Rachedurst - Michael Giezek - E-Book

Rachedurst E-Book

Michael Giezek

0,0

Beschreibung

Eine neue Mordserie erschüttert Ostwestfalen-Lippe. Vor allem die Vorgehensweise des Täters beunruhigt die Ermittler der Kripo Bielefeld um KHK Weber. Alles deutet darauf hin, dass die Opfer regelrecht hingerichtet wurden. Doch welches Motiv steckt hinter den Taten? Und wie viele Personen stehen auf der Liste des Killers? Zudem bittet ein alter Freund Weber um Hilfe bei der Suche nach seiner Tochter. Und auch die Ereignisse in Wien holen den Kommissar wieder ein.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 365

Veröffentlichungsjahr: 2021

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 1

März 2016

Sie lag auf dem Rücken und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen.

Endlich durfte sie alleine an den Strand.

Ihre Eltern und ihr Bruder wollten ein altes Fort besichtigen, doch sie hatte keine Lust gehabt.

Die letzten fünf Jahre hatten sie ihren Sommerurlaub hier verbracht und jedes Mal waren sie zu dem dämlichen Fort gefahren, weil ihr Bruder unbedingt dahin wollte.

Die ersten Jahre hatte sie es dort spannend gefunden, vor allem die unterirdischen Gänge waren toll gewesen, weil man immer neue Wege und Abzweigungen entdeckte.

Aber im Laufe der Zeit hatten sie sämtliche Labyrinthe erforscht und im Fort hatte es nichts mehr zu entdecken gegeben.

Wäre dort zumindest jedes Jahr eine andere Ausstellung gewesen, hätte sie es verstehen können, immer wieder hinzufahren.

Aber nicht einmal das gab es.

Schon im letzten Urlaub hatte sie nicht mehr mitfahren wollen, doch ihre Eltern waren hart geblieben und alles bitten, im Ferienhaus bleiben zu dürfen, hatte nichts gebracht.

Sie hatten die Meinung vertreten, dass sie mit 15 Jahren zu jung dafür gewesen war.

Diesmal hatte sie ihren Eltern im Vorfeld des Urlaubs deutlich gemacht, dass sie den Ausflug auf keinen Fall mitmachen würde.

Ihr Bruder, zehn Jahre alt, hatte früh verkündet, dass sie dieses Mal wieder zum Fort fahren müssten, um zu sehen, ob es was Neues gab.

„Das glaubst du doch selbst nicht“, hatte sie geschnaubt.

Mittlerweile war sie 16 und ihre Eltern hatten ihr erlaubt, im Ferienhaus zu bleiben.

Es hatte sie dann ihre ganze Überredungskunst gekostet, sie davon zu überzeugen, dass sie ohne Begleitung an den Strand durfte.

„Zu Hause darf ich auch bis 19 Uhr wegbleiben“, hatte sie argumentiert.

„Aber da liegst du auch nicht nur im Bikini am Strand“, hatte ihre Mutter dagegengehalten.

Schließlich war es ihr gelungen, vor allem Mama zu überzeugen, indem sie ihr versprochen hatte, sich auf keinen Fall von einem Jungen oder Mann ansprechen zu lassen.

„Anquatschen kann ich nicht vermeiden“, hatte sie gesagt.

„Ich kann ja schlecht ein Schild aufstellen: Bitte nicht anquasseln, Lebensgefahr!‘“

Da hatte sogar ihr Vater lachen müssen.

Sie hatte ihrer Mutter versprochen, jeden Kontaktversuch einer männlichen Person abzuschmettern und erst recht mit keinem mitzugehen.

Jetzt lag sie auf ihrem Badetuch am Strand.

Sie hatte Glück, da die Sonne schien und es warm war, was in Holland nicht so oft vorkam.

Hatte das mit dem Klimawandel zu tun?, fragte sie sich.

Wenn ja, dann her damit.

Sie würde nach einem kurzen Schläfchen ins Wasser gehen, um sich abzukühlen.

Sie träumte von einem Jungen aus ihrer Schulklasse, den sie supersüß fand, als jemand sie schüttelte.

Oh nein, dachte sie.

Mein Bruder.

Sie sind schon wieder zurück.

Sonst bleiben sie immer den ganzen Tag beim Fort, warum nicht auch heute?

„Steh auf“, drang eine männliche Stimme zu ihr vor.

„Ach Papa, lass mich doch noch etwas schlafen.“

„Beweg dich endlich, oder ich verpasse dir eine.“

Ihr Vater drohte ihr Schläge an?

Das hatte er noch nie getan!

„Los du kleine Schlampe.“

Das war nicht ihr Papa.

Langsam wurde sie wach und nahm ihre Umgebung wahr.

Kein Strand, keine Sonne, kein Urlaub.

„Na endlich. Zeit, an die Arbeit zu gehen.

Du wirst schon erwartet“, verkündete der Mann mit einem Grinsen im Gesicht.

Kein Papa.

Schlagartig wurde ihr wieder bewusst, wo sie war.

Und alles Elend, das sie in den letzten Wochen erlebt hatte, brach wie eine Welle über ihr zusammen.

Sie lag auf dem alten, quietschenden Bett und hatte die Augen geschlossen. Sie versuchte wieder, an ihren letzten Urlaub zu denken, um das, was mit ihr geschah, auszublenden und ertragen zu können. Das Gestöhne, die Bewegungen, den Geruch, die Schmerzen. So, wie sie es immer in den letzten Monaten getan hatte, wenn der Besuch da war.

Meistens gelang ihr das und oft war es schnell vorbei.

Doch danach fühlte sie sich erniedrigt und gedemütigt und nicht selten blieben die Schmerzen über mehrere Stunden oder Tage.

Man hatte ihr gesagt, dass es mit der Zeit einfacher würde. Aber das war nicht der Fall, im Gegenteil. Es wurde mit jedem Mal schlimmer und sie fragte sich, wie lange sie das noch mitmachen musste.

Natürlich hatte sie in den Nachrichten von solchen Fällen gehört, von Mädchen in ihrem Alter. Aber nie im Leben hatte sie damit gerechnet, dass sie einmal in eine ähnliche Situation geraten könnte. Sie stammte doch aus einer guten Familie, ihre Eltern und ihre Schwester waren ok, obwohl die Kleine oft nervte. Sie ging zum Gymnasium, hatte prima Noten und ein angenehmes Leben vor sich. Sie war keins von diesen Kindern aus erbärmlichen Verhältnissen, deren Eltern Umgang mit dem Abschaum der Gesellschaft hatten, oder die ihren Nachwuchs an diese Leute verkauften.

Ein letztes Stöhnen und der Typ lag ruhig auf ihr.

Nach einigen Augenblicken wälzte er sich von ihr herunter. Er stand auf und zog sich an. Bevor er das Zimmer verließ, sagte er zu ihr: „Beim nächsten Mal erwarte ich etwas mehr Initiative von dir, oder ich beschwere mich über dich.“

Sie drehte sich auf die Seite und nun ließen sich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Kurz darauf öffnete sich ihre Zimmertür erneut.

