AUF MIT EUCH MEINE HELDEN DES LISCHTS UND BESCHIEGET DIE DÄMONEN DER FINSCHTERNISCH AUF EURER REISE!«, explodierte die Stimme des Meisters und brachte das Feuer in die Halle. Adhamh neigte jedoch verstört den Kopf. Er erinnerte sich nicht daran, dass sein Meister einen verwirrenden Akzent wie diesen benutzte. Das musste ein Zeichen sein. Eine Geheimsprache, explizit für alle Dämonen.
Die Menge jubelte und begann endlich, sich zu bewegen. Adhamh folgte der Masse, wie es alle braven Dämonen taten. Und als er sein Ticket bereithielt und endlich den Eingang in das Dämonenschloss gefunden hatte, merkte er plötzlich, wie stickig und heiß es an diesem Ort war. Adhamh drehte sich auf der Stelle und trat mit einem Fuß vor den anderen. Die vielen Dämonen und die vielen Räume an diesem Ort spielten mit seinem Orientierungssinn. Er drückte den Knopf seiner mentalen Karte und abermals ploppte sie auf – er wusste, wo sich das Geheimbüro seines Meisters befand. Sein dämonischer Navigator führte ihn in eine große, beleuchtete Halle mit lauter Musik und Dämonen. Abwesend schob Adahmh seinen Körper durch die Menge. Er folgte nur seinem mentalen Pfeil, der ihn zu seinem Meister schickte. Er trat immer weiter vor und wäre auch noch weiter gegangen, wenn ihn die folgende Stimme nicht aufgehalten hätte:
»Entschuldigung. Können wir ein Foto von dir machen?«
Adhamh drehte sich um. Ein wenig verärgert davon, dass man ihn von seinem Vorhaben abgehalten hatte. Aber er willigte ein. Für das Foto musste sich Adhamh zwischen zwei Mädchen stellen, die beide spitze Ohren besaßen. Jedoch sahen sie eher aus wie einfaches Plastik statt Haut. Adhamh wusste, dass es Ohrenärzte gab. Vielleicht taten sie genau das und tauschten die echten Gummiohren gegen eine Second-Hand-B-Ware aus Plastik aus, wenn etwas nicht stimmte. Äh.
Die Mädchen legten jeweils einen Arm um seine Schulter. Fast so wie bei einer Umarmung, während ein drittes Mädchen sein Handy hielt und mit einem Lichtblitz das Foto betätigte.
»Danke!«, verabschiedeten sich die Mädchen, doch jetzt war Adhamh an der Reihe etwas zu fragen:
»Seid ihr auch Dämonen des Meisters?«
Die Mädchen klimperten mit ihren langen Wimpern, um die Frage zu verstehen. Dann lachten sie und gingen.
Waren alle Dämonen so unfreundlich? Adhamh hielt seine Frage als Neuling dieser Welt für äußerst berechtigt.
Jedenfalls – es dauerte eine Weile, bis er sich auf erschöpften Füßen nur noch wenige Meter zum Zielort schleppte. Er ging nach rechts. Dort gab es Schilder. Und noch mehr Schilder und Männer in blauer Kleidung und Schirmmütze. Als Adhamh näherkam, platzierten sie sich vor ihm.
»Können wir Ihnen helfen?«, fragten die netten Männer in Blau.
»Ich muss mit meinem Meister reden«, sagte Adhamh prompt und drückte sich durch die Männer, doch diese hielten ihn mit ihren kräftigen Schultern, die breiter waren als die Hölle erlaubte, zurück.
»Mit einem Zauberer? Nee, so einer ist hier nicht drin«, höhnte einer der Männer, der sich mit wildgewordenen Fantasy-Fans auskannte.
»Hören Sie, ich muss jetzt mit meinem Meister sprechen! Ich muss ihn fragen, wie Mathe geht!«
Eine unsichtbare Druckwelle pustete die Männer weg und der Weg wurde frei.
Der Dämon ging einen Gang entlang und öffnete eine Tür mit Warnschild darauf:
N-U-R F-Ü-R P-E-R-S-O-N-A-L.
Als Dämon zählte Adhamh zum Personal seines Meisters.
Er drückte die Tür auf und landete in einem engen Raum voller Monitore. In diesem Raum gab es viele technische Geräte und einen Mann mit schwarzer Brille und Kaffee, der sich in seinem Drehstuhl Adhamh zudrehte. Der Name des Mannes lautete Ernst Haft.
»Hinfort mit dir, Höllenprut!«, rief Ernst Haft in seinem ernsten Akzent und drohte damit, die braune Flüssigkeit in seinem Becher über Adhamh zu vergießen.
»Meister, seid Ihr das? Ich habe Eure Stimme gehört!«, freute sich Adhamh hoffnungsvoll und trat einige begeisterte Schritte näher.
»Wasch?! Meischter?!« Ernst Haft lehnte sich in seinem Stuhl ernsthaft schützend zurück.
»Ja!«, verharrte Adhamh in Ekstase. »Ich habe vorhin vergessen zu fragen, wie Mathe geht!«
»Einsch plusch einsch?«, fragte Ernst Haft verwirrt.
Plötzlich bekam Adhamh einen kräftigen Knüppelschlag von hinten auf den symbolischen Deckel und verlor seinen mächtigen Cosplayer-Pass. Der Schmerz drückte ihn auf den Teppich, der ziemlich kratzig auf der Haut lag. Doch Adhamhs Bewusstsein scherte sich nicht lange darum, denn er verfiel in seine dämonischen Träume und fand sich in einem mentalen, stellaren Universum wieder.
Er hörte die Stimme des echten Meisters.
ADHAMH! WAS GLAUBST DU, WAS DU DA TUST? ES GIBT KEINE MEISTER AUSSER MIR UND DU KANNST NUR MIT MIR IN VERBINDUNG KOMMEN, WÄHREND DU TRÄUMST. MERK DIR DAS! UND DAS MATHEWISSEN KANN ICH DIR NICHT ÜBERTRAGEN, WEIL DEM GEDANKLICHEN TASCHENRECHNER DIE BATTERIEN AUSGELAUFEN SIND UND ICH ERST NEUE BESORGEN MUSS! ALSO ERWARTE NICHT, DASS ICH DIR DAS WISSEN DER INTEGRALE VON NULL BIS UNENDLICH ÜBERMITTELN KANN!
Während ihn die Stimme des Meisters sprichwörtlich aus den Socken (die er im Traum nicht mitnehmen konnte) riss, wunderte sich Adhamh. Sein Meister hatte noch nie in so einem lauten Ton mit ihm gesprochen. Adhamh wusste, dass Schwerhörige laute Töne von sich gaben. War der Meister etwa schwerhörig? Der Arme. Nichtsdestotrotz hielt sich Adhamh an einer Traumsäule fest – falls er doch aus Versehen wegfliegen sollte.
ICH ERWARTE VON DIR, DASS DU DICH NICHT NOCH MAL SO DIREKT IN DIE NÄHE DER MENSCHEN BEGIBST! DU WIRST DOCH WOHL EINEN DÄMON ERKENNEN, WENN ER VOR DIR STEHT? SPIELE NICHT MIT DEINER EXISTENZ ALS DÄMON, SO WIE DIE LETZTEN VOR DIR! (denn die Dämonen davor waren alle eigenartig. Der Dämon davor hatte sich zu oft in diesem menschlichen Klub aufgehalten. Er bekam die Mädels, die Jungs, die Drinks, das Geld, die Tanzfläche, Karaoke – alles kostenlos. Der Meister war neidisch auf sein lebendiges Leben gewesen. Ein anderer Dämon las gerne die Bibel – und das hatte den Meister provoziert. Der Dämon darauf mochte die menschliche Schule von ganzem Herzen und wechselte jedes Mal seine Identität, wenn er ausgelernt hatte, um dieselbe Laufbahn noch einmal zu wiederholen. Das tat er mehrmals und er war ein riesiges Ass (Englischübersetzer: Arsch) in Mathematik. Sein besserwisserisches Wesen hatte den Meister gereizt). ICH TELEPORTIERE DEINEN KÖRPER JETZT ZURÜCK AN EINEN ORT, WO ICH DICH HABEN WILL! Währenddessen kannst du ja diesen schönen Film schauen, den ich dir jetzt im Traum zeigen werde, fügte der Meister in einem freundlicheren Tonfall hinzu. Der plötzliche Wechsel im Tonfall vermittelte folgende Botschaft: Ich hasse dich und deshalb werde ich dich jetzt mit diesem Traum quälen, solange ich noch die Gelegenheit dazu habe!