„Geh duschen und dann komm runter. Essen ist fertig“, sagte der Mann.

Wie hatte es nur so weit kommen können? Sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Ihr war klar, dass sie sich beeilen musste, wollte sie nicht den Zorn des Mannes auf sich ziehen. Sie ging ins Badezimmer und machte die Dusche an. Dann zog sie sich aus, stieg hinein und versuchte sich den Dreck abzuwaschen, den der Typ auf ihr hinterlassen hatte. Sie wusste, dass es nichts bringen würde, da sie das Gefühl, beschmutzt worden zu sein, nicht mit Duschgel abwaschen konnte und dieses für immer an ihr haften würde.

Kapitel 2

Montag, 16.05.2016; 9:00 Uhr

„Bitte nennen sie ihren Namen, ihr Alter und ihren Beruf“, verlangte der vorsitzende Richter Günter Gering.

„Mein Name ist Marc-Andre Weber, ich bin 38 Jahre alt und arbeite als Kriminalhauptkommissar bei der Polizei in Bielefeld.“

„Herr Weber“, fuhr der Richter fort, „Da sie bei der Polizei arbeiten, muss ich sie nicht ausführlich als Zeuge belehren. Sie wissen selber, was ihre Rechte und Pflichten als Zeuge sind.“

Weber nickte.

„Ich sehe das etwas anders“, meldete sich Dr. Oliver Zellner, der Verteidiger von Renner, zu Wort.

„Aufgrund der Wichtigkeit der Aussage des Zeugen und der Schwere des Tatvorwurfs, bestehe ich darauf, dass der Zeuge Weber ausführlich belehrt wird.“

Zellner sah zuerst den Kommissar und dann den Richter an.

„Zumal ich mir nicht sicher bin, ob der Zeuge den genauen Wortlaut der Belehrung kennt und bei seinen eigenen Vernehmungen wiedergibt.“

„Herr Dr. Zellner“, setzte der Richter entgegen.

„Ich denke, dass Herr Weber genau weiß, wie die Rechte und Pflichten eines Zeugen im Einzelnen aussehen.“

„Ich bestehe trotzdem auf einer ausführlichen Belehrung“, insistierte Zellner.

„Also gut“, lenkte Richter Gering ein.

„Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen Marc-Andre Weber der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten eröffnet worden. Ich muss Sie darüber aufklären, dass Sie keine Angaben zur Sache machen müssen, wenn Sie mit dem Betroffenen verwandt oder verschwägert sind. Weiterhin können Sie die Antwort auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung Sie selbst oder einen nahen Angehörigen in die Gefahr bringen würden, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Wenn Sie Angaben zur Sache machen können, sind sie angehalten, die Wahrheit zu sagen, andernfalls könnten Sie sich gegebenenfalls strafbar machen. Haben sie die Belehrung verstanden, Herr Weber?“

Dabei sah er Zellner an.

„Ja, das habe ich.“

„Können sie Angaben zur Sache machen?“

„Ja.“

„Sehr schön“, atmete Gering auf.

„Können wir dann fortfahren?“ fragte er, an Zellner gewandt.

Dieser nickte nur knapp.

„Herr Weber, sie sind heute hier als Zeuge vorgeladen, da sie an den Ermittlungen gegen Herrn Renner beteiligt waren.“

„Das stimmt“, sagte Weber.

„Dann erzählen sie uns doch zuerst bitte, welche Ermittlungen sie genau gegen Herrn Renner durchgeführt haben und wie es dazu kam.“

„Dazu muss ich etwas weiter ausholen,“ begann Weber und atmete tief durch.

„Im August dieses Jahres habe ich von meinem Chef den Auftrag erhalten, eine Reihe von Strafanzeigen zu bearbeiten, die gegen Anton Lesniak erstattet worden waren. Ich habe zu der Zeit im Bereich Betrug gearbeitet und die Strafanzeigen waren alle wegen des Verdachts auf Warenbetrug erstattet worden. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte die Strafanzeigen zu einem Sammelverfahren zusammengefasst und einen Durchsuchungsbeschluss für die Werkstatt und die Wohnung von Herrn Lesniak ausgestellt.

Herr Lesniak betrieb damals einen Autohandel mit angeschlossener Werkstatt und dort sollte er auch manipulierte Pkw verkauft haben.

Die angezeigten Manipulationen bezogen sich auf verfälschte Tachostände, die nach unten korrigiert worden waren und auf verschwiegene Vorschäden oder sogar Totalschäden, indem die Fahrzeuge als unfallfrei verkauft wurden. Den Kunden fielen die Manipulationen häufig dadurch auf, dass die Pkw bereits nach kurzer Zeit in die Werkstatt mussten und dort die verschwiegenen Unfälle oder der tatsächliche Kilometerstand festgestellt werden konnten.

Da Herr Lesniak sich auf keinen Handel mit den Kunden einließ und alles abstritt, erstatteten die meisten Kunden eine Strafanzeige. Dazu muss man sagen, dass Herr Lesniak bereits früher wegen gleicher Delikte angezeigt und verurteilt worden war. Da die Beweise auch in diesem Verfahren eindeutig waren, hatte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchungsbeschlüsse ausgestellt. Die Beschlüsse wurden von mir und einigen Kollegen umgesetzt. Dabei wurden zahlreiche Unterlagen sichergestellt.

Nachdem ich diese durchgearbeitet hatte, wollte ich sie Herrn Lesniak zurückbringen. Ich bin dann mit meinem Kollegen Phil Anderson zur Werkstatt gefahren. Dort haben wir dann die Leiche von Herrn Lesniak gefunden.

Zur Ermittlung des Täters wurde eine Mordkommission gebildet, in welcher ich dann mitgearbeitet habe. Im Laufe der Ermittlungen ergab sich eine Verbindung zwischen dem Opfer und einem Andreas Simon. Herr Simon hat zum damaligen Zeitpunkt für Herrn Renner gearbeitet.

Durch weitere Ermittlungen konnte die Verbindung zwischen dem Opfer und Herrn Simon weiter bekräftigt werden. Doch bevor wir Herrn Simon mit dem Tatgeschehen direkt in Verbindung bringen konnten, verschwand er. Es gab zunächst Hinweise, dass Herr Simon sich mit seiner Freundin und deren Kindern nach Kalifornien absetzen wollte. Kurz darauf wurde Herr Simon tot aufgefunden.

Wir fanden heraus, dass seine Freundin die Ehefrau von Herrn Renners Mitarbeiter Urs Fischer war. Frau Fischer hielt sich zu der Zeit in der Ukraine bei ihren Eltern auf.

Dort wurde sie entführt und vermutlich ermordet. Ihre Leiche wurde bis heute nicht gefunden.

Frau Fischer musste mit so etwas gerechnet haben, denn sie hatte ihrer Mutter einen USB-Stick übergeben, den sie zuvor von Herrn Simon erhalten hatte. Sie hatte ihrer Mutter aufgetragen, sich mit mir in Verbindung zu setzen, falls ihr etwas zustoßen sollte. Dies tat ihre Mutter auch, nachdem Frau Fischer entführt worden war. Daraufhin bin ich mit dem Kollegen Laschek in die Ukraine gefahren, wo uns Frau Fischers Mutter den Stick übergab.