Gerade als Ernst Haft seinen heißen Kaffee über den bewusstlosen Adhamh kippen wollte, um ihn wachzugießen, passierte etwas, das Ernst Haft nie für möglich gehalten hätte. Die Lava seines Kaffees schoss wie der Ausguss eines Vulkans auf den teuren Teppich zu, den er von den Wucherpreisen seiner Tickets über seine eigenen Kunden ergattern konnte, denn plötzlich war der Körper von Adhamh verschwunden, als wäre er nie da gewesen. Zurück blieb einzig und allein der herrenlose Cosplayer-Ehrenpass. »Wasch?«, wunderte sich Ernst Haft und funkelte seine treuen Leibwächter besessen an. »Mehr Kaffee her, ihr Idioten!«, forderte er sie auf, als er merkte, dass sein Gehirn von der abenteuerlichen Dämonenjagd gestern Abend immer noch verrücktspielte. In der ganzen Aufregung hatte er seinen völlig verwirrenden Dialekt vergessen.
Dort vorne am See lag ein Haufen, der wie ein Mensch (oder Dämon) aussah. Ein zerbrechlicher Körper, auf den sich die Schmetterlinge niederließen und alles andere ignorierten. Nein … kein einfacher Körper. Es war sein Körper, der da lag. Aber wenn Adhamh hier war und gleichzeitig dort, wer war er dann wirklich?
Und es zerrte ihn aus dem Traum. Eine unsichtbare Götterhand, die ihn am Rücken packte und aus dem Loch dieser Traumwelt zog.
Weißt du, warum ich dir das gezeigt habe?
Adhamh hörte wieder die Stimme seines Meisters. Diesmal klang sie irgendwie gefürchtet. Als ob sich die Stimme vor der Wahrheit graute.
Fangen wir bei den Schmetterlingen an. Ich verrate dir nicht den ganzen Trick. Ich will, dass du selbst dahinterkommst. Schließlich ist das deine wahre Aufgabe. Der Meister legte eine Pause ein. Oder … nein. Machen wir es leichter. Wenn du die Symbolik von Schmetterlingen erkennst, dann werde ich dir vielleicht weiterhelfen. Mal sehen, wie du dich jetzt schlägst … dennoch sei es dir eine Warnung und provoziere meine Geduld nicht noch einmal!
Adhamh schlug die Augen auf. Seine erwachten Augen fixierten eine Zimmerdecke und während er auf dem kalten Boden lag, blendete sich die Stimme seines Meisters langsam aus, aber sie war kraftvoll genug, um ihm noch eine letzte Botschaft zu übermitteln, bevor sie für die nächste Zeit verklang:
Du findest einen Personalausweis auf dem Tisch. In denselben jungen Mann sollst du dich verwandeln, um dein wahres Äußeres zu verbergen. Keine Sorge, der Typ auf dem Personalausweis lebt nicht mehr. Er hat sich gestern selbst mit einem Brandbeschleuniger angezündet – zufälligerweise an demselben Ort, wo du gestern warst. Und weil die Polizei seine verbrannten Überreste nicht mehr identifizieren konnte, wird sich niemand darüber wundern, wenn du in seinem Körper noch wohlbehalten auf der Straße herumrennen wirst. Falls du dich wegen der Wohnung wunderst, sie gehörte einst ihm und jetzt ist es deine. Also mach was aus deinem Leben, solange du es noch hast!