Auf dem Stick befanden sich die Unterlagen, aufgrund deren wir nachweisen konnten, dass Herr Renner und Herr Krüger einen Handel mit minderjährigen Flüchtlingen im großen Stil betrieben. Die Staatsanwaltschaft hat dann aufgrund der Beweise die Haftbefehle gegen Herrn Renner und Herrn Krüger ausgestellt.“

„Wie genau kam es zu dem Kontakt mit Frau Fischers Mutter?“, forschte Richter Gering nach.

„Sie hatte von Frau Fischer außer dem USB-Stick auch einen Zettel mit meinem Namen und meiner dienstlichen Rufnummer bekommen. Da sie kein deutsch spricht, wandte sie sich an einen Polizisten in Kiew, der aus dem Ort stammte, in dem sie wohnt. Sie erklärte ihm kurz, dass sie mit mir sprechen müsste und der Kollege, der gut deutsch spricht, rief für sie in Bielefeld an.

Da der Anruf am Wochenende erfolgte, konnte er mich nicht erreichen und wurde schließlich mit der Kriminalwache verbunden. Der Kollege dort notierte sich eine Rückrufnummer und rief mich auf meinem privaten Handy an. Ich rief dann wiederum den Kollegen in Kiew zurück und erfuhr so von dem Stick.“

„Was passierte dann?“, verlangte der Richter mehr Information.

„Ich habe dann meinen Chef und meinen Kollegen Laschek informiert und wir haben uns darauf verständigt, dass ich zusammen mit dem Kollegen Laschek in die Ukraine fahre, um den Stick zu holen.“

„Gut. Sie sind dann nach…“, Gering blätterte in seinen Akten, „nach Pisky gefahren und haben den Stick abgeholt. Was befand sich darauf?“

„Es waren zahlreiche Ordner mit Unterlagen zu den verschiedenen Geschäftsbereichen von Herrn Renner dort. Unter anderem ein Verzeichnis, das mit ,Meine Kinder‘ beschriftet war.“

Ein Raunen ging durch die Zuschauer.

„Was befand sich in dem Ordner?“, hakte Gering nach.

„In dem Ordner befand sich eine Excel-Liste mit 4 Spalten. In der ersten Spalte stand ein Datum, in der zweiten der Name eines Kindes oder Jugendlichen, in der dritten der Name des Käufers und in der letzten der Kaufpreis.“

Wieder ging ein Raunen durch den Saal und Richter Gering warf einen warnenden Blick in Richtung der Zuschauer.

„Allerdings waren die Namen der Kinder und Jugendlichen sowie der Käufer verschlüsselt“, fügte Weber hinzu, nachdem wieder Ruhe im Saal herrschte.

„Fünf Namen von Käufern waren aus irgendeinem Grund aber nicht verschlüsselt.“

„Wissen sie, warum?“, fragte Gering.

„Nein“, antwortete Weber.

„Aber unsere IT-Experten vermuten, dass das Verschlüsselungsprogramm einen Fehler hatte und deshalb nicht alle Namen verschlüsselt worden waren.“

„Wie viele Namen standen auf der Liste?“, setzte Gering die Befragung fort.

„Es waren 27 Namen, in einem Zeitraum von nur anderthalb Monaten.“

Der Vorsitzende machte eine kurze Pause, bevor er die nächste Frage stellte.

„Die Spalte mit den Kaufpreisen war nicht verschlüsselt.

Können sie uns etwas zu den Summen sagen, die dort eingetragen waren?“

Weber musste schlucken, bevor er die Frage beantworten konnte.

„Zwischen 15.000 € und 500.000 €.“

Ein bedrücktes Schweigen machte sich im Saal breit.

Weber konnte sich vorstellen, dass viele Besucher geschockt waren von dem, was sie bisher gehört hatten.

Und nun mussten sie erfahren, welchen Preis ein Kind oder Jugendlicher in Deutschland derzeit hatte. Er hatte selber lange gebraucht, um die Information zu verarbeiten, bevor er begriffen hatte, dass es einen Preis für ein Kinderleben gab. Klar hatte er schon vor den Ermittlungen von diesen Machenschaften gehört. Er lebte ja nicht hinter dem Mond. Der Fall Renner hatte ihm aber erst die wirklichen Abgründe aufgezeigt. Was mussten da die Zuschauer im Gerichtssaal denken, die von solchen Geschäften, wenn überhaupt, dann nur im Fernsehen gehört hatten. Jetzt hatten sie mit Renner einen Mann vor sich, der mit diesen Machenschaften viel Geld gescheffelt hatte.

Gering unterbrach schließlich das unangenehme Schweigen mit seiner nächsten Frage.

„Wie sind sie dann weiter vorgegangen?“

Weber erzählte kurz von den Vorbereitungen und der Durchführung der Verhaftungen. Als er geendet hatte, warf Richter Gering einem Blick auf die Uhr.

„Es ist jetzt kurz vor zwölf Uhr. Wir machen eine Pause bis 14 Uhr und fahren dann mit der Vernehmung des Zeugen fort.“

Da weder die Staatsanwaltschaft noch die Verteidigung einen Einwand hatten, wurde die Sitzung unterbrochen.

14 Uhr

„Erzählen sie uns nun von der Übergabe des USB-Sticks“, eröffnete Richter Gering den zweiten Teil der Sitzung.

Weber schilderte ausführlich, wie er mit Laschek nach Pisky gefahren war und erzählte von ihrem Treffen mit dem ukrainischen Kollegen und dem Besuch bei Frau Fischers Eltern. Bei alldem erwähnte er Nasti nicht.

Nastasia war eine Prostituierte, die aus der Ukraine stammte und in dem Bordell gearbeitet hatte, in dem Laschek damals gewohnt hatte. Sein Kollege hatte sie als Dolmetscherin mitgenommen, was Weber zuerst gar nicht gefallen, sich im Nachhinein aber als Glücksgriff erwiesen hatte. Martinas Eltern waren gegenüber den deutschen Polizisten nämlich anfangs misstrauisch gewesen und Nasti hatte das Eis brechen können.

Sie war auf der Rückfahrt bei einem Verkehrsunfall gestorben. Einem Unfall, bei dem auch Laschek und Weber hätten sterben sollten. Das Unglück war durch einen von Renners Leuten verursacht worden, da war sich der Kommissar sicher. Der Nachweis dieses Umstandes war ihnen aber leider nicht gelungen. Dieser Mann hatte auf Nasti geschossen und den Wagen von der Straße abgedrängt. Laschek und er hatten den Unfall wie durch ein Wunder unverletzt überstanden. Was Weber bei der Verhandlung ebenfalls nicht erwähnte, war, dass der Mann, der geschossen und sie von der Straße abgedrängt hatte, auch Laschek und ihn hatte erschießen wollen. Doch bevor er dazu gekommen war, war er von einem anderen beseitigt worden.