»Was? Aber das kann ich doch nicht machen!«, wollte Adhamh protestieren und stand vom Boden auf. Er hielt es für ein absolutes Tabu, den Körper und damit das Leben eines Fremden zu seinem Eigentum zu machen.
Aber der Meister war bereits weg und Adhamh auf sich allein gestellt. Die neue Umwelt verdrängte seine Sorgen an den Traum, den er sah.
Nach einer kleinen Schweigeminute flutete ihn trotzdem die Neugier und er streifte über einen Teppich, der lange nicht mehr gestaubsaugt wurde. Adhamh fand das kleine Plastikkärtchen auf der Tischkante. Ihm lächelten glückliche schiefe Zähne entgegen, die dem Zahnarzt damals gesagt haben: »Ha! Meine schiefen Zähne benötigen keine Zahnspange. Ich mag sie so wie sie sind und sie stören überhaupt nicht.« Sie passten zu ihm. Er trug einen roten Männerbob und Adhamh glaubte braune Augen zu erkennen. Sein Geburtsdatum zeigte 06.06.06 an und Adhamh zog eine Schnute (06.06.06: die Zahl vorne, die "06", bedeutet den Tag der Geburt. Die Zahl in der Mitte, die "06", bedeutet den Geburtsmonat und die Zahl "06" ganz hinten am Glied bedeutet das Numerologiejahr, in das man hineingeboren wurde. Lebewesen, die im sechsten Numerologiejahr geboren werden, sind von Natur aus kritische und neugierige Wesen, die sich nach der Liebe sehnen). Er mochte die Anordnung der Zahlen nicht. Aus irgendeinem Grund hatte er eine Abneigung gegenüber der Zahl Sechs und ihm kitzelte das Verlangen danach mit dem Personalausweis im Bürgerbüro aufzukreuzen, um das Geburtsdatum auf eine schöne Anordnung der Zahlen zu ändern. Etwa wie: 09.09.09. Das war mehr nach Adhamhs Geschmack. Doch abgesehen von dem Geburtsdatum war sich Adhamh auch sofort des Namens bewusst: Lucifer Devilman. Der Name machte es nicht besser. Zuerst war er Adhamh, dann ein Dämon, dann eine Elfe, dann ein Elfen-Cosplayer und jetzt Lucifer Devilman. Die Namen wurden immer verrückter und Adhamh graute es allmählich davor, was wohl als Nächstes kommen würde.
»Aufmachen, aufmachen!«, eine harte Stimme ertönte plötzlich an der Tür hinten im Gang und es hörte sich wortwörtlich so an, als hätte die Tür der Stimme etwas Schlimmes angetan, so aggressiv wie sie klopfte.
Unter Schluckbeschwerden und einer beschleunigten Herzfrequenz verwandelte er sich in Lucifer Devilman. Adhamh wusste nicht, wie er den Trick so urplötzlich geschafft hatte, doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass er irgendwo in sich schon immer das Talent dazu gehabt hatte, diesen Trick auszuführen. Adhamh nahm den Ausweis vom Tisch, da er ihn für ein wichtiges magisches Artefakt hielt und öffnete damit die Tür.
Ein Mann mit Backen wie ein Bulldogge hatte sich im Türrahmen breitgemacht. Er sah aus wie einem Polizisten aus dem Gesicht geschnitten. »Ausweis«, forderte er kleinlaut auf – ein wenig peinlich berührt von seinem lauten Getrampel eben.
»Was ist denn passiert, Herr Officer?«, fragte Adhamh in Lucifer Devilmans matter Stimme, um seiner neuen Rolle als Lucifer Devilman gerecht zu werden.
Nach einem kleinen Tausch seines Ausweises fuhr der Polizist fort: »Ohne Zweifel sind Sie das. Nun, Herr Devilman. Gestern um ungefähr fünfzehnuhrfünfzehn, hat man Sie vor einem Schaufenster an ähm … dieser einen Straßenecke gesehen. Und das war kurz bevor sich eine Person angezündet hatte. Wissen Sie etwas von dem Vorfall und wie die Person vielleicht ausgesehen hat? Sie als möglicher Augenzeuge haben dazu auszusagen.«
»Oh, ja, ja! Es hat geleuchtet und geknistert!«, begann Adhamh zu fantasieren.