Mittlerweile wusste Weber, wer sie in dieser heiklen Situation gerettet hatte. Genau das war auch der Grund, warum er davon lieber nichts erwähnte, denn er wollte auf keinen Fall mit diesem Mann in Verbindung gebracht werden.

„Wir haben unsere Erkenntnisse per Mail nach Bielefeld gesandt und dort wurden dann aufgrund des umfangreichen Beweismaterials die Haftbefehle gegen Herrn Krüger und Herrn Renner ausgestellt.“

Richter Gering blätterte in der Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag.

„Außer dem bereits erwähnten Ordner mit dem Titel ,Kinder‘, gab es weitere auf dem USB-Stick?“

„Ja“, antwortete Weber.

„Wir haben noch einige andere Ordner dort gefunden.“

„Wie waren diese beschriftet und was befand sich in den Ordnern?“

„Ich kann mich nicht mehr an die Namen aller Ordner erinnern, aber einige waren mit ,Bordelle‘, ,Lieferungen‘ und ,Autohäuser‘ benannt. Was sich genau in diesen Ordnern befand, kann ich nicht sagen, da ich mit den Ermittlungen zu diesen Bereichen nichts zu tun hatte.

Aber ich habe bei einer ersten Durchsicht festgestellt, dass sich zum Beispiel in dem Ordner ,Lieferungen‘ Aufstellungen von Drogentransporten befanden.“

„Gut“, schloss Gering diesen Punkt.

„Dann sind sie nach Deutschland zurückgekehrt. Was passierte dann?“

„Die Haftbefehle gegen Herrn Krüger und Herrn Renner lagen bereits vor, als wir zurückkamen. Darüber hinaus gab es noch Haftbefehle gegen zwei weitere Personen, Herrn Fischer und Herrn Craig, die zu Herrn Renners Helfern gehörten.

Wir wurden dann für die Verhaftung der beiden Erstgenannten eingeteilt, während andere Kollegen versuchten, Herrn Fischer und Herrn Craig festzunehmen.

Da uns bekannt war, dass sich Herr Renner und Herr Krüger in einem Hotel in Rietberg aufhielten, trafen wir uns mit Kollegen aus Gütersloh und fuhren dann nach Rietberg.

Dort konnten wir Herrn Krüger und Herrn Renner antreffen, während sie augenscheinlich mit einem Kunden verhandelten. Der Kunde blätterte bei unserem Eintreffen in einem Katalog, in dem viele Kinder und Jugendliche auf Fotos zu erkennen waren.“

„Was für Fotos waren das?“, bohrte Gering nach.

„Das waren Nacktfotos“, antwortete Weber.

Wieder ging ein Raunen durch den Gerichtssaal. Der Vorsitzende ermahnte jedoch nicht zur Ruhe. Nachdem Stille eingekehrt war fuhr er fort: „Wie genau sahen diese Fotos aus und was stand sonst noch in dem Katalog?“

Weber musste einmal tief durchatmen, bevor er antworten konnte: „Von einem Kind oder Jugendlichen waren das Gesicht und die Genitalien zu sehen.“

Weber hörte entsetzte Aufschreie aus dem Publikum.

„Unter den Bildern der Kinder waren ihr Alter und der Preis aufgelistet.“

Erneute erschrockene Ausrufe im Saal.

„Wissen sie, wie viele Kinder und Jugendliche in dem Katalog abgebildet waren?“

„Soweit ich mich erinnere, waren es jeweils zehn Kinder und zehn Jugendliche. Sowohl Jungen als auch Mädchen.“

„Wie alt waren die Jungen und Mädchen?“

Wieder musste Weber eine kurze Pause einlegen.

„Von drei bis 16 Jahren.“

„Wie hoch waren die Kaufpreise?“

„Soweit ich mich erinnere von 25.000 € bis 500.000 €.“

Im Saal breitete sich ein bedrücktes Schweigen aus.

Selbst Richter Gering, der sicher schon einiges im Laufe seiner Arbeit gehört und gelesen hatte, schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr.

„Sie haben also erst von dem USB-Stick erfahren, als sie den Anruf aus der Ukraine erhielten?“

„Ja“, antwortete Weber.

„Herr Simon hatte ihnen zuvor nichts von dem Stick erzählt?“, fragte Gering skeptisch.

„Nein.“

„Hat man ihnen in der Ukraine erzählt, wie Marina Fischer in den Besitz des Sticks und der darauf gespeicherten Daten gelangt ist?“

„Nein“, musste Weber den Richter enttäuschen.

„Wir haben nur erfahren, dass Frau Fischer den Stick ihren Eltern gegeben hat, zusammen mit dem Zettel, auf dem meine Rufnummer stand. Die Eltern wussten nicht, woher die Daten stammten.“

„Sie konnten also nicht klären, wie Frau Fischer Zugriff auf die Daten erhalten hat?“, fragte Gering weiter nach.

„Nein“, antwortete Weber.

„Wir sind aber davon ausgegangen, dass Herr Simon ihr den Stick gegeben hat, bevor sie zu ihren Eltern in die Ukraine gefahren ist.

Aber wie Herr Simon an die Daten gekommen ist, konnten wir nicht klären“, kam Weber der nächsten Frage zuvor.

Gering nickte. Er schien einen Moment nachzudenken, bevor er weitersprach.

„Herr Weber, die Büroräume und das Haus von Herrn Renner sind im Anschluss an die Verhaftungen durchsucht worden. Ist dabei der PC oder Laptop aufgefunden worden, von dem die Daten stammen?“

„Nein,“ musste Weber eingestehen.

„Wir haben vermutet, dass Herr Renner die Daten selber auf einem USB-Stick oder ähnlichem gespeichert und Herr Simon diesen dann kopiert hat.“

„Wurden bei der Durchsuchung des Hauses von Herrn Krüger die entsprechenden Dateien gefunden?“, fragte Gering weiter nach Beweisen.

Weber musste wieder verneinen.

„Sie habe nach der Verhaftung von Herrn Renner und Herrn Krüger drei Personen festnehmen können, die Kunden bei Herrn Renner waren“, führte Gering die Befragung fort.

„Gewesen sein sollen“, schaltete sich Zellner zum ersten Mal ein.

„Bis jetzt ist es noch nicht bewiesen, dass Herr Renner tatsächlich diese Taten begangen hat.“

Gering nickte.

„Gut. Sie haben also drei Personen verhaftet, die Kunden bei Herrn Renner gewesen sein sollen. Hat einer dieser Männer zugegeben, Kunde bei Herrn Renner, oder auch bei Herrn Krüger, gewesen zu sein?“

„Nein“, antwortete Weber und schüttelte zugleich den Kopf.

„Die Männer haben gar keine Aussage gemacht.“

Der Kommissar warf einen Blick zu Zellner, da zwei der Tatverdächtigen von seiner Kanzlei vertreten wurden. Er war sich nicht sicher, ob dies rechtlich korrekt war und sich daraus nicht ein Interessenkonflikt ergab. Aber das war heute nicht entscheidend.

„Gilt das auch für die Person, die mit dem Beschuldigten zusammen in Rietberg festgenommen wurde?“

„Ja“, antwortete Weber.

Richter Gering schaute auf einen Zettel, der vor ihm auf dem Tisch lag. Anscheinend hatte er sich dort die Fragen notiert, die er dem Zeugen stellen wollte. Wie sich zeigte, hatte er alles abgearbeitet, denn er sagte: „Ich habe keine weiteren Fragen.“

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

„In Anbetracht der Uhrzeit würde ich vorschlagen, dass wir die Sitzung für heute beenden und morgen mit den Fragen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung weitermachen.“

Weber warf selber einen Blick auf seine Uhr und stellte mit Erschrecken fest, dass es bereits kurz nach 15:30 Uhr war. Da weder Zellner noch der Staatsanwalt Einwände hatten, wurde die Verhandlung beendet. Weber war froh, dass es zumindest für heute vorbei war. So lange hatte ihn noch nie ein Richter befragt. E hatte bis jetzt allerdings auch noch nie in einem Prozess ausgesagt, der ein solches Interesse in der Öffentlichkeit und den Medien ausgelöst hatte.

Er konnte sich gut vorstellen, dass es morgen genauso lange gehen würde. Zellner würde ihn ins Kreuzverhör nahm, wovor er schon seit Bekanntgabe des Verhandlungstermins Bammel hatte.

Der Anwalt war bekannt dafür, dass er ein hervorragender Konfliktverteidiger war, der nicht davor zurückschreckte, den Zeugen Fragen zu stellen, die unter die Gürtellinie gingen.

Und vor allem die Aussagen von Polzisten zu zerpflücken machte ihm einen Heidenspaß, wie Weber von anderen Kollegen gehört hatte. Als er den Gerichtssaal verließ, warteten davor zahlreiche Reporter mit Mikrofonen und Kameras, die ihm alle gleichzeitig Fragen zuriefen.

Der Kommissar ignorierte diese, so gut es ging und drängelte sich durch die Menge. Dabei rempelte er den einen oder anderen Journalisten, der ihm zu nahe kam, unsanft zur Seite. Er wollte nur weg von hier. Hinter seiner Stirn meldeten sich die ersten Anzeichen seiner Migräne. Als er an der Menge vorbei war, rannte er fast Richtung Ausgang und stürmte auf den Niederwall hinaus.

Doch vor dem Haupteingang des Amtsgerichts hatten sich jene Berichterstatter versammelt, die keinen Zutritt mehr zum Gebäude erhalten hatten. Das Medieninteresse an der Verhandlung war so groß gewesen, dass ausgelost worden war, wer Zugang zum Gericht erhielt. Weber war mittlerweile so genervt, dass er keine Rücksicht mehr auf die Journalisten nahm und sich seinen Weg durch das Gedränge freistieß. Dann rannte er tatsächlich den Niederwall hinunter und blieb erst vor dem Rathaus stehen. Fast befürchtete er, dass ihm die Reporter gefolgt waren, aber als er sich umsah entdeckte er keinen von ihnen. Weber stützte die Hände auf die Knie und atmete ein paar Mal tief durch, um seinen Herzschlag zu beruhigen. Er war schon lange nicht mehr so weit gerannt. Da er seit etwa einem halben Jahr kaum noch zum Rennradfahren kam, war seine Kondition nicht die Beste.

Nach fünf Minuten hatte sich sein Puls zwar verlangsamt, dafür waren seine Kopfschmerzen endgültig durchgebrochen. Er ging zu einem nahegelegenen Kiosk und kaufte sich eine Flasche Mineralwasser. Er drückte zwei Schmerztabletten, die er immer dabeihatte, aus der Packung und schluckte sie mit einem Schluck Wasser hinunter. Dann machte er sich auf den Weg zum Polizeipräsidium.

16:15 Uhr

„Wie lief es?“, fragte Carola Klein, die auf Weber gewartet hatte. Caro war die kommissarische Leiterin der Abteilung 1, nachdem deren eigentlicher Chef Oskar Schwarzbach einen Herzanfall erlitten und wegen seiner Reha immer noch krankgeschrieben war. Soweit Weber wusste, sollte er im nächsten Monat einen Arbeitsversuch starten. Allerdings war nicht geklärt, ob er auf seinen alten Platz zurückkehren, oder eine ruhigere Aufgabe übernehmen würde. Weber erzählte Caro ausführlich von der Verhandlung.

„Dann geht der Spießrutenlauf also erst morgen los?“,

stellte seine Chefin fest, nachdem er geendet hatte.

„Ich fürchte, ja. Ich bin auf das Schlimmste vorbereitet.“

„Wen haben wir als Prozessbeobachter dabei?“,

erkundigte sich Caro.

„Anderson“, sagte er.

„Dein alter Kumpel aus der Abteilung III?“

Er nickte. Der Kommissar hatte zusammen mit Phil Anderson lange Jahre Betrugs- und Fälschungsdelikte bearbeitet. Sie hatten sich nicht nur ein Büro geteilt, sondern waren auch gute Freunde geworden. Der Kollege war sogar der Pate seines jüngsten Sohnes Leon.

Nach der Verhaftung Renners hatte Weber zusammen mit einer Kollegin aus der Abteilung I an der Aufbereitung dessen illegaler Geschäfte gearbeitet.

Dabei hatten sich die beiden insbesondere um den Kinderhandel gekümmert. Es war ihnen gelungen, einige der Käufer aufzuspüren, zu verhaften und die Kinder und Jugendlichen zu befreien. Gleichzeitig hatte es in Bielefeld eine Mordserie gegeben, deren Opfer „Kunden“ bei Renner gewesen waren. Nach Abschluss des sogenannten Skalp-Falles, alle Opfer der Serie wurden skalpiert, waren die Ermittlungen vom LKA übernommen worden. Caro hatte ihm daraufhin angeboten, in der Abteilung I zu bleiben, da dort ein Sachbearbeiter in Pension gegangen war.

Laschek war als Täter der Skalp-Morde überführt und bei der Verhaftung durch Weber angeschossen worden.

Derzeit lag er in einer Bielefelder Klinik im Koma und die Ärzte hatten wenig Hoffnung, dass er daraus nochmal erwachen würde. Weber war schockiert gewesen, dass sein ehemaliger Partner der Täter war. Allerdings konnte er ihn tief in seinem Inneren auch verstehen.

Er hatte das Angebot angenommen und bearbeitete nun in der A1 Sexualdelikte.

„Hast du nach der Verhandlung heute mit ihm gesprochen?“, erkundigte sich Caro nach seinem ehemaligen Kollegen.

Weber schüttelte den Kopf.

„Aber heute lief ja auch alles ruhig. Ich habe vor ein paar Tagen mit Anderson gesprochen und er hat mich vor Zellner gewarnt. Der geht gerne auf Konfrontationskurs mit den Zeugen und das insbesondere bei Polizisten.“

„Aber dafür gibt es den Richter und den Staatsanwalt, die dann Eingreifen sollten.“

Weber nickte.

„Grundsätzlich ja, aber Gering ist dafür bekannt, dass er vieles durchgehen lässt, insbesondere, wenn es sich bei dem Zeugen um einen Polizeibeamten handelt.