»Geleuchtet und geknistert? Details, bitte. Reden Sie langsam, ich brauche alle Einzelheiten.« Der aufmerksame Polizist hielt Stift und Notizblock bereit.
»Äh und dann«, grub er tiefer in der Schatzkiste seiner Fantasien. »Dann gab es einen Knall. Mit vielen bunten Farben und es hat gestunken … nach Fisch!«
»Nach Fisch?«
»Ja!«, versicherte der Augenzeuge Lucifer Devilman. »Hat bestimmt Fisch zum Mittagessen gefrühstückt!«
Der Mann notierte den Fakt in seinen Unterlagen. »Interessant. Erinnern Sie sich noch, wie er ausgesehen hat?«
»Wie ein Toast, das ein langes Lichtbad im Toaster nahm!«, sprudelte er los, als er seine mentale Schatzkiste endlich ausgegraben hatte.
Der Mann schrieb den Satz eifrig zu Ende, krümmte die Augenbrauen und sah dann von seinen Notizen zu Herrn Devilman auf. »Ist das alles, woran Sie sich erinnern?«
»Äh.« Adhamh wollte weitergraben, doch der Schatz hatte sich bereits ausgegraben.
»Gut. Dann werden Sie bald einen Brief vom Staat bekommen, um als Zeuge vor dem höheren Gesetz auszusagen. Sie scheinen mehr zu wissen als die anderen, die wir befragt haben. Vielen Dank.«
Der Polizist lächelte freundlich und Lucifer Devilman lächelte ebenso freundlich zurück.
Adhamh schloss die Tür, als der Polizist den Treppenabsatz herunter marschierte und sich zu seinem Kollegen gesellte, der am Treppenabsatz auf ihn wartete.
»Und?«, fragte der eine Polizist neugierig.
»Es ist kompliziert«, gab der andere nur als Antwort und beide verließen das Treppenhaus.
Adhamh nahm sich vor, in seiner neuen Gestalt den gestrigen Ort zu besuchen. Es regnete, aber Adhamh brauchte keinen Regenschirm oder solchen Schnickschnack, den die Menschen benutzten. Seiner Auffassung reichten Haare völlig aus, um die Nässe zu absorbieren. Schließlich war das eine gesunde Schicht Wasser und ein menschlicher Körper bestand nun mal zum größten Teil aus Wasser. Adhamh lernte, immer an das Einfache im Leben zu denken. Wozu auch sonst sollte man sich vor Regen schützen, wenn man unter einer Dusche genauso nass werden konnte – und trotzdem gehen die Menschen nicht mit einem Regenschirm duschen. Wenn Adhamh eine Sache der Menschen nicht verstand, war es die, dass sie sich vor den natürlichen Umweltereignissen zu schützen suchten.
Als Adhamh schließlich am Zielort angelangte, dann sah er dort ein weißes Zelt. Eine Absperrung mitten auf dem Gehweg. Das Zelt sollte seine Asche beschützen. Äh.
Die Asche des ehemaligen Lucifer Devilman, verstand sich.
Adhamh sah sich um. Er hatte noch nie einen solchen interessanten Unfall gesehen. Sogar das dunkle Wetter passte und machte der Dramatik alle Ehre. Doch irgendwie wurde ihm das Gefühl nicht los, von einem Paar von Augen erstochen zu werden (in dem Moment verschwand das leuchtende rote Augenpaar aus dieser einen selben dunklen Ecke, da es Adhamhs Unbehagen wahrnahm).
Während Passanten wie Weltsportler versuchten dem Regen auszuweichen und einen meisterhaften Weitsprung unter die Dächer zu landen, hatte nur der Dämon in aller Gelassenheit den Verstand, die schnörkeligen Schlangenmuster der Pflastersteine zu analysieren. Mit scharfem Auge erkannte er eine