Anscheinend ist er der Meinung, dass Polizisten mehr aushalten können als andere. Und der Staatsanwalt scheint mir noch ziemlich jung und unerfahren zu sein.

Dass von ihm viel Hilfe zu erwarten ist, bezweifle ich.“

„Ich verstehe nicht, warum sie den Fall nicht einem von den erfahrenen Staatsanwälten gegeben haben. Gerade bei so einem großen Fall, wo auch die Öffentlichkeit und die Medien genau draufschauen.“

Weber zuckte die Schultern.

„Das Verfahren ist in die allgemeine Abteilung gekommen und dort wird nach Buchstaben verteilt. Und somit war bei Renner eben Staatsanwalt Wollny an der Reihe. Hätte mir auch lieber Jaqueline Fähr im Prozess gewünscht.“

Die fähige Staatsanwältin hatte Weber während der Ermittlungen gegen Renner als ständige Ansprechpartnerin zur Verfügung gestanden. Mit ihr hatte er gut zusammengearbeitet und sie als taffe und kompetente Frau kennengelernt.

„Ist halt kein Wunschkonzert“, seufzte Weber.

„Wenn es zu arg wird, können wir immer noch durch Anderson Beschwerde einlegen“, beschwichtigte Caro.

Zu jedem größeren Prozess wurde von der Behörde ein Beamter abgestellt, der während der Verhandlungstage im Gerichtssaal anwesend war und aus Sicht der Polizei aufpasste, wie die Befragungen und die Beweisaufnahme verliefen.

„Ich werde dir morgen berichten“, wollte Weber das Gespräch kurzerhand beenden.

„Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, selber zur Verhandlung zu kommen“, entschuldigte sich Caro.

„Aber ich habe morgen Vormittag zwei Besprechungen, die ich weder verschieben noch absagen kann.“

Weber stand auf.

„Gehen wir noch was trinken?“, fragte Caro schnell, bevor er sich verabschieden konnte.

„Wir waren doch erst letzte Woche zusammen unterwegs“, antwortete er verdutzt.

„Außerdem muss ich nach Hause. Yuna hat heute Nachtdienst.“

Webers Frau arbeitete als Kinderkrankenschwester auf der Säuglingsstation der Kinderklinik in Osnabrück. Caro wirkte enttäuscht.

„Dann morgen“, schlug sie hoffnungsvoll vor.

„Auch Nachtdienst“, wich Weber aus.

„Übermorgen?“, ließ Caro nicht locker.

Er überlegte einen Moment.

„Mal schauen“, antwortete er dann diplomatisch.

„Sage dir morgen Bescheid.“

Der Kommissar verließ Caros Büro und ging direkt zu seinem Auto, um nach Hause zu fahren.

20:25 Uhr

Arne Greb hatte es sich mit einer Flasche Bier auf dem Sofa gemütlich gemacht und schaute sich eine Game-Show im Fernsehen an. Seine Frau war beim Sport und würde nicht vor 22 Uhr zu Hause sein. Greb nutzte die Zeit, um das Fernsehprogramm zu schauen, dass ihm gefiel, ohne dass seine Frau dauernd umschalten wollte.

Er liebte sie, aber bei der Auswahl der TV-Sender hatten sie absolut unterschiedliche Interessen.

Deshalb genoss er die Tage, an denen sie zum Sport ging. Er nahm gerade einen großen Schluck von seinem Bier, als sein Handy klingelte.

„Verdammt!“, schimpfte er, „Hat man denn hier nie seine Ruhe.“

Wütend griff er nach dem iPhone und schaute auf das Display. Der Anruf kam von seinem Bruder Andreas.

Arne ließ das Handy aufs Sofa fallen, als ob er sich die Hände daran verbrannt hätte.

„Was will der denn?“, fragte er laut ins leere Zimmer.

Er und sein Bruder hatten seit über einem Jahr nicht miteinander gesprochen. Genauer gesagt nicht mehr seit der Testamentseröffnung ihrer Mutter.

Andreas, der 5 Jahre älter war als Arne, hatte gehofft, dass er mehr erben würde als sein Bruder. Er hatte sich in den letzten Lebensjahren aufopfernd um ihre Mutter gekümmert. Arne hingegen hatte sich maximal einmal im Monat bei ihr sehen lassen.

Andreas hatte sie nicht in ein Heim bringen wollen und sie in ihrem Haus gepflegt. Er hatte während dieser Zeit sogar auf einen lukrativen Job im Ausland verzichtet, da Arne nicht bereit gewesen war, seinen Beitrag zu leisten.

Deshalb hatte es schon vor dem Tod der Mutter häufig Unstimmigkeiten zwischen ihnen gegeben. Als Andreas dann bei der Eröffnung des Testaments erfahren hatte, dass er zwar das Haus seiner Mutter geerbt hatte, von ihrem Barvermögen - fast 750.000 €- nur 50.000 € bekommen sollte, war er ausgeflippt.

Wütend hatte er dem Notar und Arne gedroht, das Testament anzufechten, da er seiner Meinung nach durch die ihm entstandenen finanziellen Einbußen während der Pflege ein Anrecht auf den größten Teil des Erbes hatte.

Sein Bruder hatte das Haus verkauft, da er über ein komfortables Eigenheim verfügte. Da er allein lebte, reichte ihm dieses auch völlig aus. Der Verkauf hatte ihm einen maximalen Erlös von 250.000 € eingebracht.

Damit hatte er noch immer weniger Geld als sein Bruder erhalten. Andreas hatte das Testament nicht angefochten, aber seit dem Tag kein Wort mehr mit Arne gesprochen und alle Kontaktversuche seinerseits abgeblockt.

Mittlerweile klingelte das Handy seit fast einer Minute.

Anscheinend hatte sein Bruder ein dringendes Gesprächsbedürfnis. Er trank noch einen Schluck Bier und gab sich dann einen Ruck. Er griff zu seinem Handy und nahm den Anruf an.

„Was willst du?“, fragte er unfreundlich.

Statt einer Antwort hörte er einen lauten Knall. Zuerst glaubte Arne, dass sich sein Bruder einen blöden Scherz mit ihm erlaubte, doch dann wurde ihm bewusst, woher er das Geräusch kannte. Es war ein Schuss.

Erschrocken rief er in den Hörer: „Andreas! Was ist passiert?“

Er erhielt keine Antwort.

„Melde dich doch!“

Anstelle einer Erwiderung wurde das Gespräch beendet.

Arne wählte sofort die Rufnummer seines Bruders und ließ es bis zum Ende durchklingeln. Andreas meldete sich nicht. Er versuchte es noch zweimal, mit demselben, unbefriedigenden Ergebnis. Danach rief er ihn auf dem Festnetz an und hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Mittlerweile war er sich nicht mehr sicher, ob es wirklich ein Schuss gewesen war. Es handelte sich wohl doch um einen Scherz seines Bruders. Er würde versuchen, ihn am nächsten Tag nochmal anzurufen. Ohne weiteres würde er den bescheuerten Spaß nicht auf sich beruhen lassen.

Der Mann griff nach dem auf dem Boden liegenden Handy und schaltete es aus und steckte es in seine Jackentasche. Er fühlte an der Halsschlagader nach dem Puls seines Opfers. Er fand keinen Pulsschlag.

Zufrieden mit dem Ergebnis richtete er sich auf und steckte seine Pistole in das Schulterholster. Dann zog er seine Einweghandschuhe aus und nahm die Sturmhaube ab. Dabei fuhr er sich automatisch über die lange Narbe, die vom linken Ohr bis zum Kinn verlief. Er warf einen letzten Blick auf die Leiche, bevor er durch den Wald zu seinem Auto zurückging.

„Nummer eins erledigt“, sagte er zufrieden und stieg ein.

Kapitel 3

Dienstag, 17.05.2016; 9:05 Uhr

„Herr Weber“, eröffnete Richter Gering die Verhandlung.

„Ich habe sie ja bereits gestern ausführlich über ihre Rechte und Pflichten als Zeuge belehrt. Deshalb verzichte ich heute auf eine erneute Belehrung und erinnere sie an dieser Stelle nur an meine gestrigen Ausführungen. Sind alle damit einverstanden?“

Gering sah dabei Renners Anwalt Zellner lange an, bevor dieser nickte. Staatsanwalt Wollny hatte ebenfalls keine Einwände.

„Gut. Hat die Staatsanwaltschaft Fragen an den Zeugen?“

„Nein“, antwortete Wollny.

„Herr Weber hat gestern ausgiebig geschildert, wie es zur Ermittlung gegen den Angeklagten gekommen ist.

Weitere Ausführungen dazu sind für uns nicht notwendig.“

Weber hatte damit gerechnet, dass Wollny ihm keine Fragen stellen würde. Nun war er gespannt, was ihn von Seiten Zellners erwartete. Der Kommissar war schon nervös gewesen, als er sich heute Morgen auf den Weg zum Gericht gemacht hatte. Seine Nervosität hatte sich gesteigert, als er sah, wie viele Reporter sich wieder vorm Amtsgericht und vor dem Saal versammelt hatten.

Einige Berichterstatter hatten ihn erkannt und waren direkt mit ihren Mikrofonen und Kameras zu ihm gekommen. Er hatte jeden Kommentar abgelehnt, war schnurstracks in den Gerichtssaal gegangen und hatte sich auf seinen Platz vor der Richterbank gesetzt.

Dort saß er nun auf einem Stuhl, vor sich einen Tisch mit einem Mikrofon. Rechts und links von ihm waren die Sitzplätze für die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung. Auf der rechten Seite saß Staatsanwalt Wollny, links von ihm Zellner und Renner. Hinter den beiden gab es eine weitere Sitzreihe, in der zwei Mitarbeiter aus der Kanzlei des Strafverteidigers saßen.

Sie hörten aufmerksam zu, was die Zeugen aussagten und reichten Zellner ab und zu einen Zettel. Hinter Weber waren die Plätze für die Besucher, welche heute wieder alle besetzt waren.

Im Saal waren keine Reporter mit Kameras zugelassen.

Diese mussten vor der Tür warten. Hinein durften lediglich 10 ausgewählte Journalisten. Wer reindurfte, war durch das Los entschieden worden.

Weber versuchte, die Anwesenheit der Besucher und Zuhörer so gut wie möglich auszublenden.

Als sich Gering an Zellner wandte, steigerte sich seine Nervosität nochmals. Wie er befürchtet hatte, meldete sich ein leichtes Pochen hinter seinem linken Auge, welches im Allgemeinen eine neue Migräneattacke ankündigte. Er griff automatisch an seine Hosentasche, in der er vier Schmerztabletten aufbewahrte.

Mist, dachte er, ich hätte schon vor der Verhandlung zwei nehmen sollen.

„Herr Zellner“, sagte der Richter.

„Ich denke, dass sie einige Fragen haben.“

Der Angesprochene lächelte und nickte.

„Auch wenn Herr Weber gestern sehr ausführlich ausgesagt hat, so habe ich tatsächlich noch einige, wenige Fragen.“

Weber war sich sicher, dass es nicht bei „einigen, wenigen Fragen“ bleiben würde.

Er wurde nicht enttäuscht.

Arne Greb steckte beunruhigt sein Smartphone in die Hosentasche. Er hatte heute schon vier Mal versucht, seinen Bruder anzurufen. Er hatte auf dessen Handy und Festnetzanschluss angerufen. Dabei hatte er zwei Nachrichten auf den Mailboxen hinterlassen. Aber weder hatte er Andreas erreicht, noch hatte dieser sich zurückgemeldet. Was war da los? Warum meldete er sich nicht? Er konnte doch nicht so stur sein, dass er trotz Arnes zahlreicher Anrufe und Nachrichten nicht wenigstens kurz antwortete. Und wenn es nur per SMS war, was er ihm angeboten hatte. Immerhin hatte er sich ja zuerst gemeldet.

Greb hatte seiner Frau nichts von dem Anruf seines Bruders und dem Geräusch, das er gehört hatte, erzählt.

Sie hätte nicht verstanden, warum er sich, nach allem, was in den letzten Jahren passiert war, mittlerweile Sorgen um seinen Bruder machte. Greb nahm sich vor, später bei ihm vorbeizufahren.

„Herr Weber“, begann Zellner.

„Sie haben uns ja gestern erklärt, wie sie in den Besitz des USB-Stick gekommen sind. Könnten sie ihre Ausführungen von gestern noch einmal kurz zusammenfassen, damit wir wieder ins Thema reinkommen?“

Weber tat, worum Zellner ihn gebeten hatte. Nachdem er geendet hatte, sagte der Anwalt.

„Und sie haben weder auf dem Laptop meines Mandanten noch auf dem PC oder Laptop von Herrn Krüger die entsprechenden Daten gefunden, die sich auf dem Stick befanden?“

„Das stimmt“, antwortete Weber.

„Also haben sie keine Ahnung, woher die Daten stammen und wie Herr Simon an diese gekommen ist?“

„Herr Zellner“, fuhr Wollny dazwischen.

„Das Ganze hat der Zeuge doch gestern schon ausführlich dargelegt. Das können wir uns doch heute sparen.“

„Herr Staatsanwalt“, antwortete der Verteidiger.

„Wie sie richtig sagen, hat der Zeuge Weber seine Aussage gestern gemacht. Mit meinen Fragen will ich nur erreichen, dass wir uns alle heute nochmal seine Antworten vergegenwärtigen.“

„Ok“, mischte sich Richter Gering vermittelnd ein.

„Aber jetzt sollten wir auf dem aktuellen Stand der Aussage von Herrn Weber sein. Also fahren sie bitte fort.“

„Herr Weber“, fuhr Zellner fort.

„Haben sie auch überprüft, ob sich die Daten auf dem PC oder Laptop von Herrn Simon befanden?“

„Nein“, antwortete Weber zögernd.

Zellner zog eine Augenbraue hoch.

„Warum nicht?“, fragte er gespielt überrascht.

Der Ermittler überlegte einen Moment.

„Natürlich ist der Laptop von Herrn Simon auch ausgewertet worden“, sagte er dann.

„Wir wollten feststellen, ob sich darauf möglicherweise der Code für die Entschlüsselung der Listen befand.“

„Und?“, hakte der Anwalt nach.

„Und was?“, fragte Weber eine Spur zu gereizt zurück.

Zellner seufzte, als hielte er den Zeugen für begriffsstutzig.

„Haben sie den Code gefunden?“

„Natürlich nicht“, sagte Weber.

„Sonst hätten wir die Listen ja entsperren können.“

„Also ist nicht gezielt danach geschaut worden, ob sich die gleichen Daten wie auf dem USB-Stick auch auf dem Laptop von Herrn Simon befanden?“, bohrte Zellner weiter.

„Nein“, sagte Weber erneut.

Der Anwalt stützte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und beugte sich nach vorne.

„Demnach wäre es durchaus möglich, dass die Daten vom Laptop von Herrn Simon stammen?“

„Ich denke, den Kollegen wäre es aufgefallen, wenn dort die gleichen Daten vorhanden gewesen wären“, hielt er dagegen.

Zellner lächelte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Weber wusste, dass er etwas gesagt hatte, das dem Verteidiger in die Karten spielte.

Er nahm zwei Blätter aus dem Ordner, der vor ihm lag und wedelte damit dramatisch in der Luft herum.

„Ich habe hier die Auswerteberichte des USB-Stick und des Laptops von Herrn Simon. Demnach wurde der Stick von einem Mitarbeiter des PP Bielefeld ausgewertet, während der Laptop zur Auswertung zum LKA nach Düsseldorf geschickt wurde.“

Er machte eine Pause.

„Glauben sie wirklich, dass ihrem Kollegen beim LKA die Auswertung ihres Kollegen aus Bielefeld vorlag?“

Weber wusste nicht, was er darauf antworten sollte, deshalb sagte er wahrheitsgemäß: „Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.“

Zellner nahm ein anderes Blatt aus dem Ordner.

„Ich habe hier auch den Auftrag für die Auswertung, der mit dem Laptop zum LKA geschickt wurde. Daraus geht hervor, dass dieser ganz allgemein ausgewertet werden sollte. Es gab also keinen speziellen Auftrag, nach den Daten vom Stick zu suchen.“

„Worauf wollen sie hinaus?“, meldete sich Wollny erneut.

Zellner sah von Weber zu ihm hinüber.

„Ich will darauf hinaus, dass Herr Simon die Daten selber auf seinem Laptop erstellt, verschlüsselt und dann auf den USB-Stick überspielt hat. Die Daten stammen gar nicht von meinem Mandanten. Herr Simon wollte Herrn Renner belasten, um von sich selber, oder von Herrn Krüger abzulenken.“

„Wollen sie damit andeuten, dass Simon für den Kinderhandel verantwortlich war?“, fragte Gering.

„Ich will nichts andeuten, ich bin fest davon überzeugt.

Mehr noch. Ich gehe davon aus, dass Herr Simon und Herr Krüger zusammen das Geschäft aufgebaut haben.

Mein Mandant hatte nichts damit zu tun. Die Beweise gegen ihn wurden durch Herrn Simon gefälscht.“

Ein Raunen ging durch den Saal.

„Können sie ihre Behauptungen beweisen?“, fragte der Richter nach.

„Wir sind nicht dafür da, Beweismaterial gegen eine andere Person zu beschaffen.“

Zellner sah den Zeugen an.

„Das wäre die Aufgabe der Polizei gewesen. Aber wie es aussieht, wurde hier schlampig gearbeitet. Für Herrn Weber und seine Kollegen war es von Anfang an klar, dass die Daten vom Rechner meines Mandanten stammen. Sie haben sich erst gar nicht die Mühe gemacht, nach einer anderen Erklärung zu suchen.

Zudem werde ich weiter aufzeigen, welche Methoden die Polizei anwandte, um an Aussagen von Zeugen zu kommen.“

Weber bekam ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend und hinter seiner Stirn begann es wie wild zu pochen als er versuchte, das Vorgehen der Polizei zu erklären.

„Es gab für uns keine Notwendigkeit daran zu zweifeln, dass die Daten von Herrn Renner stammten. Er wurde verhaftet, als er dabei war, ein Geschäft mit einem Kunden abzuschließen.“

„Aber Herr Krüger war auch dabei“, warf Zellner ein.

„Und was sagen sie zur Anwesenheit ihres Mandanten bei dem Geschäft?“, mischte sich der Staatsanwalt ein.

Die Verhandlung nahm einen ungewöhnlichen Verlauf.

Von einer normalen Zeugenvernehmung konnte keine Rede mehr sein. Aber anscheinend gefiel es Richter Gering, denn er unternahm nichts, um die Diskussion zu unterbrechen.

„Wir streiten ja gar nicht ab, dass Herr Renner von den Geschäften wusste“, lenkte Zellner ein.

„Aber wir streiten ab, dass mein Mandant daran beteiligt war, geschweige denn dafür verantwortlich.

Das er in dem Hotel angetroffen wurde, war ein Zufall.

Mein Mandant wurde von Herrn Krüger dorthin eingeladen. Er wusste nicht, was Herr Krüger dort vorhatte.“

„Sie wollen somit alles auf zwei Personen abwälzen, die sich nicht verteidigen können, da sie passender Weise tot sind?“, unterstellte Wollny.

„Wir wollen gar nichts abwälzen“, antwortete Zellner.

„Wir wollen nachweisen, dass mein Mandant nichts mit dem Kinderhandel zu tun hatte und dass Herr Krüger und Herr Simon dafür verantwortlich waren. Und dass die beiden Personen verstorben sind, dafür können wir ja nichts.“

„Beide wurden glücklicherweise für sie ermordet“, sagte der Staatsanwalt ironisch.

„Wollen sie damit andeuten“, begann Zellner, als Gering sich doch einmischte.

„Meine Herren!“, meldete er sich mit lauter und autoritärer Stimme zu Wort.

„Das reicht jetzt. Lassen sie uns zur Vernehmung des Zeugen zurückkommen. Wir sind hier nicht im Zirkus.“

Gering sah Zellner und Wollny an, die zustimmend nickten.

„Ich schlage vor, dass wir die Sitzung für zwei Stunden unterbrechen, damit sich die Gemüter wieder beruhigen können.“

Gering sah auf seine Armbanduhr.

„Wir treffen uns um 13 Uhr wieder.“

Da Weber keine Lust hatte, die Pause im Gericht zu verbringen, fuhr er mit seinem Auto zum Präsidium. Er hatte gerade den Flur betreten, auf dem sich die A1 befand, als ihm auch schon Caro entgegenkam.

„Brett“, sprach sie ihn mit seinem Spitznamen an.

Den hatte er erhalten, da er ein großer Fan der Football-Mannschaft der Green Bay Packers war und Brett Favre war ein legendärer Quarterback, der für dieses Team gespielt hatte.